Walther L. Bernecker / Sören Brinkmann: Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936-2006, Verlag Graswurzelrevolution Neckersheim 2006, Preis: 20,50 EUR, 378 S., ISBN: 978-3-939045-02-0.
Sören Brinkmann: Katalonien und der Spanische Bürgerkrieg<
Arthur Lehning: Spanisches Tagebuch & Anmerkungen zur Revolution in Spanien
Heiko Schmidt (Hrsg.): Die Freiheit fällt nicht vom Himmel. Fundstücke aus dem Spanischen Bürgerkrieg, Preis: 15 Euro, 192 S., ISBN: 978-3-00-024106-2.
Unter dem Titel "Kampf der Erinnerungen" nähern sich Walther L. Bernecker und Sören Brinkmann dem Spanischen Bürgerkrieg und der mit ihm verbundenen Erinnerungspolitik. Walther L. Bernecker gilt nicht umsonst als eine Koryphäe auf dem Gebiet der deutschsprachigen Forschung zum spanischen Bürgerkrieg. In seinem Teil in "Kampf der Erinnerung" thematisiert er die unterschiedlichen Facetten des Bürgerkrieges und der Revolution in kenntnisreicher und pointierter Weise. Viel Neues hat er dabei nicht zu bieten – lediglich ein paar neue, kleinere Details bietet die Studie für die Kenner des Themenkomplexes. Spannender sind diesbezüglich die drei anschließenden Kapitel, in denen die Repressalien nach dem Bürgerkrieg sowie die staatlich verordnete Erinnerungspolitik zum Gegenstand der Untersuchung wird. Dieser Part wurde in der bisherigen Spanienforschung stiefmütterlich behandelt. In gewohnt akribischer Art präsentiert Bernecker seine Forschungsergebnisse. Leider und das hätte man vom Anspruch des Verlages her erwarten können, wird die schwerer zu fassende Erinnerungspolitik der versprengten Reste der spanischen Republik in jenen Jahren außer acht gelassen. Der zweite Teil der Arbeit, den Sören Brinkmann beigesteuert hat, wird die Entwicklung der Erinnerungspolitik nach dem Tod des Diktators beleuchtet. Im positiven Gegensatz zu Bernecker nimmt er dabei auch bezug auf die zivilgesellschaftlichen Akteure – allerdings teilweise etwas oberflächlich. Die Fokussierung auf Spanien an sich, ist vor dem Hintergrund der internationalen Bedeutung des Ereignisses fragwürdig. Sie sollte zumindest in einen kurzen internationalen Kontext gestellt werden – nicht nur in einen historischen, wie es in diesem Band geschieht. Dennoch ein insgesamt, trotz einiger Schwächen relevantes Buch.
Sören Brinkmann hat zudem an den bereits erwähnten Band inhaltlich anschließend eine Forschungsarbeit über die Erinnerungspolitik speziell in Katalonien nach dem Bürgerkrieg nachgelegt. Ausgehend von der Deskription der historisch-politischen Entwicklung Kataloniens während der zweiten spanischen Republik, die in der deutschsprachigen Forschung bislang – ebenso wie die Situation des Baskenlandes – unterbeleuchtet ist, der besonderen Situation Kataloniens im Bürgerkrieg, die neben der regionalen Komponente vor allem durch den hohen Organisationsgrad der Arbeiterschaft in der anarcho-syndikalistischen CNT bestimmt war, thematisiert er auch die kulturelle Unterdrückung Kataloniens unter dem Franco-Regime und den sich auf verschiedenen Ebenen dagegen regenden Widerstand. Dieser Abschnitt ist für den Einstieg in die Materie sehr gut geeignet. Der Abschnitt über die Transitión (Übergang von der Diktatur zur Demokratie) in Spanien und den damit einhergehenden Wandel der Erinnerungspolitik handelt er hingegen eher knapp ab. Die darauffolgenden Jahre und der Ausblick auf die Gegenwart verkommen dann auch noch zu einem teils sehr oberflächlichen Schnelldurchlauf, wo der Lesende im positiven Falle Zeitdruck bei der Fertigstellung des Buches herauslesen kann. Die am Anfang des Buches vorlegte Qualität kann Sörn Brinkmann leider nicht bis zum Schluß durchhalten. Wer sich lediglich für die aktuelle Situation der Erinnerungspolitik interessiert, kann daher dieses Buch gewissentlich beiseite legen – für an der geschichtlichen Entwicklung der spezifischen katalanischen Erinnerungspolitik hingegen bietet das Buch einen sehr guten Einstieg und Überblick.
