Schwarze Katze Rundbrief 08.03.05
Wirklichkeit wächst aus Verwirklichung (Erich Mühsam)

1.) Warum darf ich keinen Kanadier besitzen?
2.) Gestern in Mainz
3.) Wir möchten Frieden mit den Tieren schaffen
4.) Deswegen ist Atomkraft abzulehnen
5.) Wichtig ist die politische Umkehr
6.) Etwas Besseres als Staat und Kapital
7.) Überwachungsstaat BRD
8.) 8 Regeln für den Überlebenskampf
9.) Tipps für Arbeitslose
10.) Arbeitslose und Hausbesetzer gemeinsam?

1.) Warum darf ich keinen Kanadier besitzen?
interessante Fragen für gläubige Christen

Da es immer mal wieder bibeltreue Christen gibt, die meinen, die Schwarze Katze missionieren zu müssen, dokumentieren wir mit diesem offenen Brief, dass wir uns durchaus mit den auch für die heutige Zeit wichtigen christlichen Fragestellungen auseinandersetzen. Hintergrund des offenen Briefes: Laura Schlessinger ist eine US-Radio-Moderatorin, die Leuten, die in ihrer Show anrufen, Ratschläge erteilt. Ein Ratschlag war, dass Homosexualität unter keinen Umständen befürwortet werden kann, da diese nach Leviticus 18:22 ein Gräuel wäre. Der folgende Text ist ein offener Brief eines US-Bürgers an Dr. Laura:



Liebe Dr. Laura!

Vielen Dank, daß Sie sich so aufopfernd bemühen, den Menschen die Gesetze Gottes näher zu bringen. Ich habe einiges durch Ihre Sendung gelernt und versuche das Wissen mit so vielen anderen wie nur möglich zu teilen. Wenn etwa jemand versucht seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, erinnere ich ihn einfach an das Buch Mose 3, Leviticus 18:22, wo klargestellt wird, daß es sich dabei um ein Gräuel handelt. Ende der Debatte.

Ich benötige allerdings ein paar Ratschläge von Ihnen im Hinblick auf einige der speziellen Gesetze und wie sie zu befolgen sind,

a.) Wenn ich am Altar einen Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, daß dies für den Herrn einen lieblichen Geruch erzeugt (Lev. 1:9). Das Problem sind meine Nachbarn. Sie behaupten, der Geruch sei nicht lieblich für sie. Soll ich sie niederstrecken?

b.) Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?

c.) Ich weiß, daß ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich im Zustand ihrer menstrualen Unreinheit befindet (Lev. 15:19-24). Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich hab versucht zu fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert.

d.) Lev. 25:44 stellt fest, daß ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner Freunde meint, daß würde auf Mexikaner zutreffen, aber nicht auf Kanadier. Können Sie das klären? Warum darf ich keine Kanadier besitzen?

e.) Ich habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35:2 stellt deutlich fest, daß er getötet werden muß. Allerdings: bin ich moralisch verpflichtet ihn eigenhändig zu töten?

f.) Ein Freund von mir meint, obwohl das Essen von Schalentieren, wie Muscheln oder Hummer, ein Gräuel darstellt (Lev. 11:10), sei es ein geringeres Gräuel als Homosexualität. Ich stimme dem nicht zu. Könnten Sie das klarstellen?

g.) In Lev. 21:20 wird dargelegt, daß ich mich dem Altar Gottes nicht nähern darf, wenn meine Augen von einer Krankheit befallen sind. Ich muß zugeben, daß ich Lesebrillen trage. Muß meine Sehkraft perfekt sein oder gibt´s hier ein wenig Spielraum?

h.) Die meisten meiner männlichen Freunde lassen sich ihre Haupt- und Barthaare schneiden, inklusive der Haare ihrer Schläfen, obwohl das eindeutig durch Lev. 19:27 verboten wird. Wie sollen sie sterben?

i.) Ich weiß aus Lev. 11:16-8, daß das Berühren der Haut eines toten Schweines mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Handschuhe anziehe?

j.) Mein Onkel hat einen Bauernhof. Er verstößt gegen Lev. 19:19 weil er zwei verschiedene Saaten auf ein und demselben Feld anpflanzt. Darüber hinaus trägt seine Frau Kleider, die aus zwei verschiedenen Stoffen gemacht sind (Baumwolle/Polyester). Er flucht und lästert außerdem recht oft. Ist es wirklich notwendig, daß wir den ganzen Aufwand betreiben, das komplette Dorf zusammenzuholen, um sie zu steinigen (Lev. 24:10-16)? Genügt es nicht, wenn wir sie in einer kleinen, familiären Zeremonie verbrennen, wie man es ja auch mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen? (Lev. 20:14)

Ich weiß, daß Sie sich mit diesen Dingen ausführlich beschäftigt haben, daher bin ich auch zuversichtlich, daß Sie uns behilflich sein können.

