Schwarze Katze Rundbrief 06.05.08

Statt die Katze zu verjagen, stell den Teller weg.
Sprichwort aus Japan

1.) Fahnen und Transparente Workshop
2.) Bundeswehrveranstaltung gesprengt
3.) Friedhofslesung am Grab von Erich Mühsam
4.) Redebeitrag der FAU Berlin zum 1. Mai
5.) Das Gedicht vom dummen Christen

1.) Fahnen und Transparente Workshop
von ainfos

Fahnen

Was man sich vorher besorgen sollte:

Der handwerkliche Teil:

Zum ordentlichen Zeichnen braucht man natürlich eine glatte Unterlage. Man sollte nicht unbedingt den Perserteppich wählen, da es leicht vorkommen kann, dass man kleckert und evtl. auch die Farbe durch den Stoff schmiert (am besten legt man eine Plane oder einen Karton drunter). Bei der Verwendung von Zeitungen als Unterlage ist zu beachten, dass diese meist kleben bleiben.

Das Motiv wird am besten mit Bleistift vorgezeichnet und anschließend mit Farbe & Pinsel ausgefüllt. Wenn dies geschafft ist, müsst ihr die Farbe noch trocknen lassen (wirklich lange genug warten, da sie sonst abfärbt und euch so die ganze Arbeit versauen kann...) und danach meistens noch von der Rückseite her bügeln (nähere Infos finden sich in der Packungsbeilage der Farbe), damit das ganze wasser- und waschfest ist.

Nun den Stoff einfach einschlagen (wegen dem Ausfransen...) und an den Stangen befestigen. Dies geschieht entweder durch festkleben und tackern (was aber nicht so doll aussieht...) oder durch das Nähen von Schlaufen für die Stange, was meistens am stabilsten ist.

Transparente

Diese sind wohl in der Herstellung am einfachsten und am billigsten. Entweder nimmt man Stoff (100% Baumwolle ist am besten + billigsten!) oder wieder einfach ein Bettlaken. Die Schriftzüge bringt man entweder mit Farbe & Pinsel oder mit Sprühfarbe (z.B. Autolack) auf. Wenn ihr schwere Motive oder geile Logos auf das Transpi bringen wollt, benutzt einen Overhead-Projektor! (fragt in der Schule nach, bei einem Verein etc...).

Kleinere Transparente (Bettlaken…) benötigen noch keine Haltegriffe zur Stabilisierung. Bei größeren Transparenten lohnt es sich aber, „Luftlöcher“ reinzuschneiden (sonst können größere Transpis bei starkem Wind sogar untragbar werden!!!). Zum Halten empfiehlt es sich, zumindest an den Ecken Holzstangen als Haltegriffe zu befestigen (Schlaufen ins Transparent einnähen etc.). Diese können im Ernstfall auch etwas passiven Schutz vor Polizeiknüppeln bieten.

Kleiner Tipp für stabilere Transparente: als Material muss ja nicht immer Stoff dienen, seit da einfach kreativ & einfallsreich (z.B. alte LKW-Planen, Werbetransparente…)

2.) Bundeswehrveranstaltung durch Wehrbischof gesprengt
Schwarze Katze Interview mit der FAU Bielefeld, 26.03.08

Fotos und Interview: Schwarze Katze, März 08

Schwarze Katze: Heute Abend gehts um die FAU Bielefeld. Ich spreche jetzt mit einem FAUista.

FAU Bielefeld: Hallo.

Schwarze Katze: Was hat die FAU Bielefeld in der letzten Zeit so alles gemacht?

FAU Bielefeld: Die FAU Bielefeld ist zunächst einmal eine der Ortsgruppen der Freien ArbeiterInnen Union, die bundesweit in 30 Ortgruppen bzw. Syndikaten organsiert ist. Die Bielefelder Gruppe ist mittlerweile eine der älteren Ortsgruppen und besteht schon seit ca. 15 Jahren. Und was treibt die FAU Bielefeld vor Ort? Wir sind eine Gruppierung, die mit Veranstaltungen, kleineren Aktionen, Demos und Publikationen, Kultur und Praxis des Anarchosyndikalismus vor Ort propagiert.

