Kampagne "Heute wie vor 100 Jahren: Krieg
dem Krieg! Für die soziale Revolution!"
Schwarze Katze Radiosendung
Schwarze Katze: Anmodi: Wir hören eine
Schwarze Katze Sendung über die Antimilitarismus-Kampagne der
Anarchistischen Föderation Rhein/Ruhr. Die
Kampagne "Heute wie vor 100 Jahren: Krieg dem Krieg! Für die soziale
Revolution!" findet am ersten Augustwochenende 2014 statt. Die Schwarze
Katze hat dazu eine Radiosendung produziert.
Darin enthalten sind zwei
etwa halbstündige und ein 7minütiges Interview. Das erste längere
Interview geht unter anderem um die Bundeswehr, Ursula von der Leyen,
den I. Weltkrieg und die Kampagne an sich. Der Schwerpunkt des zweiten
längeren Interviews liegt auf dem historischen Aspekt des I.
Weltkriegs,
dessen Auswirkungen und der Kritik an militaristischen Strömungen in
der Arbeiterbewegung.
Martin Veith nimmt Stellung zu seinem bei der Kampagne vorgestellten
Buch "Ehern, tapfer,
vergessen - Die unbekannte Internationale -
AnarchistInnen & SyndikalistInnen und der Erste Weltkrieg".
Weiterhin sind zwei Redebeiträge von Kampagnen-Veranstaltungen für die
Sendung aufgenommen worden: Uwe Neubauer liest aus "Ein Kind unserer
Zeit" von Ödön von Horváth (1901 - 1938). Wolf Wetzel spricht zum I.
Weltkrieg. Über eine Stunde geballte Antimilitarismus-Information:
http://schwarze.katze.dk/download/mp3/skkdk01.mp3
Wir nehmen den I.
Weltkrieg als Anlass unsere antimilitaristische Position darzulegen
Schwarze Katze Interview mit
Organisatoren der Antimilitarismus Kampagne, 03.08.14
Fotos und Interview: Schwarze Katze
Schwarze Katze: – Vom 1.-3. August 2014 findet die Kampagne „Heute wie
vor 100 Jahren – Krieg dem Krieg – Für die soziale Revolution!“ der
Anarchistischen Föderation Rhein-Ruhr, kurz AFRR, statt. Ich spreche
jetzt mit
Martin: Martin.
Tim: Und Tim.
Schwarze Katze: – In Bochum wurden am 1. August 2014 Pappen mit
antimilitaristischen Symbolen in Form von Särgen auf dem Husemannplatz
aufgestellt um für die Kampagne zu werben. Tim, du warst bei der Aktion
dabei.
Tim: Da haben wir uns mit einigen Anarchistinnen und Anarchisten
aus Bochum
zusammengetan, um dem ganzen Shopping-Alltag in der Innenstadt etwas
entgegenzusetzen und daran zu erinnern, was für ein Grauen 100 Jahre
vorher da seinen Lauf genommen hat. Dabei haben wir Flyer verteilt und
sind mit Leuten ins Gespräch gekommen und wollten für die Kampagne
werben.
Schwarze Katze: Und was gab es da für Reaktionen von den Passantinnen
und Passanten?
Tim: Wir waren in dem Shopping-Trott. Das haben wir sicherlich alle
schon erlebt. Allerdings haben wir bemerkt, dass einige Leute sich
schon für das Thema interessieren - auch weil es immer in den Medien
vorkommt. Und da ist eine radikalere Kritik an Krieg und Kriegsgründen
reinzubringen ein wichtiger Schritt, weil es auf einen fruchtbaren
Boden stößt.
Schwarze Katze: Ist es den Menschen aufgefallen, dass die einige dieser
Sprüche auf selbstgebastelten Grabsteinen standen?
Tim: Ja, das war natürlich nicht zu übersehen. Wir wollten zum
Ausdruck bringen, dass in Kriegen immer die Wahrheit, die
Menschlichkeit und auch die Freiheit mit sterben. Das ist aufgefallen.
Schwarze Katze: Ihr habt wegen dieser Aktion Grabsteine in Bochum
aufgestellt. Welche äußere Form hatten diese Grabsteine? Waren das die
üblichen Grabsteine von deutschen Friedhöfen oder waren das Grabsteine
von Soldatenfriedhöfen?
Tim: Es gab die ursprüngliche Idee das Ganze mit Kreuzen zu machen.
Allerdings müssen wir auch darauf achten, wie das Ganze rüberkommt. Ein
Meer von Kreuzen auszulegen ist eine Aktionsform, die von
radikal-christlichen AbtreibungsgegnerInnen benutzt wird. Die
1000 Kreuze Märsche sind glaub ich bekannt. Von daher haben wir, um
deutlich zu machen, dass die Menschlichkeit, die Freiheit und die
Wahrheit immer im Krieg sterben, Grabsteine genommen. Das ist für viele
Leute der erste Anknüpfungsbild oder ein bekanntes Bild, mit dem
sie verknüpfen können, dass das ein Grabstein ist.
Schwarze Katze: Martin war bei der unangemeldeten Kundgebung auf den
Katharinentreppen gegenüber dem Hauptbahnhof Dortmund dabei. Wie lief
das ab?
Martin: Wir wollten am Jahrestag zum Eintritt Deutschlands in den I.
Weltkriegs am 1. August 2014
eine Kundgebung machen, die an einem der zentralsten Orte von Dortmund
darauf hinweist, was vor 100 Jahren passiert ist. Sowas hat sonst
relativ wenig in der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Kundgebung war
aus unserer Sicht erfolgreich. Wir haben zwei Redebeiträge gehabt, die
gehalten wurden bevor die Polizei kam und wir die Versammlung aufgelöst
haben.
Schwarze Katze: Worum ging es in den beiden Redebeiträgen?
Martin: In den Redebeiträgen ging es um Antimilitarismus im
Allgemeinen, darüber den geschichtlichen Bezug herzustellen und auf
heutige Kriegsschauplätze hinzuweisen.
Plakat für die "Krieg dem Krieg"-Kampagne auf dem Friedensfest 2014,
Foto: Schwarze Katze, 05.06.14
Schwarze Katze: Dortmund ist landesweit dafür bekannt, dass Nazis den
Antikriegstag für ihre Propaganda missbrauchen. Ist das auch ein Grund
mit für diese Kampagne?
Martin: Definitiv. Es ist in Dortmund umso wichtiger, dass wir die
antimilitaristischen Positionen für uns beziehen und dass wir
nicht einen so wichtigen Tag wie den Antikriegstag an die Nazis
hergeben.
Schwarze Katze: Der Antikriegstag bezieht sich auf den II. Weltkrieg
und nicht auf den I. Das heißt eigentlich nimmt die Kampagne nicht
primär darauf Bezug, sondern auf den I. Weltkrieg und die 100 Jahre
Wiederkehr, oder?
Martin: Ja. Wir nehmen den I. Weltkrieg als Anlass unsere
antimilitaristische Position darzulegen und beider Sachen zu gedenken.
Schwarze Katze: Wie ist es eigentlich zum I. Weltkrieg gekommen?
Tim: Heutzutage ist die These populär, dass der I. Weltkrieg einfach
ausgebrochen ist. Christopher Clark hat in seinem berühmten Buch "Der
Schlafwandler" geschrieben, dass die Mächtigen Europas einfach so in
den Krieg getaumelt sind. Wir sehen das anders. Weil es für uns wichtig
ist, deutlich zu machen, dass Kriege immer Vorbereitung bedürfen und
dass der I. Weltkrieg von vielen politischen Kräften gewollt war und
dass er vorbereitet wurde. Mit Herrschaftsverhältnissen wie
Kapitalismus gibt es immer Gründe dafür, dass Kriege entstehen. Kriege
brechen nicht aus wie ein Vulkan, wie eine Naturgewalt, sondern sind
immer von Menschen und politischen Kräften gewollt.
Schwarze Katze: Die Kirche hat im I. Weltkrieg Waffen gesegnet und
hat für den Sieg beten lassen. Dieses taucht in der Broschüre der AFRR
überhaupt nicht auf.
Tim: Das Thema I. Weltkrieg ist ein unheimlich komplexes Thema.
Theoretisch wär das jetzt ein richtiges Buchprojekt, was wir aufziehen
könnten. Wir wollten uns jetzt darauf konzentrieren, dass wir die
wichtigsten Kriegsgründe und daraus eine eigene antimilitaristische
Position erarbeiten. Natürlich ist die Rolle insbesondere der
Evangelischen Kirche auch mit ein Kriegsgrund gewesen, da
Protestantismus mit Nationalismus und Patriotismus zusammenhängen.
Allerdings haben wir auch gar nicht den Anspruch alle Bereiche des
Themas abzudecken. Für uns war es wichtig, uns die Funktion von Kriegen
anzugucken, wie sie entstehen, wie sie in die Gesellschaft hineinwirken
und deutlich zu machen, warum wir dagegen sind. Es hängt nicht nur mit
Kriegen zusammen, sondern auch mit Staat und Kapitalismus. Diese
Position herauszuarbeiten war für uns wichtiger. Das Thema ist total
umfangreich, deswegen ist das nicht darin vorgekommen.
Schwarze Katze: Hat Staatsgläubigkeit und Unterordnung unter autoritäre
Hierarchien, die Sozialdemokraten
und Kommunisten verbindet, zum Massenmord des 1. Weltkriegs beigetragen?
