Wir haben faktisch kein Asylrecht mehr, es ist abgeschafft worden.
Interview von 1996 mit Ulla Jelpke, MdB, Foto: Schwarze Katze

Schwarze Katze: Was hat die Änderung des Asylrechts vor einigen Jahren für Auswirkungen?

Ulla Jelpke - aktiv gegen RassismusUlla Jelpke: Eine katastrophale, muss man sagen. Wir haben faktisch kein Asylrecht mehr, es ist abgeschafft worden. Wir haben dagegen erst mal eine totale Abschottung an den Grenzen, das heisst, nicht der Asylgrund ist entscheidend, sondern der Asylweg. Wenn jemand über Land kommt, hat er oder sie in der Regel überhaupt keine Chance, hier einen Asylantrag zu stellen, weil automatisch die Abschiebung in das sogenannte sichere Drittland passiert – also beispielsweise, wenn sie über die Ostländer kommen, Polen, Tschechien, Rumänien usw., die Flughäfen Frankfurt, Düsseldorf, München sind sogenannte Transitflughäfen und in diesen Transitbereichen werden sogenannte Schnellverfahren der Asylanträge durchgezogen.

Schwarze Katze: Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Beschäftigung mit der Abschiebehaft. Wie stehen Sie generell zur Abschiebehaft?

Ulla Jelpke: Also erst mal ganz prinzipiell, der Schwerpunkt ergibt sich daraus, dass ich besonders zur Asyl- und Flüchtlingspolitik aktiv bin und mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts hat ja die Koalition hier im Bundestag beschlossen, dass Menschen in Abschiebehaft genommen werden können. Es ist in diesem Punkt für mich gar keine Frage, dass Abschiebehaft gestrichen werden muss. Es ist ja bisher möglich, dass Menschen bis zu 8 Monate in Abschiebehaft genommen werden können. Beispielsweise, wenn kein Passersatz eingereicht werden kann oder wenn angeblich keine Bereitschaft besteht, freiwillig auszureisen. In der Regel sind das Menschen, die sich nicht strafbar gemacht haben, die, wenn sie in Abschiebehaft sitzen, vielleicht gegen das Asylverfahrensgesetz oder das Ausländerrecht verstossen haben – also nicht mal Bagatelldelikte. Wir haben hier einen Antrag eingebracht, dass die Abschiebehaft abgeschafft werden muss.

Schwarze Katze: Wie sieht denn die Situation in NRW, speziell in Büren aus?

Ulla Jelpke: Wir haben in NRW immer noch weit über 1.000 Menschen, die in Abschiebehaft sitzen, vor zwei Jahren waren es noch 4.000, das hängt damit zusammen, dass Kanthers Abschiebepolitik und Abschottungspolitik sehr erfolgreich läuft. Das heisst, dass man heute sehr viel schneller Menschen abschiebt oder dass sie überhaupt gar nicht mehr nach Deutschland kommen können. Es gibt in den Abschiebgefängnissen katastrophale Zustände, insbesondere in Büren, wo etwa 200 Abzuschiebende sitzen, wir haben unter den Abzuschiebenden eine überhöhte Quote von Suiziden, also Selbstmorden, von Selbstverstümmelung und vor allen Dingen auch psychisch Erkrankten. Das hängt damit zusammen, dass man in den Gefängnissen das gesamte qualifizierte Personal abgezogen hat, es gibt keine psychosoziale Betreuung, es gibt keinen Sozialarbeiter, es gibt keine Rechtsberatung und wenn es das überhaupt in den Gefängnissen gibt, dann durch das Schliesserpersonal. Und was ganz wichtig und wertvoll ist, ist die Arbeit der Flüchtlingsgruppen, denn viele Flüchtlingsgruppen die z.B. auch in Büren arbeiten, gehen dort rein, betreuen einzelne Abzuschiebende, besorgen ihnen Rechtsanwälte, besorgen auch soziale und finanzielle Unterstützung und ich denke, die Arbeit, die von diesen Gruppen geleistet wird ist sehr, sehr wertvoll.

Schwarze Katze: Die Haftbedingungen in den Abschiebeknästen wurden verschärft. Wie?

Ulla Jelpke: Wir haben gestern gerade im Innenausschuss ein Paket beraten, was Kanther eingebracht hat. Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass während der Newroz-Ereignisse, als die Kurdendemonstrationen verboten wurden – es gab ja die Auseinandersetzungen an den Grenzen in Holland und in Belgien – dass angekündigt wurde, dass man jetzt das Gesetz verschärfen wird. Das ist jetzt passiert, wir haben beispielsweise den schweren Landfriedensbruch, es reicht inzwischen, dass man ein Megaphon in der Hand hat, um als Rädelsführer verurteilt zu werden. Ausserdem wurden im Bereich der Abschiebehaft insofern Verschärfungen vorgenommen, dass Menschen, die aus einem "sicheren Herkunftsland" hier Asyl suchen, jetzt in Abschiebehaft gehalten werden können, weil ihr Asylantrag offensichtlich unbegründet ist. Oder Menschen, die Schwierigkeiten haben, einen neuen Pass zu bekommen oder wo die Botschaften sich weigern. Auch hier kann verfügt werden, dass sie weiterhin in Abschiebehaft sitzen müssen. Ein dritter Fall ist, wenn jemand in Abschiebehaft einen Asylantrag stellt, was sehr häufig vorkommt. Weil die meisten, die hierher flüchten rechtlich nicht so informiert sind, dass sie wissen, wie sie einen Asylantrag stellen können - sie mussten bisher aus der Abschiebehaft entlassen werden. Jetzt kann gesagt werden: Aller Voraussicht nach wird dieser Asylantrag sowieso nicht positiv beschieden werden, deswegen können sie auch weiterhin in Abschiebehaft gehalten werden.

Schwarze Katze: Vielen Dank für das Gespräch, ich sprach eben mit...

Ulla Jelpke