Terroristische Gene?

DNA Zwangstest Interim # 520, 22.02.01
Terroristische Gene: Früherem RAF-Mitglied zwangsweise Blut abgenommen So oder so-Infodienst, 31.01.01

DNA-Zwangstest
Interim # 520 vom 22.2.2001

Am 5.1.01 bekam ich vom Bundeskriminalamt Meckenheim eine Vorladung nach dem "DNA-Identitätsfeststellungsgesetz", begründet mit:
"Strafverfahren gegen Gisela Dutzi wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten, 1 STE 1/84".

Das Aktenzeichen ist das der Anklage, die es 1984 gegen mich gab, woraufhin ich damals zu 8 Jahren und paar Monaten Knast verurteilt wurde, die ich bis zum letzten Tag absaß. Ich war Anfang der 80er Jahre in der RAF organisiert. 1991, also jetzt vor fast 10 Jahren, kam ich aus dem Knast.

Am 18.1. war der Termin für die "Speichelabgabe" auf dem Polizeipräsidium Frankfurt, zu dem ich nicht gegangen bin. Eine Stunde später kamen vier BKAler mit Koffer zu meiner Wohnung und versuchten Nachbarn im Hause zu nötigen, Auskünfte über mich zu geben; ich selber war nicht zu Hause. Offensichtlich hatten sie vor, die Speichelprobe direkt dort zu nehmen.

Danach belästigten sie andere Leute, die sie an meiner vorigen Meldeadresse antrafen und Freunde und Freundinnen mit Täuschungsmanövern am Telefon: "Ich möchte Gisel sprechen" (als wären sie Freunde von mir), um zu erfahren, wo ich mich gerade aufhalte. Am 23.1. war die Polizei noch mal an meiner alten Wohnadresse und suchten dort nach mir. Sie wollten damit verhindern, dass ich vor der Durchführung der DNA-Abnahme den richterlichen Beschluss erhalte, auf dessen Grundlage mein Anwalt erst Beschwerde hätte einlegen können. Deswegen suchten sie mich ab dem Tag der polizeilichen Ladung, als wäre ich illegal, um mir sofort die Speichelprobe für die Analyse abzuzwingen.

Am 30.1. hatte ich einen Termin beim Arbeitsamt. Dort lauerten mir 5 Polizisten auf. Mindestens einer war vom BKA. Sie stellten mich vor die "Alternative": die Speichelprobe sofort "freiwillig" in aller Öffentlichkeit vor dem Arbeitsamt zu geben, oder sie zwingen mich mitzukommen zum Polizeipräsidium und würden dort mit Gewalt eine Blutabnahme vornehmen, "was schmerzlich wird" (wörtlich zitiert).

Ich bestand darauf, dass mein Anwalt den richterlichen Beschluss bekommt und eine Stellungnahme dazu machen kann. Darauf haben sie sich nicht eingelassen und mich gewaltsam an Händen und Füßen zum Auto geschleppt. In der Zwischenzeit ging einer der Polizisten auf die Frau los, die mich begleitete, zog sie an den Haaren. Ich wurde zum Polizeipräsidium gebracht. Danach zum gerichtsmedizinischen Institut, wo mir mit Gewalt " Arme nach hinten gedreht und fixiert " Blut abgenommen wurde.

Eine halbe Stunde später nachdem ich festgenommen wurde, erhielt mein Anwalt schließlich den Beschluss. Es stellte sich heraus, dass er schon am 17.10. 2000 ausgestellt worden war, d.h. er war 3 Monate alt.

In jedem Fall hatten sie ein Interesse, dass mein Anwalt ihn erst bekommt, nachdem alles vorüber war.

Der Beschluss ist vom Bundesgerichtshof ausgestellt. Dem üblichen Rechtsweg nach, wird ein solcher Beschluss vom Amtsgericht gemacht. Beschwerden dagegen können dann beim Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof eingereicht werden. Mir wurde der Beschwerdeweg von vornherein abgeschnitten und die Gerichte der unteren Ränge ausgeschaltet, die eventuell die Begründung, warum bei mir die DNA gemacht werden muss, nicht anerkannt hätten.

Der Inhalt des Beschlusses ist politisch, es geht um meine politische Identität.

Die Begründung, dass ich wieder "Straftaten" begehen könnte, ist in dem Beschluss zu 10 Seiten aufgeblasen, der Kern jedes aufgeführten Beweises ist: ich habe keine Aussagen gemacht, mich nicht "distanziert", ich habe nach meiner Knastzeit Gefangene besucht, Kontakte zu anderen ehemaligen Gefangenen gehalten, setze mich für die Freilassung der Gefangenen aus der RAF ein, die noch im Knast sind, inhaltliche Auseinandersetzungen geführt.

Am gleichen Tag, an dem ich die polizeiliche Ladung hatte, am 18.1., hat das Bundesverfassungsgericht mehrere Beschwerden, die gegen die Abnahme der DNA liefen, entschieden.