Schwarze Katze: In letzter Zeit wurden einige Filme gezeigt. Was für welche?

FAU Bielefeld: Filme der unterschiedlichsten Art, also z.B. über das Living Theatre, eines der ältesten und renomiertesten Strassentheatergruppen. Filme über die Spanische Revolution, einen Klassiker, Pueblos en Armas, über Chiapas und Durruti.

Schwarze Katze: Was ist für den 1. Mai 2008 geplant?

FAU Bielefeld: Wir wollen uns hier vor Ort als Gruppe präsentieren, das ist schon seit längerer Zeit nicht mehr geschehen, außer auf der Ebene von Filmen, Konzerten und ähnlichem. Zu diesem traditionreichem Datum des 1. Mai wollten wir eine eigene Veranstaltung abseits der klassischen Aktionen machen und selbst in Aktion treten. Auf der einen Seite im AJZ einen Film zeigen, auf der anderen Seite etwas Musik spielen lassen, sowie libertäres Essen. So ein runder kulturell politischer Tag.

Schwarze Katze: Ich habe noch zwei Fragen, was ist libertäres Essen und was ist das AJZ?

FAU Bielefeld: Das AJZ ist das Bielefelder Arbeiter- und Jugendzentrum, eines der übriggeblieben selbstverwalten Jugendzentren der 70er Jahre. Übriggeblieben heißt in der Form unabhängig von staatlichen und kommunalen Mitteln. Und zweitens, dass es sich immer noch selber verwaltet, das heißt Entscheidungen werden immer noch auf der Hausversammlung getroffen und damit de facto von allen denjenigen, die im AJZ enagiert sind. Libertäres Essen ist das, was Libertäre kochen und es sollte möglichst gut schmecken. Weil wie heißt es so schön? Anarchie und Luxus. Also nicht nur Erbsensuppe, sondern wenn schon, denn schon - aus allem was die Gastronomie zu bieten hat.

Schwarze Katze: Im Rahmen der Aktion "Bundeswehr wegtreten" fand eine von der FAU Bielefeld mit unterstützte Aktion in der lokalen Arbeitslosenagentur statt.

FAU Bielefeld: Ja, das ist richtig. Es ging um die zunehmende Präsens der Bundeswehr im Alltag, aber auch in den Arbeitsämtern. Wo sie Werbung machen für die Bundeswehr als Berufsperspektive, um diese vor allem arbeitslosen Jugendlichen schmackhaft zu machen. Dagegen hatte sich diese Aktion gerichtet. So eine Art Theater, unsichtbar kann man es nicht nennen. Eine Art Happening. Eine Aktion, wo ein Bundeswehrwerber aufgetreten ist, wurde gesprengt und was anderes draus gemacht. Das war eine antimilitaristische Aktion mit Zwischenfragen aus dem Publikum, Auftritt eines Wehrbischofs mit Gesängen und Slogans.

Schwarze Katze: Und wie war dabei die Reaktion der versammelten Arbeitslosen?

FAU Bielefeld: Das Witzige ist, dass kaum Arbeitslose da waren, weil die kein Interesse hatten sich von der Bundeswehr werben zu lassen. Die Mitarbeiter des Arbeitsamtes waren so konsterniert, daß sie gar nicht mehr auf die Idee kamen, die Polizei zu rufen. Diese kam erst eine halbe Stunde, nachdem die Aktion vorbei war. Es war etwas lustiges und gelungenes. Man sollte dies nicht zu hoch oder zu niedrig hängen. Ich denke mal, daß diese Gefahr, auf die es aufmerksam gemacht hat, weiterhin besteht und man begrenzte Mittel hat, um gegen diese vorzugehen. Es war also ein punktueller Nadelstich, aber als solcher im Rahmen unserer Möglichkeiten überaus gelungen.

Schwarze Katze: Die Schwarze Katze hat sich intensiv mit dem Thema Sozialabbau beschäftigt und dazu auch Aktionen gemacht. Deshalb interessiert uns auch eure Beteiligung an der Aktion Agenturschluss.