Der bekannte Anarchist und langjährige Leiter des Instituts für Internationale Sozialisgeschichte (IISG) in Amsterdam Arthur Lehning (1899/2000) hat 1936 fünf Wochen lang das republikanische Spanien, d.h. die Hochburgen Barcelona und València bereitst und sich einen Eindruck von der Situation vor Ort machen können. In dieser Zeit führte er ein Tagebuch, das nun erstmals in deutscher Sprache vorliegt und einen lebhaften Eindruck seiner Erfahrungen vermittelt und kleinere Lücken in der Forschung zum (spanischen) Anarchismus schließt. Sein Tagebuch setzt sich aus drei Teilen zusammen – den Briefen an seine Frau Mandelaine, dem teils ebenso in Briefform verfaßten, eigentlichen Tagebuch und Notizen (Sachinformationen für Artikel). Die Eintragungen wurden gewissenhaft und umfangreich editiert. Ergänzt wird dieses Dokument durch den Abdruck des 1937 erstmals veröffentlichten Artikels "Anmerkungen zur Revolution in Spanien" – ebenfalls eine deutsche Erstübersetzung, die sich im wesentlich auf seine Tagebucheintragungen und Notizen stützt – sowie eine von ihm verfaßte Rundfunkrede von 1936 ("Solidarität mit Spanien") und Auszüge aus seiner Korrespondenz mit libertären Mitstreitern wie z.B. Kaminski. Auch dieser Teil ist sehr empfehlenswert, da er interessante, zeitgenössische Analysen und Erkenntnisse aufzeigt. Das Vorwort von Toke van Helmond-Lehning, das die beiden Texten einordnen soll, ist hingegen streckenweise etwas oberflächlich ausgefallen und biete für den Kenner, der vorrangig an der Veröffentlichung jener Texte Interesse besitzt, nur wenig relevante neue Informationen. Es stützt sich weitgehendst auf die allgemein gebräuchliche Sekundärliteratur. Nichts desto trotz ist dieses Buch für ernsthafte Forschung zum spanischen Bürgerkrieg und vor allem der spanischen Revolution unumgänglich und eine große Bereicherung.
Der Antiquar Heiko Schmidt, der in seinem Prometheus-Antiquariat (http://www.prometheus-antiquariat.de/) sich auf den Verkauf klassischer Sozialistika spezialisiert, hat mit dem Titel "Die Freiheit fällt nicht vom Himmel" zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – ein interessanten Sammelband zu unterschiedlichen Facetten des spanischen Bürgerkrieges und den Antiquariatskatalog mit den Beständen zum Spanischen Bürgerkrieg unter einen Hut gebracht. In seinem einführenden Beitrag, in dem er wiederholt den Rückbezug auf den eigenen Bestand sucht, skizziert er die Entwicklung des Krieges und der Revolution in Spanien unter besonderer Berücksichtigung u.a. von der Presse und den (Buch-)Verlagen. Seine Bestände lassen sich mit den umfangreichen Anmerkungen daher wie ein Museumskatalog über den spanischen Bürgerkrieg mit großen Augen durchblättern. Neben seinem eigenen Beitrag sind vor allem die Beiträge von Nuria Fernandez Rojo ("Die Mujer Libre Carmen Conde und ihre literaturdidaktische Schrift La composició literaia infantiln"), in dem die Mitgliedschaft der bekannten Schriftstellerin Carma Conde in den Kreisen der Mujeres Libres beleuchtet wird, und Gudrun Schroeters Beitrag ("Leben für das Leben...damit wir nicht vergessen") über Interbrigadisten in der Perspektive junger jüdischer New Yorker (1938) von großem Interesse. Es handelt sich dabei um bislang wenig rezipierte Themen in Bezug auf die soziale Revolution und den Bürgerkrieg. Weiterhin findet sich ein sehr persönlicher Nachruf auf den Interbrigadisten Josef Schneeweiß und ein Essay über die norwegische Journalistin Lise Lindbaek, die als Kriegsreporterin in Spanien tätig war.