Der gute Hip Hop und ihre Leiden
Hip Hop als Beispiel für die Integration von Subkulturen
Manuskript einer dreistündigen Schwarze Katze Radiosendung

1.0) Was vor einigen Jahren noch undenkbar war ist heute Wirklichkeit: Hip Hop ist Pop, ein Teil der populären Kultur. Eins Zwo, Freundeskreis oder Deichkind sind nur die bekanntesten Hip Hop Gruppen von vielen, die sich in den deutschen Charts tummeln. Sprechgesang ist in allen möglichen Musikrichtungen aufgegriffen worden und überall gründen sich neue Formationen, wie z.B. QuerBeat aus Menden. So viele Jugendliche wie nie zuvor tragen weite Jeans und Pullover mit protzigen Emblemen, das als charakteristisch geltende Outfit des Hip Hops, mit dem vor allem us-amerikanische Sportswear-Firmen verdammt viel Geld verdienen.

Hip Hop ist das zur Zeit deutlichste Beispiel dafür, wie Subkulturen in das bestehende System integriert werden, wie Musik aus dem Untergrund zum industriellen Massenprodukt wird. Und da ich sel bst einmal in dieser Szene war und mich immer noch mit dieser Ausdrucksform verbunden fühle, werde ich mich in den folgenden zwei Stunden ein wenig mit Hip Hop, seiner Entwicklung und seinen Botschaften beschäftigen, nicht zuletzt, um diese mit aus kritischem Blickwinkel zu beurteilen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wieso sich Hip Hop so schnell vom Untergrund zum kommerziellen Mainstream gewandelt hat. Ein Schwerpunkt, vor allem in dieser ersten Stunde, werden der Sexismus, die Vermittlung von entwürdigenden Frauenbildern und die zahlreichen Männlichkeitsrituale im Hip Hop sein. Aus diesem Grunde trägt diese Sendung der schwArzen katze auch den bezeichnenden Titel "Hip Hop und ihre Leiden" und als Einstieg gibt es ein nun eines meiner liebsten Stücke von A Tribe Called Quest, das da heisst "award tour":

1.1) Zwar streiten sich die VertreterInnen der einzelnen Stadtteile darum, aus welchem Hip Hop ursprünglich stammt, doch fest steht, dass diese Subkultur am Anfang der 70er Jahre in New York aufgetaucht ist, in den Ghettos der farbigen Minderheiten. Die tieferen Ursprünge lassen sich zu den Soundsystems aus Jamaika zurück verfolgen: Soundsystems waren LKWs, auf die fette Boxen und eine Anlage installiert waren, die Vereinigungen von Leuten gehörten, die schwarze Musik mochten und so in den Strassen Jamaikas verbreiten konnten. Diese "mobilen Diskos" waren nur mit einem Plattenspieler ausgestattet. Der Selector, der Vorgänger des DJ's, welcher es verstand, in wahnsinniger Geschwindigkeit neue Platte aufzulegen, fing an, zwischen den Titel Ansagen zu machen, um die HörerInnen anzufeuern und den musikalischen Leerlauf zu überbrücken. Hiermit wurde eine Entwicklung vorweggenommenen, welche sich auf ähnliche Weise im Hip Hop vollzog: So begannen DJs in New York, über die Instrumentals auf den Platten zu sprechen. Und damit war der Grundstein für den MC gelegt, den wir heute als den bzw. die Menschin mit Mikrophon kennen, welche in Unmengen Reime von sich gibt.

1.1.2) Für die Farbigen, die rassistisch Ausgegrenzten und Unterdrückten, stellte Hip Hop die Stimme dar, um die eigenen, beschissenen Lebensumstände publik zu machen und ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen, welche in den herrschenden, weissen Medien ausgeblendet wurden. Denn mit den schwarzen Ghettos waren sie und ihr soziales Elend, ihre Unterdrückung ganz bewusst aus dem Sichtfeld der weissen, besser gestellten Schichten verbannt worden. So war Hip Hop von Anfang an ein Spiegel der schwarzen Lebenswelten, ein Spiegel von unten: die RapperInnen machten das eigene und gemeinsame Leben und die Probleme in ihrem Stadteil ("street life") zum zentralen Bestandteil ihrer Texte: Und dazu gehörte nun einmal der Stress mit den Cops und der Drogenhandel, für viele Schwarze die einzige Möglichkeit, um an Geld zu gelangen. Was innerhalb der abgeschotteten, armen Viertel der Farbigen geschah, wurde über Musik wieder sichtbar gemacht: mit Hip Hop wurde der Blick auf die andere Wirklichkeit gelenkt, die Wirklichkeit der Armut und der rassistischen Ausschliessung, welche dem herrschenden, nach aussen vertretenem Bild der reichen USA widersprach. Es war und ist eine Form des Widerstands gegen die Ausgrenzung, gegen das vergessene Ghetto, dessen Mauern so wenigstens auf der Ebene der Musik überwunden werden konnten. Vielleicht das hoffnungsvollste und subversive Moment des Hip Hops. An dieser Stelle folgt deshalb ein antirassistisches Lied von der Juggaknots, nämlich "clear blue sky":

