Vom 22.-23.02.08 fand in Dortmund der 1. Antifaschistische Jugendkongress statt. Wir nahmen an dem vom Dortmunder Jugendring, Arbeitsstelle Jugend und Demokratie und Bündnis Dortmund gegen Rechts organisierten Kongress im Fritz-Henßler-Haus teil. In der Einladung heisst es:
"Dortmund hat sich zu einem wichtigen Netzknoten der Neonaziszene entwickelt. Die Neonazis proklamieren anmaßend "Dortmund ist unsere Stadt". Jedoch ist Dortmund eine Stadt mit langer antifaschistischer Tradition. Auch heute gibt es zahlreiche Gruppen und Initiativen, die sich engagieren. Der 1. Antifa-Jugendkongress für Dortmund soll möglichst alle relevanten Gruppen und Organisationen an einen Tisch holen, um Strategien für den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus zu entwickeln und Aktionen besser zu koordinieren. Diese Einladung richtet sich an alle interessierten jungen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wollen. Der Kongress soll einer Bestandsaufnahme und der gemeinsamen Entwicklung von konkreten Perspektiven dienen."
Freitag, 22.02.08
Ein Vertreter der Stadt Dortmund hielt das Grusswort und sprach von Dringlichkeit und Realität der braunen Gefahr in der Stadt. Anschliessend referierte am Freitagabend ein Vertreter der Arbeitsstelle Neonazismus von der Fachhochschule Düsseldorf. Dieser klärte über die rechten Strukturen auf und fasste die nationalistische Bewegung in den letzten Jahrzehnten zusammen. Er unterschied dabei nach Parteistruktur (DVU, REP, NPD, PRO NRW) und nannte zu jeder rechten Partei kurz Geschichte und Führer. Dabei ging er intensiv auf PRO NRW, den Ursprung aus PRO Köln und die braune "APO" ein.
Der Vortragende führte in seinem Impulsreferat aus, wie sich in den 90ern Untergrundstrukturen nach den Parteiverboten entwickelten, welche die Basis für heutige Strukuren schufen. Danach streifte er noch kurz die Konfliktfelder, welche seiner Meinung nach die Hauptgefahr sind: Zuerst die Islamismusdebatte sowie die Übernahme von linker Symbolik. Um diese Übernahme zu zeigen, zeigte der Vortragende Demobilder sowie Spruchbänder. Er ging dabei auf den Flügel der parteikritischen "Autonomen Nationalisten" ein. Ausserdem erwähnte er den "Deutschlandpakt" und das "Volksfrontbündnis" zwischen NPD, DVU und bekennenden Nazis. Zum Abschluss wurde ein Nazifilm der Faschogruppe "Nationaler Widerstand Dortmund" gezeigt, wobei klar wurde, dass die "Autonomen Nationalisten" sich gerne bei Lifestyle, Dresscodes und linken Subkulturen bedienen, um ihre eigene vermeintliche Attraktivität zu erhöhen.
In der anschliessenden Gesprächsrunde ging es um den mittlerweile geschlossenen Donnerschlag, andere rechte Läden und Szenetreffpunkte, braune Gewalt und eine Widerlegung des angeblichen Antikapitalismus der Nazis.
Samstag, 23.02.08
Stehcafe und lecker Mittagessen sorgten für das körperliche Wohl. Der Samstag wurde mit einem Vortrag zum Begriff des Faschismus eröffnet. Die von der stalinistischen KPD verbreitete Faschismusanalyse wurde als unzureichend und falsch kritisiert. Der antifaschistische Referent warnte vor einem inflationären Gebrauch des Wortes Faschismus. Er zeigte Grundzüge auf, die den historischen Faschismus prägten:
- Opfermythos
- Feindbildorientierung
- Prunkansprachen sowie Prunkparaden
- Jugendorientierung
Mithilfe verschiedener Arbeitsgruppen beschäftigten wir uns intensiver mit bestimmten Teilaspekten.
AG Lifestyle
Zuerst wurden Symbole und ihre Bedeutung vorgestellt. "Autonome Nationalisten" zeichnen sich dadurch aus, dass sie andere Musikrichtungen wie Gothic und Metal, autonomen Kleidungsstil, Palitücher, Che Guevara Bilder und rote Fahnen übernehmen, um andere Zielgruppen zu erreichen. Jugendlichen soll von den Nazi-Kadern durch moderne Themen, Grillpartys, Tierrechte, Antiglobalisierung, Demotourismus und Rechtsrock-Konzerte Gemeinschaftsgefühl und eine scheinbar Rebellion gegen das System vorgegaukelt werden. Die menschenverachtende rassistische NS-Ideologie bleibt allerdings im Kern bestehen.
Aktionsformen
Die Arbeitsgruppe "Alternative, innovative, neue Aktionsformen gegen Nazis" fasste mögliche antifaschistische Aktionsformen zusammen. Als positives Beispiel wurde eine direkte Aktion im Sauerland erwähnt, wo Antifas am 20.02.08 Nazi-Propaganda auf einer Schulhofwand übermalten.
Vom Gedenken zum Handeln
Der Workshop "Vom Gedenken zum Handeln - wie kann Gedenkkultur weiterentwickelt werden" wurde genutzt, um die Steinwache zu besuchen.
