Antifa Demo Menden 09.11.02
Schwarze Katze Radiosendung

Schwarze Katze: Heute Abend geht es um ein ernstes Thema, nämlich rechte Gewalt in Menden. Deswegen gab es In Menden auch eine antifaschistische Demonstration und über diese Demonstration werden wir von der Schwarzen Katze heute Abend berichten. Wir haben einigen Demonstrationsteilnehmer/innen Fragen gestellt:

Was sind Ihre Gründe, an dieser Demonstration teilzunehmen?
Ich habe einfach Angst, abends auf die Straße zu gehen, wenn es dunkel ist und deswegen bin ich heute hier.

Wenn Sie Angst haben, auf die Straße zu gehen, kommen Sie ja irgendwo den Rechten ins Gehege, oder?
Ja, das könnte möglich sein.

Sprechen Sie in den Schulen darüber?
Eher selten, aber es sollte mal öfter getan werden.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
Also, wenn ich bedenke, wie es heute schon ist, dass überall irgendwelche Leute verschleppt werden, habe ich Angst - vor allem, wenn ich später mal Kinder habe, dass die dann auch in so einer Welt leben müssen.

Bilder der Mendener Kundgebung gegen Nazis
Kundgebung am 09.11.02 in Menden

Kundgebung am 09.11.02 in Menden

Wie kommt es denn, dass so viele Leute entführt werden? Auf was führen Sie das zurück?
Ich weiß nicht warum, die Gesellschaft hat sich einfach so entwickelt und es hat sicherlich auch damit zu tun, dass alle Leute sagen "Es geht mich nichts an, ich kenne keine Leute, denen das passiert ist." und so wollen nicht alle was dagegen unternehmen.

Haben Sie den Eindruck, dass die Jugend von der politischen Realität etwas weiter Abstand genommen hat?
Ja, auf jeden Fall. Also ich habe so gut wie gar keine Ahnung von Politik und das muß sich eigentlich mal ändern. In den Schulen wird das auch nicht mehr so unterrichtet, dass man wirklich weiß "der und der ist jetzt das und das", sondern es wird einfach vorausgesetzt, dass man dieses Wissen von außerhalb mitbringt.

Sind die Lehrer nicht mehr dementsprechend engagiert?
Nicht unbedingt.

Vermissen Sie das?
Ja, ein bisschen.

Wie ist das bei Ihnen? (andere Jugendliche)
Ja, ich denke auch, dass sie öfter darüber unterrichten sollten, die Jugend interessiert sich gar nicht mehr dafür.

Und die Lehrer?
Wenn die Lehrer es überhaupt ansprechen... Also ich kenne es von zuhause her: Man hört was dazu, und dann kommt meine Schwester und sagt "Haben sie in der Schule nicht gesagt" und dann ist ihnen das auch egal, dann können sich die Eltern auch den Mund fusselig reden.

Und das vermissen Sie?
Ja. Die Kleineren - etwa 12-13 - also ein/zwei Jahre jünger als ich - können die Gefahr noch nicht einschätzen.

Michel Chossudovsky, ein kanadischer Professor, betrachtet die Welt nach ihren Umweltbedingungen, nach der Brutalität. Er kommt zu dem Schluß, dass die Gier der Menschen zugenommen hat und weniger abgegeben wird und dass die Armen immer größere Bataillone zur Verfügung stellen, und die Reichen immer weniger, aber immer reicher werden. Teilen Sei diese Ansicht?
Ja, so ist es.

Teilen Sie das auch? (andere Gesprächspartnerin)
Ja, auf jeden Fall, die sozial Schwächeren haben dann mehr den Hang zum Rechten hin; weil es einfacher ist, wenn sie sich an irgendwas halten können. Wenn die Regierung nichts dagegen tut, dann entgleitet denen das.

Danke für das Gespräch.

Bitteschön.

Eine Rede, die auf der Demonstration am 09.11.02 in Menden gehalten wurde:

Pressemitteilung der DPA, 13. Mai 2002:
In den ersten drei Monaten des Jahres haben die Behörden in Deutschland 127 Fälle antisemitischer Übergriffe und Hetze registriert.