1.2) Die Notwendigkeit, auf soziale Verelendung und Armut in schwarzen Vierteln, auf rassistische Unterdrückung und Übergriffe hinzuweisen, das Ausgeschlossene über Musik sichtbar zu machen besteht auch heute noch, vielleicht mehr als zuvor. Seit Bürgermeister Gulliani in New York das Sicherheitskonzept Zero Tolerance, Null Toleranz, ausgerufen hat, hat sich die Anzahl rassistischer Morde durch PolizistInnen vervielfacht. Die Sicherheit der reichen Viertel bedeutet für Schwarze, Latinos und andere Minderheiten staatlich angeordneten Terror, eine ständige Bedrohung durch die Cops. Das Fazit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: "die Brutalität der Polizei beschränkt sich nicht auf Minderheiten. Aber ein Großteil der Taten scheint rassistisch motiviert zu sein." Mehr als 25% der jungen schwarzen Männer zwischen 16 und 25 Jahren sitzen im Gefängniss oder unterstehen zumindestens einer staatlichen Aufsicht. Durch die Öffnung des Gefängnisswesens für Privatunternehmen hat sich etwas entwickelt, dass als industrieller Gefängnisskomplex bezeichnet werden kann. Der Knast ist zu einer reichhaltigen Einnahmequelle für die Wirtschaft geworden: private Gefängnisse, private Sicherheitsdienste, die immer häufiger auch in Städten oder Einkaufspassagen zum Einsatz kommen. Vor allem Gefängnissarbeit hat sich zu einem riesigen Geschäft entwickelt, weil es keine Krankenversicherungskosten, Mindeslöhne oder gewerkschaftliche Organisierung der Häftlinge gibt, von denen heute mehr als die Hälfte Farbige sind. Die Bekämpfung von Kriminalität ist nur eine bröckelige Fassade, die längst nicht mehr verdecken kann, worum es wirklich geht: hinter der Gefängnissindustrie steht ein soziales Programm zur Einschliessung und Kontrolle von als gefährlich bezeichneten Bevölkerungsgruppen, um Kosten einzusparen. Es ist billiger, Menschen in Gefängnisse zu stecken als die sozialen Ursachen, Armut, Bildungsnotstand und Rassismus, zu beheben. Für Farbige und Latinos ist in den USA kein anderer Weg als dieser vorgesehen. Sie sind diejenigen, welche von der wahnsinnigen Gefängniss-Ökonomie am stärksten betroffen sind.

1.3) Das folgende Lied ist Mumia Abu Jamal gewidmet, dem farbigen, im Knast sitzenden Journalisten und ehemaligen Black Panther Aktivisten, der von der rassistischen us-amerikkkanischen Justiz vorgeblich dafür zum Tode verurteilt wurde, einen Polizisten erschossen zu haben. Und ein Blick auf die Anklageschrift reicht aus um zu erkennen, dass es sich dabei um eine Farce handelt. Hinter Mumias Verurteilung stehen vielmehr seine politischen Überzeugungen und seine journalistische Arbeit, die die unschöne Realität von policestate, rassistischen PolizistInnen und massenhafter Armut offen gelegt hat, die sich hinter der amerikanischen Konsumseifenblase verbirgt. Seit Jahren setzten sich Menschen in der ganzen Welt für Mumias Leben und eine Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Mumia steht stellvertretend für alle politischen Gefangen und die, welche dieses inhumane System in die sogenannte "Kriminalität" treibt und in den Knast befördert, indem es den Menschen das lebensnotwendige vorenthält. So viele Menschen teilen sein Schicksal, Menschen, die sich wie er gegen die herrschende Wirklichkeit stellten und stellen: Es ist eine Wirklichkeit, in der sich die Wirtschaft so sehr verselbstständig hat, dass längst nicht mehr die Frage gestellt wird, warum dies oder das produziert wird. Unter dem Bann des Profits wird alles zum Vermarktbaren gemacht, welches den Menschen schon irgendwie angedreht werden kann, selbst Krieg wird so zum lukrativen Geschäft mit garantierten Einnahmen für die Rüstungsindustrie. Menschen sind in einer solchen Gesellschaft nur noch Anhängsel der Arbeitsmaschine, deren Wünsche und Bedürfnisse viel zu unbedeutend sind, um noch berücksichtigt zu werden. Dieses Lied ist für eine menschlichere Zukunft, in der Menschen sich nicht den Interessen des Profits unterordnen müssen:

1.4) Der Sexismus im Hip Hop ist ebenso unübersehbar wie unerträglich. Kaum ein Video kommt ohne leicht bekleidete, vollbusige Mädchen aus, die ihre makellosen Körper im Rhytmus des Beats bewegen und sich in eindeutigen Posen zeigen. Während sich der männliche Rapper durch Goldkettchen, Dollarnoten, Autos und andere Statussymbole definieren kann, werden Frauen auf ihren Körper beschränkt, den sie entsprechend zu präsentieren haben, um überhaupt zu sein. Um anerkannt zu sein, müssen sie ihren Körper, ihr einziges vom Mann zugestandenes Kapital, einsetzen und bedingungslos zur Schau stellen. Sein offensiv vorgezeigter Reichtum steht stellvertretend dafür, wie clever und kreativ er ist, dass er genau weiß, wie mann Kohle machen kann. Wenn der halbnackten Tänzerin im Hip Hop Video nichts anderes als ihr Körper bleibt, bedeutet dass übersetzt, dass es ihr an geistigen Fähigkeiten mangelt, dass sie zu doof und naiv ist, um sogenannte Männergeschäfte zu machen. Was all diese Videos abbilden ist der vorherrschende, männliche Blick: Frauen sind ihm nichts mehr als wandelnde Körper, die er benutzen und über die er Macht ausüben will. Wenn ein Mann nur den Körper einer Frau begehrt, hat er sie schon als geistlos abgestempelt, zum Ding gemacht, über dass mann dann folgerichtig herrschen kann und darf. Und so ist auch zu verstehen, dass in all diesen Videos immer der Eindruck rüber kommt, wie Frauen neben kostspieligen Klamotten und Karossen eingereiht werden, als ein weiterer Schmuck des Mannes, mit dem dieser sein Ansehen bei anderen anheben kann. Das vorherrschende Bild, was im Hip Hop von Frauen vermittelt wird, reduziert diese vorab auf willige, unterwürfige Sexualobjekte. So bieten sie die beste Projektionsfläche für patriarchale Sex - und Machtphantasien, in denen Frauen als selbstständige Subjekte, als handelnde Wesen nicht vor kommen. Die im Hip Hop übliche Darstellung von Frauen als sexuelles, unmündiges Objekt, über das mann frei verfügen kann ist der erste Schritt zur Vergewalltigung. Nur in einem solchen kulturellen und gesellschaftliche Rahmen, der Frauen auf die Rolle des Objekts festschreibt, ist dies möglich. Und auf jeder Werbeplakatwand, jeder Titelseite und in jedem Rap Video, wo diese Rolle verherrlicht wird, wird ein Stück Vergewalltigung vorbereitet, ohne dass sich die Menschen darüber empören, welche am nächsten Tag die Todesstrafe für den Vergewalltiger fordern, auf welchen die gesamte Schuld abgeladen wird.