FAU Bielefeld: Die Aktion Agenturschluss war eine bundesweite Aktion gegen die Einführung der Hartz IV Gesetze, die an dem ersten Tag der Geltung dieser durchgeführt worden ist. Also Anfang Januar 2005 in den Arbeitsämtern. Da haben wir uns im Bielefelder Arbeitsamt mit einer geplanten Blockade beteiligt, die dann aber nicht von uns, sondern vom Arbeitsamt selber zustande gekommen ist, da dieses nämlich den Zugang für die gesamte Dauer der Aktion gesperrt hat. Und wir waren sowohl drinnen und draußen. Zu einer Blockade unsererseits kam es erst als wir von der Polizei rausgeschmissen wurden.

Schwarze Katze: Drinnen und draußen eine Bewegung.

FAU Bielefeld: Wenn man so möchte (lacht). Noch was zu dieser Aktion, welche die Bundeswehr-Veranstaltung gesprengt hat: Dieser Werber dachte ja wir wären die Arbeitslosen, wir wären mit etwa 20 Leuten in 3-4 Stuhlreihen so zahlreich erschienen. 4-5 sind aufgestanden und haben ein absurdes Theater aufgeführt, diese wurden daraufhin des Raumes verwiesen. Der Werber meinte dann "Dann können wir jetzt anfangen". Da stand die nächste Reihe auf und machte die nächste Aktion. Nach der dritten Reihe war er konsterniert und brach ohne die Waffe zu ziehen die Veranstaltung ab.

Schwarze Katze: Was hatte der Wehrbischof denn für eine Aufgabe?

FAU Bielefeld: Er soll schonmal vorab die Gefallenen segnen.

Schwarze Katze: Also mit anderen Worten ist da auch noch ein religionskritischer Aspekt mit eingebaut worden.

FAU Bielefeld: Ja und auch ein Hartz-kritischer. Hartz ist ja auch schon fast wie eine Religion. Denn natürlich spricht die Bundeswehr mit solchen Kampagnen gerade die Hartz IV Empfänger an und verspricht ihnen die Aussicht auf eine beruflichen Erfolg. Ein Wehrbischof kann da schon etwas gegenhalten, nämlich das hier kein normaler Beruf ausgeführt wird, sondern in erster Linie gemordet wird und große Gefahr besteht, daß man selber umkommt. Und das wäre dann eine kurze, sehr erfolgreiche Berufslaufbahn für einen Hartz IV Empfänger.

3.) Friedhofslesung am Grab von Erich Mühsam
Schwarze Katze Interview mit Blackbox, 26.03.08

Fotos und Interview: Schwarze Katze, März 08

Schwarze Katze: Ich spreche jetzt mit Michael Halfbrodt und Ralf Burnicki. Ihr beteiligt euch ja beide am Projekt Blackbox. Was ist das?

Blackbox: Blackbox ist ein Literaturprojekt mit dem Ziel libertäre Literatur herauszubringen. Früher haben wir das als Edition Blackbox betrieben - so kleine Broschüren herausgebracht. Andererseits sind wir ein Autorenprojekt mit gemeinsamen Lesungen. Und uns gibt es seit 1994 in Bielefeld. Wir haben eine Zeitlang an der libertären Literaturbewegung Fraktal teilgenommen, machen anarchistische Literatur und Poesie oder was Michael angeht Übersetzungen oder anarchistische Lyrik.

Schwarze Katze: Wie kann ich mir so eine klassische Blackbox-Lesung vorstellen?

Blackbox: Im Grunde nicht viel anders als andere Lesungen auch. Das heisst es sind Individuen an einem hervorgehobenen Platz, vorzugsweise an einem Tisch mit oder ohne Mikrofon, mit oder ohne Beleuchtung, normalerweise mit Manuskript oder ähnlichem. Und die geben irgendwelche Lautäusserungen von sich. Es gibt ein mehr oder weniger interessiertes Publikum, das dem mit mehr oder weniger grosser Begeisterung folgt.