Lüdenscheid, 30. Juni:
Eine Gruppe von ca. 15 Männern, unter ihnen Mitglieder der NPD, attackieren auf dem Sternplatz mehrere ausländische MitbürgerInnen. Ein Betroffener muß mit einer offenen Kopfverletzung im Krankenhaus behandelt werden.

Sulzbach im Saarland, 10. August:
Auf einem Fest wird der junge Türke Ahmed S. von einem rechtsradikalen Skinhead erstochen. Als Tatmotiv nennt die Staatsanwaltschaft "Ausländerhass".

Hildesheim, 31. August:
Eine Gruppe von vier Tamilen wird auf einem Schützenfest von Skinheads umzingelt, beschimpft und angepöbelt. Die Flüchtlinge fliehen in ihre Unterkunft, werden jedoch von der Gruppe verfolgt und mehrfach geschlagen. Ein Flüchtling erleidet eine Verletzung am Arm, ein zweiter eine Platzwunde am Hinterkopf, die im Krankenhaus genäht werden muß.

Pressemitteilung der DPA, 7. Oktober :
Seit der Wiedervereinigung 1990 wurden in Deutschland über 100 Menschen ermordet, weil sie nichtdeutscher Herkunft oder obdachlos waren.

Berlin, 1. November:
Bei seiner Ansprache zur Rückbenennung der Spandauer "Kinkelstraße " in "Jüdenstraße" wird der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, Alexander Brenner, antisemitisch beschimpft. Seine Rede wird von Buhrufen, Pfiffen und "Juden raus" - Parolen unterbrochen. Außerdem rufend die Gegendemonstranten Sprüche wie "Ihr Juden seid an allem schuld".

Cottbus, 1. November:
Ein seit zehn Jahren in Cottbus lebender Kubaner wird von drei Männern aus der rechten Szene krankenhausreif geschlagen. Er erleidet eine Gehirnerschütterung, zwei Rippenbrüche sowie Stauchungen und Prellungen. Während sie auf ihn einprügeln, rufen seine Angreifer: "Ausländer raus- alle Ausländer müssen sterben".

Wochenzeitschrift "DIE ZEIT", 7. November:
Nach einer Untersuchung des Bielefelder Instituts für Konflikt - und Gewaltforschung kann sich jeder fünfte Bundesbürger von Rechtspopulisten mobilisieren lassen. Über die Hälfte der 3000 Befragten sind der Ansicht, dass viele Juden versuchen würden, aus dem Holocaust Vorteile zu ziehen und die Deutschen für die Vergangenheit zahlen ließen.

Menden, 9. November
Wir nehmen den heutigen Jahrestag der Reichspogromnacht zum Anlass, um gegen jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und für Zivilcourage und Toleranz zu demonstrieren. Schon diese kleine Aufzählung antisemitischer und rechtsradikaler Übergriffe und Angriffe zeigt die Notwendigkeit gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf die Strasse zu gehen. Wobei die Aufzählung nur eine Auswahl der Vorfälle ist, die sich alleine in den letzten Monaten in Deutschland ereignet haben.

Wir haben diesen Tag, den 9. November, bewusst für die Kundgebung gewählt, weil er der 64. Jahrestag der Reichspogromnacht ist. In dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten die Nationalsozialisten jüdische Synagogen in ganz Deutschland in Brand - auch in Menden. Sie zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürger und misshandelten oder töteten ihre Bewohner. 91 Tote, 2.676 zerstörte Gottes- und Gemeindehäuser und 7.500 verwüstete Geschäfte - das war die "offizielle" Bilanz des Terrors. Am 10. November verschleppten die Nazis mehr als 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager.

Der 9. November ist für uns nicht nur ein Tag der Erinnerung an und die Trauer um die Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer, die von den National-sozialisten verfolgt und ermordet wurden.