1.5) In den Texten der größtenteils männlichen MCs ist dieser Sexismus genauso zu erkennen, denn Diskrimierung von Frauen schlägtsich stets in der Sprache nieder: die übliche Bezeichnung für Frauen lautet bitch, was übersetzt Hure, Schlampe aber auch rollige Hündin heissen kann, obgleich alle Übersetzungen keinen Zweifel über deren Bedeutung offen lassen. An anderen Stellen werden sie mit Pussy benannt, was die weibliche Vagina bezeichnet: wieder ist es der sexistische Blick des Mannes, welcher Frauen nur als eine Ansammlung von körperlichen Reizen wahrnimmt, als wandelnde Möglichkeit zum Verkehr. Das Vokabular der Rapper ist an allen Stellen durch und durch sexualisiert, auch wenn es gar nicht darum geht. Dabei wäre es verharmlosend zu sagen, dass mit dieser dreckigen Sprache nur die widrigen, harten Lebensumstände der black community wieder gespiegelt würden. Das offensichtlichste Beispiel dafür, wie Sex und agressive Gewallt in eins gesetzt werden ist die Wendung "fuck you", die ebenso den Verkehr bezeichnet wie sie eine Beleidung darstellt. Darin drückt sich eine weit verbreitete männliche Geilheit auf Gewallt aus, die offen zu Tage tritt, wenn Macker es erregend finden, sich mit anderen zu prügeln oder Neonazis zu klatschen. Die einzige Ebene, auf der Männer und Frauen in den Texten zusammentreffen, ist zunehmend die sexuelle, der Verkehr, bei dem die Frau in entwürdigenden Positionen ("suck my dick") dargestellt wird. Hier wird das typische Rollenbild der passiven Frau verherrlicht, die nichts anderes will, als dass er "es ihr macht" und die daran Gefallen findet, sich ihm zu unterwerfen. Und indirekt wird so das Vorurteil vieler RassistInnen bestätigt, dass Farbige sich wie Tiere verhalten und besonders auf Sex fixiert sind. Das folgende Stück von Necro ist daher so passend, weil es in der totalen Übertreibung nur verdeutlicht, wie sexistisch die Normalität im Hip Hop ist.

1.6) Weibliche MCs im Hip Hop haben sich den Rollenbildern der Männer weitestgehend unterworfen und stellen es nach aussen so dar, als würden sie sich dabei auch noch gefallen. Wenn sie von den Menschen dennoch als stark wahrgenommen werden, spricht das nur nochmal dafür, wie vorgeformt ihre Wahrnehmung ist. Und so kann Foxy Brown, einer der wenigen weiblichen Stars im Hip Hop, die ihren Körper wie sich selbst dem Ausverkauf preis bietet, auch als fortschrittliches, "weibliches Ideal" vermarktet werden. Wenn Foxy Brown für etwas steht dann ist es die Emanzipation von der Emanzipation: anstatt die ihr aufgedrängte, per Geschlecht zugewiesene Rolle oder Geschlechterrollen an sich zu bekämpfen, ergibt sie sich in totaler Anpassung. Und ihre Selbstaufgabe inszeniert sie noch als größten Erfolg. In ihr vollendet sich das westliche Bild vom Menschen, dass diesen in Körper und Geist aufspaltet. Für Foxy Brown stellt ihr Körper nur noch ein totes Mittel dar, um sich selber zu verkaufen. Es ist zu einfach und verkürzt zu sagen, dass die Frauen selber schuld sind, wenn sie in diskriminierenden Posen zeigen, obgleich es auch wieder richtig ist. In dem von schwarzen wie weissen Männern gesetzten Rahmen sind Frauen nur als Sexobjekte vorgesehen, anderes hat in ihrer Welt keinen Platz. Um etwas daran zu ändern müssen Frauen sich gegen diesen Rahmen selbst und die Männer wenden, welche ihn setzen: der Rahmen ist es, der gesprengt werden muss.

1.7) Hip Hop ist wie andere Subkulturen eine Männerdomäne, voll von Ritualen, welche nur dem einen Zweck dienen, Männlichkeit aufzubauen, zu erhalten und zu verherrlichen: die Bewegungen auf der Bühne, die teuren Klamotten und die inhaltsleeren Texte sind immer mehr darauf ausgerichtet, die eigene Person darzustellen, die männliche Coolness unter Beweis zu stellen. Mann tut alles, um dem Publikum zu Gefallen, um im Mittelpunkt zu stehen. Bei sogenannten battles, wo zwei MCs versuchen, sich mit Reimen gegenseitig zu überbieten tritt zu Tage, dass es viel zu oft nur darum geht, sich wichtig zu tun und sich aufzuplustern als um kreativen, spielerischen Wettbewerb, um Musik. Sehr häufig werden dabei massenweise sexistische Sprüche geklopft, um den anderen, männlichen MC zu beleidigen und zu demütigen: denn was könnte schlimmer für ihn sein, als mit eine Frau gleich gesetzt zu werden.