Schwarze Katze: Und die dann mehr oder weniger häufig eure Bücher kaufen, oder?

Blackbox: Wenn's mehr wären, wär's schön, aber es hält sich noch in Grenzen. Muss man fairerweise dazusagen.

Schwarze Katze: Also es ist leicht ausbaufähig?

Blackbox: Es ist ausbaufähig. Es ist nach oben quasi grenzenlos. Ich hätte nichts dagegen, wenn Bücher von uns auch beim Aldi oder sonstwo verkauft würden. Oder an einer Tankstelle oder beim Bahnhofskiosk.

Schwarze Katze: Es gab aber nicht nur klassisch-spiessige Lesungen, sondern auch etwas besonderes wie Friedhofslesungen.

Blackbox: Naja, spiessige Lesungen sind Blackbox-Lesungen wahrscheinlich nie so ganz - da wir in Jugendzentren, Autonomen Zentren und schon an ungewöhnlichen Orten lesen. Nur es ist tatsächlich schon so, dass auch bei Anarcho-Poetry Lesungen jemand vorne sitzt, jemand erzählt und die anderen hören zu. Was vielleicht anders ist, dass auch über die Texte diskutiert werden kann und das Publikum schnell eingreifen wird, kann und auch soll. Aber ansonsten haben wir auch andere Formen. Ich erinnere mich da an eine Lesung in Berlin auf dem Friedhof, wo Erich Mühsam begraben ist. Da fand einmal im Jahr eine Erich-Mühsam Lesung statt, die ging 24 Stunden. Da waren ich und andere Leute von Fraktal dabei, vom Netzwerk libertärer Autoren. Wir lasen da bis zum nächsten Morgen. Das Publikum lag schon zwischen den Gräbern am Schlafen und wir lasen am Grab von Erich Mühsam konstant unsere Texte. Und nicht nur wir, sondern aus der ganzen Bundesrepublik Autoren zu Ehren von Erich Mühsam. Ich erinnere mich an eine andere Lesung, organisiert vom Unrast-Verlag aus Münster. Da war eine Lesung, die mitten im Hauptportal auf einer Bühne im Hauptbahnhof Münster stattfand. Diese Lesung wurde damals von der Leitung des Bahnhofs abgebrochen unter Androhung von Polizeieinsatz, weil denen die Texte nicht gefielen. Das waren anarchistische und autonome Texte. Ausserdem lief parallel ein Video von den Chaostagen in Hannover. Das passte ganz gut zu den Texten. Von daher wurden wir geschasst und mussten den Bahnhof verlassen. Draussen stellten wir fest, dass eine ganze Reihe von Wannen dort aufgebaut war, also eine Hundertschaft Polizei. Wer hätte gedacht, dass anarchistische Poesie zu solchen Wirkungen imstande ist.

Schwarze Katze: Dieter Kunzelmann sollte einmal auch auftreten...

Blackbox: Bei der Friedhofslesung sollte er zu Mitternacht direkt am Grab von Erich Mühsam auftreten. Was mir bis zu dem Zeitpunkt nicht aufgefallen war, dass sich Zivilpolizei an allen Kreuzungspunkten, die die Grabanlage säumten, am Friedhof versammelt hat. Als Dieter Kunzelmann auftreten sollte - er wurde zu diesem Zeitpunkt von der Polizei gesucht - stürzten diese dann auf den Busch neben dem Kunzelmann dann stand. Aber er floh ganz schnell. Es stellte sich im Nachhinein heraus, das war ein Schauspieler aus Berlin, der nur Dieter Kunzelmann gespielt hatte. Für uns wurde in dem Moment - und das ist anarchistische Kunst - ein Theaterstück aufgeführt, dessen Protagonisten die Zivilpolisten waren, die in dem Moment glaubten, Dieter Kunzelmann verhaften zu können. Und wir konnten uns über die Polizei amüsieren.

Schwarze Katze: Blackbox publiziert im Verlag AV.