Der 9. November ist für uns auch ein Tag der Mahnung und der Wachsamkeit gegen Antisemitismus und Rassismus auch heute einzutreten. Solange Antisemitismus, solange Rassismus , wo, von wem und in welcher Form auch immer sie daherkommen, weiterbestehen, gilt nicht nur den Toten unsere Erinnerung, sondern auch unsere Solidarität all jenen, die noch immer von Verfolgung bedroht sind.

Und dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und rechtsradikale Tendenzen nicht vor den Toren unserer Stadt halt machen, zeigt eine Auswahl der Schlagzeilen der in Menden erscheinenden Zeitungen:

Mendener Zeitung, 23. April:
Bereits vor Monaten sprachen Polizei und Stadt als Ordnungsbehörde gegen rechts-angehauchte Jugendliche auf allen örtlichen Spielplätzen in Menden ein Platzverbot aus. Die besagte Gruppe hatte nicht nur eindeutig rechtsgerichtete Zeichen getragen, sondern durch lautes Gegröle durchaus Angst und Schrecken verbreitet.

Mendener Zeitung, 27. Mai:
Ein 18-jährige Mädchen wurde am Freitagabend am Hexenteich bewusstlos geschlagen. Die Täter kommen aller Vorrausicht nach aus dem rechtsradikalen Spektrum. Während einer Geburtstagsfeier sei eine etwa zwölfköpfige Gruppe gekommen, deren Mitglieder Naziparolen gerufen und mit Pöbeleien begonnen hätten. Die zunächst verbalen Angriffe seien dann in Gewalttätigkeiten übergegangen.

Westfalenpost, 27. Mai:
Feier am Hexenteich endete im Krankenhaus....Ohne jeglichen Grund pöbelten sie uns an und beschimpften uns mit Nazi-Wörtern als linke Zecken und nannten uns Untermenschen.

Westfalenpost, 11. Juni:
Es gibt in Menden Jugendliche, die rechtsradikale Symbole tragen und auch mal Nazi-Parolen rufen, doch von einer rechtsradikalen Szene kann noch keine Rede sein. Das stellt eine Untersuchung der Mendener Stadtverwaltung fest.

Westfalenpost, 11. Juli:
Abiturienten in Lendringsen angepöbelt und geschlagen. Einer der Täter trug ein Hakenkreuz Sprüche wie " Euch Dreckpack sollte man vergasen"

Mendener Zeitung, 15. Juli:
Hitlergruß auf offener Strasse und frei sichtbare Hakenkreuz-Fahnen - das ist in Lendringsen schon lange nicht mehr undenkbar, sondern Realität.

Westfalenpost, 15. September
Eine Gruppe von rechtsradikalen Männern trat am Samstagabend gegen 23 Uhr vor der evangelischen Kirche in Lendringsen auf, in der sich die Familie Bozkan im Kirchenasyl befindet. Die Männer skandierten lauthals "Ausländer raus. Wir marschieren durch die Nacht." Den Platzverweisen der Polizei kann die Gruppe nicht nach. Insgesamt 11 Personen wurden daraufhin in Gewahrsam genommen.

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger sind besorgt über diese Vorfälle. Einige haben Angst. Zum Beispiel die Flüchtlinge, die seit Monaten in ihrer Unterkunft immer wieder belästigt und angepöbelt werden. Die mittlerweile andere Wege wählen, um nicht den Rechten zu begegnen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen

Ob es organisierten Rechtsradikalismus in Menden gibt oder nicht. Ob man das nun rechte Szene nennt oder nicht. Fest steht: Es gibt Menschen und Gruppen in unserer Stadt, die mit rechtsradikalen Parolen auftreten und dabei teilweise auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.

Mit unserer Kundgebung heute sagen wir:
Wir sind nicht bereit, dazu zu schweigen. Wir wollen wir ein eindeutiges Signal entgegensetzen. Wir haben deshalb den "Mendener Appell für Zivilcourage und Toleranz" verfasst.