Tim: Es ist jetzt sicherlich falsch zu sagen, dass jetzt alle
Sozialdemokraten und Kommunisten immer für den Krieg waren. Aber ich
denke, dass gerade das Umfallen der SPD einen sehr wichtigen Beitrag
zum I. Weltkrieg geleistet hat. Staat und Sozialdemokratie sind gute
Freunde geworden und die ganzen Auswirkungen davon können wir heute
noch sehr gut sehen. Ja, natürlich bedingt jedes Mitmachen jedes
Kriegsmaschinerie, jedes Unterordnen unter den Staat eine
Mitschuldigkeit an den Verbrechen dieses Staates und ein Mitwirken
daran, das ist vollkommen klar.
Schwarze Katze: Die Sozialdemokraten hatten sich früher grundsätzlich
gegen imperialistische Kriege ausgesprochen. Wie sah das denn da im I.
Weltkrieg damit aus?
Tim: Dass die Sozialdemokraten, zumindest in großer Mehrheit, den
Kriegskrediten zugestimmt hat, ist bekannt. Das Umschwenken der SPD ist
eine sehr wichtige Sache, wenn man den I. Weltkrieg betrachten will.
Früher galten sie als Hoffnungsträger der Arbeiterbewegung - auch
international gesehen. Weil sie sich im heimischen Klassenkampf bessere
Positionen erwartet hat, hat sie dieser Sache zugestimmt und ist mit
auf Kriegskurs gegangen. Was die herrschenden Eliten und der Kaiser
wollten, nämlich dieses berühmte "Ich kenne keine Parteien mehr,
sondern nur
noch Deutsche", das hat da ziemlich gut geklappt. Und wenn das nicht
auf alle Schichten zutraf, ist die Kriegsbegeisterung im I. Weltkrieg
eine sehr wichtige Warnung. Auch dass die Arbeiterbewegung nicht
vor gefeit war, ist eine Entwicklung, die wir definitiv im Auge
behalten müssen. auch für die Zukunft.
Schwarze Katze: Wie kann denn dafür gesorgt werden, dass künftig
Arbeiter nicht mehr Militarismus, Nationalismus und Kriegstreiberei
gutheißen?
Tim: Es ist wichtig den herrschenden Kräften nicht zu glauben, wenn
es um Krieg geht. Es wird, wenn ein Krieg vorbereitet wird oder wenn
er im Entstehen begriffen ist, unglaublich viel gelogen. Es findet
sich immer ein Kriegsgrund, der nicht Krieg heißt. Sei es, um die
Menschenrechte zu verteidigen, sei es, um sich selbst zu verteidigen.
Erster Schritt ist es, dass wir ganz kritisch sein müssen und erstmal
nichts geglaubt werden darf. Dann muss der Gedanke vorherrschen, dass
wir alle nur Menschen sind und dass wir mit unseren Genossinnen und
Genossen in anderen Ländern viel mehr gemeinsam haben, als mit
Politikerinnen und Politikern in unserem Land und dass da eine
Gemeinsamkeit entstehen muss. Das muss über internationale Kontakte und
über ein Bewusstsein entstehen.
Schwarze Katze: Die von der Sozialdemokratie beeinflussten Arbeiter
haben im 1. Weltkrieg größtenteils
Militarismus, Nationalismus und Kriegstreiberei gutgeheißen. Ebenso
wie die SPD, die den Kriegskrediten zugestimmt hat und später die
Kommunisten,
als diese den Staat übernommen haben. Sind linke Arbeiterparteien ein
Instrument der Befreiung oder der Unterdrückung?
Tim: Wir als Anarchistinnen und Anarchisten haben natürlich eine
deutliche Kritik an Parlamentarismus und Parteien. Für uns ist
Herrschaft und Autorität ein wichtiger Kriegsgrund. Für uns gehört das
miteinander zusammen. Und von daher können wir niemals linke Parteien
als unseren Weg zur Befreiung anerkennen. Natürlich mag es dann gewisse
progressive Effekte geben. Aber um nachhaltig Frieden schaffen
und Kriege verhindern zu können, ist es für uns ganz wichtig jede Form
von Parlamentarismus, jede Form von Herrschaft und jede Form von
Staatsgläubigkeit abzuschaffen.
Schwarze Katze: Jetzt komme ich wieder zu Martin. Du hast dich intensiv
mit anarchistischem Antimilitarismus beschäftigt. Warum gibt es Krieg?
Martin: Es gibt viele Gründe. Wenn man einen Menschen auf der Straße
fragt oder einen Politiker oder einen Geschäftsmann: Jeder wird einem
sagen, dass er einen Krieg erstmal grundsätzlich ablehnt. Aber wenn man
Krieg wirklich ablehnt oder verhindern möchte, muss man sich wohl oder
übel mit
den Gründen, die Kriege immer wieder hervorbringen, auseinandersetzen.
Ein klassisches Prinzip ist natürlich der Kapitalismus, der uns dazu
bringt in einem ewigen Konkurrenzkampf um Vorherrschaft, um
Rohstoffversorgung und weitere Sachen zu kämpfen und der viele
wirtschaftliche Gründe hervorbringt, warum wir Kriege gegeneinander
führen. Auf der anderen Seite sind auch Gründe wie Nationalismus, der
Glaube an eine rassische Überlegenheit - wenn man an das Rassenkonzept
glaubt - Gründe für Kriege. Oder sehr verfahrene Situationen, in denen
Kriege wie bei einem Streit - nur in viel größerem Stil eine Revanche
für eine früher geglaubte Niederlage sind - für ein Trauma oder eine
Demütigung aus einem alten Krieg.
Schwarze Katze: Und was hat Herrschaft
damit zu tun?
Martin: Herrschaft hat immer etwas mit Unterdrückung zu tun. Und immer
wenn Herrschaft ausgeübt wird, gibt es auch jemand, der ohnmächtig ist.
Zum einen lässt sich Herrschaft nur sichern, wenn man Kriege
ausübt, wenn man militaristisch vorgeht. Herrschaft bedeutet auch immer
die Sicherung von Privilegien, die auf irgendeinem vagen Konzept
begründet, einer Person mehr zugesteht als einer anderen. Und wenn
diejenige Person, die weniger Privilegien abkriegt, sich darüber
beschweren möchte, dann ist das Militär da oder der Krieg um die Leute,
die die Herrschaft nach unserer Sicht unrechtens sich angeeignet haben,
die Institution, die diese Privilegien schützt. Und es gibt immer
Leute,
die ohnmächtig sind gegenüber diesem Herrschaftssystem und die deswegen
auch zu Gewalt greifen werden.
Schwarze Katze: Wenn es Personen gibt,
die sich Herrschaft unrechtmäßig aneignen, gibt es dann auch
rechtmäßige Herrschaft?
Martin: Nein. Aus unserer Sicht ist Herrschaft immer unrechtmäßig.
Aber es gibt immer irgendwelche Konzepte, die von Menschen erdacht
wurden, z.B. der Kapitalismus. Das vergessen wir ja heutzutage. Viele
Menschen sehen den Kapitalismus heutzutage als etwas naturgegebenes an
und in gewisser Weise wird uns das auch in den Schulen vermittelt. Aber
auch der Kapitalismus ist eine Sache, die von Menschen erfunden wurde
und die damals dazu diente Privilegien in den modernen Republiken
rüberzubringen und neu zu legitimieren.
Schwarze Katze: Ist Herrschaft ein
Kriegsgrund?
Martin: Herrschaft macht auf jeden Fall Kriege möglich. Herrschaft,
welche aus unserer Sicht immer illegitim ist, lässt sich nur vor andern
Menschen verteidigen, indem man mit Militär oder anderen gewalttätigen
Institutionen die Menschen davon abhält die Herrschaftsmodelle zu
beseitigen. Insofern werden Kriege geführt, um Herrschaft auszubreiten
und um Herrschaft zu sichern.
Schwarze Katze: Was ist
anarchistischer Antimilitarismus?
Martin: Anarchismus und Antimilitarismus gehören natürlich sehr stark
zusammen weil das Militär oder Militarismus eine der denkbar
hierarchischsten Strukturen
ist, die man sich vorstellen kann. Und der Anarchismus dem natürlich
total zuwider läuft. Emma Goldman hat mal den Anarchismus als einzige
wirkliche Philosophie des Friedens bezeichnet. Man kann sagen wir als
Anarchistinnen und Anarchisten lehnen Militarismus grundsätzlich ab.
Trotzdem beantwortet dies nicht die Gewaltfrage. Auf dem Weg zu einer
besseren Welt und zu einem selbstorganisierten Leben, welches nach den
Regeln der freien Vereinbarung auf Augenhöhe stattfindet, wird es
natürlich auch reaktionäre Kräfte geben. Der Umgang damit ist seit
jeher umstritten. Es gab gerade Ende der 20er, Anfang der 30er auch
eine große Diskussion darüber, wo es auf der einen Seite die Position
gab, dass nach einer Revolution oder im Fall einer Revolution
Anarchistinnen und Anarchisten sich der Kriegsgeräte bemächtigen
sollten, um diese gegen die Konterrevolution zu nutzen. Auf der anderen
Seite gibt es auch Leute, die generell pazifistisch da rangehen. Diese
beiden Strömungen gibt es zu bedenken und da muss letzten Endes jeder
seinen eigenen Weg finden oder feststellen wie weit er diese Wege gehen
möchte. Man kann grundsätzlich sagen, dass wir der
Meinung sind, dass das Ziel der befreiten Gesellschaft und der
gesellschaftlichen Vorstellungen, die wir haben, dass das immer schon
in den Mitteln enthalten sein muss. Das heißt, auch wenn es zu
irgendwelchen Vorgehensweisen kommt, dürften diese nicht militärisch
strukturiert sein und nicht auf Befehlsgehorsam basieren.
Schwarze Katze: Innerhalb der Sozialen
Revolution in Spanien gab es Arbeitermilizen.