Blackbox: Ja, wir haben seit etlichen Jahren eine Kooperation mit dem Verlag Edition AV in Lich, vormals Frankfurt/Main. Wir haben mehrere Bücher in Kooperation mit dem Verlag AV herausgegeben und die älteren Titel der Edition Blackbox, die wir in der Anfangszeit gemacht haben, wurden von AV vertrieben.

Schwarze Katze: Im Verlag Edition AV ist das Buch "Gedächtnis der Besiegten" herausgekommen.

Blackbox: Ja, ein grosser Roman von Michel Ragon über die Geschichte des Anarchismus im 20. Jahrhundert - aufgezogen an der Lebensgeschichte einer bestimmten Person, die in Frankreich aufgewachsen ist. Anhand dieser Person erleben wir das 20. Jahrhundert aus libertärer Sicht, da sie am Spanischen Bürgerkrieg und an der Russischen Revolution teilnimmt, bis zum Mai 68 und so weiter.

Schwarze Katze: Wie findest du den Roman?

Blackbox: Ich finde den Klasse, ich hatte mal eine Rezi dazugeschrieben. Mich hat der Roman absolut begeistert, weil er uns so nah an an die revolutionären Ereignisse des 20. Jahrhunderts heranführt. Zum Beispiel an die Russische Revolution. Und auch an die Fehler, die man als AnarchistIn machen kann. Es ist ein durchaus interessantes und gewinnbringendes Stück Literatur. Was Michael übersetzt hat, er hat dafür übrigens vom Deutschen Übersetzerfonds eine Auszeichnung bekommen. Weil es nunmal von der Übersetzung aus dem Französischischen ins Deutsche auch ein hervorragendes Stück war. Diese Übersetzung gab es früher noch nicht.

Schwarze Katze: Was sind für anarchistische Fehler gemeint?

Blackbox: Das Buch stellt keine Glorifizierung das Anarchismus dar, sondern stellt auch fragwürdigen Aspekte und Fehler vor. Um nur eines zu nennen, was in dem Buch ein zentrales Thema darstellt, ist die lange unkritische Zeit der Anarchisten in Russland wie auch darüber hinaus, gegenüber der Russischen Revolution bzw. der bolschewistischen Politik. Man hat sich also viel zu lange der Hoffnung hingeben das es wirklich eine revolutionärer Prozess wäre, der entgegen der autoritären Politik der Bolschewiki zum Erfolg geführt werden könnte. So dass man viel zu lange mit den Bolschewiki zusammengearbeitet hat, obwohl deren Poltik fragwürdige und diktatorische Züge annahm, diese unterstützt oder sich mit Kritik zurückgehalten hat.

Schwarze Katze: Erzähl uns noch etwas über die Bücher, die ihr herausgegeben habt.

Blackbox: Bei denjenigen, die bei Edition AV erschienen sind, hat Michael Halfbrodt zum Beispiel den Gedichtband "Von diesem Brot esse ich nicht" von Benjamin Péret übersetzt. Das ist ein Gedichtband, der sehr heftige Schmähgedichte auf die Bourgeoisie und auf den Klerus in Frankreich enthält. Von Michael erschienen ist da auch "Drinnen und Draußen", ein Poem über die Frage, ob es Sinn macht, die politischen Begebenheiten zu ändern, indem man sich in die Instutionen wählen lässt, wie es die Grünen gemacht haben. Von uns gemeinsam ist der Band "Die Wirklichkeit zerreißen wie einen misslungen Schnapschuss" erschienen, ein Sampler von Anarcho-Poetry aus den 90er Jahren. Ich hab dann noch im Verlag AV die "Straßenreiniger von Teheran" herausgebracht, das ist ein Gedichtband über Reisetexte aus dem Iran, aus einer Zeit als der Irak-Krieg unmittelbar vor der Haustür stand und der Iran auf der sogenannten "Achse des Bösen" angesiedelt war. Ich wollte einfach Texte über die Bevölkerung "wie du und ich" schreiben von der anderen Seite der Propaganda - sowohl aus amerikanischer wie auch von iranischer Regierungsseite - und eben aufzeigen, das eine Bevölkerung nicht auf ihre Regierung reduzierbar ist. Und zuletzt ist dann "Zahnweiß. Kaufhaus Poetry" erschienen. Ein Gedichtband, der sich mit Konsum und Induvidualität auf poetische Weise auseinandersetzt.