Und vielen Dank nochmals dafür, daß Sie uns daran erinnern, daß Gottes Wort ewig und unabänderlich ist.

Ihr ergebener Jünger und bewundernder Fan Jake


2.) Gestern in Mainz
Axel Köhler-Schnura zum Bush-Besuch

Es war ein skurriles Erlebnis. Erschreckend, beängstigend, ermutigend.

Eine tote Grossstadt. Die Aussenbezirke tot, Busse und Strassenbahnen fast leer. In der quadratkilometergrossen City an einem normalen Arbeitstag ausser aber- und abertausenden von PolizistInnen kaum Menschen. Immer wieder Radpanzer, Wasserwerfer, Polizeifahrzeuge. Aus ganz Deutschland wurden Polizeikräfte zusammengezogen, von Garmisch bis nach Hamburg. Es sollen 17.000 und mehr gewesen sein. Überall geschlossene Fenster und Türen. Die allermeisten Geschäfte geschlossen. Nur einige wenige (aber immerhin!!!) Proteste in Fenstern, Schaufenstern und Türen. Ketten von Polizeiposten entlag ganzer Strassenzüge, Sperrgitter, PolizistInnen auf Schritt und Tritt. Das Rätsel: Wo waren die Mainzer?

Die Stadt incl. Frankfurter Flughafen, Eisenbahnstrecken, Autobahnen, Landstrassen und Feldwegen auf 100 Quadratkilometer ab 7 Uhr morgens hermetisch abgeriegelt. Im Fernsehen wird in der Nacht von Fällen berichtet, in denen nicht einmal Kranke ins Krankenhaus gebracht werden konnten Dennoch sickern seit dem Vortag, die ganze Nacht und auch den ganzen Vormittag des 23.02. hindurch DemonstrantInnen in die Stadt. Sie schlendern einzeln oder in kleinen Gruppen durch die leeren Strassen. Sie werden immer wieder kontrolliert oder gar direkt von einem Pulk PolizistInnen begleitet. Ca. 10.30 Uhr rollt der Präsident heran. Aus einer Entfernung von ca. 500 Metern kann mensch am Rheinufer die Brücke sehen, über die er fahren wird. In der Luft 5 Hubschrauber, darunter mind. ein Kampfhubschrauber. Im Wasser drei Polizei- und zwei Kampfboote. Und da geschieht es. Ein klitzekleiner Kahn taucht quasi aus dem Nichts auf, ein Protesttransparent an der Seite.

Die gesamte Armada nimmt sofort die Verfolgung auf. Insbesondere die beiden schnellen Kampfboote wollen den Kahn rammen und versenken. Da er klein ist, ist er wendiger, doch nach ein paar Minuten ist es vorbei. So gegen 12 Uhr sind etwa zehntausen DemonstrantInnen in der Stadt. Greenpeace entfaltet vom Dach des Hauptbahnhofs ein riesiges Protesttransaperent. Die Polizei stürmt das Dach. Nach wenigen Minuten das Transparent eingeholt.

Ca. 13.30 Uhr beginnt die Demonstration. Ein Lautsprecherwagen der Polizei wünscht "Ihrer Demonstration einen guten Verlauf". Ein Flugblatt der Polizei hält Demonstrieren für "eines der bedeutendsten Grundrechte unserer Demokratie" und schreibt: "Ihrer Polizei ist es ein besonderes Anliegen, sowohl Sie als auch die Gäste des Staatsbesuchs vor Gewalt und Unfriedlichkeit zu schützen." 15 bis 20.000 DemonstrantInnen sind es jetzt. Begleitet links und rechts von Polizeiketten. Sehr bunt, sehr jung, sehr laut, sehr politisch, sehr einfallsreich, sehr friedlich. Es geht durch die City, durch menschenleere Strassen.

Nur wenige Mainzer hinter geschlossen Fensterscheiben. Doch immer wieder ein geöffnetes Fenster mit roter Fahne oder Protesttransparent. Im Zug erkennbar Grüne, PDS, BUND, JungsozialistInnen, Attac, Falken, Antifa, DKP, Greenpeace, SAV, Kinderschutzbund, Linksruck und viele andere Gruppen und Grüppchen. Aus ganz Deutschland. Aus dem Inland und dem Ausland. Aus Europa und auch aus anderen Kontinenten. Auch aus den USA! IranerInnen protestieren gegen den drohenden Krieg gegen den Iran. Und: Wenn ich nicht eine Fahne übersehen habe, ganze drei Gewerkschaftsfahnen waren dabei. Die Präsidentengattin trifft bei Ihrem Museumsbesuch - natürlich in einiger Ferne und gut abgeriegelt hinter Polizei und drei Zonen Sicherheitsgittern - auf die Demo und wird lautstark ausgepfiffen. Auch beim Mittagessen mit dem Präsidenten im Schloss-Saal sind die Pfiffe der Demo zu hören (wie im Fernsehen dokumentiert war). Bei der Abfahrt des Präsidenten nochmals eine Aktion, der Versuch einer Blockade, die ebenfalls in Minuten gewaltsam von der Polizei beendet wird.