Martin: Die Zeit in Spanien in den 30ern ist natürlich ein gutes
Beispiel dafür, dass Gewalt als Widerstand in manchen geschichtlichen
Situationen
leider manchmal unausweichlich ist. Diese Arbeitermilizen waren aber
nicht strukturiert wie ein Militär. Das muss man dabei auf jeden Fall
bedenken. Das waren Milizen, die in kleinen Gruppen sich ihre Kompetenz
bemächtigten, Leute ausgewählt haben und diese nicht einem Gehorsam
unterstellt waren. Also es gab nicht den Gehorsam, wie man ihn aus
militärischen Strukturen kennt.
Schwarze Katze: Was ist wenn heute
autonome Gruppen direkte Aktionen oder militante Aktionen machen?
Martin: Das liegt an den autonomen Gruppen. Das kann man nicht pauschal
beantworten.
Plakat und Broschüre der "Krieg dem Krieg"-Kampagne auf dem Schwarze
Katze Stand auf dem Friedensfest 2014. Foto: Schwarze Katze, 06.06.14
Schwarze Katze: In der
Kampagnen-Broschüre "Heute wie vor 100 Jahren: Krieg dem Krieg! Für
die soziale Revolution!" heißt es: "Die Frage inwieweit Gewalt
gegen Menschen auf dem Weg in eine gewaltfreie herrschaftslose
Gesellschaft legitim sein kann, bleibt bis heute eine zentrale Frage
der anarchistischen Auseinandersetzung." Wie sieht das denn die
Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr?
Martin: Also ich muss sagen, dass es dazu in der Anarchistischen
Föderation Rhein/Ruhr keine einheitliche Meinung gibt. Es gibt sehr
unterschiedliche Grenzen der Menschen. Grundsätzlich sind wir alle
nicht überzeugt vom Eigentumsbegriff. Aber wenn es um Gewalt gegen
Menschen geht, haben wir da sehr unterschiedliche Grenzen. Es gibt da
genauso wie in der restlichen anarchistischen Bewegung auf der einen
Seite Menschen, die sich eher der Graswurzelrevolution verbunden fühlen
und andererseits auch Menschen, die offensiv Gewalt auch als ein Mittel
zum Weg sehen.
Schwarze Katze: In der Broschüre kommt
das tendenziell eher so rüber, dass die Graswurzelrevolutions-Sache
tendenziell positiver behandelt wird.
Martin: Ja, diese Kritik haben wir schon mal gehört. Es ist so nicht
beabsichtigt gewesen. Es finden sich tatsächlich beide Positionen
wieder. Man kann definitiv nicht sagen, dass der
Graswurzelrevolutions-Gedanke der verbreitetere ist.
Schwarze Katze: Reden wir mal über
Kriegsgründe oder die Gründe, die Kriege verhindern.
Tim: Wir können niemals der Demokratie in letzter Konsequenz vertrauen.
Weil durch Parlamentarismus immer noch eine sehr entfernte
StellvertreterInnenpolitik durchgeführt wird. Gerade auch der Fakt,
dass Demokratien auch schon Kriege angeführt haben, lässt mich da
zweifeln,
dass wir in einer Demokratie vor Kriegen letzten Endes sicher sind. Es
ist natürlich richtig, dass im I. Weltkrieg keine Demokratie im
Deutschen Reich herrschte, aber der I. Weltkrieg ist das beste Beispiel
dafür, dass Teile einer Bevölkerung kriegsbegeistert sein können. Noch
heute haben wir in diesem Staat Menschen, die Krieg gut finden und
unterstützen und daher kann für uns eine Demokratie keine Versicherung
sein, dass kein Krieg stattfindet.
Schwarze Katze: Kommen Kriege nur vom
Kapitalismus?
Tim. Nein. Wir haben schon gesagt, dass Kriege nicht nur vom
Kapitalismus kommen, sondern auch vom Staat. von
Herrschaftsverhältnissen, aus Nationalismusgründen und aus sonstigen
Herrschafts-, Abhängigkeits-, oder Konkurrenzverhältnissen. Der
Kapitalismus ist sicherlich ein Teil davon, aber letztendlich können in
allen Konkurrenz- und Herrschaftsverhältnissen Kriege entstehen und
sind sie teilweise auch. Gerade die "realsozialistischen" Staaten haben
auch gezeigt, dass das auf keinen Fall Friedensbringer sind. Von daher
muss für uns der Weg zu einer Gesellschaft ohne Krieg nicht nur ohne
Kapitalismus, sondern auch ohne Staat und ohne Herrschaft gegangen
werden.
Schwarze Katze: Die Bundeswehr
versucht im öffentlichen Leben präsenter zu sein und geht in Schulen,
um dort Nachwuchs anzuwerben. Wie beurteilst du das?
Tim: Wir finden, dass das eine sehr problematische Entwicklung ist. Zum
einen, weil es den Gedanken, dass Krieg normal ist, immer weiter in die
Gesellschaft hineinträgt. Wir kriegen durch Medien und
Bundeswehr-Werbung sowieso schon immer das Bild und gerade bei Kindern
und Jugendlichen damit anzufangen halten wir für unglaublich perfide
und für eine sehr bedrohliche Entwicklung. Gerade junge Menschen
indoktrinieren zu wollen, ist sehr manipulativ und für uns muss
Bundeswehr aus den Schulen raus. Allerdings nicht nur aus den Schulen,
auch an den Universitäten, Arbeitsämtern, in Form von Plakaten,
Straßenwerbung, Radiowerbung. Die Bundeswehr versucht im ganzen
öffentlichen Leben mithilfe einer Werbeoffensive vorzugehen, die wir
sehr kritisch
und problematisch sehen, weil es den Gedanken von Krieg und
Militarismus weiter in die Gesellschaft trägt, aber gleichzeitig der
Bundeswehr ein sehr harmloses Image geben soll. Sie können selbst über
das Bild entscheiden, was sie an die Öffentlichkeit vermitteln und von
daher ist es für uns ganz wichtig, dem ein anderes Bild
entgegenzusetzen.
Schwarze Katze: Wenn es Proteste gegen
öffentliche Gelöbnisse Werbeaktionen der Bundeswehr, z.B. einen
sicheren Job zu versprechen gibt, sind diese Aktionen zu unterstützen?
Tim: Natürlich sind jegliche Aktionen gegen die Bundeswehr im
öffentlichen Raum erstmal zu unterstützen. Es gilt da zu
differenzieren, wer da aus welchen Gründen dagegen protestiert. Z.B.
fahren Nazis auch Kampagnen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Allerdings sehen wir uns mit den meisten Protesten, die heute
auftreten, in
einem gewissen Konsens, den wir mitgehen können. Für uns ist wichtig,
unsere Kritik deutlich zu machen. die sich beispielsweise von
kommunistischen Gruppen deutlich abgrenzt. Allerdings sind diese
Proteste in den meisten Fällen eine gute Sache.
Schwarze Katze: Was gibt es denn an
konkreter Kritik an der Bundeswehr?
Tim: Die Bundeswehr ist halt ein Militär. Sie ist damit ein zentrales
Organ des Staates. Sie könnte im Zweifelsfall eine wichtige Stütze des
Staates sein. Militär ist immer streng hierarchisch. Militär ist immer
nationalistisch orientiert, hat immer eine sehr klare patriarchale und
sexistische Struktur. Und eigentlich ist eine Armee immer, auch wenn
sie sich
so harmlos gibt, wie die Bundeswehr heutzutage im öffentlichen
Bewusstsein tut, eine Institution, die unseren Vorstellungen einer
freien Gesellschaft am meisten widerspricht.
Schwarze Katze: Die Bundeswehr hat in
der Jugendzeitschrift Bravo versucht Jugendliche mit coolen Sprüchen
für sie anzuwerben.
Tim: Das ist eine sehr problematische Entwicklung in zweierlei
Hinsicht. Zum einen, dass Kinder und Jugendliche angesprochen werden.
Zum anderen, dass ein harmloses, cooles Image der Bundeswehr
rüberkommt. Darauf sind sie angewiesen, weil es keine Wehrpflicht mehr
gibt. Aber das sind Sachen, die eigentlich nicht passieren dürfen und
wo es eine ganz starke Stimme gegen braucht. Es zeigen die Vorfälle in
Afghanistan, wo Soldaten mit Totenschädeln rumgespielt haben, dann
Foltervorwürfe unter Rekruten in Kasernen, die es gab, immer wieder
rechtsradikale Einzelfälle, Werbung unter Jugendlichen, dass sie
gezielt angesprochen werden und teilweise schon mit 17 unterschreiben
sollen - das sind Gründe dafür, warum die Bundeswehr abzulehnen ist,
warum sie Sachen machen, die unserem Verständnis deutlich
entgegenstehen und warum sie nur ein Militär sind, wie jedes andere
auch.
Schwarze Katze: Der Umbau einer
Wehrpflichtigen-Armee zu einer Berufsarmee führt zu einer
Umstrukturierung der Bundeswehr. In Zukunft soll es kleinere mobile
Einheiten der Bundeswehr geben, die weltweit für die Rohstoffinteressen
kämpfen und sterben.
Tim: Diese Veränderungen in der Bundeswehr kommen daher, dass es eine
Veränderung von Kriegen weltweit gibt und eine veränderte Art von
Kriegsführung. Gerade der I. Weltkrieg ist ein klassisches Beispiel
dafür, dass große Armeen von Nachbarländern übereinander herfallen.
Heute sieht der Krieg ganz anders aus. Er wird mobiler, er findet weit
entfernt vom eigenen Land statt. Für uns ist das kein Grund nicht mehr
gegen den Krieg zu sein. Es hilft sehr, diese Bedrohungskulisse sehr
nach innen aufzubauen, die mit einem Krieg immer einhergeht. Mit Krieg
geht immer einher, dass es eine Militarisierung nach innen gibt.