Wir sagen: Angriffe, bei denen Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft, Nationalität, Religion, Lebensweise oder ihrer politischen Überzeugung diskriminiert, verfolgt, misshandelt oder gar an Leib und Leben geschädigt werden, gehen uns alle an.

Wir stehen ein für ein menschliches, weltoffenes und tolerantes Menden und für ein friedliches Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Ausgrenzung und Gewalt werden wir nicht dulden.

Wo immer es möglich ist, wollen wir durch gemeinsame Aktionen ebenso wie durch kleine Gesten Flagge zeigen.

Es sind eine Menge Bürger hier, aber diese Stadt hat noch mehr Bürger. Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt auf, Zivilcourage zu zeigen. Jeder und jede ist aufgefordert, gegen rechtsextremes Gedankengut und rechte Gewalt zu handeln dort wo man auf sie trifft.

Und wir wollen, dass sich der Rat als höchstes politisches Gremium der Stadt unserem Appell, der dort auf dem Tisch zu unterschreiben ist, anschließt.

Deshalb werden wir den Appell mit allen Unterschriften als Antrag mit der Bitte um Unterstützung an den Rat weiterleiten. Damit die Stadt Menden sagt: Nazis nein, nicht heute, nicht morgen, nicht hier und nicht anderswo!

Schwarze Katze: Wir waren von der Schwarzen Katze bei der Antifa-Demonstration in Menden dabei und haben Redebeiträge aufgenommen. Unter anderem kam eine Zeitzeugin der Reichsprogromnacht zu Wort:

Also wenn ich hier zu Ihnen spreche, tue ich das als einer der Menschen, der von den unseligen Ereignissen der Reichspogrom-nacht direkt betroffen war. Ich tue es, weil ich meine, dass die, die diese Zeit noch miterlebt haben, ihre Stimme erheben müssen, in Zeiten, in denen Gewalt und Rassismus wieder bedrohlich aktuell sind. Ich bin als sogenannte "Halbjüdin" in Iserlohn geboren. Allerdings war ich 1938 erst 5 Jahre alt. An die brennende Synagoge habe ich keine Erinnerung. Aber an diesen Tag.

Ich weiß noch sehr gut, welche Aufregung bei uns herrschte, als mein Bruder die Nachricht nach Hause brachte: "Die Synagoge brennt!". Und nicht nur in Iserlohn, sondern in ganz Deutschland. Meine Mutter versuchte immer wieder, meine Großmutter und meine Verwandten in Schmallenberg telefonisch zu erreichen. Sie weinte, telefonierte, immer wieder und bekam keine Verbindung mit Keinem der Schmallenberger Juden. Dann schnappte ich den Satz auf: "Sie sind alle verhaftet". Für mich verbrannte nicht eine Synagoge, für mich verbrannte eine Welt. Meine geliebte Großmutter, meine Verwandten im Gefängnis, Verbrecher? Ich konnte das nicht glauben. An diesem Tag verbrannte für viele Menschen eine Welt. Auch für die - und vor allem für die - die sich bis dahin für Mitbürger gehalten hatten. Ein Vetter meiner Mutter kam nach drei Tagen wieder zurück nach Schmallenberg, er war in Sachsenhausen gewesen. Er konnte und durfte nicht über das Erlebte sprechen, aber er war schon ein gebrochener Mann, ehe er nach Auschwitz kam. In Schmallenberg, diesem damals kleinen Ort im Hochsauerland, dem Geburtsort meiner Mutter, kannten sich alle Bewohner untereinander. Sie hatten die gleiche Schule besucht, die gleiche Tanzschule und dieselben Feste. Die jüdischen Familien teilten das Gemeindeleben. Mit allen Rechten und mit allen Pflichten. Zur Fronleichnamsprozession errichteten meine Verwandten beispielsweise, so wie alle anderen Bewohner von Eckhäusern, einen Triumphbogen. Das gehörte sich so.

