ROTE ARMEE FRAKTION: LENINISTEN MIT KNARRE

Redaktionskollektiv der Zeitschrift 883
Quelle: 883 Nr. 86 vom 6.12.1971

Eines der Kennzeichen der Erstarrung und Isolierung der ehemals antiautoritären Bewegung in eine Vielzahl von dogmatischen und sich selbst genügenden Sekten war und ist der radikale Abbruch jeglicher solidarischer Diskussion im Rahmen der gesamten linken Bewegung. In dem Maße, wie Diskussionen über andere Gruppen lediglich in ihrer Funktion als Hervorhebung der eigenen Wichtigkeit, als Denunziation einer Abweichung vom eigenen, sorgsam gehüteten, einzig richtigen revolutionären Weg nur noch benutzt wurden, entlarvten sich die diversen politischen Sekten als schlichte Geschäfts- und Werbeagenturen in Sachen richtiger Linie! Es hat schon immer in der revolutionären Bewegung Abspaltungen und Fraktionen gegeben: solche Spaltungen waren niemals Grund zum lamentieren, sofern sie ein Ausdruck dafür waren, daß die Revolutionäre sich über ihre tatsächlichen Interessen, Aufgaben und Bedürfnisse Klarheit verschaffen wollten.

In solchen Fällen verstärken Spaltungen und Fraktionen den praktischen Diskussionsprozeß um die Klarheit der notwendigen und möglichen Aufgaben. Entscheident ist jedoch, daß die verschiedenen Fraktionen ihre Praxis auf die tat-sächliche Entwicklung der Gesellschaft beziehen, so wie sich vor ihren Augen abspielt und nicht, wie sie sich in ihren Köpfen ausmalen läßt.

Weiter ist entscheidend, daß ein gemeinsamer solidarischer Diskussionsprozeß überhaupt ermöglicht wird, daß hinter ihn die bornierten Organisationsinteressen der jeweiligen Fraktionen zurücktreten. Ein so verstandener Diskussionszusammenhang aller revolutionärer Gruppen trägt dazu bei, die richtigen und notwendigen Momente der heutigen Fraktionen schärfer herauszustellen und zu verdeutlichen. Aber nicht mit dem Ziel, diese Fraktionen zu konservieren und zu verewigen, sondern sie im Prozeß der Kämpfe selbst aufzuheben. Es kann heute nicht mehr darum gehen, daß die verschiedenen revolutionären Organisationen sich gegenseitig bekämpfen und befehden, ihre eigene Organisation mehr und mehr aufblähen, um dann mit einer großen Organisation richtige Kämpfe führen zu können.

Die Geschichte der Arbeiterbewegung hat solche mechanistischen Organisationstheorien mehr als einmal gründlich praktisch widerlegt. Für wen die Geschichte der Klassenkämpfe nicht nur bloß ein buntes Kostüm ist, in das man problemlos hineinschlüpfen kann, dem zeigt die Geschichte, wie unter den spezifischen historischen Bedingungen in den Kämpfen die adäquaten Kampforganisationen entstehen, die sich weiter mit den Kämpfen entfalten.

Traditionelle Organisationen

Hervorragendes Merkmal solcher Organisationen war, daß sie zugleich Kampforganisationen waren und Momente des sozialen Zusammenlebens, wie es in der neuen, zu erkämpfeneden Gesellschaft entwickelt wird, enthielten. Gerade diesen Doppelcharakter der Klassenkampforganisationen haben die sozialdemokratischen und bolschewistischen Parteiorganisationen nie verwirklichen können, weil sie lediglich eine schlechte Kopie der zu zerschlagenden kapitalistischen Organi-sationsstruktur waren (und heute sind!). Für sie soll nicht die kämpfende Klasse stark werden, sondern die Organisation.

Hält man diese Lehre aus der Geschichte der Arbeiterbewegung für richtig, hat man also erkannt, daß die Dialektik von Kampf und Organisation die bornierte Mechanik der Parteiaufbauer praktisch immer wieder widerlegt hat, dann entlarven sich die heutigen Probleme der leninistischen Parteianhänger als Scheinprobleme. Die aussichtslosen Versuche, die Organisationen des Proletariats aufbauen zu wollen, sind lediglich Anzeichen dafür, wie wenig solche Parteiaufbauer im Proletariat verwurzelt sind, wie wenig sie ihre praktischen Anstrengungen auf die wirklichen Bedürfnisse und Interessen, auf die tatsächlichen Bewegungen des Proletariats richten. Sie können es auch nicht, auch wenn sie es wollten! Denn ihr mechanistisches Organisationsverständnis, ihre Fixierung auf die bolschewistische Form der Avantgardeorganisation und der dadurch bedingten Kampfformen verstellt ihnen ja die Möglichkeit, die verschiedenen Ausdrucksformen der heutigen Klassenkämpfe zu erkennen und zu verarbeiten.

