Schwarze Katze: Im März 2005 ist dein Buch go.stop.act! Die Kunst des kreativen Strassenprotests herausgekommen. Womit beschäftigt es sich?
Marc Amann: Im Buch geht es um Kunst und Aktion, also darum, was als kreative Aktion oder kreativer Widerstand bezeichnet wird. Gleichzeitig geht es um das Spannungsfeld zwischen Kunst, politischen Aktionen und der direkteren Art von politischer Aktion. Wir versuchen Geschichte und Herkunft von verschiedenen kreativen Aktionen zu erklären. Diese sind in den letzten Jahren ziemlich breit bekannt geworden und haben in vielen deutschen Städten Anwendung gefunden. Da jeweils Geschichte und Erfahrungen darzustellen, z.B. von reclaim the streets und allem was daraus dann aus Ablegern entstanden ist: radical cheerleading, pink silver, gleichzeitig mit neueren Phänomenen oder Formen, die wieder aufleben: Alles was zum Beispiel unter dem Begriff "Urban Art", momentan breit in den Medien diskutiert wird, was eigentlich alte Sachen sind: Graffiti und Schablonenkunst.
In der Jugendkultur leben diese Aktionsformen neu auf und innerhalb einer Linken wird sich wieder damit beschäftigt. Ein bisschen Theorie über Kunst und Aktivismus wird auch mit drin sein. Ich habe Material zusammengetragen, Menschen gesucht, die Beiträge schreiben oder die Erfahrungen haben, Geschichten über Kunst und Aktionen erzählen können, die sie erlebt haben, die sie gehört haben, die sie gut fanden.
Schwarze Katze: Du veröffentlichst dein Buch im Trotzdem Verlag. Dieser Verlag gibt auch Bücher zu anarchistischen Themen heraus. Wie findest du das?
Marc Amann: Ich findīs gut, dass der Trotzdem Verlag Bücher zu anarchistischen Themen herausgibt. Der Trotzdem Verlag ist sicher dafür bekannt anarchistische Themen aufzugreifen und diese herauszugeben. Was eben auch die Tradition dieses Verlags ist. Gleichzeitig versucht der Verlag auch anarchistische Traditionen in der Widerstandskultur, wie den langen Widerstand gegen den Flughafen auch wieder öffentlich zu machen. Um sich in einer breiteren sozialen Bewegung zu verorten.
Schwarze Katze: Du hattest das mit dem Frankfurter Flughafen angesprochen. Was hat es mit Widerstand gegen die Startbahn West auf sich?
Marc Amann: Am Frankfurter Flughafen findet seit vielen Jahren Widerstand statt der breit bis in die bürgerlichen Schichten reingeht. Mit dem weiteren Ausbau, vor allem in den letzten Jahren, wurde dieser Widerstand fast nur noch von bürgerlichen Initiativen getragen. Die Linke, oder auch die Autonomen, die in den 80ern da sehr aktiv waren, mischen sich nicht mehr so stark ein. Und darüber hat der Trotzdem Verlag eben ein schönes Buch mit hübschen Bildern und guten Texten herausgegeben.
Schwarze Katze: Der Widerstand zum Frankfurter Flughafen ging ja auch darum, dass ein grosses Waldstück nur für die Profitinteressen vernichtet werden sollte. Autonome und Anarchisten, die sich da beteiligt haben, sind damals schon für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen eingetreten. Marc, was war denn deine erste kreative Widerstandsaktion? Das muss dich ja wohl irgendwie beeindruckt haben, dass du zu dem Thema ein Buch schreibst.
Marc Amann: Ich find direkte Aktionen - also tatsächlich auf Bäume klettern, wenn eine Strasse verhindert werden soll - sehr inspirierend. In dem Zusammenhang hab ich eben angefangen mich damit zu beschäftigen und fand es reizvoll. Dann die Kunst, die in die Aktion kam, also Verkleidungen, Umzüge, Karneval, Musik.. Alles was damit zu tun hat. Puppen, grosse Figuren, kamen erst später, da kann ich dir jetzt nicht sagen, was da die entscheidende Inspiration war. Ich fand eben interessant, dass es möglich ist, Kunst, Spass, Lust, Freude zu verbinden. Kunst in dem Sinne, dass man selber kreativ wird, etwas schafft und zwar auf spielerische Art - dass man das mit der Aktion, als direkte Aktion verbindet. Da interessiert mich auch nicht so sehr der Kunstaspekt im Buch, sondern die Verwendung von Kunst im Rahmen direkter Aktionen, oder Kunst als direkte Aktion.
Schwarze Katze: Magst du mir noch sagen, was die Merkmale einer direkten Aktion sind?
Marc Amann: Es gibt verschiedene Definitionen von direkter Aktion und es gibt auch eine historische Definition: Massenstreik, Verweigerung und Sabotage im Betrieb. Ab Anfang der 90er in Grossbritannien und Ende der 90er kam auch in Deutschland ein neuer Begriff von direkter Aktion auf. So wie ich ihn dann auch jetzt verstehen würde: Das direkt das zu verhindern versucht wird, was einem nicht passt. Also sich nicht über Umwege an andere wendet, die irgendwas verändern können, sondern selber versucht diese Veränderungen herbeizuführen. Also wenn eine Strasse durch ein Waldgebiet gebaut werden soll, wogegen ich bin, dann versuche ich wenn ich direkte Aktion mache nicht irgendwelche Politiker zu beeinflussen, damit die gegen diese Strasse vorgehen, sondern ich stell mich dort selber dem Strassenbau in den Weg - das wäre dann eine direkte Aktion.
Schwarze Katze: Jetzt bin ich auf das Buch gespannt und danke dir für das Interview.
Marc Amann: Und ich danke auch.
Weiterführende Infos:
- Marc Amann (Hrsg.) // go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichten - Aktionen - Ideen, Trotzdem Verlag, ISBN 3-931786-38-2 // 240 Seiten // Großformat // März 2005 // 18 Euro
- Mehr zum Buch: www.go-stop-act.de
- Weblog des kreativen Strassenprotests mit einer Sammlung von Berichten und Fotos zu kreativen Aktionsformen, Gruppen und Initiativen: http://kreativerstrassenprotest.twoday.net
- Trotzdem Verlag: www.trotzdem-verlag.de
- Die autonome Kommunikationsplattform für kritische Auseinandersetzung zu den Themen Politik, Aktivismus, Punk, Anarchismus, Drogen, Veganismus, diy-Musik, Gegenkultur und dem alltäglichen Wahnsinn.: http://direct.action.at (Schwarze Katze Nachtrag: direct.action.at gibt es nicht mehr)
- "Direct Action" ist eine Form kreativen Widerstandes, die wir als Teil gesellschaftlicher Intervention gegen Herrschaft und Verwertung sowie als Eröffnung von Diskussionen um visionäre, emanzipatorische Gesellschaftsformen verstehen. www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/dan/haupt.html
- Schwarze Katze http://schwarze.katze.dk