Schwarze Katze: Da wäre es doch nett einen kleinen Auszug aus Zahnweiß zu hören.

Blackbox: Bei der Recherche zu diesem Prosa- bzw. Lyrik-Band bin ich durch Kaufhäuser gegangen und habe mal versucht herauszufinden, wie das Verhältniss von Konsum, Individualität und Kapitalismus sich verhält. Das Ergebniss dieser Recherche ist schon klar - das Konsum und Kapitalimus auf Kosten der Individualität gehen. Schnack und Gesterkamp, das heißt "Hauptsache Arbeit" und ich zitiere daraus:

"Die Konsumgesellschaft, die zur Erlebnisgesellschaft geworden ist, verabreicht ihren vernügungshungrigen Mitgliedern immer stärkere Dosen. Mitten im Überfluss entsteht so aufs neue das Gefühl von Knappheit. Die meisten Menschen reagieren darauf mit Hilfe der Ideologie, die sie im Laufe deer letzten 150 Jahre tief verinnerlicht haben: Arbeit, Arbeit, Arbeit."

Und solche Herschaftsverhältnisse auf sprachlicher Ebene anzugehen ist für mich der Sinn von Anarcho Poetry. Ich lese aus Kaufkraft, ein Text in Zahnweiß:

"All diese vorhersagbaren tickenden Städte mit ihren ampelgetackteten Idee, gelichteten Straßengeheimnissen und aufgemotzten Lebensläufen bei abgenutztem Reifenprofilm tickende Einkaufspassagen, von der aufpolierten Karosserie der Altstädte mit Tuningsatz aus Kaufhausfassaden und Sparkassen bis zum nördlichen tiefergelegten Superdiscount. Check in, ein Kolbenhub vom Bankautomaten zum Maxistore, Scheck out. Non stop eingeschwenkt zwischen Geldkarte und Sonderangebot, tickende Blicke, startende Motoren.

Kaufen. Kaufen. Von Berlin, Frankfurt bis New York gehorter Dumpingpreis, steigen die Tachometer schaufensterweise auf Lohnkilling von Casablanca bis Taiwan, bis zum Anschlag durchgetreten das Gaspedal, immer Stoff geben im digitalen Bilderablauf, gestochen scharf die Bilder, Drehzahlmesser, die Armaturen westlicher Metropolen aus Mengenrabatt und Lifestyle-Idyll, Sonderaustattung oder Kunstenstoff-Classic, Sichtweisen wie Serienmodelle, gezeugt aus der Paarung von Neonlicht und verkaufsoffenem Samstag. Die Abende, vormals eine Perfomance des Sommers, sind wie aus Automagazinen geschnitten.

Kurzum: die Städte finden in Kaufhäusern statt, wo die Freiheit als Plastikbeutel zu haben ist und sich die Aufreißwaren ansammeln im Kopf, in einem Hohlraum für kleinlaute Erwartungen. Der allwöchentliche Starterkit eiliger Erfahrungen. Ja Drehzahlen. Drehzahlen! Die Tachometer zeugen von Hoffnung auf Sehnsucht auf Kaufsucht. Kaufen ist zahlen. Zahlen ist Showtime. Die Werbung verwandelt sich im Kopf zur Begriffsleere, zur Inhaltslosigkeit bei Ereignisfülle und wiederkehrende Slogans, die große Sprachkippung.

Vielleicht also der Blick. Hier und dort ein Exemplar unverhoffter Begegnung und tatsächlich: Verlangsamung, innehalten, stillstehen, bisweilen ein diskreter Tausch von Zärtlichkeiten unter der Hand, & plötzlich scheint es, als zöge die Welt die Jacke aus, risse ihr T-Shirt herunter & stünde da mit einem leib aus wolkenfreien Himmel und ihrer alternden Haut aus Licht wie die trotzweise Leibhaftige. Kein Werbetrick, keine Verkehrsmeldung, sondern der Zufall des Augenblicks, das nackte JETZT in aller Öffentlichkeit. Ein heikler Fall, kleiner Planungsfehler im durschstartenden Kundenstrom. Doch der Alltag ist schon auf Posten, der den Umherstehenden sagt: Hier gibt es nichts zu kaufen, bitte weitergehen."