Klassenkampf

Sowohl durch ihre Fixierung aufs Industrieproletariat als auch durch ihre historisch überholte formale Trennung zwischen ökonomischen und politischen Kämpfen sind die Parteistrategen auf die Verlaufsgeschichte der bürgerlich-jakobinischen Revolution fixiert, die sie in der Wirklichkeit der heutigen Kämpfe zu entdecken versuchen (natürlich erfolglos!) bzw. vorzubereiten (noch erfolgloser!). So bleibt ihnen nur noch, monoton die Gebetsmühlen aus dem Arsenal der alten Arbeiterbewegung zu drehen, etwas von Avantgarde, die führen muß, vom Volk, dem zu dienen ist, vom heldenhaften Kampf, der zu unterstützen ist und von der heiligen Dreifaltigkeit Stalin-Thälmann und Genosse Piefke zu brabbeln, bis sie von den Kämpfern der neuen Arbeiterbewegung dorthin versetzt werden, wohin sie gehören: ins Museum für historische Altertümer.

Was hat das nun alles mit der RAF zu tun?

Nun, in ihrer Broschüre Die Lücken der revolutionären Theorie schließen - Die Rote Armee aufbauen! erweist sich die RAF als eine Ansammlung von Superleninisten, die sich von den diversen Parteileninisten nur dadurch unterscheiden, daß sie statt Parteibücher Knarren in den Händen halten. Leninisten mit Knarren, nichts weiter! Ansonsten wiederholen sie mit simpler Naivität all die Phrasen, mit denen die heutigen Leninisten zum Ausdruck bringen, daß sie von gestern sind. Daß sie von der heutigen Wirklichkeit, den verschiedenen Formen und Inhalten der Auseinandersetzungen in allen gesellschaftlichen Bereichen gar nichts, von der Geschichte der Arbeiterbewgung jedoch nur die parteidogmatische Entstellungen begriffen haben. Alle dogmatischen Fehler, die bei den Neoleninisten so hoch im Kurs stehen, wärmt die RAF-Broschüre auf, lediglich in Kurzfassung: Parteileninismus in Schnellverfahren.

So sieht`s dann aus: Zunächst einmal muß eine Theorie erarbeitet werden. Theorie ist für den Leninisten, also auch für die RAF, etwas, was durch das Aneinanderreihen verschiedener aus dem historischen Zusammenhang gelöster Klassikerzitate und einiger oberflächlicher Reflexionen über die heutige Zeit zusammengeflickt werden kann. Mit einer solchen Theorie und einer Knarre bewaffnet, kann man dann die richtige Praxis machen. Was Marx, Engels, Lenin, Luxemburg und Mao unter jeweils konkreten historischen Bedingungen einmal gesagt haben, wird auf ein, zwei Sätze zusammengestrichen und als Handlungsanleitung für heute mißverstanden. Dieser mechanische Dualismus von der abstrakten Theorie, die die Wahrheiten entdeckt, und der konkreten Praxis, die dann die Wahrheiten umsetzt, etwas tut, durchzieht die ganze RAF-Zitatensammlung.

Auch durch das ab und zu geäußerte Bekenntnis zur Dialektik von Theorie und Praxis läßt er sich nicht vertuschen. Mit dem im Titel der Broschüre auf den Begriff gebrachten Anspruch, die Lücke der revolutionären Theorie schließen - die Rote Armee aufbauen! entlarvt sich die Broschüre als das, was sie tatsächlich bloß sein kann: ein eklektizistischer Versuch, eine begonnene Praxis im nachhinein theoretisch (und das heißt hier lediglich unter Benutzung ausgewählter Zitate alter Klassiker) zu legitimieren.