Mit den Mauern der Synagoge brannten alle diese Bindungen ab. Unerklärlich und unverständlich wie Menschen, die von Kindheit an Freunde waren, in Gemeinschaft gelebt haben, zu Verbrechern gemacht wurden. Menschen, die ihr Leben bis dahin geteilt hatten, wagten nicht mehr sich zu grüßen. Freunde von Kindheit an. Wer kann ermessen, was in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen abgebrannt ist. Wie kann man als Kind damit leben? Misstrauen, Feindseligkeit, Kälte. Eine Mauer, ähnlich dem Panzer von Hochmut und Verachtung, wie ich ihn um mich gebaut hatte, den "germanischen Herrenmenschen" gegenüber.

Wann werden wir endlich alle Mauern, alle Panzer durchbrechen? Wann werden wir endlich im Gegenüber den Menschen sehen? Wann werden wir endlich die Würde des Anderen achten? Wann wird uns der Nächste wirklich zum Nächsten - auch wenn er uns noch so fremd ist? Nochmals möchte ich betonen: Ich spreche hier von mir und meiner Familie, weil ich Sie bitten möchte, vergessen Sie diese Zeit nicht. Und nicht diese Erfahrungen. Da mögen noch so berühmte Schriftsteller und Politiker anderer Meinung sein, wir müssen uns erinnern, wenn wir etwas verändern wollen. Es geht mir nicht um Schuld und Vorwürfe. Sondern es geht mir darum aufzuzeigen, was Menschen aus Menschen machen können.

Und ich möchte nicht sagen müssen, wie es in einem Text von Regina Schwarz heisst: "Aller Mut ist uns verreckt. Wieder den Kopf in den Sand gesteckt. Von dem Hassgebrüll nicht aufgeschreckt. Und das Wort ist uns verreckt. Wieder den Kopf in den Sand gesteckt. Vom Fensterklirren nicht hochgeschreckt. Und die Tat ist uns verreckt. Vom Beifallklatschen nicht wachgeschreckt. Immer weiter den Kopf in den Sand gesteckt."

Schwarze Katze: Der Ausländerbeirat der Stadt Menden hielt folgende Rede zum 9. November:

Der 9. November ist ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Wohl kein anderes Datum der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts hat derart die Emotionen geschürt und kontroverse Diskussionen hervorgerufen wie der 9. November. Revolution und Hitlerputsch, Reichspogromnacht und der Fall der Mauer. Der 9. November symbolisiert die Hoffnung von uns allen Deutschen, aber auch den Weg in die Verbrechen des Dritten Reiches. Heute sind wir hier versammelt um zu zeigen, dass wir für Menschlichkeit, Zivilcourage und Toleranz stehen. Wir stehen ein für ein menschliches, tolerantes und weltoffenes Menden, für das friedliche Zusammenleben aller Menschen in diesem Land ungeachtet ihrer Weltanschauung, Religion, Kultur und Hautfarbe.

Wir verurteilen Hass, Gewalt, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Wir dulden keinen Antisemitismus, keine Schändung von Friedhöfen, religiösen oder kulturellen Einrichtungen, keine feigen Übergriffe in unserem Land und erst recht nicht in unserer Stadt. Wir stehen zusammen gegen das Wegschauen und gegen die Gleichgültigkeit. Wir wollen ein Land, in dem kein Mensch Angst haben muß vor Verfolgung und Gewalt. Wir stehen zu den Grundwerten unserer Demokratie wie "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Wir, die wir heute hier versammelt sind, sind nicht allein, Unsere stärksten Waffen sind Mut zu Zivilcourage und Entschlossenheit. Auf unsere Bürger und Bürgerinnen dieses Landes kommt es an. Humanität und Toleranz, Offenheit und Vielfalt sind die Grundwerte, die die Identität und das Handeln unseres Ausländerbeirats der Stadt Menden bestimmen. Als gewähltes Gremium der hier lebenden ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen sehen wir unsere Aufgabe unter anderem auch darin, die Probleme von Immigranten und Flüchtlingen in Menden und Deutschland zu thematisieren, gemeinsam Lösungsstrategien zu entwickeln und sie an die politisch Verantwortlichen heranzutragen - und natürlich an der Umsetzung mitzuwirken.

