Erfahrungsbericht und Fazit zur Antira Demo vom The Voice, 08.02.01 in Iserlohn
Die Flüchtlingsorganisation The Voice hatte am 08.02.01 in Iserlohn eine Demonstration für die Rechte der Flüchtlinge veranstaltet. Hierzu ein Bericht von einem Schwarze Katze Aktivisten, der sich an der Demo beteiligt hat:
1. Donnerstag mittag, 14 Uhr. Es dauerte, bis die Gruppe der DemonstrantInnen am Bahnhof größer wurde - obgleich die Anzahl bescheiden blieb. Neben den MigrantInnen u. AktivistInnen von The Voice waren Leute aus Schwerte, Dortmund, Iserlohn (Friedensplenum und BGR), Menden und Hemer da. Einfallslos waren die viel zu wenigen nicht: einige TeilnehmerInnen hatten einen grünen Transporter aus Pappe gebaut, auf welchem der Slogan "Stop Deportation!" prangte und welcher später von vier Menschen getragen wurde. Ein Plakat, auf dem gefesselte Füße zu sehen waren, forderte "Bewegungsfreiheit auch für Flüchtlinge", womit auf die sogenannte Residenzpflicht für MigrantInnen angespielt wurde. Zwei andere Plakate mit den Aufschriften "12 qm für einen deutschen Schäferhund" und "4 qm für einen Flüchtling" brachten die Entwürdigung zum Ausdruck, welche MigrantInnen in der BRD widerfährt. Nach einer kurzen Anrede vom Anmelder, der die Teilnehmer auforderte, ihren Protest friedlich auszudrücken, setzte sich der Demozug aus ca. 50-70 (bin mir da echt nicht sicher) Leuten in Bewegung, begleitet von Bob Marley, Trommeln und anderen Rhythmusinstrumenten.
In der Fußgängerzone, die wir bald erreichten, spaltete sich die Menge der Unbeteiligten in jene, die die Demo ignorierten und die, welche stehen blieben und interessiert zusahen. Während dessen wurden zwei Flugis verteilt: eines von "The Voice" selbst, dass über Hintergründe des Protestes aufklärt und eines von der Schwarzen Katze (das ich verbrochen hatte...), wo es darum geht, Rassismus zu entlarven. Bis auf wenige Ausnahmen wurden beide Flugis von den Menschen auch angenommen. Fast am Ende pöbelte ein älterer Herr einen farbigen Demonstranten an, der sich jedoch nicht provozieren ließ. Was der Bösewicht von sich gegeben hat, habe ich nicht hören können.
Die erste Station war die Kreisausländerbehörde (KAB). Wohl aufgeweckt durch Musik und Lärm des Demozuges, standen die Angestellten der KAB an den Fenstern und lugten nach draußen. In seiner Rede erinnerte ein Flüchtling die Mitarbeiter und insbesondere den Leiter der KAB daran, dass Flüchtlinge Menschen sind und wie Menschen behandelt gehören. Sie sollten damit aufhören, rassistische Gesetze auszuführen. Am Ende wurde ein Brief mit einer Erklärung von The Voice in den Briefkasten der KAB geworfen. Ach so, die Polizei ganz in der Nähe hat auch so was bekommen.
Nun ging's weiter in Richtung Innenstadt, wo wir uns mit Dagmar Freitag von der SPD "treffen" wollten. Als dann Chöre angestimmt wurden, hellte sich die gesamte Demo auf, die trotz der wenigen Teilnehmer erstaunlich viel Stimmung machte. "Listen to the voice of the refugees: let my people go." oder "Hoch die Internationale Solidarität." Vor dem Büro der SPD-Abgeordneten angekommen mußten wir betrübt feststellen, dass Dagmar Freitag ihre Verabredung wohl vergessen hatte. Ein Alkoholiker in der Nähe meinte, die da (gemeint sind die Farbigen) sollen froh sein, hier zu sein, zuhause würde es denen viel mieser gehen. So viel zum Thema Rassismus...
Vor dem Rathaus stoppten wir erneut, und hier sollte auch ein Gespräch mit den Oberen Iserlohns stattfinden. Es folgten mehrere Redebeiträge von "The Voice" und einer von den Grünen Iserlohn. Im Kern ging es darum: weg mit den rassistischen Ausländergesetzen, die Flüchtlinge zu Menschen zweiter Klasse degradieren. Sie wollen sich frei bewegen und frei wählen, wo und was sie kaufen. Und solange es Residenzpflicht oder wie in Balve Gutscheine für Flüchtlinge gibt, ist dies nicht möglich. Dabei wurde auch die Polizei dafür angeklagt, die rassistischen Gesetze auszuführen. Der Bürgermeister, der sich irgendwann doch raus bequemte wurde angeklagt, emotionslos und inhuman zu sein.
2. Diese Demo war richtig zu diesem Zeitpunkt: durch den "Aufstand der Anständigen" ist der Blick der Menschen wohl nicht ganz zufällig auf die Neonazis gerichtet worden, welche als Projektionsfläche dienen: Ausländerfeindlichkeit wird nur allein den Neonazis zugeschrieben. Und deshalb war es gut zu thematisieren, dass Rassismus kein Problem von wenigen rechten Typen ist, sondern dass wir in rassistischen, gesamtgesellschaftlichen Strukturen leben, dass es ebenso Rassismus ist, wenn der deutsche Staat Menschen abschiebt. Ein antirassistischer Ansatz ist viel mehr als rechte Aufmärsche verhindern.
Und ebenso richtig finde ich, dass diese Demo von Flüchtlingen selbst organisiert und getragen wurde und sie selbst sagen, was sie wollen. Die MigrantInnen, die ich auf der Demo erlebt haben, waren keine armen Opfer, sondern selbstbestimmt Handelnde. Ihre Freiheit können sie sich nur selbst erkämpfen - alles andere wäre Stellvertreterpolitik, die vorgibt, für Flüchtlinge einzutreten: Wie wollen "wir" mit deutschem Pass, die wir privilegiert sind, für Flüchtlinge sprechen, wo wir doch gar nicht in deren Lebenswirklichkeit stecken? Damit ist nicht gemeint, dass Nicht-Flüchtlinge sich nicht mit MigrantInnen solidarisieren sollten... nur sollte es ein Miteinander sein. Flüchtlinge, lasst euch nicht auf eine Opferolle festnageln!
Schade fand ich die geringe Beteiligung - Ausdruck dessen, wie marginalisiert ernsthafter Antirassismus ist. Zum einen ist da eine Frage, die sicher kein "Vorwurf" an die OrganisatorInnen ist: Hätte die Mobilisierung besser sein können (ich habe kein einziges Plakat gesehen)? Aber angesichts der massenhaften Teilnehmerzahl in Hagen und bei den letzen Antifa-Gegendemos kann bei mir viel eher der Eindruck entstehen: Antira Demos sind nicht spannend genug, weil keine Action in Aussicht ist. Wenn der einzige Antrieb der ist, Action zu erleben und es kein Stück um Inhalte geht, wäre das sehr traurig.
Das sich keine der "demokratischen" Gruppen oder Schulklassen, die so fleißig gegen Rechts demonstrieren, auf einer Antira Demo blicken lassen finde ich eindeutig: Um das Image der BRD im Ausland zu wahren wird massenhaft gegen neonazististische Aufmärsche protestiert, so wie Schröder und Co. es von oben fordern und vorgeben. Doch wenn's um grundsätzliche Kritik an den unerträglichen Zuständen hier geht, ist Schluss für sie. Abgeschoben soll weiter werden.
Schwarze Katze
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