4.) Redebeitrag zum 1. Mai 2008
FAU Berlin, 01.05.08

Nach monatelanger Eiszeit sind die Straßen der Stadt endlich wieder belebt. Die Menschen sitzen an einem Sonntag im April, bei angenehmen 20 Grad im Freien und trinken Café. Relaxen in der warmen Sonne. Genießen die wiedergewonnene Freiheit. Zwischen den Gästen, im Café an der Straße, bewegt sich Steffi von einem Tisch zum nächsten, nimmt Bestellungen entgegen, räumt Tische ab, kassiert. Seit fünf Stunden macht sie dies nun schon. Rücken und Füße schmerzen. Lieber würde sie im Park liegen. Doch sie muss arbeiten. Ohne Lohn. Dies ist nun schon ihre sechste unbezahlte Probeschicht in den letzten Tagen. Die zweite in diesem Etablisement. Sie braucht diesen Job unbedingt, um das Geld für die Mai-Miete aufbringen zu können. Deshalb lässt sie sich ihre Müdigkeit nicht anmerken, arbeitet weiter bis die Schicht beendet ist und liefert ihr Trinkgeld beim Chef ab.

Es ist der erste Tag des neuen Semesters. Die Studierenden strömen in den völlig überfüllten Seminarraum. Agnes steht vor dem Overheadprojektor und teilt den Studierenden mit, welche Leistungsanforderungen der Professor festgelegt hat. Diese stöhnen. Die Stimmung ist gedrückt, denn viele wissen nicht wie sie die Aufgabe bewältigen sollen. Agnes rechtfertigt ihren Prof, dabei kann sie die Studierenden gut verstehen, denn auch sie weiß nicht, wie sie das Geld für sich und ihren 2 jährigen Sohn in den nächsten Monaten, neben dem Job in der Uni, aufbringen soll. Denn sie arbeitet ohne Lohn. Sie hofft im nächsten Semester einen bezahlten Lehrauftrag zu ergattern, wenn sie sich in diesem Semester bewährt.

Es ist 7 Uhr morgens. Paul steigt aus der U-Bahn aus, verlässt den Bahnhof und steuert das herrschaftliche Gebäude an, welches das berühmte Varieté-Theater der Stadt beherbergt. Seine Laune ist mies, es graut ihm vor dem Tag, den er nun mit seiner tyrannischen und inkompetenten Vorgesetzten verbringen muss. Seit 6 Monaten arbeitet er schon hier. Ohne Lohn. Als „Traumrolle hinter den Kulissen“ machte ihm sein Sachbearbeiter im Job-Center das Praktikum schmackhaft. Nun schuftet er jeden Tag hinter den Kulissen für die, die die vermeintlichen Traumrollen ausfüllen. Von der Perspektive einer festen Übernahme am Schauspielhaus, war schon seit seinem ersten Arbeitstag nicht mehr die Rede. „Er solle froh sein überhaupt Arbeit zu haben“, wurde ihm entgegengehalten. Davon kann allerdings keine Rede sein, denn Paul weiß nicht woher er das Geld nehmen soll, um seine Freundin in London besuchen zu können, wo er den Beruf den er nun unbezahlt ausübt gelernt hat. Er hat sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen.