Die RAF-Broschüre hat es also nicht geleistet, das Konzept RAF aus den tatsächlichen Bedingungen der heutigen Gesellschaft, aus den Kräfteverhältnissen und den Beziehungen der Klassen und Schichten untereinander etc. und aus der daraus absehbaren Bewegung heraus abzuleiten, sondern sie versucht lediglich, die bisher gemachte Praxis theoretisch zu rechtfertigen, ihr einen Platz in der revolutionären Ahnengalerie zu sichern. Theorie verkommt bei der RAF, wie bei allen heutigen leninisten, zur bloßen Rechfertigungsideologie. Als Opfer und Teil des dogmatischen Sumpfes in dem die linke Bewegung inzwischen gelandet ist, konnte auch sie keinen Schritt tun, ohne ihn mit Marx-, Lenin- und Maozitaten zu rechtfertigen.

Theorie-Praxis

Diesem typisch leninistischen mechanischen Theorie-Praxis-Verständnis, typisch für die Leninisten mit und ohne Knarre, entsprchen konsequenterweise all die Dogmen, die die heutigen und künftigen Führer & Funktionäre der Avantgardesek-ten den in ihren Dunstkreis geratenen Leuten permanent vorbeten, um sich selbst, also die Notwendigkeit von Führern & Funktionären, zu rechtfertigen. So wird also dann auch in der RAF-Broschüre aufgewärmt:

- die Arbeiter können aus ihrer Sittuation und Lage heraus nur ein trade-unionistisches Bewußtsein entwickeln;
- eine selbständige Arbeiterbewegunng kann es nicht geben; vielmehr sei es Aufgabe der Partei, den von ihr gepachteten und weiterentwickelten wissenschaftlichen Sozialismus zu verschmelzen;
- die Massen sind erst nach der Revolution in der Lage, ihre Situation zu erkennen und den Marxismus-Leninismus zu begreifen.

All das steht in der RAF-Broschüre drin. Was die bürgerliche Lumpenpresse genüßlich als Anarchismus verkauft, was in den geifernden Kommentaren von M. Walden bis zu Ch. Guggomos zu einer wahren Inflation an anarchistischen Assoziationen führt, entpuppt sich als waschechter Neo-Leninismus - als Rechtfertigungsideologie wild gewordener Leninisten, denen selbst ein Parteiaufbau zu langwierig und umständlich war, so daß sie lieber gleich mal richtig losschlugen.

Daß einige Genossen aus dem nicht-parteilichen Lager in der RAF "ihre" Theorie sehen, sie als "anarchistisch" begreifen, spricht weder für die RAF noch für diese Genossen. Wenn eine Genossin in einer Diskussion einmal sagte: "Was brauchen wir noch eine Schulung? Lest die RAF-Broschüre. Da steht alles drin." -so zeigt das nur, wie notwendig eine politische, solidarische Kritik an der RAF ist. Diesen "Leninismus der Knarre" drückt z.B. die FIZZ in Nr. 9 beispielhaft aus: Im Bericht über Kunzelmann heißt es: "Hoch lebe die Raf , damit die wissen, die die Sache der Herrschenden vertreten, daß auch die Sache der Unterdrückten vertreten wird." Aber die Schadenfreude der Bürger in und außerhalb der Parteien ist fehl am Platz. Und wenn schon, sie kümmert uns und die RAF nicht.

Wir haben die RAF nicht kritisiert unter dem Aspekt des Renegaten Homann, der nun plötzlich seine Liebe für Rosa Luxemburg entdeckte und der RAF im Spiegel vorwirft, sie verheize Genossen. (Wobei man Homann noch zugute halten sollte, daß er im eigenen Interesse versucht, sich optimale Verhandlungsbedingungen für seinen künftigen Prozeß zu sichern.) Es geht uns in der Kritik auch nicht darum, der Ulrike nun klar zu machen, wie intelligent sie doch sei und in was für eine abenteuerliche Gesellschaft sie da geraten sei, wie es Renate Riemek im letzten Konkret tut. Beide Male wird so argumentiert, als sei die RAF-Konzeption ein Produkt von ausgeflippten Spinnern; eine solche Kritik drückt höchstens die Distanz von Homann und Riemek zur heutigen linken Bewegung aus. Für uns heißt die Kritik an der RAF notwendige Kritik an Genossen.Wir kritisieren bewußt das Konzept der RAF und nicht ihre augenblickliche Praxis, die sich anhand des staatlichen Terrors lediglich noch auf Überlebensaktionen reduziert.

