Endstation Iserlohn
Schwarze Katze, Friedensfestzeitung 06

Es gibt immer mehr Menschen, die sich kein eigenes Auto leisten können. Die Verkehrspolitik setzt dagegen weiterhin voll auf das Auto. Viel Geld wird in den Bau von Strassen reingesteckt. Das Autofahren wird attraktiver, weniger fahren Bus, es wird nicht mehr so viel Geld für Busfahren ausgegeben, Strecken werden gekürzt. Ein Teufelskreis.

Schwarze Katze FotoMVG schränkt Busverkehr ein
Busnetz200x nennt die Märkische Verkehrsgesellschaft (MVG) die Einschränkung des Busverkehrs. Bestimmte Linien wurden nach den Osterferien ganz eingestellt, andere fahren nicht mehr so häufig, gewohnte Strecken werden geändert. Begründet wird das Einsparungskonzept mit rückläufigen Fahrgastzahlen. Wenn du willst, dass mehr Busse fahren, fahr mehr Bus! Der Märkische Kreis als Mitbesitzer der MVG hat den Auftrag, den öffentlichen Nahverkehr als Daseinsvorsorge sicherzustellen. Er kommt dieser Aufgabe durch die neuen Fahrpläne nicht mehr ausreichend nach. Arbeitslose, Geringverdiener, Schüler und Führerscheinlose werden in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkt. Wenn weniger Busse fahren, werden weniger Busfahrer gebraucht. Bedeutet das mehr arbeitslose Familienväter?

Streckenkürzungen
Weitere Streckenkürzungen sind angedacht - auch wegen geringerer Zuschüsse vom CDU/FDP regierten Land NRW und wegen der geplanten Kürzung der Regionalisierungsmittel durch die Bundesregierung. Die Verkehrsgesellschaften befürchten, aufgrund von Kürzungen des Bundes die ersatzlose Streichung jeder 5. Bahnverbindung. Viele Fahrgäste der MVG gaben im Mai 2006 ihre Unterschrift dafür, dass die geplanten Kürzungen nicht umgesetzt werden. Bundesbahnnutzer sind sauer darüber, dass sie manchmal für einen Anschlussbus am Iserlohner Bahnhof warten müssen. Planerische Koordination zwischen Bahn und Bus ist ja wohl nicht zuviel verlangt...

Kein Sozialticket
Der Kreistag entschied mit den Stimmen von CDU und FDP kein Sozialticket für ALG II Empfänger im Märkischen Kreis einzuführen. Dabei behauptete Kreiskämmerer Dr. Klaus Weimer, dass das ALG II Geld den Arbeitslosen die Teilnahme am öffentlichen Leben auch mit Bussen und Bahnen ermöglicht. Wie wärīs mal, wenn er mit 345 Euro im Monat auskommen müsste? Der MVG Geschäftsführer Gerhard Schmier schloss eine Finanzierung des Sozialtickets durch die MVG aus. Claudia Kaluza (FDP) meinte gar, dass "manche arbeitende Bevölkerung nicht über das Einkommen von HartzIV Empfängern verfügt" und lehnte deswegen ein Sozialticket ab. Renate Schulte-Fiesel (CDU) unterstützte sie dabei: "Man darf die arbeitende Bevölkerung nicht benachteiligen." Diese Zitate sprechen für sich...

Volle Schulbusse
Kinder müssen oft auf den nächsten Bus warten und kommen erst eine Stunde später nach Hause. Das Land gibt den Verkehrsunternehmen weniger für Ausbildungsverkehr, deswegen fährt die MVG nicht mehr so häufig. Für im Bus mitfahrende Schwerbehinderte gibtīs von NRW ebenfalls weniger Geld. MVG-Sprecher Bökenkötter ist erschüttert: "Auch das ist ein schwerer Schlag für uns". Statt den Öffentlichen Personennahverkehr zu fördern, wird dort gestrichen, wo Arbeitslose, Schüler und führerscheinlose Rentner bisher eine Möglichkeit der Mobilität und damit zu sozialen Kontakten hatten. Seit dem 1. August 2006 erhöhte die MVG die Fahrpreise auch wegen der Landeskürzungen um 4%.

Freie Fahrt für freie Bürger
Auch bei der Bahn ist eine Verschlechterung absehbar, da die Bundesregierung Zuschüsse kürzen will. Dadurch sind 8.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Bei einem schlechteren Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln steigen mehr Menschen auf das Auto um, was für die Natur verheerende Auswirkungen hat und zu mehr Staus führt. Der ADAC-Slogan sollte für Menschen gelten, die sich kein Auto leisten können: Freie Fahrt für freie Bürger!