Schwarze Katze: Was haben die
Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte, kurz RSU-Kräfte, für
eine Aufgabe?
Tim: Die erste Aufgabe, die auf dem Papier steht und die immer
vorangetrieben wird, ist der sogenannte Heimatschutz. Es geht darum,
dass im Kriegs-, oder Verteidigungsfall im eigenen Land Einheiten
bereitstehen, die Kasernen oder sogenannte kritische Infrastruktur
bewachen können. Allerdings ist es ganz wichtig da einen zweiten Blick
drauf zu werfen. Weil diese Kräfte für den Einsatz im Inneren
konzipiert sind, muss uns deutlich Sorge bereiten. weil es schwammige
Begriffe gibt, z.B. was kritische Infrastruktur sein soll und wann es
sie zu bewachen gilt. Zum Teil haben wir da noch recht strenge
gesetzliche Vorgaben, aber bei den Auslandseinsätzen sieht man ganz
deutlich, wie diese Vorgaben immer weiter aufgeweicht werden. Eine
weitere sehr problematische Aufgabe von den RSU-Kräften ist die
zivil-militärische Zusammenarbeit zu stärken. Die RSU-Kräfte sind
bewusst regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte, sind in den
Bundesländern aufgestellt und sollen da die Verbindung zum örtlichen
Katastrophenschutz stärken und die Bundeswehr weiter in der
Gesellschaft verankern. Das ist wegen der Militarisierung, die damit
einhergeht, eine sehr problematische Entwicklung. Auch wenn die
RSU-Kräfte auf den ersten Blick ganz harmlos wirken, sind sie eine sehr
bedrohliche Aufstellung. Gerade weil auch Regelungen für den Einsatz im
Inland immer weiter gelockert werden und weil dadurch, dass Kräfte im
Inland aufgestellt werden, wir uns auch immer fragen müssen, wann diese
gegen Soziale Bewegungen eingesetzt werden. Ein Testfall war sicherlich
der Einsatz in Heiligendamm, wo dann Flugzeuge der Bundeswehr über die
Camps geflogen sind. Das ist eine bedrohliche Entwicklung, die wir ganz
genau im Auge behalten müssen.
Schwarze Katze: Wie sieht der Einsatz
der Bundeswehr im Inneren aus?
Tim: Theoretisch haben wir noch recht strenge Vorgaben, was den Einsatz
im Inneren angeht. Zumindest, wenn es um den militärischen Einsatz
geht. Die "heldenhaften" Fluthelfer, die sogenannten, sind schon Alltag
geworden und bestimmen in diesem Land das Image der Bundeswehr. Im
Rahmen von Amtshilfe kann es durchaus vorkommen, dass die Bundeswehr
die Polizei unterstützt, eben genanntes Beispiel von Heiligendamm, war
sicherlich ein Testlauf. Die zunehmende Ausrichtung der Bundeswehr,
dass sie solche Aufgaben im Inland z.B. mit diesen RSU-Kräften
übernehmen kann, bereitet uns ganz eindeutig Sorge.
Schwarze Katze: Die
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kündigt eine
familienfreundliche Bundeswehr an. Was ist davon zu halten?
Tim: Es passt sehr gut in das Bild der Bundeswehr hinein, dass die
Bundeswehr von sich vermittelt, um harmlos zu wirken. Und dass Frau von
der Leyen Verteidigungsministerin ist, ist sicherlich kein
ungeschickter Schachzug auf diesem Weg. Wir stehen natürlich der
Bundeswehr in jeder Form entgegen und daher ist für uns Töten und
Familie nicht vereinbar. Es ist schon fast etwas lächerliches, wenn es
nicht so traurig wär.
Schwarze Katze: Ursula von der Leyen
kümmert sich auch noch um Drohnen.
Tim. Ja, das ist sicherlich eine interessante Sache, wie das
weitergeht. Gerade weil auch Drohnen nur sehr schwer unter die
Parlamentskontrolle fallen können. Natürlich ist für uns die
Parlamentsarmee nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber es ist noch
eine kleine Einschränkung, die die Bundeswehr so hat. Gerade bei
Drohnen fällt das weg, weil angeblich schnelle Entscheidungen getroffen
werden müssen, ähnlich wie bei den Spezialkräften. Frau von der Leyen
gilt heutzutage als das harmlose Gesicht der deutschen
Kriegsmaschinerie oder des Verteidigungsministeriums. Das ist eine
Entwicklung, die mit von Guttenberg ihren Anfang genommen hat, dafür
dass der aus unerfindlichen Gründen so populär war und das geht nun mit
Frau von der Leyen deutlich weiter. Sie war vorher Familienministerin
und gilt dadurch nicht als Kriegstreiberin, obwohl das sachlich nicht
richtig ist.
Büchertisch bei der Krieg dem Krieg Kampagne in Dortmund. Foto:
Schwarze Katze, 03.08.14
Schwarze Katze: Ich komm jetzt wieder zu Martin. Welche Folgen hat die
Antimilitarismus-Kampagne für die Struktur gehabt?
Martin: Für die Struktur hat die Kampagne eine sehr wertvolle Funktion
eingenommen weil wir ein spezifisches Thema hatten, an dem wir uns
inhaltlich sehr stark auseinandergesetzt und uns auch über gemeinsame
und ungleiche Positionen ausgetauscht haben. Das Produkt davon
ist diese Broschüre, die wir veröffentlicht haben. Des weiteren sind
dadurch viele Menschen in Kontakt gekommen und haben über die Arbeit
und die Planung an der Kampagne Verbindung aufgebaut und sind näher
miteinander bekannt geworden und das festigt die Struktur natürlich.
Schwarze Katze: Zurück zur Kampagne.
Neben der Kundgebung und den Vorbereitungen zur Broschüre gab es einige
Vorträge. Welche denn?
Martin: Also es gab vier Vorträge. Der erste war am Samstag Abend. Da
gab es einen Vortrag vom Institut für Syndikalismusforschung aus Bremen
zur unbekannten Internationalen. Da ging es um das Gedenken der
Arbeiterbewegung, die im I. Weltkrieg gekämpft und einen aussichtslosen
Kampf gegen den Krieg und gegen ihre Rolle beim Krieg geführt haben. Am
Sonntag gab es dann weitere Vorträge. Zum Beispiel über den
Kriegsausbruch und die Situation 1914 in Dortmund. Und
es gab einen Vortrag darüber, wie Kriegskritik heutzutage aussehen
muss. Es gab auch eine Lesung, in der Texte bezüglich des I. Weltkriegs
gelesen wurden mit anderen Perspektiven auf den Krieg.
Schwarze Katze: Was gab es denn zu
essen?
Martin: Es gab veganes Essen, es gab vegane Steaks, vegane Würstchen
aus Tofu und Seitan. Es gab Krautsalat, Kuskussalat und Brote. Es gab
für alle was.
Schwarze Katze: Was gibt es für
Handlungsperspektiven für anarchistischen Antimilitarismus?
Martin: Der Handlungsraum ist da sehr weit. Einmal kann man auf
ideologischer Ebene die Legitimität von Staat, Nation
und Kapitalismus angreifen, das ist sicherlich eine Sache, die immer
dabei sein muss.
Auf der anderen Seite können wir aber auch durch direkte Aktionen die
Bundeswehr stören oder die Rüstungsindustrie angreifen. Da kann man
spezielle Konzerne benennen, die natürlich Adressen haben. Unser Ziel
mit der Kampagne ist es auch an der öffentlichen Debatte teilzunehmen,
die rund um die Debatte zum I. Weltkrieg gesellschaftlich geführt wird.
Unser Beitrag dazu ist unsere eigene Stellungnahme in Form einer
Broschüre.
Auf lange Sicht ist es unser Ziel ein gesellschaftliches System
auszuhandeln, bei dem wir auf Augenhöhe und nach den Prinzipien der
Freien Vereinbarung das System von Macht und Ohnmacht überwinden und in
einer gleichberechtigten Gesellschaft leben können.
Schwarze Katze: Da ist ja noch einiges
zu tun.
Martin: Ja, leider.
Zwischenmoderation: Uwe
Neubauer liest aus dem Buch "Ein Kind unserer Zeit" von Ödön von
Horváth. Daraus folgt ein Ausschnitt.
Uwe Neubauer liest "Ein Kind unserer Zeit" von Ödön von Horváth.
Zwischenmoderation: In dieser
Schwarze Katze Sendung geht es um Kritik am Militär. Am ersten
Augustwochenende 2014 fand eine Antimilitarismus Kampagne statt. Dort
wurden Interviews und Redebeiträge aufgenommen.
Interview zum Buch "Ehern, tapfer, vergessen"
Die Schwarze Katze hat am 03.08.14 in Dortmund ein Interview mit Martin
Veith, einem der Autoren des Buches "Ehern, tapfer, vergessen - Die
unbekannte Internationale - AnarchistInnen & SyndikalistInnen und
der Erste Weltkrieg" geführt. Es geht um antimilitaristischen
Widerstand im I. Weltkrieg in verschiedenen Ländern, so auch in
Rumänien und Neuseeland. Der Autor gibt im Interview Auskunft über sein
im Buch erschienenen Kapitel "„Krieg dem Krieg” - Agitation und
Widerstand von Anarchisten und Syndikalisten gegen den Ersten Weltkrieg
in Rumänien".
Ja, wir sind Forscher
Schwarze Katze Interview mit Martin Veith
Interview zum Buch „Ehern, tapfer, vergessen. Die unbekannte
Internationale. AnarchistInnen & SyndikalistInnen und der Erste
Weltkrieg.“
Gai Dao Nr. 45, September 2014
Schwarze Katze: Ich spreche jetzt mit…
Martin Veith: Martin Veith.
