Schwarze Katze: Warum beteiligt ihr euch an dieser Demonstration hier in Ahaus gegen den Castortransport?
graswurzelrevolution: Zum einen sind wir auch gegen Atomenenergie, das heisst hier ist ein gemeinsamer inhaltlicher Angriffspunkt. Zum andern sehen wir unsere Aufgabe auch immer darin, sich entwickelnde emanzipative Bewegungen zu unterstützen, indem wir die Entwicklung der Bewegung kommentieren und auch versuchen, in diesen Strukturen bestimmte Arten des Umgangs miteinander einzubringen, z.B. Delegiertenprinzip, SprecherInnenrat, Bezugsgruppensysteme. Das es eben nicht nur gegen Atomenergie geht, sondern auch um den Aufbau einer herrschaftslosen Gesellschaft. Also um Demokratisierung der Gesellschaft und den Abbau von Macht- und Gewaltstrukturen.
Schwarze Katze: Bei der Graswurzelrevolution ist ja auch Antizipation wichtig, also dass das Ziel in den Mitteln erkennbar sein muss, hier also Gewaltfreiheit.
graswurzelrevolution: Das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt. Für uns bedeutet herrschaftslose Gesellschaft, anarchistische Gesellschaft immer auch eine gewaltfreie Gesellschaft, da Gewaltausübung gegen Menschen letztendlich immer auch eine Form von Herrschaft ist. Wenn wir eine herrschaftsfreie Gesellschaft erreichen wollen, heisst das auch, dass wir die Mittel des herrschaftsfreien Umgangs miteinander im Kampf dafür eben auch schon vorwegnehmen müssen. Hier in Ahaus sind wir konkret daran beteiligt, die X-tausendmal-quer Blockade zu organisieren, was eine gewaltfreie Massenblockade sein soll, die auf den Schienen stattfinden wird.
Schwarze Katze: Wie sieht das mit den verschiedenen Camps aus?
graswurzelrevolution: Das ist hier momentan alles ein bischen unklar durch das Versammlungsverbot, die meisten Camps liegen ja innerhalb des Bereichs des Versammlungsverbots drin, sind von daher auch verboten. Es war auch ein Beschluss des Delegiertentreffens, dass es keine Camps für nur eine Aktionsform gibt. Wir werden von daher ins Ausweichcamp gehen, das die BI auch mitbenutzt. Da werden wir dann die Strukturen für X-tausendmal-quer wie Bezugsgruppenfindung und SprecherInnenrat aufbauen.
Schwarze Katze: Wenn es unterschiedliche Aktionsformen in den Camps gibt, dann bedeutet das doch dass sich die Antiatomkraftbewegung nicht durch staatlichen Druck spalten lässt?
graswurzelrevolution: Es ist ein Weg, auf den Druck nicht zu reagieren. Wobei ich sagen muss, es ist eine einfache Sache zu sagen, "wir lassen uns nicht spalten", dass aber der praktische Umgang miteinander viel komplizierter ist und das es schon auch von allen verschiedenen Widerstandsformen heisst auch die Idee, die hinter einer Widerstandsform steht ernstzunehmen und einzusehen, dass bestimmte Formen besser nebeneinander laufen und nicht zusammen. Das heisst noch lange nicht, dass man sich deswegen spalten lässt und da sehe ich ein Problem bei einigen anderen Gruppen.
Schwarze Katze: Bei den Autonomen?
graswurzelrevolution: Ich würde mal sagen, bei einem Teil der Autonomen, denn die Autonomen sind auch kein monolithischer Block, genausowenig wie Graswurzel- oder andere Gruppen.
Schwarze Katze: Die Polizei hat sich gegen Gewalt ausgesprochen. Ausgerechnet die Polizei! Da gibt es ja auch so was wie strukturelle Gewalt.
graswurzelrevolution: Zum einen gibt es da sowas wie strukturelle Gewalt, zum anderen ist die Frage, was die Polizei für ein Gewaltverständnis hat. Wenn die Polizei sich gegen Gewalt ausspricht heisst das im Prinzip, für sie ist Gewalt alles was nicht legal ist. Für uns ist Gewalt was anderes. Für uns geht Gewalt im Wesentlichen erstmal vom Staat aus! Für uns gehört zur Gewaltfreiheit durchaus dazu Schienen zu besetzen, Gesetze zu übertreten, auch Schienen zu zersägen und so weiter. Das ist alles keine Gewalt, sondern eine gewaltfreie Aktionsform. Wobei jetzt bei X-tausendmal-quer ganz klar gesagt wird, es wird nur eine Sitzblockade auf den Schienen stattfinden, der können sich Leute anschliessen. Aber dabei wird nicht gesägt, auch um den Leuten ein Sicherheitsgefühl zu geben.
Schwarze Katze: Wichtig ist euch, dass Menschen nicht verletzt werden?
graswurzelrevolution: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, Menschen nicht zu verletzen. Aber auch ihnen die Angst zu nehmen, dass sie verletzt werden könnten. Also nicht drohend mit dem entsprechenden Gewaltdrohungpotential aufzutreten.
Schwarze Katze: Im Impressum der Graswurzelrevolution steht drin, dass eine sozialistische Wirtschaftsordnung angestrebt wird, also Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Sieht das dann so aus wie früher im Osten?
graswurzelrevolution: Natürlich sieht das nicht so aus. Vergesellschaftung ist etwas grundsätzlich anderes als Verstaatlichung. Vergesellschaftung der Produktionsmittel heisst, die Produktionsmittel von denen verwalten zu lassen, die damit arbeiten. Es gibt verschiedene Modelle der Vergesellschaftung: Einmal Arbeiterselbstverwaltung, dass die Produktionskollektive die Verwaltung der Produktionsmittel selbst übernehmen. Es gibt ein Konzept, das von Murray Bookchin vertreten wird: Kommunaleigentum. Also die Produktionsmittel den Kommunen zuzuführen und dass die Entscheidungen in den Kommunen anders als heute in einem direkt-demokratischen Entscheidungsprozess getroffen werden.
Schwarze Katze: Und eine ganz wichtige Strömung ist auch noch der Anarchosyndikalismus.
graswurzelrevolution: Richtig.
Schwarze Katze: Wenn jemand Interesse hat, die monatlich erscheinende graswurzelrevolution zu lesen: Wo ist die erhältlich und was steht da so drin?
graswurzelrevolution: Über unsere Webseite www.graswurzel.net lässt sich bequem ein Abo abschliessen oder im Online-Archiv stöbern. Probehefte verschicken wir erst mal so. Was steht drin? Wir bemühen uns um Themen, die zum einen aus gewaltfrei-anarchistischer Perspektive aktuell sind. Also beispielsweise Castor-Widerstand, Krieg, Sozialabbau und feministische Themen. Zum anderen führen wir in der Zeitung auch Diskussionen über anarchistische Theorie wie beispielsweise die Frage: Was können wir aus anarchistischer Geschichte lernen? Der aktuelle Bezug und der theoretisch-historische Bezug kommen beide vor.
Schwarze Katze: Wer aus dem Sauerland Interesse an der graswurzelrevolution und an früheren Ausgaben hat, der kann sich auch an uns wenden, wir haben die graswurzelrevolution im Schwarze Katze Archiv fast komplett und besorgen auch die aktuelle Nummer.