Umweltschutz von unten

Geschichte und Perspektive der Umweltbewegung
Schwarze Katze Bericht über die Veranstaltung

Am 26.09.01 fand um 18 Uhr im JuZ Menden eine Veranstaltung der JungdemokratInnen Märkischer Kreis und der Gruppe Schwarze Katze statt. Es gab einen Vortrag zu "Umweltschutz von unten". Der Vortrag bestand aus zwei Teilen; der erste beschäftigte sich mit der aktuellen Lage der Umweltbewegung und den Entwicklungen, die dazu führten. Im zweiten Teil ging es um die Frage, wie ein emanzipatorischer Gegenentwurf aussehen könnte, der Umweltschutz und Selbstbestimmung von Menschen verbindet.


Geschichte und Gegenwart der Umweltbewegung

Dazu gab es einen kompakten geschichtlichen Abriss: Noch in der Umweltbewegung der 70er gab es deutliche antikapitalistische Positionen, die Konzerne als den Hauptfeind von Umwelt und Mensch ausmachten. In den 80er Jahren ist davon nur noch wenig zu spüren; weite Teile der Umweltbewegung schwenken in eine öko-autoritäre Phase um: schärfere Gesetze, Ökopolizisten und höhere Strafen für UmweltsünderInnen werden gefordert. Der Ruf nach einem starken Staat kennzeichnet diese Entwicklung.

In den 90ern gibt es einen erneuten Wandel: In allen Bereichen der Gesellschaft macht sich eine kapitalismus-euphorische Haltung breit. So auch in der Umweltbewegung: immer mehr Umweltverbände sehen im Markt die ideale Möglichkeit, die Umwelt zu schützen. Nonsens: Der Kapitalismus, der die natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Tier zerstört, soll plötzlich auch deren Rettung sein. Symptomatisch: In den Chefetagen der Umweltverbände sitzen immer mehr Manager. Gleichzeitig werden Grenzwerte und Verordnungen aus der öko-autoritären Phase abgebaut. Die Folge: Ökologische Probleme werden den Marktmechanismen, der Verwertungslogik, unterworfen und damit der Entscheidungsmacht von Menschen entzogen. Dies bedeutet eine Ent-Demokratisierung der Gesellschaft. Beispiel Öko-Steuer: Wer viel Geld hat, kann sich viel Umweltzerstörung leisten, mehr autofahren usw. Viel stärker betroffen von Ökosteuern sind ärmere Menschen und kleine Unternehmen. Der Witz: Industrien, die den grössten Energieverbrauch haben, sind von der Öko-Steuer gänzlich ausgeschlossen! Diese Phase wird als Ökokapitalismus bezeichnet.

Beispielhaft wird dies in der Agenda 21, die 1992 in Rio beschlossen wurde. Dieses Konzept wird heute von allen deutschen Umweltverbänden gehypt. Das Problem liegt darin, dass kein Mensch die Agenda 21 je gelesen zu haben scheint: Gentechnik wird als Schlüsseltechnologie bezeichnet. Es gibt ein klares Ja zu Atomkraft, die in aller Welt zum Einsatz kommen soll. Zu Verschiffung von Atommüll gibt es nur aussagelose Sprachhülsen. Dafür Rassismus pur: Brennelemente sollen von den Lieferern zurückgenommen werden. Das bedeutet: die Menschen im Trikont sollen nicht nur in Uranminen schuften und sich verstrahlen lassen, sondern auch noch den radioaktiven Müll bei sich endlagern!

Interessant an der Agenda sind auch die Kapitel zur "Mitbestimmung", die deutlich zwischen Bevölkerungsschichten unterscheiden: Jugendliche und Frauen sollen "einbezogen" werden. ArbeiterInnen sollen immerhin "umfassend einbezogen" werden. Aber: UnternehmerInnen sollen gleichberechtigte Partner der Politik werden (!). Während der Grossteil der Bevölkerung nichts zu melden haben soll, werden die grössten Umweltzerstörer, die Konzerne auf eine Ebene mit Regierungen befördert. So ist es kein Wunder, dass Agenda 21 Gruppen vor Ort zwar immer beschäftigt sind, aber weder entscheiden, noch etwas ernsthaft verändern können.