Alles dreht sich um das Ansehen, das eigene Ego, nichts dreht sich um musikalischen Ausdruck. Jeder kreative Anspruch wird der grenzenlosen Selbstdarstellung, dem Kult um die eigene Person geopfert, den Hip HopperInnen praktizieren. Am Ende bleibt nur die ewige Wiederholung von "ich bin der Coolste", welche den größten Teil der Texte bestimmt und mit lyrischem Einfallsreichtum gar nichts mehr zu tun. Offensichtlich wird der männliche Wahn um Männlichkeit, wenn z.B. mehrere Typen auf die Bühne springen und sich um das Mikrophon streiten, was nicht selten kurz davor steht, in eine Prügelei auszuarten. Der im Hip Hop so vehement geforderte Respekt scheint hier vergessen: jeder will ran, jeder will im Scheinwerferlicht stehen, um sich in mächtigen Posen vor dem Publikum zu präsentieren. Dass geht soweit, dass mann sich gegenseitig das Mikrophon aus den Händen reisst. Sich wichtig tun, sich selbst in den Mittelpunkt drängen, wo nichts dahinter steckt: dass ist typisches Mackerverhalten, welches nicht nur Männer im Hip Hop an den Tag legen.

1.8) So, die erste Stunde über Hip Hop und ihre Leiden ist leider schon vorbei, aber gleich nach Werbung und Nachrichten geht es weiter. Bleibt zu hoffen, dass ihr die schwArze Katze nicht mit Hip Hop im Regen stehen lasst. Nun, diese kleine Pause könntet ihr z.B. sinnvoll nutzen, um einen Blick auf die schwArze katze Internetseite zu werfen: http://schwarze.katze.dk. Auf jedem Fall dran bleiben!


2.0) Herzlich willkommen zum zweiten Teil meiner Sendung über Hip Hop mit dem bedeutsamen Titel "der gute Hip Hop und ihre Leiden". In der vorangegangen Stunde habe ich mich mit den Ursprüngen des Hip Hops in den schwarzen Ghettos, den ursprünglichen Anliegen dieser Musik und dem Sexismus in der Szene auseiandergesetzt. Nun soll es vor allem darum gehen, wie und warum sich Hip Hop von der Untergrundkultur zum Mainstream gewandelt hat und welche Folgen dies mit sich brachte. Außerdem versuche ich heraus zu stellen, wie sich Hip Hop in deutschen Landen darstellt und warum dieses Subkultur bei Jugendlichen so beliebt ist. An Musik wird es dabei nicht mangeln...und los geht es nun mit Concrete Schollyard von den Jurassic 5:

2.1) In den 70ern, den Anfangsjahren von Hip Hop, organisierten die KünstlerInnen in, in erster Linie die DJs, ihre Parties in New York komplett selbst: Flyer drucken, Anlage schleppen und aufbauen, Türkontrolle organisieren und Platten auflegen. Damit niemensch ausgeschlossen war, wurden 1,99$ oder 99 Cent Parties gefeiert, bei denen jeder am Ende seinen bzw. ihren Penny zurück bekam. Ausserdem gab es die berühmten, sehr spontanen Blockparties, welche im Freien, in Parks statt fanden und unangemeldet waren. Diese Parties fanden immer in der Nähe eines Laternenpfahls statt, dessen Abdeckklappen aufgeschraubt wurden, um den Strom für die Anlage anzuzapfen. Und in der Regel reichte es aus, die Musik schön laut zu drehen, um die Menschen aus den engen Häuserblocks anzulocken. Zu diesem Zeitpunkt lag Hip Hop noch in den Händen der MacherInnen, der KünstlerInnen und HörerInnen, auf einer Ebene der Selbstorganisation, ohne Einmischung von geldhungrigen Labels, so wie es sein sollte.

Doch die Kommerzialisierung von Hip Hop ist mit erschreckender Geschwindigkeit vor sich gegangen. Um die Tonträger, dem als "richtig" verkauften Outfit, Videos, Konzerten und Spraycans hat sich eine riesige Industrie aufgebaut. Die Urschen und Folgen dieser Entwicklung sollen nun aufgezeigt werden. Dass Hip Hop als Bewegung sich nie antikapitalistisch verstanden hat, reicht hier als Erklärung nicht. Wer farbige Menschen von vornherein dafür angreift, dass sie diesen Weg eingeschlagen haben, übersieht deren eigene Wirklichkeit, die anders ist als die von weissen Mittelstandskids. Die sozialen Verhältnisse für Farbige in Amerika waren und sind unwahrscheinlich schlecht, in den Ghettos konzentriert sich auch die Armut, welche das kapitalistische System produziert. Als Ausgegrenzten blieb und bleibt vielen Farbigen nur der Weg zum Drogenhandel. In einen solchen Lebenslauf ist der Aufenthalt im Gefängniss ein fester, obgleich unerwünschter Bestandteil. Es ist daher nur zu verständlich, dass Farbige weit zufriedener damit waren, mit Hip Hop, der Musik, die ihnen etwas bedeutete, ihr Geld zu verdienen, als ständig durch rassistische Cops und Knast bedroht zu sein. Anders gesagt: Sie konnten es sich unter den gegebenen sozialen Umständen nicht leisten, kein Geld mit ihrer Musik zu machen.

2.2) Aber es gab auch andere Gründe, populär zu werden. Auf der einen Seite bedeutete diese Entwicklung schliesslich, dass die Ausgegrenzten in der Öffentlichkeit standen, um ihre Stimme zu erheben, um mit ihren Botschaften aus den Ghettos auszubrechen und der Welt die dortige Wirklichkeit vor Augen zu führen. Das Ziel, schwarze Wirklichkeit zurück in das Blickfeld der Menschen zu rücken, aus dem sie der Rassismus verbannt hatte, war erreicht. Populär zu sein bedeutete auch, Einfluss zu haben. Ausserdem wurde es erst durch diesen Aufstieg möglich, dass nach und nach auch kleine Labels ihre Platten im internatinalen Rahmen unter die Leute bringen konnten. Mit dem Einzug in die Musikindustrie wurde Hip Hop gleichzeitig zum Massenprodukt, austauschbar und standardisiert, um für den Markt kompatibel zu sein.

