KULTURELLES CHAOS, POLITIX UND WARPZONEN   



er | sie | es - wech damit, aber flott...

ein paar bruchstückchen zu geschlechtern

Ein paar Worte vorweg, die mir wirklich am Herzen liegen: diese drei unterschiedliedchen Texte habe ich in einem Flugblatt verarbeitet, welches ich für ein Seminar über Geschlechter gemacht habe. Jenes Seminar, auf das ich mich wahnsinnig gefreut habe, war für mich sehr entäuschend, weil es mal wieder auf der rein abstrakten Ebene blieb und kaum Persönliches ausgetauscht wurde, so als stünden wir abseits der Gesellschaft und hätten damit gar nichts zu tun. Traurig, denn in den Texten, insbesondere dem letzten, habe ich gerade versucht, greifbare Erfahrungen und Beispiele aus meinem Leben zu finden. Ansatzpunkt ist für mich das Leben von Menschen und ich will mich nicht selbst ausklammern, schließlich will ich mich verändern. Und auch nach dem letzten Durchlesen finde ich immer noch, das die drei einen schönen Einstieg abgeben. Was sagst du dazu?

spielzeug und geschlecht

Ein aufmerksamer Blick hinter die Scheiben eines Spielzeugladens verrät eigentlich schon alles darüber, wie Geschlechter gemacht und verfestigt werden: Viele Babypuppen in rosa Pappkartons und mit jeder Menge lebensgetreuer Funktionen...und kleinem Bettchen. Voll ausgestattete Puppenküchen mit buntem Plastikgeschirr. Ein originalgetreuer Staubsauger. Ein Schminkset. Barbie und Ken mit ihrem prächtigen roten Flitzer. Wo soll sich das Leben der Menschen wohl abspielen, die dieses Spielzeug bekommen?
 Im Schaufenster nebenan: grau, braune und blaue Eisenbahnen, Wagons mit Werbung für irgendeine Biermarke. Modelle von Bundeswehrflugzeugen. Ganz viele Panzer und grüne Soldaten. Actionfiguren und klobige Roboter - lauter He-Mans, die aus einem Menschen einen machen sollen...einen weiteren He-man.

Dieses "Spielzeug" ist nur das Mittel, um Kinder vom frühst möglichen Zeitpunkt zu manipulieren, in eine der vorgegebenen Rollen zu pressen. Es ist Teil der geschlechtsspezifischen Sozialisation¹, was bedeutet, dass es uns in die Rolle Mann oder Frau hinein zwängen soll: mit der Barbiepuppe, dem Baby und der "Spielzeug"-Küche sollen die einen zu Frauen gemacht werden, mit Autoteppich, Roboter und Pistolen sollen die anderen zu Männern gemacht werden...

Babypuppen sollen dafür sorgen, das die einen Menschen sich nichts anderes vorstellen können, als eine Mutter zu werden und sich für andere hinzugeben. Schon als Kind sollen sie Fürsorge für andere und Aufopferung bist zur Selbstaufgabe lernen. Sie sollen es unhinterfragt hinnehmen, dass die Pflege von Kindern ihre zugewiesene Rolle in dieser Gesellschaft ist. Sie sollen es unhinterfragt hinnehmen, ein Leben lang öde, unbezahlte Hausarbeit zu verrichten. Das Schminkset steht dafür, sich selbst auf den Körper zu reduzieren, der für andere, die Männer, entsprechend hergerichtet und präsentiert wird. So soll das eigene Verhalten auf das ausgerichtet werden, was andere denken und erwarten. Mit Barbie sollen die größten Wünsche der einen Menschen darauf fest gelegt werden, schöne Kleider zu haben und einen tollen Mann zu heiraten.

Der harte Actionheld ist das menschliche wie männliche Ideal dieser Gesellschaft: der Junge, der mit der Actionfigur spielt, soll sich als Handelnder fühlen, der alles nur aus den eigenen Augen sieht und sich nicht durch Mitleid an andere verliert. Wie sein Vorbild soll er seine Gefühle und Bedürfnisse unterdrücken lernen. Der Roboter soll ans blinde, gefühlslose Funktionionieren gewöhnen, ans jeden Tag um sechs Uhr aufstehen und zur Arbeit gehen. Eisenbahn und Computer sollen auf einen kritiklosen Umgang mit der Technik vorbereiten, mit der Mensch und Natur zerstört und ausgebeutet werden. Mit Soldaten, Waffen und Modellen von Kampfflugzeugen dürfen sich die anderen Menschen auf den bereitwilligen Dienst fürs Vaterland vorbereiten. So früh wie möglich soll Mord und Terror ein fester Teil ihrer Phantasiewelt werden, damit sie später keine Probleme haben, all die Grausamkeiten präzise in die Tat umzusetzen, die von ihnen gefordert werden.

