Freie Fahrt für freie Bürger
Schwarze Katze, Frühjahr 2006

MVG schränkt Busverkehr ein
Busnetz200x nennt die Märkische Verkehrsgesellschaft (MVG) die Einschränkung des Busverkehrs. Bestimmte Linien werden nach den Osterferien ganz eingestellt, andere fahren nicht mehr so häufig, gewohnte Strecken werden geändert. Begründet wird das Einsparungskonzept mit rückläufigen Fahrgastzahlen. Wenn du willst, dass mehr Busse fahren, fahr mehr Bus! Der Märkische Kreis als Mitbesitzer der MVG hat den Auftrag, den öffentlichen Nahverkehr als Daseinsvorsorge sicherzustellen. Er kommt dieser Aufgabe durch die neuen Fahrpläne nicht mehr ausreichend nach. Arbeitslose, Geringverdiener, SchülerInnen und Führerscheinlose werden in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkt. Wenn weniger Busse fahren, werden weniger Busfahrer gebraucht. Bedeutet das mehr arbeitslose Familienväter?

Freie Fahrt für freie Bürger
Auch bei der Bahn ist eine Verschlechterung absehbar, da die CDU/CSU/SPD Bundesregierung Zuschüsse kürzen will. Dadurch sind 8.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Bei einem schlechteren Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln steigen mehr Menschen auf das Auto um, was für die Natur verheerende Auswirkungen hat und zu mehr Staus führt. Der ADAC-Slogan sollte für Menschen gelten, die sich kein Auto leisten können: Freie Fahrt für freie Bürger!

Aneignungsaktionen
In den 80ern sind Schwarze Katze Gruppen öffentlich mit Transparenten, Flugis und vielen Menschen schwarzgefahren, um mit dieser Aneignungsaktion zu zeigen, dass Mobilität nicht nur für diejenigen wichtig ist, die es sich leisten können. Unter dem Motto "Wir nehmen uns, was wir brauchen" fanden auch an anderen Orten wie Theater, Schwimmbad, Kino, Konzert kollektive Aneignungsaktionen statt. Es ist genug für alle da! Wir stehen in der Tradition der Schwarze Katze Gruppen und Jobberinitiativen aus den 80ern: Schwarze Katze gegen grauen Alltag!

Roter Punkt
1970 erhöhten verschiedene kommunale Verkehrsbetriebe die Fahrpreise. Dies traf besonders stark PendlerInnen, die für den Weg zur Arbeit auf Bus und Strassenbahn angewiesen waren. Besonders SchülerInnen, Studierende und Lehrlinge beteiligten sich an Rote Punkt Aktionen wie Strassenbahngleisbesetzungen. Wer sich mit den von Fahrpreiserhöhung Betroffenen solidarisch zeigen wollte, klebte einen Roten Punkt erkennbar ans Auto. Wer den Roten Punkt am Auto hatte, zeigte sich bereit, andere kostenlos mitzunehmen. Im Gegensatz zu traditioneller Stellvertreterpolitik ist dies eine direkte Aktion, die klar gegen Mißstände vorgeht. Unter anderem gab es in folgenden deutschen Städten Rote Punkt Aktionen: Buxtehude, Darmstadt, Dortmund, Duisburg, Hannover, Herford/Minden/Bünde, Iserlohn, Leverkusen, Mannheim, Schweinfurt, Stuttgart, Wuppertal.

Mobilität teilen: andere mitnehmen
Es gibt viele, die nicht oft rauskommen, weil sie es sich nicht leisten können. Denk an sie! TramperInnen freuen sich im Auto mitgenommen zu werden. Erkennbar am erhobenen Daumen. Oder wie wärs mal mit einer Mitfahrzentrale? Wenn du ein Bahn-Wochenendticket oder eine vergleichbare Mehrpersonen-Buskarte hast, fahr nicht alleine. Frag andere am Bahnsteig oder der Haltestelle, ob du sie mitnehmen kannst. Dann ist die Fahrt interessanter. Gemeinsam statt einsam! Beispielsweise kannst du mit dem Ticket2000 vom Verkehrverbund Rhein-Ruhr (VRR) andere mitnehmen. Leih übertragbare Tickets aus, wenn du sie nicht brauchst. Wenn du wegfährst, überleg dir vorher, wen du mitnehmen kannst. Egal ob es zur Demo, zu Veranstaltungen oder in eine andere Stadt geht.