Das Leben auf den Straßen, die Gangsterattitüden wurden in industrialisierte, verkaufbare Klischess gepresst, die sich mehr und mehr verselbstständigten. Hinter dem aufgebauten, auf Verkaufbarkeit und Profit kalkulierten Imgage ging bei vielen Hip HopperInnen der bezug zur farbigen Wirklichkeit verloren. Es wirkte verlogen, wenn RapperInnen in ihren Videos vor dicken Karossen posten und gleichzeitig vom "daily struggle", dem Kampf ums Überleben berichteten, den es für die Menschen im Ghetto ja wirklich gab bzw. gibt. Stereotype und Abziehfolien, die nichts mehr mit der sozialen Wirklichkeit der Menschen zu tun haben, das immer gleiche, verkaufen sich einfach besser. Hip Hop wurde auf den massenhaften Konsum zugerichtet, der wenigen vorhandenen Inhalte entleert. Die Weise, wie diese Entwicklung im Hip Hop selbst problematisiert wurde, beschränkte sich auf die schon immer hohle Parole, dass es um die Musik und nicht um das Geld gehen solle. Der Ausverkauf von Hip Hop wurde auf den moralischen Verfall von Einzelnen zurück geführt, welchen Vorwürfe dafür gemacht wurden, sich an der Musik übermäßig zu bereichern. Einzelpersonen wurden angegriffen, der gesellschaftliche Hintergrund, die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche immer mehr Menschen in die Armut treiben, wurden jedoch nie ernsthaft angetastet. Statt einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft, statt einem Bruch mit dem Kapitalismus wurde gefordert, dass mensch "real" bleiben solle. Passender - oder unpassenderweise folgt nun das feine, wohl bekannte Stück Tabula Rasa von den FK Allstars:

2.3) In Deutschland sind es vor allem weisse, entpolitisierte Kids aus wohlständigen Familien, welche Hip Hop hören. Dies wird spätestens dann klar, wenn mensch ausgerechnet hat, wie teuer ihr szenetypisches Outfit aus weiter Hose, Turnschuhen, Pullover, Schlüsselband und cooler Kappe sein muss. Dabei ist dieser Kleidungsstil sicher nicht der Ausdruck von Verbundenheit mit der Hip Hop Kultur: vor allem geht es ihnen darum, sich vor anderen in Szene zu setzen, den Kult um die eigene Person zu betreiben. Was für ihre Kleidung gilt, wird auch in ihrer Sprache offenbar: zwanghaft strebt mensch danach, coole Sprüche zu reissen. Jede Möglichkeit, die zur Zeit angesagten, szenetypischen Ausdrücke zu platzieren, wird genutzt, um ja bei den anderen anzukommen. Es ist ihnen wichtig, was andere über sie denken.

Eltern haben keine Zeit für ihre Kinder, weil sie sich für Arbeit abschuften müssen, für die eigentlich drei oder mehr Menschen erforderlich wären. Fernsehen und Computer, die elektronischen Ersatzfreunde, die keine sind, vertiefen nur noch die Isolation der Jugendlichen. In dieser Welt, in der Menschen sich immer mehr voneinander entfremden, ist der Wunsch nach Zusammengehörigkeit groß. Die Anziehungskraft von Hip Hop hängt eng damit zusammen, dass er Jugendlichen einfache Schemen und scheinbare Lösungswege anbietet, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen: wer die richtige Kleidung trägt und die richtige Musik hört, das entsprechende Vokabular drauf hat, gehört zur Szene. So ist es nicht schwierig, sich der wie auch immer gearteten Hip Hop Gemeinschaft zugehörig zu fühlen und dabei zu sein. Und umgekehrt wirken diese "Aufnahmekriterien" als Ausschluss-Mechanismus: du siehst nicht Hip Hop aus, also bist du draussen, gehörst nicht zu uns. Dass aber bedeutet Ausgrenzug von denen, welche sich nicht den subkulturellen Normen anpassen, dem gängigen Bild unterwerfen. Später werde ich dazu ein sehr passendes Beispiel aufzeigen. Mit dem nötigen Geld für Klamotten können sich die Jugendlichen Gemeinsamkeiten künstlich aufbauen, welche wenigstens nach aussen darüber hinweg täuschen sollen, wie einsam sie wirklich sind. Aber wer einmal mit offenen Augen eine Hip Hop Veranstaltung besucht hat, wird schnell erkannt haben, wie falsch das Gerede um "community", um Gemeinschaft ist: was mensch dort sieht ist die "lonely crowd", eine Ansummlung vereinzelter Menschen, die nichts verbindet ausser ihrer Beziehungslosigkeit.