Wir halten die Diskussion über das RAF-Konzept für notwendig als Diskussion über die Strategie der heutigen Linken. Die Zersetzungsprodukte der antiautoritären Bewegung, sowohl die Studentenparteien als auch die Schwarzen Zellen, Fizz etc. haben die RAF lediglich dazu benutzt, entweder mit einer dogmatisch-bornierten Ablehnung oder mit verbalradikaler Zustimmung ihre eigenen Probleme zu vertuschen: beide, die leninistischen Studentenparteien und die leninistische RAF sind dogmatisch erstarrte Restprodukte der antiautoritären Bewegung, und ihre Überwindung wird eines der Momente sein, die die neue antiautoritäre Bewegung freisetzen wird.

Gegen den Leninismus

Wir bekämpfen politisch den Leninismus in allen seinen Spielarten, weil wir in ihm ein entscheidendes Hindernis einer aktiven, phantasievollen Bewegung sehen, die sich dadurch auszeichnet, daß in allen gesellschaftlichen Bereichen die unmittelbar Betroffenen beginnen, ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse kämpferisch durchzusetzen. Die Leninisten der RAF und die Leninisten der Studentenparteien ignorieren die Ansätze einer solchen Bewegung, oder sie nutzen sie ihrem Parteiinteresse aus (Mieten, Schulen, Betriebe, Uni usw.).

Ohne sich auf solche konkreten Praxisansätze einer solchen selbständigen Bewegung zu stützen, diese zu verstärken oder eingreifend zu verändern, machen sie nach ihren eingefahrenen Denkrastern Politik. Die Parteistrategen rekurrieren auf das ganze Arsenal der traditionellen Arbeiterbewegung, auf die versteinerten Formen einer vergangenen Zeit, um mit möglichst großen roten Fahnen, mit zahlreichen Propagandatricks und vielen Bildern und Zitaten der alten Führer sich als die neue revolutionäre Führung zu präsentieren.

Die RAF greift ins Waffenarsenal, um mit ihren Aktionen den Anschein zu erwecken, die Massen würden sie begreifen, sich mit ihnen identifizieren und in diesen Aktionen den eigenen latenten Widerstand gegen ihre Unterdrücker und Ausbeuter erkennen. Sie ignoriert dabei völlig, daß in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern geheime militante Gruppen nur innerhalb einer aktiven Massenbewegung operieren können, die selbst schon als Massenbewegung den Unterdrückungs- und Ausbeutungsapparat zunehmend verunsichert und bedroht. In einer solchen Situation können Aktionen von Terrorgruppen durch die Massenbewegung gedeckt und propagandistisch genutzt werden, können sich die Massen damit identifizieren. Außerhalb eines solchen Zusammenhangs mit der tatsächlichen Massenbewegung können sich Terrorgruppen nur verselbständigen, sich isolieren und in ihren individuellen Problemen rotieren.

Gewalt

Wir müssen uns also innerhalb der Bewegung solidarisch mit den Genossen auseinandersetzen, die die Gewalt letzten Endes romantisieren, den Klassenkampf auf ein großes Pfadfinderspiel reduzieren. Wir müssen uns klar machen, daß diese Auffassung ein Produkt der antiautoritären Bewegung ist. Dabei wird nur ein Moment dieser Bewegung, nämlich die Aktionen, die Militanz, verabsolutiert. Die Gewalt wird nicht mehr als das Mittel der unterdrückten Klassen und Schichten begriffen, um sich in der gewalttätigen kapitalistischen Gesellschaft Gehör zu verschaffen; vielmehr wird bei ihnen die Gewalt zum Inhalt des Kampfes.

Gewalt ist aber nicht gleich Gewalt; wir müssen die Frage nach der revolutionären Gewalt innerhalb der Klassengesellschaft stellen. Revolutionäre Gewalt, revolutionärer Kampf in den Metropolen ist der Widerstand der Klasse, die keine Produktionsmittel besitzt, gegen die Produktionsmittelbesitzer auf allen Ebenen. Der Kampf der Arbeiter von Pirelli z.B. die sich der von der Unternehmensleitung diktierten Arbeitsgeschwindigkeit widersetzten und kämpferisch und solidarisch eigene Zeiten praktizierten, den Produktionsprozeß selbst organisierten, ist für das kapitalistische System viel gewalttätiger als anonyme Bomben gegen Banken, weil die Arbeiter von Pirelli in ihrem Kampf zum Ausdruck brachten, wie das kapitalistische System heute zerschlagen werden kann: durch die gemeinsame Aktion der Produzenten an ihren Produktionsstätten. Dieser Kampf hängt von den konkreten Bedingungen der Klassengesellschaft ab. Ebenso von den Vorstellungen, die die Produzenten von der neuen Gesellschaft haben.