Schwarze Katze: Du hast an einem Buch mitgewirkt, das
heißt „Ehern, tapfer, vergessen. Die unbekannte Internationale.
AnarchistInnen & SyndikalistInnen und der Erste Weltkrieg.“,
erschienen im Verlag Edition AV. Was steht da so drin?
Martin Veith: Das Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem
Institut für Syndikalismusforschung. dem Verlag Edition AV und
anarchistischen und anarchosyndikalistischen Historikern und anderen
Forschern zum Widerstand von AnarchistInnen und SyndikalistInnen im I.
Weltkrieg eben nicht nur in Deutschland. Man muss dazu sagen, es gibt
ein Buch, das den Widerstand von SyndikalistInnen in Deutschland gegen
den I. Weltkrieg behandelt, das ist der Band 2 in der selben Reihe. Die
Reihe heißt „Kapital braucht Kriege – Wir nicht: AnarchistInnen und
SyndikalistInnen und der Erste Weltkrieg. Band 2 ist geschrieben von
Helge Döhring und heißt „Im Herzen der Bestie: Syndikalismus in
Deutschland 1914–1918“ und behandelt hauptsächlich mit Schwerpunkt auf
Berlin den Widerstand in den Betrieben und den Widerstand von den
revolutionären Obleuten.
Dieses Buch hier, der Band 3, behandelt verschiedenste Länder auf der
ganzen Welt und den Widerstand von AnarchistInnen und SyndikalistInnen
dagegen.
Schwarze Katze: Ein Thema von dem Buch ist der anarchistische
Widerstand in Rumänien, und darüber hast du im Rahmen der
Antimilitarismus-Kampagne der Anarchistischen Föderation Rhein/Ruhr
etwas erzählt.
Martin Veith: Genau, wir hatten hier gestern eine Veranstaltung, wir
sind eingeladen worden von den Genossinnen und Genossen der AFRR und in
der Veranstaltung gestern habe ich eben ein bisschen was berichtet auch
über die Entstehungsgeschichte des Buches, da kann ich auch noch ganz
kurz was zu sagen. Mein Schwerpunkt in der Veranstaltung war die
Situation in Rumänien, das ist ja sehr unbekannt, dass es in Rumänien
eine anarchistische und anarchosyndikalistische beziehungsweise
syndikalistische Bewegung gab.
Schwarze Katze: Was gab es denn da für anarchistischen Widerstand?
Martin Veith: Das war zum Einen auf agitatorischer Ebene. Es gab
Broschüren von Peter Kropotkin, die vertrieben worden sind bis in die
Kasernen rein, bis in die Sammelstellen und Truppentransporte . Es gab
aber hauptsächlich einen syndikalistischen Widerstand, der natürlich
auch von Anarchisten unterstützt worden ist. Es gab in
Hafenarbeiter-Städten wie Brăila und Galati auch Streiks gegen den
Krieg, es gab Proteste gegen die Teuerung, die im Zuge des Krieges
vonstatten gegangen ist, Leute haben trotz Verbot demonstriert, die
wurden teilweise vom Militär blutig niedergeschlagen: Im Erdölgebiet
von Prahova, das ist nördlich von Ploiești, das ist etwa 100 Kilometer
westlich von Bukarest gelegen, die Berge hoch. Das war immer das
Petroleumgebiet, das war auch ein Kriegsziel der deutschen Politik, des
Kaisers, um das Erdöl in die Hand zu bekommen, da gab es Streiks,
Widerstand, Sabotage der Bohranlagen, es gab vielfältige Aktionen.
Schwarze Katze: In dem Buch geht es auch noch um anarchistischen
und syndikalistischen Widerstand im I. Weltkrieg in anderen Ländern.
Martin Veith: Ja genau, das ist sehr interessant, weil das Schöne
ist dann, wenn man dann so einen Resümee ziehen kann, dann kann man
sehen, dass eigentlich in allen Ländern ziemlich ähnliche Situationen
geherrscht haben. Das fängt an mit Zensur, mit Verbot, mit Verfolgung,
aber auch mit Widerstand auf ganz vielfältigen Ebenen, mit Streiks. In
dem Buch finden sich zum Beispiel Berichte über die Situation in
Russland, über Österreich, über Ungarn und über England. In England am
Beispiel von Stockport, dann wie gesagt über Rumänien, über Italien,
das ist ein sehr interessanter Beitrag über Italien. Es hat dazu
geführt, dass die italienischen Anarchistinnen und Anarchisten, die
vorher weniger gemeinschaftlich organisiert waren, sich dann am Ende
doch in einer gemeinsamen Organisation zusammengeschlossen haben. Es
gibt einen Bericht über Spanien, insofern interessant, da Spanien kein
aktiver Teilnehmer am I. Weltkrieg war, sondern die spanische Regierung
nicht aktiv eingetreten ist in den Krieg, es gibt einen sehr
interessanten, informativen Beitrag über Südamerika, und eben über
Neuseeland. Das ist sehr spannend, also auch in Neuseeland gab es
Widerstand.
Schwarze Katze: Was ist denn in Neuseeland passiert?
Martin Veith: In Neuseeland waren es interessanterweise die
Wobblies, die da sehr aktiv waren. Die haben angefangen zu Boykotten
aufzurufen, daß Leute nicht eingezogen werden sollen zum Militär, es
gab Widerstandsbewegungen gegen die Mobilmachung, es gab dann auch die
Repression des Staates, die dann dazu geführt hat, dass Leute
interniert worden sind, ähnlich in anderen Ländern, wie auch in
England. Ein Beitrag behandelt zum Beispiel die Internierung von Rudolf
Rocker in London, wie es ihm da ergangen ist, und ein anderer Beitrag
behandelt das Manifest der 16, was eigentlich nur 15 waren, aber in der
Historie falsch dargestellt wird, wo sich AnarchistInnen um Peter
Kropotkin für den Krieg ausgesprochen hatten, gegen das Deutsche Reich
und gegen die Mittelmächte.
Schwarze Katze: Du arbeitest am Institut für
Syndikalismusforschung mit.
Martin Veith: Ja, wir sind Forscher, durchaus keine
Akademiker, auch wenn es Akademiker bei uns gibt, aber wir machen das
aus Interesse, weil wir aus der Bewegung kommen und haben einen
Schwerpunkt in die Erforschung der emanzipatorischen Arbeiterbewegung
gelegt mit Schwerpunkt syndikalistischer und anarchosyndikalistischer
Arbeiterbewegung. Ein Schwerpunkt ist dabei natürlich die Situation in
Deutschland, das zu erforschen, das wiederzugeben. Ein anderer
Schwerpunkt ist Osteuropa, Ukraine und Rumänien. Wir publizieren dazu
einmal im Jahr ein Jahrbuch, das heißt „Syfo Forschung und Bewegung“,
wo wir Forschungsergebnisse vorstellen und versuchen es in einer leicht
verständlichen Weise zugänglich zu machen. Dann gibt es verschiedene
Materialien, die wir in der „Edition Syfo“ veröffentlichen, wo
bestimmten Themen ein bisschen detaillierter nachgegangen wird und wir
veröffentlichen Bücher, machen Veranstaltungen, helfen immer gerne
jeder und jedem beim Forschen, wenn sie selbst Interesse haben, in
ihrer Stadt was herauszufinden, sind gerne behilflich, können auch
immer angesprochen werden.
Schwarze Katze: Dazu gibt es auch eine Website.
Martin Veith: Ja, es gibt sogar zwei. Es gibt einmal die Website
unter http://syndikalismusforschung.info
und es gibt den Blog http://syndikalismusforschung.wordpress.com
- wo auch aktuellere Sachen zu finden sind.
Also einige unserer Broschüren gibt es auch kostenlos zum Download als
PDF, da kann man gerne draufgucken und ansonsten wenn es Interesse gibt
kann man sich immer gerne mit uns in Verbindung setzen und sehen, ob
doch was dabei ist, was man machen kann.
Schwarze Katze: Wie fandest du die Antimilitarismus-Kampagne?
Martin Veith: Fand ich sehr schön, ich fand vor allem das Motto
klasse, „Krieg dem Krieg! Für die soziale Revolution!“ Finde ich ganz
wichtig, also wir verstehen uns auch im Institut für
Syndikalismusforschung als Revolutionäre, wir wollen die Soziale
Revolution, wir machen das nicht einfach abgehoben im luftleeren Raum.
Ich fand das auch gut, dass es so offensiv thematisiert worden ist hier
in Dortmund, ich hab das gesehen, also wo überall Flugblätter verteilt
worden sind, wo Plakate hängen, es hat sich auch ein bisschen in der
Stadt widergespiegelt, fand ich sehr gut, fand auch das Interesse an
dieser Kampagne recht gut.
Unterm Strich würde ich sagen, sehr gut, das so ins Bewusstsein
gebracht zu haben, eben auch von einem anarchistischen Standpunkt aus.
Schwarze Katze: Vielen Dank für das Gespräch!
Martin Veith: Ja, gerne. Bitteschön!
Schwarze Katze - Postfach 41 20 - 58664 Hemer - http://schwarze.katze.dk
Zwischenmoderation: Wolf Wetzel
geht in seinem Vortrag auch auf den I. Weltkrieg ein.