Ganz aktuelles Beispiel für ökoneoliberale Konzepte ist der Klimaschutz. Nach der Klimakonferenz in Bonn im Sommer 2001 ist amtlich, was wenige KritkerInnen des Kyoto-Protokolls schon vorher befürchteten: Eingeführt wird das Recht, Luft zu verschmutzen; dieses kann in Zukunft gehandelt und verkauft werden, CO²-Zertifikate sollen gar an den Börsen gehandelt werden. Luft, die bisher niemandem gehört, wird mit einer Eigentumslogik belegt. Das bedeutet eine Ausweitung von martkwirtschaftlichen Prinzipien auf neue Bereiche, um noch mehr Profit erwirtschaften zu können. Und das Ganze unter dem Deckmantel des Umweltschutzes... gruselig. Die gleichen Prozesse finden derzeit im Bildungs - und Gesundheitswesen statt.

Die Bestimmungsgrundlage der Ausstossmenge ist auch sehr witzig: Alle Nationen bekommen ein Kontingent an CO²-Zertifikaten. Die Menge bestimmt sich danach, was die Nationen 1990 ausgestossen haben... aha. 1990 ist nicht zufällig gewählt: zu diesem Zeitpunkt brach die Schwerindustrie Russlands zusammen. Russland kann sein Kontingent also auf keinen Fall "ausschöpfen". Es wird so kommen, dass andere Länder die "übrig gebliebenen" Luftverschmutzungsrechte abkaufen; die USA sind daher bestrebt, ein Staatenbündnis mit dem Ex-Erzfeind einzugehen, um sich diese Rechte abzugreifen.

Weitere Schlupflöcher für Konzerne sind die sog. CO²-Senken: Massnahmen, die angeblich dem Klimaschutz dienen, können "angerechnet" werden, um neue CO²-Zertifikate zu erwerben. Diese Projekte müssen nicht einmal im eigenen Land durchgeführt werden: Das Abholzen des tropischen Regenwaldes und anschliessende Neuaufforstung mit Monokulturen wird zur Klimaschutzmassnahme für die USA usw. Obwohl schon inhaltlich falsch: Bäume binden nur so viel CO², wie bei ihrem Ableben wieder frei werden. Jede Umweltschutzmassnahme rechtfertigt und führt in diesem Zusammenhang praktisch zu mehr Umweltzerstörung! Welchen Grund sollen umweltbewegte Menschen haben, Bäume zu pflanzen, die nationalen Konzernen die Möglichkeit geben, noch mehr Luft zu verschmutzen?

Die Perspektive: Umweltschutz von unten!

Spätestens nach dem Deutschen Umwelttag 1992 (DUT), der nur noch eine Show grosser Konzerne ist, entwickelt sich in einem kleinen Netzwerk von Basisgruppen die Idee einer emanzipatorischen Ökologie - "Umweltschutz von unten". Sie selbst sind von der Integration weiter Teile der Umweltbewegung erschreckt und empört; ihr Gegenentwurf weist in eine andere Richtung: Umweltschutz von unten ist der Versuch, Ökologie und Selbstbestimmung von Menschen zusammen zu bringen. Eine intakte Umwelt ist die Grundlage dafür, dass Menschen ein selbstbestimmtes, selbstorganisiertes Leben führen können.

Im Gegensatz zu nahezu allen etablierten Umweltverbänden - und Gruppen zeichnet sich Umweltschutz von unten durch klar antikapitalistische und herrschaftsfeindliche Positionenen aus: Es wird davon ausgegangen, dass Umweltzerstörung vor allem eine Folge von Verwertung und Herrschaft sind: Ein System, das auf ständigem Wirtschaftswachstum und Profitsteigerung basiert und dabei Natur zum Rohstoff herabsetzt, führt zwangsläufig zur Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt. Seine Logik zwingt auch alle einzelnen Menschen, sich unökologisch zu verhalten. Kapitalismus und Ökologie sind unvereinbar.

Auch bzw. gerade Herrschaft fördert Naturzerstörung und ist oftmals deren Voraussetzung. Denn: Herrschaft bedeutet, Entscheidungen treffen zu können, von deren Auswirkungen andere betroffen sind. Was in Parlamenten beschlossen wird, wird Menschen aufgebürdet, die selber keinerlei Entscheidungsrechte besitzen. Autobahnen, Atomkraftwerke, Flughäfen und ähnliche Grossprojekte sind nur mit Herrschaft denkbar: Die Menschen vor Ort werden nicht gefragt; fast immer werden Grossprojekte gegen den Widerstand der ansässigen Bevölkerung von oben durchgesetzt. Der Bau von Atomkraftwerken usw. setzt den Zwang zur Lohnarbeit voraus: ArbeiterInnen schuften sich nur deshalb jahrelang ab, weil andere Möglichkeiten, ihr Leben zu organisieren, zerschlagen werden. Anderes Beispiel: wir können nur die Lebensgrundagen hier zerstören, weil wir die Möglichkeit haben, uns über Markt und erpresserische Handelsbeziehungen Rohstoffe und Nahrung aus den entferntesten Regionen der Welt zu holen, insbesondere dem Trikont.