Avantgarde

Die RAF verkürzt diese Problematik darauf, daß der Kampf ausschließlich vom bewußten Willen der von den Massen isolierten Stadtguerilla abhängt. Die Vorstellung ist einfach falsch, daß in den kapitalistischen Gesellschaften irgendeine entschlossene militante Gruppe eine Klassenbewegung initiieren kann. Eine solche Auffassung überbetont die Rolle des Individuums und dessen freien Willen als hauptsächliche Triebkraft der Geschichte. Natürlich machen nur die Menschen die Geschichte, aber sie machen sie unter vorgefundenen Bedingungen. Wer auf die gründliche Analyse der vorgefundenen Bedingungen verzichtet, und sie durch einen Zitatenmischmasch erssetzt, drückt lediglich seine subjektive Ungeduld aus.

Ein solcher Voluntarismus ist verständlich, besonders bei den Individuen, die faktisch nicht (mehr) im Produktionsprozeß stehen. Für sie ist der Haß auf die und der Ekel vor der gegenwertigen Gesellschaft, der sie sich am liebsten verweigern wollen, der Hauptansporn, das Biest, die Schweine zu bekämpfen -oder sie sind verzweifelt. Haß und Verzweiflung sind unbegriffene Formen der Verweigerung einem brutalen System gegenüber, die sich in Gar-nichts-Tun oder in Alles-auf-einmal-Tun-Wollen äußern. Che sagt, wir sollen Haß in Energie umsetzen. Das bedeutet, daß wir eine Vorstellung davon haben, unter welchen Bedingungen, wofür und wogegen wir unsere Energie einsetzen. Außerdem wird klar, daß wir nur organisiert unsere Energie einsetzen sollen. Was heißt für uns heute jedoch organisieren?

Hier muß uns klar sein, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, die Organisation des Klassenkampfes zu gründen. Organisationsspielereien, riesige Fahnen, die mit der wachsenden Einflußlosigkeit der Organisationen immer größer und röter werden, überlassen wir den Organisationsfetischisten. Das heißt nun aber nicht, daß die Genossen, die heute schon bereit sind, revolutionär zu kämpfen, abwarten sollen, bis irgendwann einmal die Kämpfe sich "entfalten". Die Kämpfe entfalten sich nur mit und durch die praktische Tätigkeit der Menschen. Wir sind keine Fatalisten, die alles dem "objektiven" Prozeß der Geschichte überlassen wollen. Es muß Aufgabe der schon bewußten Genossen sein, alle Konflikte, Auseinandersetzungen und Kämpfe zu unterstützen und aktiv voranzutreiben, wo unterdrückte und ausgebeutete Menschen begon-nen haben, ihre eigenen Interessen kämpferisch durchzusetzen. Dabei ist es für uns heute klar, daß die schon jetzt bewußten Genossen in den künftigen Kämpfen automatisch die Avantgarde sein werden. Hier sehen wir das Problem, daß sich eine so verstandene Avantgarde verselbständigen kann und ein Hemmnis für die Revolution wird. Allen diesen "Organisationstheorien" setzen wir eine Konfliktstrategie entgegen, oder -anders ausgedrückt- das Prinzip der Selbstorganisation als radikale Negation jeglicher sozialdemokratischer und bolschewistischer Organisationspielerei. Selbstorganisation heißt für uns, daß wir das revolutionäre Moment des Klassenkampfes in jeder wirklichen Aktion des Proletariats von Anfang an und in allen ihren Erscheinungsformen eigentümlichen Gegensätzlichkeit gegenüber der Bourgeoisie , ihrem Staat und allen bürgerlichen Verhältnissen und in dem aus dieser Gegensätzlichkeit der Aktion entstehenden und durch sie bestimmten selbständigen Klassenbewußtsein und Kampforganisationen sehen.