Gefälschte Fahrkarten
Die Revolutionären Zellen fälschten 1975 120.000 Sammelfahrkarten im Wert von 360.000 DM und verteilten diese zusammen mit einem Flugblatt in die Briefkästen von ArbeiterInnenvierteln. Am Montagmittag, den 30.03.81 haben die Revolutionären Zellen Zigtausende von gefälschten Fahrkarten in Hagen, Dortmund, Bochum, Recklinghausen, Gelsenkirchen, Essen, Wuppertal, Bottrop, Oberhausen, Duisburg, Mülheim, Krefeld, Mönchengladbach und Düsseldorf als Hauswurfsendungen verteilt. Diese Aktionen mit den gefälschten Fahrkarten waren illegal und die VerteilerInnen wurden nicht geschnappt.

Die Rote Zora und die Revolutionären Zellen begründeten in ihrem Bekennerschreiben vom März 81 ihre illegale Verteilaktion: "Das gibt wenigstens ein paar tausend Menschen im Revier die Gelegenheit, in den Genuß eines kostenlosen Nahverkehrs zu kommen: Null-Tarif mit Fahrscheinen, mal was anderes. (...) Dem Moloch Auto wird so lange gehuldigt, bis jegliche Alternative undenkbar und der Wagen zum unentbehrlichen Bestandteil des Lebens geworden ist. Die »alltäglichen« Nebenerscheinungen: 15.000 Verkehrstote jedes Jahr und 500.000 Verletzte, verwüstete Städte, die nach dem Grundsatz der Befahrbarkeit und nicht nach dem der Bewohnbarkeit geplant werden, statt der Freiheit, die dem Besitzer eines Autos versprochen wird, totale Abhängigkeit. Statt Komfort und Lebensstandard, stickiges Chaos im Dickicht der Straßen, auf denen die bürgerliche Ideologie »jeder gegen alle« Triumphe feiert. In vielen Ruhrgebietsstädten haben Gruppen bis hin zu den Grünen die Fahrpreiserhöhungen des VRR zum 1.3.81 zum Anlaß genommen, mit Flugblättern, Demos, Wandmalereien, kleineren Sabotageakten gegen Automaten und Entwerter usw. erneut Null-Tarif zu fordern. Wir begreifen unsere Aktion in diesem Zusammenhang."

Nulltarif bei Bus und Bahn!
Nicht nur die Schwarze Katze befürwortet Mobilität für Wenigverdienende. In der belgischen Stadt Hasselt ist seit Juli 97 das Busfahren kostenlos. Seitdem ist die 70.000 Einwohner Stadt lebenswerter geworden: Keine Verkehrsstaus, mehr BesucherInnen, 800 Parkplätze wurden abgeschafft, weniger Schadstoffe, höhere Gewerbesteuereinnahmen für die Stadtkasse aus der das Experiment bezahlt werden kann. Kosten für Kontrollen entfallen. Von 30.000 Busfahrten seit Beginn des Experiments 97 sind es heute 4 Millionen geworden. Fahrkarten abzuschaffen ist eine politische Entscheidung. Mittel in Mobilität statt ins Militär stecken! Busfahren wird sowieso zum großen Teil subventioniert, warum nicht ganz? Gesamtwirtschaftlich rechnet sich das durch die Einsparung von Kontrollettis und verminderte Umweltschäden infolge geringerem Autoverkehr.