Wolf Wetzel: Vor ein paar Tagen
habe ich in der Frankfurter Rundschau eine ganz tolle Vorlage für das
Referat und den Beitrag heute bekommen. Also wo man sieht, wo wir
stehen oder in welcher Situation wir uns befinden. Ich war zuerst total
erschrocken, weil auf der Titelseite stand "Es ist Krieg!" Ach, das war
1914. "Heute begann vor 100 Jahren der I. Weltkrieg. Die Diskussion mit
dem Umgang mit der Urkatastrophe ist so aktuell wie nie." Und man sieht
auf dem Bild die überwiegende Kriegsbegeisterung. Das ist ein ganz
wesentlicher Unterschied. 1914/18, der Versuch den Krieg zu verhindern,
die Proteste, aber natürlich auch das Ende des I. Weltkriegs, der
Versuch, die Niederlage des Kapitalismus, des Imperialismus, in eine
sozialistische und sogar in eine - und da sind wir wahrscheinlich am
allernächsten - in eine rätedemokratische Version umzuwandeln, das ist
natürlich für die deutsche Geschichte eine Sensation, weil sie
schaffen's eh nicht. Also zu Friedenszeiten schon eh nicht
revolutionäre oder emanzipatorische Ideen umzusetzen. Aber nach dem
Ende eines Krieges - und 1918 war das der Fall, dass sowohl ein Teil
derer, die kämpfen mussten, als Soldaten, als auch natürlich die
vielen, die eingezogen wurden, sich dem Krieg politisch widersetzt
haben..
Kriege brechen nicht aus,
sondern werden geplant
Schwarze Katze Interview zum I.
Weltkrieg mit einem der Organisatoren der "Krieg dem Krieg"-Kampagne
Schwarze Katze: Wir hören ein Schwarze
Katze Interview mit Anton. Und es geht um die Kampagne "Heute wie vor
100 Jahren. Krieg dem Krieg. Für die Soziale Revolution". Hallo.
Anton: Hallo.
Schwarze Katze: Du hast an der
Antimilitarismus Broschüre mitgearbeitet. Was macht den Ersten
Weltkrieg zum Urbild des modernen Krieges?
Anton: Also erstmal war der I. Weltkrieg der erste, der mit solch
einem
industriellen Aufwand betrieben werden konnte. Was erstens daran lag,
dass die industrielle Entwicklung soweit war, dass sie die ganze
Kriegsindustrie herstellen konnte. Und zweitens damit, dass es diese
Massengesellschaft gab, die diese Massenarmeen hervorgebracht hat.
Diese Massenarmeen waren dann das, was lange Zeit die Kriegsführung
geprägt hat. Zusammen damit, dass ein altertümliches Bild vom
heroischen Krieger zwar in der Propaganda noch genutzt werden konnte.
in diesem I. Weltkrieg, aber eigentlich nicht mehr gepasst hat., denn
das heroische sich gegenüberstehen von einzelnen männlichen Kämpfern,
wie man das so rübergebracht hat, funktioniert so nicht mehr und war
eigentlich ein Witz angesichts der Realität im Schützengraben. Vor dem
Feuer von Geschützen von Leuten, die man gar nicht mehr gesehen hat
oder von Giftgasangriffen, wenn man sich eingegraben hat. Hinzu kommt
dann noch die Natur der Konfliktparteien, denn das waren eben moderne
Nationalstaaten, oder Nationalstaaten, während ihrer Bildung, die sich
da gegenüberstanden, die um ihren Einfluss oder ihr Territorium
gekämpft haben. Und teilweise ging es auch um den Prozess der
Nationwerdung selbst.
Schwarze Katze: Bekannte Historiker
behaupten, die europäischen Mächte seien blind in den Krieg
geschlittert oder geschlafwandelt. Was ist an dieser Sicht zu
kritisieren?
Anton: Die Sichtweise würde implizieren, dass ein Krieg einfach so
passiert, wie ein Vulkanausbruch, an dem niemand was ändern kann.
Dahinter steckt eine Auffassung von Geschichte, die keinen Widerspruch
duldet. Wenn man dann vermutet, dass Kriege einfach passieren, weil sie
ausbrechen, weil sie von Leuten
gemacht werden, weil sie da reingezogen werden, die nichts mit Menschen
zu tun hat, ignoriert, dass da Interessen hinter stecken. Kriege
brechen
nicht aus, sondern werden geplant, vorbereitet. werden von Leuten
durchgeführt. Vor allem werden sie aber nicht von einzelnen Personen
durchgeführt. Das wäre die spiegelbildliche Seite, die ebenfalls zu
kritisieren wäre, dass Krieg und Geschichte immer von grossen Männern
gemacht würde. Da stehen Machtkonstellationen dahinter.
Schwarze Katze: Wie verhielten sich
die europäischen Mächte vor dem I. Weltkrieg und was waren ihre
Interessen und Bündnisse?
Anton: Auf dem europäischen Kontinent gab es eine Situation unklarer
Machtverteilung. Wenn man jetzt die deutsche Perspektive besonders
einnimmt, was
sinnvoll ist, da wir uns jetzt da befinden und die Diskussion um die
deutsche Rolle auch besonders national geführt wird, dann kann man da
z.B. sehen, dass innerhalb einer unklaren europäischen
Machtverteilung
das wirtschaftlich aufstrebende Deutschland nach mehr Macht gesucht
hat. Ausserdem gab es schon vor dem Weltkrieg Andeutungen der
Bündnisse, die sich dann nachher gebildet haben. Z.B. war ganz wichtig,
dass Belgien ein neutraler Staat war, für den England aber gebürgt hat.
Und ganz zentral Österreich-Ungarn, dass ja in den ersten Tagen dieser
Kriegserklärungen, die dann gekommen waren, entscheidend war. Denn
Österreich-Ungarn war noch aus den vorhergegangenen europäischen
Konflikten und aus völkischem Gedanken heraus, ein wichtiger
Verbündeter Deutschlands. Dieses Deutsche Reich hatte der
österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie zugesichert, dass egal
welche Aktionen sie machen, das Deutsche Reich ihnen militärisch zur
Seite stehen wird. Der andere Partner war Serbien, mit dem Russland
verbündet war. Es war dem Deutschen Reich und der Führung anderer
verbündeter
Nationen schon klar, dass es eine kriegsgefährliche Situation gibt.
Nicht ganz klar, war dann, wie die Konfliktparteien aussehen würden. Im
Deutschen Reich hat man es erstmal gehofft vermeiden zu können, dass
man bei einem etwaigen Krieg der europäischen Mächte an zwei Fronten
kämpfen zu
können. Also einerseits im Westen, andererseits im Osten. Das hat dann
aber nicht funktioniert. Spätestens mit dem überfallartigen Durchmarsch
auf Belgien kam dann auch noch England als Kriegspartei hinzu und man
hatte dann sehr schnell einen Zweifrontenkrieg.
Schwarze Katze: Gab es eine deutsche
Sonderstellung?
Anton: Das besondere an der deutschen Situation, würde ich sagen, war,
dass es einerseits einen besonders starken industriellen Aufschwung in
Deutschland gab, der auch mit technischer und Wohlstandsentwicklung
verbunden war. Andererseits aber erstens das politische System relativ
rückständig war. Die 48er Revolution ist keine bürgerliche Revolution
in vollständigem Ausmaß geworden. Und es zweitens auch noch eine
Rückständigkeit gab in Bezug auf die Übersee-Kolonien. Das war eine
besondere Kränkung auch für den deutschen Nationalismus, der gesehen
hat,
dass Nationen, die kleiner und ihm weniger bedeutend vorkamen, Dänemark
zum Beispiel, kolonialmächtig besser gestellt waren, als sie selbst.
Und so kam es dann zu diesem bekannten Ausspruch, der dämlicherweise
auch für eine Lotterie steht, dass sich das Deutsche Reich seinen Platz
an der Sonne wünschen würde. Gemeint waren die sonnigen
Kolonialgebiete, wo man seine Macht gerne vergrößert hätte. Hinzukam,
dass man diese Machtausdehnung, die einem vermeintlich zustehen würde,
nicht nur in den Kolonialgebieten angestrebt hat, sondern auch
innerhalb Europas. Da gab es dann dieses Stichwort Mitteleuropa, das
fürchterlicherweise auch noch immer genutzt wird und eigentlich
bedeutete, dass ein europäisches Gebiet, dass sich von Deutschland nach
Osten ausgeprägt haben würde, von formal unabhängigen Nationen, die
aber real unter deutscher Kontrolle stehen würde.
Schwarze Katze: Warum war die
Revolution von 1848 keine vollständig gelungene bürgerliche Revolution?
Anton: Da habe ich jetzt das Idealbild der jungen französischen
Revolution vor Augen und würde sagen, eine vollständig gelungene
bürgerliche Revolution wäre eine gewesen, die die Monarchie ganz
abschafft und stattdessen eine verfasste, wahrscheinlich noch
demokratisch Republik einsetzen würde. Das ist aber so nicht geschehen.
Es ist tatsächlich zu einer konsttutionellen Monarchie gekommen. Also
eine Monarchie, die auch eine Verfassung hatte. Die aber dem Parlament,
was eingesetzt wurde, sehr wenig Rechte eingeräumt hat. Und so stand
dann das Deutsche Reich immer noch unter der Fuchtel der
Adelsherrschaft, des Ancien Régime.
Schwarze Katze: Welchen Hintergrund
hatte das Attentat von Sarajewo und was bedeutete es für den
Kriegsbeginn?
Anton: Das war wohl eher ein Anlass als der tatsächliche Grund für
diesen
Krieg. Ich hab ja schon vorher angedeutet, dass es das Bewusstsein gab
und teilweise den machtpolitischen angetriebenen Wunsch den Krieg in
Europa vom
Zaun zu brechen. Aber auch dieses Attentat ist im Zuge der europäischen
Mächte und Territorienverteilung zu sehen. Denn dieser Mensch, der den
Franz Ferdinand erschossen hat, war auch kein Einzeltäter, sondern
Mitglied einer serbischen nationalistischen serbischen
Untergrundorganisation, die
angestrebt hat, diejenigen, die sich als Serben fühlten, aber unter
österreichisch-ungarischer Verwaltung und Herrschaft standen, an den
ebenfalls bestehenden Staat Serbien anzugliedern. Der Thronfolger hatte
aber andere Pläne. Er wollte einen Vielvölkerstaat installieren, der
unter k.u.k. Verwaltung stehen würde, was natürlich den Interessen der
serbischen Nationalisten ganz entgegenstand. Es gab mehrere Attentäter,
einer von ihnen war erfolgreich, hat den Thronfolger erschossen.
