Anarchosyndikalismus in Sömmerda - Videozeitung 1992
Berlin, FAU Ilmenau, ca. 35 Minuten
Die Dokumentation von Thomas Beckmann, Barbara Uebel und Markus Hoffmann beschäftigt sich mit der Geschichte des Anarchosyndikalismus in Deutschland.
Der Film beginnt mit einer Umfrage: Der einfache Passant wird gefragt, ob er etwas über den Begriff "Syndikalismus" wisse. Eine von Unkenntnis geprägte Antwort lautet: "Ja, das hat irgendetwas mit Asylanten zu tun!"
Im Jahre 1901 bestand die "Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften" aus 120.000 Mitgliedern, die alle aus der SPD ausgetreten waren. Die Syndikalisten erkannten das freie Streikrecht an, ihr Ziel war eine neue Gesellschaftsordnung. Als die FAUD 1919 gegründet wurde, bestand sie aus 110.000 Mitgliedern, davon kam die Hälfte aus dem Ruhrgebiet. Bis 1933 ging die Zahl der Mitglieder rapide zurück.
Der Historiker Dr. Andreas Graf berichtet daraufhin über die Stellung der Frau innerhalb der Gruppen. Dabei kritisiert er, dass auch von Syndikalisten die Frauen in den meisten Fällen nur als Hausfrauen und Gebärmaschinen betrachtet wurden. 1922 entstand deshalb in Berlin der Syndikalistische Frauenbund. Er kümmerte sich vor allem um die Sexualaufklärung. Rudolf Rocker verfasste die Prinzipienerklärung des Syndikalismus. Zwischenziel war es, territoriale Ortsvereine und Arbeiterbörsen zu gründen. Der AS scheiterte in größerem Rahmen in Deutschland, nur in Düsseldorf, Mühlheim, Berlin und Sömmerda konnte er Fuß fassen.
Weiterhin spricht Graf über die literarische Arbeit der AnarchistInnen, welche viele Zeitungen und Zeitschriften herausbrachten.
Sömmerda wird als Beispiel genutzt, um von der anarchosyndikalistischen Idee zu berichten. Dabei kommt auch der Zeitzeuge Karl Wandt zu Wort. Es wird erzählt, wie der Ort durch die Waffenfabrik des Nikolaus von Dreyse sich langsam zur Arbeiterstadt entwickelte, einige BewohnerInnen in Frankreich die Bekanntschaft von AnarchistInnen machten und sich nach einem Vortrag von Rudolf Rocker in Sömmerda der FAUD anschlossen. Insgesamt 2.000 der 7.000 EinwohnerInnen Sömmerdas wurden Mitglied der FAUD. Die SyndikalistInnen bauten einen Sportplatz, ein Schwimmbad und gründeten mehrere Arbeitervereine. 1936 sammelten sie Spenden für die Soziale Revolution in Spanien. Später wurden viele Mitglieder der SED. Nur wenige wussten in der DDR-Zeit in Sömmerda Bescheid über die wahren Wurzeln der Bewegung, da die SED die AnarchosyndikalistInnen später zu vereinnahmen versuchte.
Zum Abschluss gibt es, begleitet von peppiger Rockmusik, viele Banner, Aufkleber, Aufnäher, Buttons, Bücher und Zeitschriften der heutigen anarchistischen Bewegung zu sehen. Interessant bei dem Film ist, dass er innerhalb der 35 Minuten alles Wichtige sagt, ohne in langweiliges Herunterleiern von Daten und Fakten zu verfallen.
Nachfolgend die Inhaltsangabe auf dem Cover: "Thema des Filmes ist der Anarcho-Syndikalismus in Deutschland, insbesondere während seiner Blütezeit in den zwanziger Jahren, dargestellt am Beispiel der Stadt Sömmerda in Thüringen. Dieses Industriestädtchen hatte bei 7.000 Einwohnern 2.000 Mitglieder der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft FAUD. Sie waren bei Vorträgen des wichtigsten Theoretikers der "Freien Arbeiter Union Deutschlands" Rudolf Rocker von der USPD in die FAUD übergetreten.
In Interviews mit dem Historiker Andreas Graf und dem 84-jährigen Karl Wandt, der selbst Mitglied der FAUD in Sömmerda war, sowie unter Einbeziehung einer Vielzahl alter Fotos und Literatur, wird die Sömmerdaer, aber auch die gesamtdeutsche FAUD-Geschichte erzählt. Die Spur anarchosyndikalistischer Ideen wird bis in die heutige Zeit weiterverfolgt."