Für ein kostenloses Sozialticket
Das Sozialforum Dortmund hat unter dem Motto "Für den Nulltarif bei Bus und Bahn, gegen Armut und Ausgrenzung!" am 10.12.05 einen Aktionstag für ein kostenloses Sozialticket durchgeführt. Dabei haben sie folgendes gelungenes Flugblatt verteilt:

Zu schön um wahr zu sein:
Super-Weihnachtsgeschenk für 100.000 Dortmunder:
Sozialticket zum Nulltarif

Traurig, aber wahr: Nach jahrelangem Arbeitsplatz- und Sozialabbau leben 100.000 Dortmunderinnen und Dortmunder an oder unter der Armutsgrenze (= Existenzminimum + 10%). Bus und Bahn sind für sie unbezahlbar. Für einen ALG II- oder Sozialgeldbezieher sind z.B. nicht mehr als 19,80 Euro für Mobilität im Monat vorgesehen. Damit kommt niemand weit. Gerade in der Flächenstadt Dortmund ist Mobilität unerlässliche Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Ohne Nulltarif im Öffentlichen Nahverkehr (für alle mit Dortmund Pass) werden verarmte Dortmunderinnen und Dortmunder systematisch ausgegrenzt. Selbst Suppenküchen und Kleiderkammern sind nur zentral im Stadtgebiet erreichbar.

Die faktische Mobilitätssperre für verarmte Mitbürger und Mitbürgerinnen ist ein Skandal: Während heutzutage jeder Joghurt-Becher im Supermarkt eine halbe Weltreise hinter sich hat, ist für viele Dortmunderinnen und Dortmunder schon die eigene Innenstadt kaum zu erreichen! Ein Nullticket bringt den Betroffenen viel und kostet die Gemeinschaft wenig: Bus und Bahn fahren sowieso!

Mobilität ist ein Grundrecht!
Nicht nur zur Weihnachtszeit.

Strassenbahnblockade für ein Sozialticket in Berlin
Nicht nur in Dortmund, auch in Berlin wurde ein Sozialticket gefordert. Am 30.10.04 fand in Berlin aufgrund der Fahrpreiserhöhungen der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) eine Kundgebung mit anschliessender Strassenbahnblockade statt. Anschliessend fuhr die Strassenbahn Protestplakate spazieren. Aufgerufen hatten Berlin Umsonst, das Berliner Sozialforum, das Bündnis "Ende der Bescheidenheit", die AG Leben mit Obdachlosen und die Initiative "Recht auf Mobilität". Folgendes Flugi wurde verteilt:

Das Ende der Bescheidenheit
Nulltarif für alle! Mobilität umsonst!

Alles hat seinen Preis. Zum Beispiel auch die BVG. Und der geht ständig hoch...

Beispiel 1: Im diesem Frühjahr hat die BVG ihren Normaltarif von 2,20 Euro auf 2 Euro gesenkt. Doch leider darf man mit den Tickets nur noch in eine Richtung fahren. Wer also vor einem Jahr noch innerhalb von zwei Stunden zum Ku‘damm und zurück gekommen ist, der muss den Fahrkartenautomaten nun auch für die Rückfahrt mit Bargeld füttern. Macht stattliche 4 Euro statt 2,20... danke, nicht mit uns! Da fahren wir doch lieber umsonst!

Beispiel 2: Anfang des Jahres wurde das Sozialticket für Arbeitslose und SozialhilfeemfängerInnen ersatzlos gestrichen. Dank massiver Proteste gegen diese Sauerei wird nun über eine Neuauflage verhandelt. Komischer Weise sind statt der 22,50 Euro, die das Sozialticket mal gekostet hat, nun 35 Euro im Gespräch... danke, nicht mit uns! Da machen wir doch lieber Nulltarif!

Beispiel 3: Kaum haben die Berliner Studierenden endlich ein Semesterticket bekommen, da ist es auch schon wieder weg. 20 Euro mehr wollen die Verkehrsgesellschaften dafür im nächsten Jahr von jedem und jeder Studierenden sehen. So wie’s ausschaut, heißt es im nächsten Semester also wieder radfahren... danke, nicht mit uns. Zur Uni kommen wir auch für lau!