Schwarze Katze: Das war gerade der Redebeitrag eines Vertreters des Mendener Ausländerbeirats und jetzt hören wir ein Interview mit einem Organisator der Mendener Antifa-Demo:

Wie ist die Initiative zustande gekommen?
Es gab ein Treffen von einigen Leuten in der Stadt, die darüber besorgt sind, dass es auch in Menden in den letzten Monaten rechtsradikale Tendenzen gegeben hat, es gab Übergriffe, Angriffe teilweise auf Flüchtlinge, es gab einen - ja fast schon Aufmarsch vor der evangelischen Kirche in Lendringsen, wo sich die Familie Bozkan im Kirchenasyl befindet. Es gab einen Angriff auf eine Gruppe von Jugendlichen, die am Hexenteich gefeiert haben und dort mit Naziparolen angegriffen worden sind. Also es gibt in der Stadt rechtsradikale Tendenzen und deswegen haben wir gesagt, wir nehmen den 9. November, den Jahrestag der Reichspogromnacht zum Anlaß um aus aktuellem Grund auch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren.

Worauf ist das ganze Phänomen zurückzuführen?
Das ganze Phänomen des Rechtsradikalismus?

Ja.
Also, ich glaube, daß das ganze Phänomen des Rechtsradikalismus und -extremismus - also meiner Überzeugung nach - auch mit unserer Gesellschaftsordnung zu tun hat. Ich glaube, dass in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, wo es um Gewinnmaximierung geht, wo es - auch wenn es eine soziale Marktwirtschaft ist - letztlich um das Recht des Stärkeren geht, in so etwas wie Ausgrenzung und Intoleranz sich in das Recht niederschlägt, teilweise im Denken und Handeln von Menschen, leider auch vieler junger Menschen. Es gibt den alten Spruch " Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen" und da steckt meiner Meinung nach viel Wahres hinter.

Nun sieht die gesamte politische Landschaft schlecht bestückt aus. Nazis sind im bestimmten Ecken des Ostens etabliert und im Westen werden sie als Ausläufer wahrgenommen. Dazu kommt eine Politik, die im Grunde genommen kaum die Menschen zufrieden stellt. -

Ich glaube, dass es darum gehen muß, in vielen Städten und Gemeinden Gegengruppen, auch Gegenstimmungen zu schaffen, das versuchen wir ja heute morgen auch mit der Demonstration. Man darf es nicht zulassen, dass es soweit kommt wie im Osten, was ja teilweise der Fall ist, dass es von den Nazis deklarierte "National Befreite Zonen" gibt. Das dürfen wir hier nicht zulassen, ich denke, wir müssen versuchen, eine Atmosphäre und eine Stimmung zu schaffen, gerade mit vielen jüngeren Leuten - das muß gehen mit Netzwerken, in denen man sich zusammenschließt und an dem Thema arbeitet, das muß auch damit gehen, dass man, wo immer es möglich ist, rechtsradikalen Tendenzen und Gedankengut offensiv entgegen tritt und nicht einfach weg guckt und sagt "da kann ich eh nichts machen". Nein, da muß man was dagegen setzen und versuchen, ein gesellschaftliches Gegenklima zu schaffen.

Schwarze Katze: Ihr hört noch immer die Schwarze Katze Radiosendung über die Antifa-Demo in Menden. Auf der Demo gabīs natürlich auch Redebeiträge. Ein Redebeitrag hielt ein Schüler aus dem Märkischen Kreis. Er wandte sich entschieden gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt:

Wir dürfen die, die den Taten der Nazis zum Opfer fielen nicht vergessen. Doch sollten wir auch nicht vergessen, dass die Einschüchterung der Bevölkerung durch nackte Gewalt der Anfang allen Übels war. Wenn es wieder so ist, dass anders denkende Menschen, Menschen anderer Herkunft, anderer Kultur Angst haben müssen, in diesem Land zu leben, dann muß uns das aufschrecken. Wir müssen dieser Gefahr frühzeitig, mutig und entschlossen entgegen treten, das heißt: je früher desto besser. Damit das, was unser Land ins Unglück stürzte, sich auch in Ansätzen nicht wiederholen kann. Wir müssen dafür kämpfen, dass Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz nicht alltäglich werden, dieses Maß an Zivilcourage müssen wir aufbringen, damit Gewalt und Terror von rechts im Keim erstickt werden.