Unbezahlte Lohnarbeit ist ein um sich greifendes Phänomen. In Zeiten in denen das Selbsbewußtsein der Lohnabhängigen gering ist, lassen sich Arbeitgeber immer perfidere Strategien einfallen um ArbeiterInnen gegeneinander auszuspielen. Sowieso schon extrem mies bezahlte Jobs in der Gastronomiebranche, werden in Spitzenzeiten durch unbezahlte Probeschichtler ergänzt, welche von vorne herein keine Chance auf eine feste Anstellung haben. Universitäten beuten Studierende aus, die sich Hoffnungen auf eine akademische Karriere machen, in dem sie ihre knappen Kassen entlasten und unbezahlte Lehraufträge zur Normalität werden lassen. Gleichzeitig beuten Kultureinrichtungen junge qualifizierte Arbeitslose als PraktikantInnen aus, während immer mehr Festangestellte entlassen werden. Aufgezeigt werden könnte auch, wie immer mehr Job im sozialen Bereich durch ehrenamtliche Stellen ersetzt werden oder wie die Wirtschaft zunehmend auf die Angst der ArbeiterInnen vor dem Verlust ihres Job´s setzt und sie immer mehr unvergütete Überstunden machen lässt. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Für diese Entwicklung sind wir alle verantwortlich. Denn es ist keine neue Erkenntnis, das es der einen Klasse daran gelegen ist möglichst viel Mehrwert aus der anderen herauszupressen. Und auch wenn die Grenzen zwischen diesen beiden Klassen heutzutage nicht mehr ganz so klar zu zeichnen sind wie in früheren Zeiten, so funktioniert das miese Spiel namens Kapitalismus nichts desto trotz immer noch nach den gleichen Regeln wie damals. Der Klassenkampf von oben wurde über all die Jahre weitergeführt, während sich große Teile der lohnabhängigen Bevölkerung von den marktradikalen Parolen haben einschläfern lassen. Wenn wir unsere eigenen Interessen wieder wahrnehmen, uns organisieren, die Strategien den heutigen Verhältnissen anpassen und Klassenkämpfe entwickeln, kann es uns gelingen die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen. Wenn es Steffi, Agnes und Paul schaffen mit unserer Hilfe ihren Chefs den Fuck-Finger zu zeigen, können wir dies als Grundlage nehmen, um uns das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wieder anzueignen und gemeinsam weitergehende Perspektiven zu entwickeln. Der Kampf für Freiheit UND Gleichheit beginnt in unserem Alltag! Lasst uns den Fehdehandschuh endlich wieder aufnehmen!

5.) Das Gedicht vom dummen Christen
Sticky, März 08

Als Christenmensch bin ich geboren,
und ich fühl´ mich auserkoren
diese Welt hier zu erlösen,
von dem ganzen Übel, Bösen.

Den Jesus habe ich als Herrn,
denn er hat die Menschen gern.
Er beschützt uns vor den Sünden,
tut frohe Botschaft uns verkünden.

Widerwärtig sind mir Ketzer,
Heuchler, Frevler, Messerwetzer,
die das Wort nicht angenommen
von dem Herrn, wie sie´s bekommen.

Kluge Menschen braucht man nicht,
denn der Christus ist das Licht,
welches unser Geist erhellt,
und er uns leitet, wie`s ihm gefällt.

Die Wissenschaft, so wie man weiß,
hat mit ihrem großen Fleiß
versucht, die Welt uns zu erklären
und unser Wissen zu vermehren.

Die Kunst, mit der man uns beglückt,
mal verspielt, mal ganz verrückt,
zeigt auf, was Menschen alles können.
Muß ich es ihnen doch vergönnen,
da alles ist wider den Herrn,
denn der hat so was gar nicht gern.
Zur Hölle mit dem ganzen Dreck.
Herr Jesu ist mein Lebensweg.

Die Zeit ist nun mit großen Schritten
flugs an mir vorbeigeritten.
Der Fortschritt hat mich übermannt,
als ich dem Jesus nachgerannt.

Alt und morsch sind meine Knochen.
Und was der Herr mir hat versprochen,
war doch letztlich nur ein Traum.
Das weiß ich nun; man glaubt es kaum!

Die Weisheit bleibt mir nun entsagt,
da ich hab niemals hinterfragt,
was des Lebens tiefer Sinn;
ob ich von Gott, ob Zufall bin?

Im Glauben verbrachte ich mein Leben,
statt mich dem Denken hinzugeben.
Nun sitz ich hier, ich armer Tropf,
hab´ außer Christus nichts im Kopf.