Daher richtet sich Umweltschutz von unten gegen Herrschaft - und Verwertungsstrukturen, die abgebaut und beseitigt werden sollen: Menschen sollen wieder bestimmen, wie die Umwelt vor Ort gestaltet werden soll; wie Strassen, Innenhöfe und alle anderen Flächen aussehen sollen. Die Hoffnung dabei: wer selbstbestimmen kann, fühlt sich auch für ihre (Um-)Welt verantwortlich. Wer weiss, dass die Folgen der eigenen Entscheidungen, der eigene Müll nicht auf andere abgewälzt werden kann, "muss" andere Lösungen suchen.

Statt Konkurrenz sollen daher kooperative Verhältnisse geschaffen werden, in denen Menschen gleichberechtigt entscheiden können. Dabei sollen Selbstbestimmung und freie Kooperationen in allen gesellschaftlichen Bereichen verwurzelt werden. In solchen Verhältnissen haben riesige umweltzerstörerische Projekte keine Chance.


  emanzipatorisch: bezeichnet Ideen oder Bewegungen, die die umfassende Befreiung der Menschen von Zwang und Herrschaft zum Ziel haben.
  Neoliberalismus: Neoliberalismus ist eine Phase des Kapitalismus, in der die Marktlogiken im Sinne der Profitmaximierung auf alle gesellschaftlichen Bereiche ausgedehnt werden. Bildung, Gesundheit, Wasser, die Gene und nun das Recht auf Luftverschmutzung werden zu Waren gemacht, die verkauft und gehandelt werden können.
  Ökokapitalismus: damit gemeint ist eine in den 90ern immer stärker werdende Strömung, die Umweltschutz über den Markt verwirklichen will. Zur Zeit ist das die vorherrschende Richtung.
Trikont: Damit gemeint sind die drei ärmsten Kontinente Südamerika, Afrika und Asien. Der Begriff ersetzt "Dritte Welt", weil diese Bezeichnung diskriminierend und hierarchisch ist.


Weitere Infos:


Aufruf zur Veranstaltung

Mittwoch, 26. September ab 18 Uhr im JUZ Menden

Vortrag & Diskussion: Umweltschutz von Unten

Am Mittwoch, dem 26. September um 18.00 laden die JungdemokratInnen MK und die Schwarze Katze ein das JUZ Menden (Innenstadt, Kirchplatz 3) zu einer Vortragsveranstaltung über die Perspektiven des Umweltschutzes:

Castor-Transporte können nur mit riesigen Polizeieinsätzen gegen den Protest einer wachsenden Zahl von jungen wie alten Menschen durchgesetzt werden. Nach dem Kyoto-Protokoll kann Luftverschmutzung in Zukunft gehandelt und verkauft werden. Und in der Debatte um nachhaltiges Wirtschaften beteuern sich Umweltverbände und Firmenchefs gegenseitig, dass es keine Alternative zum Markt geben könne und solle. Trotz der Dringlichkeit einer grundlegenden, ökologischen Wende in der Gesellschaft wird weiterhin Tag für Tag mehr Umwelt zerstört, insbesondere in Ländern der sog. "Dritten Welt". Während dessen bekunden nun selbst Umweltschützer Lust auf Wirtschaftswachstum - doch ist Ökologie mit Markt kompatibel?

Ein Redakteur der Ö-Punkte und langjährig Aktiver der Umweltbewegung wird zu all diesen Problemen referieren. Ein Augenmerk liegt dabei auf der Kritik eines an Markt und Staat orientierten Umweltschutzes, dessen Funktionäre längst jeden Bezug zur Basis und ihren eigenen ökologischen Ideen verloren haben. Im Gegenzug wird er über neue, kreative Ansätze eines "Umweltschutzes von unten" berichten, der sich nicht auf Lobbyorganisationen verlässt, sondern auf Menschen vor Ort und deren Fähigkeit zur Selbstorganisation. Über die konkrete Ausgestaltung kann nach dem Vortrag diskutiert werden. Alle Interessierten, ob jung oder alt, sind herzlich eingeladen! Eintritt ist frei.


Wegbeschreibung...

ab Bahnhof: vom Bahnhof geradeaus in die Innenstadt. Geradeaus weiter bis du den Kirchhofplatz erreichst. Links neben der Kirche befindet sich das Jugendzentrum.


...und Werbung!

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