Wir müssen den Rechten, die auch hier in Menden ganz ungeniert ihre Hassparolen auf der Straße schreien, zeigen, dass wir dies hier nicht dulden und nicht tolerieren. Dadurch machen wir deutlich, dass diese Gruppen ihr Ziel, andere einzuschüchtern nicht erreichen werden und somit können wir verhindern, dass sich die Geschichte der Nazivergangenheit wiederholt. Wichtig ist, dass wir jedem anderen mit dem größtmöglichen Maß an Offenheit und Toleranz begegnen. Nicht ausgrenzen, sondern eingliedern lautet die Devise. Aufeinander zugehen und keine Grenzen ziehen, wo es keine geben muß. Dies ist allerdings eine Forderung an alle Teile der Bevölkerung. Wir wollen keine blinde Toleranz um jeden Preis, sondern gemeinsam friedlich in einer vielfältigen Gesellschaft leben. Diese Vielfältigkeit wollen wir nicht als Belastung, sondern vielmehr als Bereicherung begreifen. Dafür müssen wir alltäglich eintreten und gegen Gewalt und Fremdenhaß Flagge zeigen. Wir wollen uns nicht einschüchtern und somit von der Geschichte einholen lassen, sondern ganz selbstbewusst Zivilcourage zeigen.

Der Mendener Appell für Zivilcourage und Toleranz, den wir heute hier unterschreiben, ist ein deutlicher symbolischer Schritt. Nun gilt es, für die heute formulierten Ziele im Alltag aktiv einzustehen. Besonders wir Jugendlichen sollten darüber entscheiden, in welcher Gesellschaft wir zukünftig leben wollen und nicht zulassen, dass durch abschreckende Gewalt und fremdenfeindliche Ideologien ein Klima geschaffen wird, das wir so hier nicht haben wollen.

Rechte Gedanken sind weit verbreitet
Interview mit einem Organisator der Antifa-Demo Menden

Sie sind einer der Initiatoren der Demo. Was hat Sie dazu bewogen, das zu machen?
Es ist einmal natürlich das Gedenken an den Tag 9. November 1938. Ein Tag, der mich immer bewegt hat, die Auseinandersetzung mit Faschismus, mit Nazidiktatur hat mich mein Leben lang begleitet und ich habe viele Gespräche geführt, viel gelesen. Es ist natürlich so, dass viele Dinge, die heute passieren mich auf erschreckende Weise erinnern an das, was vor vielen Jahren passiert ist. Ich habe gelernt und erlebt, dass die Vergangenheit nicht tot ist, wie viele Leute wünschen und denken, die Vergangenheit ist lebendig. Und ich denke, dem müssen wir uns stellen.

Es hat auch in Menden Vorfälle gegeben - nicht nur in Menden - wenn man liest, was insgesamt in Deutschland passiert, allein in den letzten beiden Jahren, wie viele Übergriffe es gegeben hat. Aber auch in Menden hat es einige Vorfälle gegeben, die uns besorgt machen, die mich besorgt machen und das ist der Anlaß gewesen, dass wir mit einigen Leuten gesagt haben "Dagegen muß man etwas unternehmen, das wollen wir öffentlich machen, da wollen wir öffentlich ein Zeichen setzen" und da bietet sich der Tag 9. November eigentlich an - und das war der Hintergrund dieser Veranstaltung.

