Menschenwürdige Beziehung Wenn ich in meinem Zimmer sitze und meine Gedanken schweifen lasse frage ich mich nicht selten, was ich mir wirklich wünsche. Und so oft ich es zu ergründen versuche treffe ich auf diese Antwort: menschenwürdige Beziehung. In der Welt, in der ich lebe, sind die Beziehungen zwischen den Menschen so wahnsinnig entstellt: Menschen sitzen nebeneinander im Bus ohne zu reden, sehen sich mit gleichgültigen Augen an. Menschen verkaufen sich und ihre Gefühle, lassen sich zur Ware machen. Menschen benutzen und tauschen einander aus, wenn Probleme auftreten. Menschen wollen Macht und Einfluss über andere haben. Menschen unterwerfen sich anderen, an die Verantwortung und eigene Entscheidung abgetreten wird. Die Menschen sind das Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich auf Herrschaft und Ausbeutung gründet, in der ständig Macht und Geld vermehrt werden muss: von der riesigen Maschine werden sie zu kleinen gemacht. Der einzelne Mensch wird zerstückelt. Sie wird aufgespalten in Körper und souveränen Geist, in Werkzeug und Kommandozentrale. Sie wird in ihre Einzelteile zerlegt, in körperliche Funktionen. So wie sich der Mensch selber zum Werkzeug wird, werden es auch die anderen. Sie werden streng nach ihren Funktionen unterteilt: Der Kollege, die PartnerIn, die FreundIn, die GeldgeberIn, das Sexualobjekt. Sie werden in Terminkalendern und geistigen Schubladen verwaltet. Eine ist für die scheinbar tiefgründigen Gespräche zuständig, einer für die Zuneigung. Jeder erfüllt eine abgegrenzte Funktion und kann je nachdem ausgetauscht werden. Nie werden Menschen, wird eine ganze Person gesehen - sondern nur Teile, über die mensch sich nicht hinaus wagen darf: was gesagt und getan werden darf, ist eng abgesteckt. Überall gibt es Grenzen, wo das Gespräch nicht weiter gehen darf, wo die Hand den anderen nicht berühren darf - wo die Beziehung nicht mehr lebt oder nie gelebt hat. Es bedeutet, sich selbst lebenslänglich zu unterdrücken und andere Menschen nie wirklich zu erkennen. Vielleicht ist es für mich unmöglich zu sagen, was menschenwürdige Beziehung ist, da ich so tief in dieser Gesellschaft stecke. Trotzdem. Eine nicht entstellte Beziehung wäre die, in der selbstbestimmte Menschen aufeinander treffen, die sich nicht vor den Gedanken anderer fürchten. Menschen, die keine Angst haben, anders zu sein, zu sagen, was sie empfinden. Menschen, die keine Angst haben, sich auf andere einzulassen, die es wagen, den Gedanken und Emotionen anderer zu folgen. Nicht entstellte Beziehung wäre die, in der Konflikte offen und bewusst ausgetragen werden. Nicht entstellte Beziehung wäre die, in der die Grenzen zwischen uns aufgehoben sind und in der ich trozdem ich bin und du du. In der wir uns als ganze Menschen begegnen, ohne etwas voneinander auszuklammern. Nicht entstellte Beziehung wäre die, in der Zuneigung, Berührung und Zärtlichkeit selbstverständlich sind. |