Daraufhin wurde ein Ultimatum an Serbien gestellt, das kaum anzunehmen
war und letztlich wegen Bagatellentscheidungen hat sich dann
Österreich-Ungarn entschieden, den Krieg gegen Serbien zu erklären.
Durchaus mit Absicht, sie wollten den Krieg, sie haben ihn provoziert.
Durch die zugesicherte sogenannte Nibelungentreue des Deutschen Reiches
kam es dazu, dass auch das Deutsche Reich in den Krieg involviert wurde.
Schwarze Katze: Der I. Weltkrieg wurde
nicht schnell gewonnen, sondern es gab einen Stellungskrieg.
Anton: Ja. Das war ganz das Gegenteil vom dem, was am Anfang erwartet
wurde Die Soldaten hatten, als sie an die Front kamen, die Erwartung,
dass sie in wenigen Monaten,
also vom Spätsommer bis Weihnachten wieder zuhause sein würden.
Entsprechend fröhlich und kriegsbegeistert sind die Leute dann
hingefahren.
Die Realität sah dann aber schnell anders aus. Es gab, was man kannte
und erwartet hatte, schnelle Vorstöße der deutschen Armee. Z.B. den
vernichtenden Feldzug durch Belgien. Der deutsche
Feldzug wurde dann aber durch einen französischen General gestoppt. Es
blieb dann lange Zeit in den langen Stellungskriegen eingefroren, die
durch
Grabenkämpfe geprägt waren und ganze Landstriche auf Jahrzehnte
verseucht und mit Leichen gepflastert haben. Das war tatsächlich neu,
hatten die Strategen nicht erwartet und eine riesige
Propaganda-Maschine wurde notwendig, um trotzdem so einen Krieg am
Laufen zu halten.
Schwarze Katze: Wie sah es mit der
Kriegsbegeisterung der deutschen Arbeiter aus?
Anton: Die war zunächst gering.Die deutschen Arbeiter hatten damals mit
der SPD die stärkste Partei in der Internationale, die auch für ihren
hohen Organisationsgrad bewundert wurde. Zunächst gab es aus der SPD
eine Anti-Kriegs-Haltung. Das wurde nur solange durchgehalten, bis es
dann um die Entscheidung über die Kriegskredite ging, der die SPD dann
auch
zugestimmt hat. Also Geld, das für die Kriegsmaschinerie bereitgestellt
werden musste. Das ging auch mit einer wachsenden Kriegsbegeisterung an
der Basis einher. Man brauchte ja diese Massenheere und tatsächlich
wurde es geschafft diese Kriegsbegeisterung zu schüren. Da gibt es
bekannte Reden des Kaisers, der da als wichtiger Einpeitscher fungiert
hat und
mit diesem Zitat, dass er keine Parteien, sondern nur noch Deutsche
kenne, schien es eine große Wirkung auf die vormals interessengeleitete
Politik der Arbeiterbewegung zu geben.
Schwarze Katze: Welche Auswirkung
hatte
das Verhalten der SPD mit der Zustimmung zur Burgfriedenspolitik auf
das Deutsche Reich als Nation?
Anton: Man könnte fast unterstellen, dass das erst ermöglicht hat, dass
diese Nation sich bilden konnte. Denn eine Nation kann man
verstehen, als das nach innen geeinigte und geordnete Staatsvolk, also
die Menschen, die in einem Staat leben. Dazu gehört dann auch die
Arbeiterklasse. Und wenn die Arbeiterklasse eine so starke Stimme wie
die SPD hat, die immer wieder sagt, dass wenn es um das Vaterland geht,
was in dem Falle auch die Nation bedeutet, nicht nur das Gebiet, nicht
im Wege stehen will, dann bindet das die große und eigentlich
oppositionelle oder vorher und dem Wesen nach oppositionelle Kraft der
Arbeiterbewegung, an diese Nation an. Und zwar nicht nur, wie man das
bei Sozialpartnerschaft machen könnte, in eine normales
kapitalistisches Ausbeutungsverhältnis, sondern auch auch noch im Zuge
eines
Krieges.
Schwarze Katze: Wie funktionierte die
Burgfriedenspolitik?
Anton: Mit Burgfrieden war gemeint, dass es innerhalb des
Vaterlandes, welches es zu verteidigen gilt, real gemacht werden
sollte, dass es keine Parteien mehr gebe und dass Rüstungsbetriebe
nicht bestreikt werden durften, es wurde überhaupt nicht gestreikt.
Zusätzlich, dass die Arbeiterklasse keine Proteste machen durfte, hat
die SPD immer mehr bei parlamentarischen Sitzungen immer mehr
kriegerischen
Entscheidungen zugestimmt. Das war nicht nur das wiederholte Bewilligen
von Kriegskrediten, sondern immer mehr eine sich den kriegerischen
Interessen annähernde Haltung zur Verteidigung und Gewinnung von neuen
Gebieten.
Schwarze Katze: Im
Marxismus-Leninismus heißt es, dass kapitalistische Monopole Staaten
in den Krieg drängen, was den Imperialismus ausmacht. Was ist dran an
dieser Theorie?
Anton: Allgemein würde ich sagen, man kann daraus was lernen, aber
es greift zu kurz. Das beschreibt schon richtig, dass Kapital, also
investierbarer Reichtum, sich konzentriert und dabei Monopole bildet.
Aber zu sagen, dass diese Monopole den Staat vor sich hertreiben, als
wäre er nichts anderes als deren Instrument, greift zu kurz und
unterschätzt auch die Macht, die so ein Staat haben muss. Denn was ein
Staat tut, ist ja nicht nur einfach Werkzeug sein, was sich
irgendwelche KünstlerInnen oder profitschaffende Mächte so einfach
hergestellt haben, um ihn dann zu benutzen, sondern ein Staat
garantiert die Ordnung des gesamten kapitalistischen Geschäftes. Und
damit er das kann, braucht er eine gewisse Unabhängigkeit von den
einzelnen Fraktionen des Kapitals. Also darf er sich gar nicht zum
Werkzeug von Monopolen machen, sondern muss immer Eigenständigkeit
behalten. Dass er Eigenständigkeit behält, bedeutet aber auch, dass er
seine eigenen Machtinteressen hat, die es zu verteidigen gilt. Das ist
ein Hintergrund dafür, dass etwas nicht stimmen kann, was mit dieser
Form von Monopolkapitaltheorie impliziert wird. Nämlich, dass es
möglich sei, den Staat wie ein Werkzeug, dass jetzt von bösen Mächten
genutzt wird, zu nehmen, es guten Mächten in die Hand zu geben, die
damit nur gutes bewirken könnten.
Schwarze Katze: Wie verhielt sich der
Parteikommunismus, insbesondere in der Sowjetunion zum I. Weltkrieg?
Anton: Die Bolschewisten haben, bevor sie ihren Putsch gewonnen hatten,
eine
Propaganda gemacht, die sich gegen den I. Weltkrieg gerichtet hat. Und
tatsächlich auch, nachdem sie die Sowjetunion als Staat installiert
hatten, ist dieser keine Partei im Krieg mehr gewesen und die russische
Armee ist aus dem Krieg ausgeschieden, danach war eben die Rote Armee
keine Partei mehr im Krieg. Das könnte man jetzt für ein Indiz dafür
halten, dass die Voraussage aus dem Marxismus-Leninismus stimmen würde,
dass sobald der Staat nicht mehr in den Händen der sogenannten
Kapitalisten oder Monopole sei, sondern in den Händen der
bolschewistischen Partei, der Partei neuen Typus, die sich den Anspruch
gegeben hat, die Arbeiterklasse zu vertreten, auf einmal nicht mehr
kriegerisch, sondern friedlich sei. Allerdings ignoriert das zweierlei.
Das erste ist die weitere Entwicklung der Sowjetunion, die eben kein
friedlicher Ausnahmestaat war, sondern ebenfalls intern als auch extern
militaristisch gehandelt hat. Zweitens, dass der Verzicht der Teilnahme
an diesem Krieg auch als Teil der bolschewistischen Machtpolitik
innerhalb des Staatsstreiches gesehen
werden kann. Nämlich konnte mit dieser Kriegspropaganda nicht nur die
kriegsmüde Stimmung innerhalb der zaristischen Armee ausgenutzt werden
und zweitens konnte man so auch bewaffnete Kräfte auf die eigene Seite
bringen. Das wussten auch andere europäische Mächte, wie das Deutsche
Reich, von dem aus auch Lenins Aktionen unterstützt wurden.
Schwarze Katze: Das Deutsche
Kaiserreich hat die Bolschewiki finanziell unterstützt und hat Lenin
aus der neutralen Schweiz in einem plombierten Zug nach Russland
geschickt, um einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden. Und letztendlich
waren sie damit auch erfolgreich, oder?
Anton: Also sie haben es geschafft die neue Sowjetunion, das damalige
Russland als Gegner für sich damit auszuschalten. Insofern ein Erfolg
für die
deutsche Reichsführung.
Schwarze Katze: Welche langfristigen
Auswirkungen hatte die Unterstützung der Bolschewiki durch das Deutsche
Reich?