Geschlechter werden gemacht. Weiblichkeit wie Männlichkeit sind nichts, was von Natur aus in uns drin steckt. Erst durch Spielzeug, Klamotten und die massig zugewiesenen Verhaltensweisen wird Menschen von außen eingehämmert, dass sie Junge oder Mädchen sind und sein sollen. Wenn Menschen das nicht sehen zeigt dies einfach, wie tief und fest mensch ihr Geschlecht verinnerlicht hat.

Verständlich, denn vom ersten Tag an werden wir von allen Seiten dazu gedrängt, Mann oder Frau zu sein. Spielzeug, die Eltern, Fernsehen, Kino, das Verhalten anderer Menchen - überall werden wir mit Rollenbildern überschüttet. Und die zugewiesene Rolle mit ihren Stereotypen² überollt alles, was individuell und anders ist. Von einer selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Zwischen Männern und Frauen wird eine unüberwindliche Trennlinie gesetzt, die schon in der Wahrnehmung einsetzt: so wie jede Frau vom Mann beim ersten Blick schon darauf heruntergebracht wird, mögliche PartnerIn zu sein, ist es ihm undenkbar, mit einem zu kuscheln, der vorab als Mann abgestempelt wurde.
 Wie viel Gewalt muss ein Mensch erfahren haben, dass sie einen anderen nicht lieben und berühren kann, weil er scheinbar ein Mann oder eine Frau ist? Wie viel Unterdrückung hat ein Mädchen hinter sich, das nicht einmal den Gedanken duldet, ein anderes Mädchen zu streicheln, zu begehren?

Vielleicht erklärt dies die heftigen Aggressionen gegen Schwule, Lesben und alle, die nicht auf Zweierbeziehungen und Ehebetten abfahren. Sie könnten ja bewusst machen, wie sehr Menschen sich selbst und ihre Wünsche unterdrücken.

 ¹ Sozialisation: Der Prozess, in dem Kinder mit Zwängen zugeschüttet und in ihre spätere Rolle gepresst werden sollen...klappt leider oft
² Stereotypen: sich ständig wiederholende Verhaltensweisen


vergewaltigende wahrnehmung

Immer, wenn Menschen Menschen treffen, die sich nicht sofort einem Geschlecht zuordnen lassen wird offenbar, wie sie andere schon in der Wahrnehmung vergewaltigen. Unsicherheit, Angst entsteht, wo das andere nicht sofort dem gesellschaftlichen Stereotyp entspricht. Zwanghaft werden am anderen Merkmale gesucht, die mit dem verinnerlichten Bild von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit übereinstimmen. Alles Abweichende wird ausgeblendet und vom dem überdeckt, was sie eh sehen wollen.

An der beschriebenen Ausnahmsituationen wird klar, welche heftigen Prozesse ständig ablaufen, um dem anderen ein Geschlecht über zu stülpen. Menschen in Männer und Frauen zu sortieren ist nicht denkbar ohne Projektion und verzerrte Wahrnehmung. Alle Gesten, Aussagen und Handlungen des anderen, die sich nicht in das Bild einfügen, werden ausgeblendet.
 Die Menschen erblinden, werden unfähig zur Erfahrung: alles, was anders ist kann sie gar nicht erreichen, weil es von der Projektion verdeckt wird. So viel, was nicht gesehen werden darf, weil es die gewohnte Ordnung gefährden könnte...


er sie ich und du

»Sehe ich dich, wenn ich dich anblicke, dein schönes Gesicht bestaune - sehe ich dich oder doch nur sie? Sehe ich dich, wen ich dir lieb zulächele - sehe ich dich oder nur ihn? Spreche ich mit dir, wenn ich den Mund öffne oder mit nur mit ihr? Wer spricht da, ich oder er? Sehe ich dich oder nur ihn? Sehe ich dich oder nur sie? Freue mich auf ein Treffen jenseits von er und sie, zwischen dir und mir. Es gibt kein zwischen mann und frau - ein Zwischen gibt es erst ohne Geschlechter.« ©

  espi

und...was willst du sein? Zutreffendes ankreuzen... o Mann | Frau o...wer ein Geschlecht wählt hat sich schon verloren.


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