2.4) Durch Massenmedien, aber in noch viel stärkerem Maße durch Schule werden Menschen uniformiert. Durch die Strafen der Eltern, durch die Bedrohung durch schlechte Noten wird Kindern ganz gezielt Angst gemacht, ihren Mund aufzumachen und zu sagen, was sie wirklich denken und wollen. In der Schule wird nicht auf die persönlichen Bedürfnisse von Menschen eingegangen, die grundverschieden sein können und die nicht mit der einen Antwort abgespeist werden können. Statt dessen wird Anpassung gefordert an das, was Erwachsene, Eltern oder LehrerInnen, für richtig erachten. Kinder müssen alles sein, nur sie selbst, dass dürfen sie nicht sein. Doch der Wunsch nach Individualität, nach freier Entscheidung, danach, anders zu sein lebt weiter, verdeckt und für zu viele Menschen unbewusst, so dass es sehr leicht ist, sie zu manipulieren, ihnen scheinbare Lösungen vorzusetzen. Werbung zielt auf diese Wünsche ab und lenkt sie in systemgerechte Bahnen, indem sie Individualität verspricht, welche mit bestimmten Produkten (z.B. Deos) verknüpft wird. Die weiten Hosen von Hip HopperInnen, ihr gesamtes Outfit ist ein Stück gekaufte Identität, welche wirkliche Individualität ersetzen soll. Und totz ihres ausgeprägten Konsums und ihrer unpolitischen Haltungen ist immer wieder zu bemerken, wie sie sich gerne als rebbelisch fühlen, als Menschen, die gegen den Strom schwimmen, weil sie sich anders kleiden, anders reden und andere Musik hören. Hier wird die Form, das Aussehen, mit dem Inhalt verwechselt: andere Kleidung bedeutet noch lange nicht, anders zu denken als die Mehrheit, anders zu sein. Hip Hop ist daher ein Beispiel dafür, wie Rebbellion, der Wunsch, anders zu sein, ins marktwirtschaftliche System integriert worden ist. Rebellion als Ware, scheinbare Individualität als Konsumgut neben anderen. Es errinert nicht zu Unrecht an die typischen Diagnosen von PsychologInnen, in denen das Aufbegehren der Kinder gegen ihre Eltern als eine "natürliche" Phase ihrer Entwicklung abgestempelt wird, die irgenwann schon ein Ende findet.

2.6) Wenn sich Menschen, die sich Hip Hop verbunden fühlen, von dieser Sendung zu Unrecht angegriffen fühlen, sei gesagt, dass es mir um die vorherrschenden Merkmale dieser Subkultur ging, was selbstverständlich nicht heisst, dass es keine Ausnahmen gab und gibt. Und die Botschaft dieser Sendung sollte auch nicht sein, Hip Hop abzulehnen. Sexismus, dominantes Männerverhalten, Inhaltsleere und Selbstinzenierung ergeben sich schliesslich nicht automatisch aus dieser Musik. Es sind vielmehr Teile dieser Gesellschaft, welche ihren Halt in dieser wie auch anderen Subkulturen gefunden haben, die sich dort weiter reproduzieren. Es gibt kein natürliches Wesen von Hip Hop, ein "so war es schon immer", aus dem sich die passende Kultur ableitet. Es sind die Menschen, welche eine Kultur um diese Ausdrucksform aufgebaut haben. Es sind Menschen welche definieren, dass weite Hosen das richtige Outfit für diese Musik ist, es sind Menschen die Normen darüber festlegen, was Hip Hop ist und was nicht. Das beste Beispiel dafür ist die Iserlohner Gruppe Anarchist Accademy gewesen: sie wurden von den selbsternannten Hip HopperInnen ausgeschlossen, weil sie nicht dem entsprachen, was erstere als Hip Hop definierten: sie trugen nicht das vorgeschriebene Szeneoutfit, sie waren in Teilen politisch, Mitglieder der Gruppe vertraten anarchistische bzw. rätekommunistische Ideen. Ihnen wurde vorgeworfen, Hip Hop zu missbrauchen, weil sie über ihre Musik radikale Inhalte beförderten: in Wirklichkeit ging es den "echten" Hip HopperInnen darum, dass Anarchist Accademy ihr festgelegtes Schema, wie Hip Hop zu sein hat, in Frage stellten, weil sie anders waren. Um sich nicht mit ihrem eigenen starren "so und nicht anders" Bild oder den Botschaften von Anarchist Accademy auseinander setzen zu müssen, um alles unverändert beim Alten zu belassen, wurden sie ausgegrenzt: "das sind keine Hip Hops."

Ich wende mich nicht gegen Hip Hop als solches, sondern gegen kulturelle Normen, die vorschreiben, dass etwas so zu sein hat, dass jemensch dieses oder jenes zu tragen hat, gegen Kategorien, welche darüber entscheiden, ob jemensch dazu gehört oder ausgeschlossen wird, gegen sexistisches Verhalten in der Szene und anderswo. Hip Hop ist eine Ausdrucksform, deren Inhalt von Menschen bestimmt und auch verändert werden kann...und ich werde weiter diese Musik hören, obgleich ich ganz bestimmt nicht zu dieser Subkultur gehören möchte.

2.7) So, wieder sind zwei Stunden der schwArze katze zu Ende und sie hofft, dass ihr mindestens genauso traurig und müde seid wie sie. Aber auch nächste Woche werden wir wieder unsere Krallen auf den Frequenzen von Radio MK ausstrecken. Für die, welche sich mit uns in Verbindung setzen wollen, hier unsere Kontaktadresse: schwArze katze, Postfach 4120 in 58664 Hemer. Für die Freunde elektronische Post: unsere e-mail Adresse steht auf unserer Webseite. Und wer uns im Internet besuchen möchte, der kann das seit zwei Wochen auch tun, unter der folgenden Adresse: http://schwarze.katze.dk. An dieser Stelle noch ein Programmhinweis, für die, welche unbedingt noch Nachschlag wollen: Am Freitag ab 20 Uhr folgt der dritte Teil von "Hip Hop und ihre Leiden" mit ganz viel Musik und wenig Worten. Dort soll endlich die Frage beantwortet werden, wie mensch die ultimative Coolness erreicht...doch hört selbst. Und ein schwArzer passagier verabschiedet sich mit den weisen worten: "it's about communication not a rappers ego."