Schwarze Katze FotoHauptbahnhof Iserlohn
Früher wurden grosse Mengen über den Iserlohner Güterbahnhof transportiert, für den Personenverkehr gab es ein schmuckes Gebäude mit zwei Türmchen. Dies ist nun Geschichte. Das Bahngebäude wird abgerissen und ein vierstöckiges Zweckgebäude von dem Bauunternehmer Freundlieb einige Meter weiter gebaut. Ohne Not wird dabei die alte Bahntrasse Richtung Hemer zugebaut - dies steht im Gegensatz zur bisherigen Festlegung der Kommunalpolitik, die Trasse unbebaut im städtischen Besitz zu belassen. Das Grundstück kauft der gewinnorientierte Investor von der Stadt Iserlohn, diese wird ihm auch die Miete für die Räumlichkeiten der VHS überweisen.

Vom Bahnhof zum Haltepunkt
Schon jetzt ist die Bezeichnung "Bahnhof" irreführend: Laut Bahnbetriebsordnung ist Iserlohn nach Abbau der Weichen nur noch ein Haltepunkt. Wenn die Regionalisierungsmittel vom Bund wie geplant gekürzt werden, ist der Iserlohner Haltepunkt bei der Verbindungs- und Streckenstreichung ganz vorn dabei. Eine intelligente Verkehrspolitik für Iserlohn ist nicht in Sicht. Eine Kombination aus mehr Radwegen, einem ausgebauten Öffentlichen Personennahverkehr, Car-Sharing, Sozialticket für Erwerbslose, langfristigem Nulltarif und Gütertransporten per Bahn wäre mal was fortschrittliches. Dann wäre der Zug für Iserlohn nicht abgefahren.

Mobilität teilen: andere mitnehmen
Es gibt viele, die nicht oft rauskommen, weil sie es sich nicht leisten können. Denk an sie! TramperInnen freuen sich im Auto mitgenommen zu werden. Erkennbar am erhobenen Daumen. Oder wie wärs mal mit einer Mitfahrzentrale? Wenn du ein Bahn-Wochenendticket oder eine vergleichbare Mehrpersonen-Buskarte hast, fahr nicht alleine. Frag andere am Bahnsteig oder der Haltestelle, ob du sie mitnehmen kannst. Dann ist die Fahrt interessanter. Gemeinsam statt einsam! Beispielsweise kannst du mit dem Ticket2000 vom Verkehrverbund Rhein-Ruhr (VRR) andere mitnehmen. Leih übertragbare Tickets aus, wenn du sie nicht brauchst. Wenn du wegfährst, überleg dir vorher, wen du mitnehmen kannst. Egal ob es zur Demo, zu Veranstaltungen oder in eine andere Stadt geht.

Ein Blick zurück
2006 jährt sich der 70. Jahrestag der spanischen anarcho-syndikalistischen Revolution und der Kollektivierung der Betriebe. In der Zeit der Sozialen Revolution in Spanien wurde in einigen befreiten Gebieten das Geld abgeschafft. Mit solch vorbildhaften Aktionen werden auch Fahrkarten überflüssig. Durch Kollektivierung und Selbstverwaltung klappte der Personenverkehr tadellos.

Nulltarif bei Bus und Bahn
In der belgischen Stadt Hasselt ist seit Juli 97 das Busfahren kostenlos. Seitdem ist die 70.000 Einwohner Stadt lebenswerter geworden: Keine Verkehrsstaus, mehr BesucherInnen, 800 Parkplätze wurden abgeschafft, weniger Schadstoffe, höhere Gewerbesteuereinnahmen für die Stadtkasse aus der das Experiment bezahlt werden kann. Kosten für Kontrollen entfallen. Von 30.000 Busfahrten seit Beginn des Experiments 97 sind es heute 4 Millionen geworden. Fahrkarten abzuschaffen ist eine politische Entscheidung. Mittel in Mobilität statt ins Militär stecken! Busfahren wird sowieso zum großen Teil subventioniert, warum nicht ganz? Gesamtwirtschaftlich rechnet sich das durch die Einsparung von Kontrollettis und verminderte Umweltschäden infolge geringerem Autoverkehr. Was in Belgien geht, geht auch woanders...