Ich kenne diese bisher auch nur aus der Presse. Demnach darf die DNA-Abnahme weiter praktiziert werden, jedoch müssen die Richter eine konkrete Einzelfallprüfung vornehmen. Ich vermute, dass das BKA seit dem Tag der polizeilichen Ladung, diesen Druck machte, weil sie nicht wussten, wie diese Entscheidung ausfallen würde.

Ich weiß, dass der "genetische Fingerabdruck" im großen Maßstab genommen wird bei Flüchtlingen, bei Leuten, bei denen Asylanträge laufen, bei Festnahmen von AntifaschistInnen. In den Knästen, bei Gefangenen wurde er fast überall abgenommen; bei Gefangenen aus der RAF, bei Rolf-Clemens Wagner.

Von ehemaligen Gefangenen aus der RAF bin ich meines Wissen die Erste, bei der es das BKA durchgeführt hat. Potentiell kann es bei allen politisch Verurteilten gemacht werden. In jedem Fall füllen sie präventiv ihre Datenbänke.

Frankfurt, 2.2.01 Gisela Dutzi

Terroristische Gene: Früherem RAF-Mitglied zwangsweise Blut abgenommen
SO ODER SO-Infodienst, 31.01.01
veröffentlicht im
Schwarze Katze Rundbrief 19.02.01

Frankfurt. Am Dienstag, 30.1.01 stellten Beamte des BKA und der Frankfurter Staatsschutzabteilung der früheren Aktivistin der Rote Armee Fraktion (RAF) Gisela Dutzi bei einem Arbeitsamtstermin eine Falle. Die ehemalige politische Gefangene wurde nach dem Termin festgenommen. Dabei kam es zu einem Gerangel und Gisela Dutzi wurde gewaltsam zum Polizeipräsidium verschleppt. Ihr wurde ein Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) eröffnet, nachdem ihr (körpereigenes) Material zum Zwecke der DNA-Identitätsfeststellung entnommen werden soll. Ihr wurde mitgeteilt, dass sie freiwillig eine Speichelprobe abgeben könne, würde sie sich allerdings weigern, würde ihr unter Zwang Blut abgenommen werden.

Der Beschluss der BGH ist vom Oktober vergangenen Jahres datiert. Er enthält keine konkrete Begründung, bezieht sich auf das DNA-Feststellungsgesetz und listet als Beleg für die gesetzlich verlangte "negtive Sozialprognose" u.a. die Teinahme an Hungerstreiks und Abgabe von Prozesserklärungen, Kontakte zu gegenwärtig inhaftierten oder entlassenen politischen Gefangenen, die Aussageverweigerung und deswegen verhängte Beugehaft und eingestellte Ermittlungsverfahren auf. Nach dem erst im vergangenen Jahr von der SPD/Grüne-Bundesregierung um das Organisationsdelikt "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129a" erweiterten Gesetz über den "genetischen Fingerabdruck" braucht es keinen konkreten Tatverdacht und keine konkrete Straftat, in dessen Rahmen ermittelt wird. Ausreichend ist die Annahme, dass die DNA-Feststellung im Hinblick auf neu Verfahren relevant werden könnte.

Da im Polizeipräsidium kein ärztliches Personal zur zwangsweisen Blutabnahme anwesend war, wurde Gisela Dutzi ins Gerichtsmedizinisches Institut gebracht. Gisela Dutzi klärte die diensttünde ärztin über den Zusammenhang auf, verwies sie darauf, dass sie gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt hat und forderte sie auf, sich nicht zur Vollstreckerin des Staatsschutzes zu machen. Die ärztin entschied, den BGH-Beschluss umsetzen zu müssen: Gisela Dutzi wurde von den Beamten festgehalten, die Arme auf den Rücken gedrückt und ihr dann Blut abgepumpt. Anschliessend wurde sie auf die Strasse gesetzt.

Dieser Vorfall verdeutlicht, dass ehemalige politische Gefangene immer wieder Repressionsmassnahmen des Staatsschutzes ausgesetzt sind. Die Bereitschaft zu Distanzierung, erklärtem "Gewaltverzicht" und Zusammenarbeit mit den staatlichen Organen wird immer aufs neu überprüft und als Begründung für erneute Schikanen herangezogen.

Es ist davon auszugehen, dass die gewaltsam erbeutete DNA-Probe bei Gisela Dutzi kein Einzelfall war, noch bleiben wird. Es wird damit gerechnet, dass auch andere ehemalige Gefangene aus der Stadtgürilla und Widerstandsgruppen davon betroffen sein werden.. Zumal das BKA bereits 1999 ankündigte, das gesamte in den vergangenen 30 Jahren sichergestellte und archivierte Material mit den neuen kriminaltechnischen Mitteln wie der DNA-Analyse erneut zu überprüfen, um zu neuren gerichtsverwertbaren Zuordnungen zu kommen.