Die ständigen Preiserhöhungen der BVG sind nur eines von vielen Beispielen, wie der Reichtum in dieser Gesellschaft von unten nach oben verteilt wird. Im Sozialbereich wird zusammengestrichen bis nichts mehr geht und dank Hartz IV sollen wir uns ab Januar für einen Euro die Stunde krumm machen. Gleichzeitig boomt der deutsche Exportsektor und ausgerechnet den Spitzenverdienenden werden die Steuersätze gesenkt. Überraschen dürfte das eigentlich keinen. Denn der Zweck von kapitalistischer Wirtschaft besteht gerade nicht in einem ‚guten Leben für alle‘. Sondern darin, möglichst hohe Unternehmensgewinne zu erwirtschaften. Und daran kann auch keine noch so linke Regierung etwas ändern. Am Beispiel Mobilität wird deutlich: Was zählt, ist, dass der Nahverkehr „sich rechnet“. Schon die bescheidene Forderung nach einem „Grundrecht auf Mobilität“ – ungeachtet ob mensch arbeitet, studiert oder Sozialhilfe bekommt, einen deutschen Pass hat oder als MigrantIn in diesem Land lebt - klingt wie eine schillernde Utopie.

Deshalb fordern wir weder eine bessere Regierung, noch vertrauen wir auf irgendeine Partei: Wir haben die Schnauze voll! Wir machen keine Vorschläge, wo ‚sozialverträglich‘ gespart, verteuert und gedrückt werden kann! Wir wollen keinen ‚gerechten Preis!‘ Wir fordern: Alles für alle! Berlin umsonst!

Und heute fangen wir mal bei der BVG an...

Ein Blick zurück: Pünktliche U-Bahn durch AnarchistInnen
In der Zeit der Sozialen Revolution in Spanien wurde in einigen befreiten Gebieten das Geld abgeschafft und die Betriebe kollektiviert. Mit solchen vorbildhaften Aktionen werden auch Fahrkarten überflüssig. Durch Kollektivierung und Selbstverwaltung klappte der Personenverkehr tadellos. Horst Stowasser schreibt in seinem lesenswerten Buch Freiheit pur über das gelungene Experiment Anarcho-Syndikalismus:

"Eine alte, vornehme und sehr katholische Dame aus Barcelona erzählte mir vor Jahren folgendes aus ihrer Erinnerung: "Ja, ja, die Anarchisten. An die kann ich mich noch gut erinnern. Das waren ja wilde Gestalten. Aber eines muß man ihnen lassen: Die U-Bahn fuhr nie so pünktlich wie zu ihrer Zeit!"

"Noch während die Barrikadenkämpfe tobten, kollektivierten am 21. Juli 1936 die katalanischen Eisenbahner die Bahnen, am 25. Juli folgten die städtischen Verkehrsbetriebe. Schließlich wurde das gesamte Kommunikationswesen - Schiene, Straßentransport, öffentlicher Verkehr, Taxis, Telefon, Radio sowie Teile des Schiffs- und Luftverkehrs - in Selbstverwaltung betrieben."

Ein Blick nach vorn: Alles für alle und zwar sofort!
Wie wäre es mit einer ganz anderen Gesellschaft? Ohne Geld, Verwertungszwänge, Lohnarbeit, Staat, Krieg, Kirche, Kapitalismus? Mit der Möglichkeit Freunde problemlos besuchen zu können. Eine Welt, in der viele Welten Platz haben. Einige holen sich schon heute das gestohlene Leben zurück. Es ist genug da. Alles für alle und zwar sofort!

Infos über Mobilität
- www.nulltarif.info Darmstadt
- http://berlin-faehrt-frei.de/ Berlin fährt frei
- http://die-ueberfluessigen.net Die Überflüssigen: rote Trainingsanzüge und weiße Masken