3.0) Es gibt auf der Welt nichts Wichtigeres, als cool zu sein, das wird sicherlich jedem und jeder von uns einleuchten. Damit verbunden ist natürlich auch die Frage: "Wie erreiche ich die ultimative Coolness?", mit der sich schon unzählige Gelehrte und ProfessorInnen auseinander gesetzt haben, ohne zu einem konkreten Ergebnis zu kommen. Deshalb habe ich für die Radiogruppe schwArze Katze neuneinhalb Wochen Mr. Cool in seinem Lebensraum beobachtet, um einen genauen Einblick in sein Verhalten und Aussehen zu erlangen. Dies ist der dritte Teil der Sendung "Hip Hop und ihre Leiden", indem ich euch die Resultate unserer groß angelegten Untersuchung präsentiere:

3.1) Bei unserer Untersuchung bin ich zu folgenden Resultaten gelangt: Ein wesentlicher Bestandteil der Coolness sind natürlich coole Klamotten, sie bilden die Basis, um die Niemand herum kommt. Nach einigen gründlichen Beobachtungen und Vergleichen bin ich zu dem Schluß gekommen, dass eine dieser dicken Jacken mit einem übergroßen HH auf dem Rücken erste Wahl bei Mr. Cool ist. Um so dicker die Jacke, desto besser der erreichte Effekt. Deshalb empfehle ich, gleich zwei Jacken übereinander anzuziehen, denn doppelte Jacke bedeutet auch doppelte Coolness. (Aber behaltet das für euch, das ist nämlich der absolute Geheimtip!) Es ist selbstverständlich, das zu einer fetten Jacke auf jeden Fall eine Hose gehört, die ihr in nichts nach steht. So sollte die Hose mindestens fünf bis sechs Nummern zu groß sein und, was enorm wichtig ist, nur unter Gesäß-Höhe getragen werden. Der Vorteil einer übergroßen Hose ist auch dem Leyen sofort ersichtlich: Sie bietet genug Platz für ein paar gute Freunde und Freundinnen...und läßt dem modernen Mann alle Freiheiten in seiner Entwicklung - äh, na ja. Außerdem kann man mit dieser Zocker-Hose Trinkflaschen abziehen, während eine GenossIn den Verkäufer zum Narren hält. Um den äußeren Gesamteindruck abzurunden, empfiehlt sich ein Paar Turnschuhe mit einem lässigen 25-Zentimeter-Absatz. Damit zeigt man physische Größe und liefert den eindeutigen Beweis, dass man wirklich Ahnung hat, was angesagt ist. Um sich trotzdem von der Allgemeinheit abzuheben, sollte man den neuesten Trend aus den Vereinigten Staaten übernehmen: Eine Hundeleine in der Tasche ist nicht nur sehr attraktiv, sondern auch ungemein praktisch, falls man mal mit Nachbars Fiffi Gassi gehen soll oder den Freund bzw. die Freundin auspeitschen möchte.

3.2) Nur die Wenigsten wissen auch, wie phat es ist, den ganzen Tag mit Rucksack durch die Gegend zu latschen, deshalb streicht das Wort absetzten aus eurem Vokabular und laßt euch gesagt sein: Rucksack auf, egal was kommt. Sitzt ihr im Auto, Rucksack auf, liegt ihr im Bett, Rucksack auf, alles klar. Ganz nebenbei solltet ihr wissen, das ihr nur einen gepflegten Eastpack auf eueren Rücken lassen solltet, denn nur Tunten und Schwule tragen Jansport. Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, wie stylisch der komische Blümchen-Hut auf der Klopapier Rolle euerer Oma aussieht? Ist es nicht das, was ihr immer wolltet, einen funky Hut, der echt krass kommt? Damit seid ihr mindestens so cool, wie der vorherige Träger dieser Kopfbedeckung. Diesen ganzen mutterbeischlafhaltenden Bullenkot könnt ihr euch eigentlich schenken, denn ein weißer Einweg-Overall kann alles, der ist nämlich unmenschlich schnieke - und auch gut. Um immer auf dem neuesten Stand zu sein, sollte man sich ruhig mal nach Mr. Cool umsehen und seinen Style kopieren, er sollte quasi euer großes Vorbild sein, nach dem ihr euch richtet. Ihr bleibt so immer up-to-date und Mr. Cool wird sich bestimmt einen Wolf freuen. Noch besser ist es natürlich, sich über die Klamotten anderer lustig zu machen und erst zwei Wochen später mit den gleichen Sachen aufzutauchen. Damit zeigt ihr auf jeden Fall Klasse und jeder wird schnell erkennen, dass ihr ein Echter seid - you know i'm sayin.

3.3) Wenn ihr dass beherzigt, spielt ihr schon in der Bezirksliga der Coolness, aber das alles ist erst ein kleiner Anfang, der Thron eines Mr. Cool ist für euch immer noch in weiter Ferne. Ihr habt zwar die flotten Klamotten, doch was euch fehlt, ist die lockere Art einer Typin bzw. eines Typen, der immer das letzte Wort hat und die Rolle des Pausenclowns verkörpert. Schlagfertigkeit ist gefragt, aber das Wichtigste sind vor allem dumme Kommentare - am besten die, die absolut nichts zur Sache tun - und coole Sprüche, die euer Gegenüber schockgefrieren lassen. Tägliches Training ist unumgänglich, wenn ihr der geborene Sprücheklopfer werden wollt. Als kleine Starthilfe können die folgenden Ratschläge dienen, aber ihr auch tut gut daran, selber fleißig zu üben. Top-aktuell und absolut trendy ist es zum Beispiel, aneinander gereihte, englische Schimpfwörter zu benutzen. Die KönnerIn verwendet diese geistreichen Schlagwörter mindestens einmal pro Satz, um seine extreme Coolness zu demonstrieren, ihr könnt also nichts falsch machen. Dass das wirklich sehr einfach und wirkungsvoll ist, zeigt das folgende Beispiel:

"Peter, gibst Du mir mal die Milch rüber?"
"Yo, Shitfuckintoasterman."
"?"