Anton: Es hat geholfen, dass die Bolschewiki ihren Staatsstreich
durchführen konnten, der dann zur Installation der Sowjetunion geführt
hat. Schon in den Konzepten dafür und ganz explizit auch in den
Äußerungen Lenins, war schon eine Tendenz vorgeprägt, die von
Beginn an autoritär vorgeprägt war und eine Bewunderung des deutschen
Modells beinhaltet hat. Das wurde durch die deutsche Unterstützung
bekräftigt. Was Lenin bewundert hatte, war die Organisation der
deutschen Post. des preußischen Militärs und der Militär- und
Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches. Die Sowjetunion hat dann
tatsächlich viel
von diesen Modellen umgesetzt als ein Staat der durchaus und
grundlegend militaristisch war. Der seine Wirtschaft auf einer
staatlichen Kommandowirtschaft aufgebaut hat, der auch Millionen in
Armut belassen hat, der mit großer Härte gegen Oppositionelle
vorgegangen ist, nicht nur gegen rechte, sondern auch
gegen linke Oppositionelle. Der eine Armee hatte, die auch schon unter
Trotzki gegen diese linken Oppositionellen mörderisch vorgegangen ist.
All das, kann man sagen, sind Dinge, die aus anarchistischer Sicht
nicht zu begrüßen sind und wo man dann auch nicht als anarchistisch
denkender Mensch von einem unfreiwilligen Dienst an der eigenen Sache,
die das Deutsche Reich geleistet hätte, sprechen kann. Trotzki war der
erste Führer der Roten Armee. Und auch unter Trotzki als Führung, was
viele nicht wahrhaben wollen, ist diese Rote Armee gegen linke
Oppositonelle vorgegangen. Darunter fällt z.B. die Niederschlagung des
Aufstands von Kronstadt.
Schwarze Katze: Ist es angemessen von
einem Verrat der SPD zu sprechen?
Anton: Ich würde sagen, es ist angemessen. Allerdings fängt dieser
Verrat nicht erst mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten an. Und es
wäre auch nicht das Problem, dass die SPD ihre eigenen Prinzipien
verraten hätte.sondern wenn man von so einem Verrat spricht, dann
müsste man denjenigen meinen, der durch das sozialdemokratische Konzept
überhaupt. an der revolutionären Arbeiterklasse begangen wurde. Der
würde darin bestehen, dass die Sozialdemokratie schon von Anfang an dem
Staat, der Nation und wie sie selber auch so schön gesagt hat, dem
Vaterland
bejahend gegenüberstand und sich damit auf die staatsinternen
Machtspiele eingelassen hat. Wenn man also sagt, dass die SPD etwas
verraten habe, dann ist es durchaus legitim zu sagen, dass es sich um
Arbeiterverräter handelt. Und das auch schon vor 1914, denn schon
vorher
war im sozialdemokratischen Konzept angelegt, dass man versucht, den
Staat zu übernehmen, durch langsame Reformen, dadurch haben sie sich
von Parteikommunisten unterschieden, aber eben auch durch das Mitwirken
in diesem Staat, der aber nicht einfach von der Beherrschung der
Arbeiter und erst recht nicht einfach vom Kapitalismus abzutrennen ist,
sondern dem Kapitalismus und der Beherrschung der
Arbeiter als die ordnende Kraft mitbestimmt, egal wer gerade die
herrschende Partei im Staat ist.
Schwarze Katze: Anfang des 20.
Jahrhunderts machten Technik und Erfindung neue Waren und die
Versorgung breiter Massen technisch möglich. Der Wohlstand stieg an und
dann kam der I. Weltkrieg, der zu einer Verarmung breiter Massen
führte. Ist ein industriell geführter Krieg als Bruch mit dem realen
Fortschritt zu denken?
Anton: Überall da, wo Technik neu hergestellt wird, die dem Menschen
dient und
wo Wohlstand, also Versorgung mit versorgungsbefriedigenden Gütern
hergestellt wird, da kann man tatsächlich von Fortschritt reden. Wo das
nicht mehr passiert oder schlechter wird, da kann man von einem Bruch
mit dem Fortschritt reden. Aber das sind jetzt erstmal nur die
Phänomene, die man so wahrnimmt. Was, wenn man sich das ansieht, aber
aus
dem Blick gerät, ist dass dieser Bruch mit einer fortschrittlichen
Entwicklung, einem zu denken geben sollte, in Bezug darauf, dass
gesellschaftlicher Fortschritt, nichts naturgesetzlich ablaufendes ist,
also unabhängig von dem Handeln von Menschen. Solche Vorstellungen
hielten aber mindestens bis zum I. Weltkrieg an, sowohl in der
bürgerlichen,
Theorie, als auch in der marxistischen, als auch in Teilen der
anarchistischen Theorie, dass gesellschaftlich und materieller
Fortschritt etwas sei, was einfach so passiert und letztlich zum ewigen
Frieden oder auch zum Sozialismus führen würde.
Schwarze Katze: Es gab aber auch viele
Anarchistinnen und Anarchisten, die dies anders sahen.
Anton: Ja. Da ist z.B. Gustav Landauer wichtig. Man muss wohl sagen,
dass dies eine sehr hellsichtige Sichtweise war. nicht davon
auszugehen, dass Fortschritt sich unabhängig vom Handeln der Menschen
einfach so vollziehen würde. Der Schock, der dann dadurch entstanden
war, dass
das, was man vorher als Fortschritt gesehen hat, also die Vergrößerung
materieller Möglichkeiten, auf einmal in das Gegenteil, was die auf
den Fortschritt Hoffenden, Glaubenden, gewünscht haben, umschlagen
könnte, hätte, wie ich finde, dazu führen müssen, dass der Glaube an
den automatischen Fortschritt, abgelegt hätte werden müssen. Dann hätte
man auf die Theorien zurückgreifen können, die Teile des
anarchistischen Spektrums sich schon angeschaut haben. Man hat sich
nämlich etwas nicht gemacht, was andere, die diesen als Bruch
wahrgenommenen Gegenfortschritt bearbeitet haben, Diese anderen, die
ich da
meine, sind Faschisten, die den Glauben an den Fortschritt schon immer
lächerlich gemacht haben, indem sie das Gegenteil geglaubt haben,
nämlich dass die Höherentwicklung des Menschen nicht im ewigen Frieden,
oder in Freiheit und Sozialismus liegen könnte, sondern das
Kämpferische, Brutale, und damit letztlich jeden Fortschritt, den man
aus anarchistischer Sicht gutheißen könnte, zu widersprechende, das
wahre Wesen des Menschen sei, was sich historisch herausbilden könnte.
Schwarze Katze: Kann der Krieg als
Vater aller Dinge gewertet werden?
Anton: Das halte ich für eine ganz zynische Sichtweise, die aus dem
Blick verliert, dass es auch was ganz anderes geben kann, als
Gesellschaften, die auf Herrschaft und Zerstörung aufgebaut sind.
Kriege wurden in moderner Zeit von Staaten geführt, wurden immer von
Machthabern geführt
und alles was damit geschaffen werden konnte, waren die Projekte dieser
Formationen.
Schwarze Katze: Mittlerweile gibt es
aber nicht nur Kriege durch Staaten, sondern auch durch
verschiedene Bürgerkriegsgruppen, durch Clans oder durch religiös
motivierte
Gewalttäter.
Anton: Das ist richtig. Und auch hier sind die Formationen, die dem
Konflikt vorangehen und dem Ziel bestehen können, nicht einer
freien Welt. Schon allein die Möglichkeit einer befreiten Welt gehört
schon zu allen Dingen. Etwas, was diese Dinge hervorbringen kann, darf
nicht als Vater aller Dinge bezeichnet werden, wenn man nicht will,
dass es für alle nur Herrschaft und Unterdrückung gibt.
Schwarze Katze: Wie fandest du die
Antimilitarismus-Kampagne?
Anton: Ich fand es hervorragend und auch total wichtig, dass
anarchistische Stimmen in die Diskussion zum I. Weltkrieg eingegriffen
haben. Denn das Gedenken, das so von offizieller und Mainstream-Seite
um den Krieg gemacht wird und auch die historisch-wissenschaftlichen
Diskussionen, die dazu laufen, sind welche, deren Richtung wir ablehnen
würden. Da die anarchistische Stimme zu hören, das muss sein. Gerade
wo der anarchistische Widerstand damals so marginalisiert und so
brutal niedergeschlagen wurde, ist es doch wichtig, die Denkansätze,
die aus anarchistischen Sichtweisen erwachsen können, weitergetragen
und weiterentwickelt werden können.
Schwarze Katze: Kann es als
Antimilitarist nötig sein Gewalt auszuüben?
Anton: Wenn man den Begriff Antimilitarismus nimmt, ist das erstmal
nicht das Gleiche wie Pazifismus, kommt aber häufig zusammen. Die
Ablehnung von Militarismus ist erstmal die Ablehnung einer bestimmten
gesellschaftlichen Formation, in der das Militär und der Krieg als
ordnende Kraft angesehen wird. Das ist noch keine Entscheidung gegen
Gewalt überhaupt als politisches Mittel, ist aber, so wie ich es sehe,
in großer Konsequenz, von vielen so interpretiert worden.
Schwarze Katze: Vielen Dank für das
Gespräch.
Anton: Ja, vielen Dank
ebenfalls.
Abmoderation: Das war eine Schwarze Katze Sendung über die
Antimilitarismus Kampagne der Anarchistischen Föderation Rhein/Ruhr.
Die Schwarze Katze ist unter http://schwarze.katze.dk im Web vertreten. Für die
Antimilitarismus-Kampagne ist der Blog http://krieg-dem-krieg.fda-ifa.org/
eingerichtet worden. Wir hören uns bei der nächsten Sendung.