Nun werden ja Stimmen in dieser Gesellschaft laut, die behaupten, der Rechtsradikalismus käme aus der Mitte dieser Gesellschaft. Können Sie das bestätigen?
Den Rechtsextremismus gibt es, glaube ich, in vielen Teilen der Gesellschaft; es ist falsch, das festzumachen an wenigen Leuten, festzumachen an den Glatzen, die durch die Straßen ziehen. Ich glaube, wenn man die letzten Untersuchungen, die auch in der Presse veröffentlicht wurden, sieht, dass ungefähr 20 % aller Menschen in Deutschland anfällig sind für rechtsradikales Gedankengut und rechtspopulistische Gedanken, dann sieht man, welches Potential das hat. 20 %, das ist jeder fünfte - und da sieht man, daß das nicht nur auf bestimmte Kreise der Gesellschaft beschränkt sein kann - daher ein eindeutiges Indiz, rechtsradikales Gedankengut oder zumindest rechte Gedanken sind weit verbreitet und dem müssen wir uns stellen.

Diese rechten Gedanken treten in Krisen immer deutlicher auf, in Krisen wie dieser - Wirtschaftskrise, Sozialkrise und dergleichen mehr - immer mehr Menschen werden arbeitslos, es werden immer mehr rausgeekelt und ausgegrenzt. Was können Sie der Generation empfehlen, die Ihnen zuhört?
Ach Gott, ich will mich zurückhalten mit Empfehlungen. Ich möchte einfach sagen, es darf keine Ausgrenzungen geben, von niemandem. Keiner darf ausgegrenzt werden, weil er anders aussieht, einer anderen Kultur entstammt, eine andere Religion hat. Es darf niemand ausgegrenzt werden, weil er seine Arbeit verliert, im Gegenteil, wir müssen versuchen, zu integrieren. Wir müssen integrieren: die Menschen, die am Rande dieser Gesellschaft leben, die Menschen die ihre Arbeit verloren haben, die Menschen, die aus anderen Gründen nicht mehr fähig sind, dem Bild, das die Gesellschaft hat von einem leistungsfähigen Menschen, zu entsprechen. Daß man diesen Menschen unter die Arme greift, dass wir eine solidarische Gesellschaft sind, dass wir einstehen für diejenigen, die schwächer sind. Das beinhaltet insbesondere auch Gruppen von Ausländern, Flüchtlingen. Diejenigen, die in vielen Fällen am Rande der Gesellschaft leben. Diese Menschen müssen unseren Schutz genießen. Sie dürfen nicht Opfer von rechtsradikalem Gedankengut werden. Diese Menschen brauchen unsere Solidarität.

In Zukunft ist mit noch mehr Ausgrenzung zu rechnen, allein durch die kapitalistische Globalisierung: Es werden ganze Gruppen von Menschen ausgegliedert, die sogenannte "Dritte Welt" verarmt und das Schengener Abkommen zeigt ihnen die Grenzen - kann sie aber nicht aufhalten - also wir haben eine düstere Zukunft, oder sehen Sie das anders?
Nein, das sehe ich auch so, das ist auch meine Befürchtung. Das ist auch der Grund, weshalb ich versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten aktiv zu sein. Ich sehe die Zukunft auch so. Ich mache mir große Sorgen, ich sehe weltpolitisch viele Probleme auf uns zukommen, der drohende Irakkrieg und all das, was in der Folge daraus kommen wird. Ich sehe das aber auch im nationalen Berich, ich sehe es im Bereich der Stadt Menden, wenn ich die wirtschaftlichen Probleme sehe, die im Moment da sind, die finanziellen Probleme. Ich glaube, es ist eine ganz schwierige Zukunft und diese schwierige Zukunft werden wir nur meistern, wenn wir solidarisch sind - wie ich eben sagte, wenn wir nicht ausgrenzen, sondern wirklich alle an einem Strang ziehen.

Schwarze Katze: Mit diesem schönen Schlusswort beenden wir die Schwarze Katze Radiosendung über die Antifa Demonstration in Menden. Weitere Infos gibts unter www.infoladen.de/katze. Und nun wieder schöne Punk-Musik zum Thema.