Nazi-Propagandaaktion vor der Reinoldikirche
Die Arbeitsgruppe "Was ist Faschismus eigentlich? Eine Annäherung" hätte mittags in der Dortmunder Innenstadt ein praktisches Anschauungsbeispiel haben können: Dort verteilte der "Nationale Widerstand Dortmund" Flugblätter vor der Reinoldikirche. Das Flugblatt begann mit folgenden Worten:
"Ihr habt doch sicher schon mal von sogenannten Neonazis gehört. Ihr haltet ein Flugblatt von ihnen in der Hand."
Dieses Flugblatt, welches auch schon vor dem Helene-Lange-Gymnasium verteilt wurde, blieb nicht unbeantwortet: Antifas bescherten den "Autonomen Nationalisten" Rempeleien und eine kleine Verfolgungsjagd - bis eine halbe Hundertschaft Polizei auftauchte, die aufgrund eines Fussballspiels sowieso in Dortmund war. Ein Vertreter des Dortmunder Staatsschutzes sagte, das gegen die Flugblattverteilaktion nichts getan werden könne, da das braune Flugi, in dem es sozialdemagogisch auch um Globalisierung und die soziale Frage ging, strafrechtlich nicht relevant sei. Der Schuss ging für die Nazis nach hinten los: Als Reaktion auf die braune Flugblattaktion bewerben sich die Schüler des Helene Lange Gymnasiums um den Titel "Schule ohne Rassismus". Ausserdem wird an der Schule, die die Faschos mit ihrem geistigen Unrat heimsuchten, die Antifa Ausstellung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der AntifaschistInnen - ergänzt durch lokale Schautafeln des Bündnis Dortmund gegen Rechts gezeigt. Ein Vertreter der Schülervertretung meint: "Bisher waren viele Schüler der Meinung, dass sie mit dem Thema nichts zu tun haben. Für sie war das ganz weit weg. Seit der Flugblattaktion und dem Angriff der Neonazis wissen sie, dass jeder Schüler persönlich davon betroffen ist."
Infomaterial, Filme und Ausstellungen
Im Rahmen des Marktes der Möglichkeiten haben sich Antifa-Gruppen vorgestellt und auf zahlreichen Infoständen lagen antifaschistische Zeitschriften, Bücher und Flugblätter aus, wovon etliches für das Schwarze Katze Archiv erworben wurde. Diese Materialien können SchülerInnen aus dem Sauerland nun für Referate ausleihen. In einem Kinosaal konnten sich die jungen TeilnehmerInnen des Antifa Jugendkongresses Filme über die Naziszene ansehen: "Der Feind im Haus", "Lauter nette Leute" und "Nebenan der braune Sumpf". Drei Antifa-Ausstellungen konnten in den Pausen angeschaut werden: Die VVN-BdA zeigte ihre Ausstellung Neofaschismus in Deutschland, das Bündnis Dortmund gegen Rechts "Die rechte Szene in Dortmund" und Die Falken Dortmund-Nette "Nazis in Dortmund".
Rechte Gewalt in Dortmund
In dem Workshop "Netzwerkstrukturen der Dortmunder Naziszene" geht es um rechte Gewalttaten. Am 28.03.05 wird der Punk Schmuddel von einem 17jährigen Nazi in Dortmund erstochen. Intensiv wurde auf Dortmunder Nazistrukturen und ihre Anführer eingegangen. Diese versuchen sich als angebliche "Antikriegsbewegung" zu profilieren. Was natürlich beim Betrachten der Geschichte lachhaft ist. Siegfried Borchardt, auch als "SS-Siggi" von der Borussenfront bekannt, sprach auf der Dortmunder Nazi-Demo am 03.09.05 Klartext: "Nie wieder Krieg nach unserem Sieg. Jedem Volk seine Nation, sein Reich. Da dem auserwählten aller Völker, nach eigenem bekunden, das Himmelreich gehört, brauchen wir uns darüber auch keinen Kopf zu machen."
Durch Dortmund-Aplerbeck marschierten am 03.02.06 unter dem Motto "Kapitalismus bekämpfen - Für einen sozialistischen Nationalismus" 70 Nazis. Aber es gibt auch positives zu vermelden: Am 01.09.06 fand in Dortmund unter dem Motto "Gegen Krieg und Herrschaft - Für ein freies und selbstbestimmtes Leben!" eine antinationale Demo gegen den braunen Spuk statt.
Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren!
Etliche Fascho-Angriffe mit Pflastersteinen, Springerstiefeltritten, Messer- und und Tränengaseinsatz auf alternative Treffpunkte und deren BesucherInnen bedeuten, dass der Neonazi-Szene klare Schranken gesetzt werden müssen. Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren! Am 17.11.07 griffen 30 Neonazis mit dem Ruf "Scheiß Türken - Scheiß Ausländer"- und unter Zuhilfenahme von Schlagstöcken, Pflastersteinen und einer Schusswaffe eine vorwiegend von Menschen ohne deutschen Pass besuchte Dortmunder Gastätte in der westlichen Innenstadt an. Die Polizei hatte danach nichts besseres zu tun als fünf Antifas festzunehmen.
Positives Fazit
Der Antifa Jugendkongress schloss mit Überlegungen, wie künftig auf die braune Gefahr reagiert werden kann. Insgesamt ein interessantes Wochenende, wo wir bekannte Gesichter sahen, neue Kontakte herstellten und uns intensiv mit der Dortmunder Neonaziszene beschäftigten. Neben Filmen, Ausstellungen, Infoständen, Workshops und Referaten bestand die Möglichkeit zur Vernetzung und des gegenseitigen Kennenlernens, um für spätere gemeinsame Aktionen die neuen Kontakte zu nutzen. Wir können ein positives Fazit ziehen.
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