Der englische Wortlaut, verbunden mit einer aussagekräftigen Bedeutung ist einfach nicht zu toppen, was euch schnell den Ruf einer verbalen MeuchelmörderIn einbringen wird. Sinnvoll ist es außerdem, seinen Wortschatz auf das Nötigste zu beschränken und nur die angesagtesten Wörter und Redewendungen in sein Vokabular aufzunehmen. Wahre MeisterInnnen ihres Faches könnt ihr darin erkennen, dass sie auf VIVA oder MTV eine Hip Hop Sendung moderieren. Aus diesem Grund folgt hier eine Zusammenstellung der coolsten Ausdrücke, die für eine fruchtbare Konversation ausreichen sollten:

1 phat (Wenn ihr wirklich gut seid, solltet ihr euch mit diesem Wort begnügen) 2 checkt das ab
3 ey yo
4 erst mal ein Video
5 macht euch mal locker
6 das Teil ist auf jeden Fall dick
7 was geht?
8 wir sind draußen

Ihr müßt zugeben, das ist doch echt freaky, freaky, freaky. So, jetzt wißt ihr auch, wie sich ein wahrer Held ausdrücken muß - womit ihr die zweite Stufe der Coolness erlangt.

3.4) Der letzte Schritt ist die drastische Veränderung eures Verhaltens. Die nette, liebe und freundliche Typin, die ihr mal gewesen seid, hat ausgedient. Harte Zeiten sind angesagt, denn ein Mr. Cool ist von Natur aus böse. Er ist so gefährlich, dass er einen Menschen mit seinen Blicken auffressen kann. Freunde hat er kaum, weil er nur mit Leuten herum hängt, die mindestens so cool sind, wie er selbst. Alle anderen TypInnen nimmt er als kleine, minderwertige Wesen wahr, die nur einem Zweck dienen: verarscht zu werden. Deshalb solltet ihr auch nicht den fatalen Fehler machen, einen von diesen Idioten in irgendeiner Weise für voll zu nehmen. "Einfach ignorieren", sollte eure Devise lauten. Aber das Wichtigste ist, dass ihr immer cool und witzig seid, einen Anflug von Ernsthaftigkeit könnt ihr euch einfach nicht erlauben. Nicht auszudenken, was alles passieren könnte, wenn ihr aus Versehen einmal nett zu jemanden seid. Dann wäre euer Image sofort hin und die ganzen Anstrengungen wären umsonst gewesen. Wenn ihr nicht ganz genau aufpaßt kann eure hart erarbeitete Coolness auf einen Schlag verloren gehen. Ich hoffe doch sehr, dass euch der Ernst der Lage bewußt ist. Ansonsten solltet ihr lieber der bleiben, der ihr momentan seid: ein langweiliger, hoffnungslos un-cooler Mensch.

3.5) Für weitere Tips und Anregungen müßt ihr euch nur mal in der Pause auf dem Schulhof umsehen: mit ein wenig Glück und Aufmerksamkeit werdet ihr ihn oder sie irgendwo finden: Mr. Cool oder Ms. Cool. Er und sie sind sicher begeisterte AnhängerInnen dieses Ratgebers und beherzigen alle Regeln der hohen Kunst, was sie Tag für Tag neu unter Beweis stellen. Wenn ihr ihn bzw. sie mal ordentlich zu labert, wird er oder sie euch mit Sicherheit eine Portion von ihrer schier unermeßlichen Coolness abgeben. Trotzdem müßt ihr noch einiges tun, damit ihr euch irgendwann ein fettes Goldkettchen mit der Aufschrift Mr. Cool umhängen dürft. Dazu bedarf es jede Menge harter Arbeit, wie diese Untersuchung gezeigt hat, aber der Lohn dafür entschädigt sicherlich jeden Aufwand. Wenn ihr euch dann im Spiegel betrachtet, der vor lauter Ehrfurcht in Tausend Stücke zerspringen wird, werdet ihr dass verstehen. Fast hätte ich es vergessen: Damit das ganze auch funktioniert, müßt ihr euch nur oft genug die magischen Worte "Wie cool ich doch bin!" sagen, alles andere ist nebensächlich. Damit werdet ihr eine erstaunliche Wirkung bei euren FreundInnen erzielen, die euch sicher überraschen wird. Aber das werdet ihr selber früh genug sehen. Außerdem müßt ihr unbedingt den ganzen Tag Hip Hop hören, sonst könnt ihr euch gleich begraben lassen. Ach ja, und wer das alles glaubt, ist auf dem besten Weg dort hin.

3.6) So ich hoffe, dass ihr etwas aus der Untersuchung der schwArzen Katze gelernt habt...denn auch der letzte Teil von "Hip Hop und ihre Leiden" der Radiogruppe schwArze Katze geht so langsam zu Ende. In den nächsten Wochen erwartet euch von der schwArze Katze eine längere Reihe über den Aufstand der Zapatistas in Chiapas, wo wir über die Situation in Mexiko berichten werden. In diesem Sinne: Pfoten hoch und keep cool, eure schwArze Katze...


Der obengenannte Text ist ein Manuskript eine dreistündigen Schwarze Katze Radiosendung.

Quellenangabe: Radiosendungen am 7.9.00 20-22 Uhr und 8.9.00 20-21 Uhr von Schwarze Katze, Postfach 41 20, 58664 Hemer, http://schwarze.katze.dk

Donnerstag, 07.09.2000 20-21 Uhr: Entstehung des HIP HOP, positive Bedeutung für die Farbigen?, Sexismus in der HIP HOP Scene + Mackerverhalten

Donnerstag, 07.09.2000 21-22 Uhr: Kommerzialisierung des HIP HOP, Egozentrismus in der (deutschen) HIP HOP Scene, Integration von Subkulturen am Beispiel des HIP HOP, scheinbare Rebellion durch den Kauf von Klamotten, eine kritische Sendung über HIP HOP von der Schwarzen Katze

Freitag, 08.09.2000 20-21 Uhr: In der 3. Stunde gibt“s viel HIP HOP Musik und eine Satire, die das Bestreben vieler HIP HOP Gruppen auf“s Korn nimmt, im Mittelpunkt zu stehen bzw. cool zu sein. Das heisst aber nicht, dass es in anderen Subkulturen grundsätzlich anders kommt. Die kommen auch noch dran!