Die Arbeitgeber verkünden, dass Zuspätkommen selbstverständlich geahndet werde. Die Polizei verkündet, das Risko liege bei den "Arbeitnehmern", schliesslich müssten sie auch bei Blitzeis dafür sorgen, dass sie pünktlich zur Arbeit erscheinen. Opel verordnet der Belegschaft einen Zwangsruhetag, der kollektiv am Samstag nachgearbeitet werden muss. Und die Gewerkschaft? Bsirske bei Tisch mit Kanzler und Präsident. Der DGB Mainz hat ein Schild an der Türe: Am 23.02. geschlossen. Kein organisierter Protest gegen Kriegsherren und Folterer, keine Solidarität, keine Verpflegungspakete für DemonstrantInnen. Da ging mancher Ladenbesitzer in Mainz weiter, der Protest ins Fenster hängte. Und vor allem: Keine Proteste der Gewerkschaften gegen die Willkür-Massnahmen gegen Zehntausende ArbeiterInnen und Angestellte.

Für die Wirtschaft ein Hundertmillionenverlust. Für uns SteuerzahlerInnen ebenfalls. Der Besuch nebst Polizei-Einsatz kostet. Lufthansa klagt wegen Dutzender zwangsgestrichener Flüge.

In der Presse war einige Tage vor Mainz zu lesen: Um Strategien gegen zu befürchtenden Aufruhr wegen sozialer Verelendung zu entwickeln, tagten die Geheimdienste, die Bundeswehr und die Polizei. Mainz war ein Vorgeschmack. Mainz war eine Bürgerkriegsübung.

Und dennoch: 15 bis 20.000 DemonstrantInnen waren da! Die Polizeipropaganda spricht von 7.000.


3.) Wir möchten Frieden mit den Tieren schaffen
Schwarze Katze Interview mit den ratten

Schwarze Katze: Ich spreche jetzt mit einer Aktivistin von den ratten. Hallo!

die ratten: Hallo!

FriedenstaubeSchwarze Katze: Ihr beteiligt euch mit einem Infostand am Iserlohner Friedensfest. Warum seid ihr gekommen?

die ratten: Wir sind gekommen weil wir den Tierrechtsgedanken unter die Bevölkerung bringen möchten und dazu jede Gelegenheit wahrnehmen. Wir möchten Frieden mit den Tieren schaffen und da ist ein Friedensfest das richtige Forum dafür.

Schwarze Katze: Das heisst also auch, dass du Zusammenhänge zwischen der Tierrechtsbewegung und der Friedensbewegung siehst?

die ratten: Auf jeden Fall. Viele von unserer Gruppe kommen ursprünglich aus der Friedensbewegung. Wir haben früher bei amnesty mitgearbeitet und haben aber irgendwann erkannt, das sich für Tierrechte noch weniger Menschen einsetzen als für Menschenrechte und haben deswegen unsere Aktivitäten mehr auf das Tierrecht verlagert.

Schwarze Katze: Die Ratten haben ja auch eine interessante Organisationsstruktur, es gibt keine richtigen Mitglieder. Wie sieht das denn so organisatorisch aus?

die ratten: Organisation gleich Null im Grunde genommen, alles passiert auf freiwilliger Basis. Wir sind kein Verein, sondern einfach eine Gruppe von Menschen, die sich halt gefunden haben um für Tiere zu kämpfen, zu arbeiten, wie auch immer man das jetzt nennen will. Alles wird abgestimmt und wir haben das Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn jemand sagt: "Ich möchte gerne Infostände machen.", dann muss diese Person dafür werben, andere Personen zu finden, die mit ihr Infostände durchführen. Niemand ordnet jetzt an und sagt: "Du und Du machst jetzt da und da das und das!", so was gibt es bei uns nicht.

Schwarze Katze: Das hört sich im positiven Sinne ziemlich anarchistisch an, oder?

die ratten: Wie hört sich das an?

Schwarze Katze: Im positiven Sinne ziemlich anarchistisch.

die ratten: Ja, im positiven Sinne. Genau!

Schwarze Katze: Was machen die ratten konkret?

die ratten: Wir führen Infostände und Demos durch. Zum Beispiel einmal im Jahr die Pottdemo, die zieht von einer Stadt zur nächsten im Ruhrgebiet, dem sogenannten Ruhrpott. Dann jedes Jahr eine Anti-Pelz/Anti-Lederdemo und mehrere kleinere noch. Dann schicken wir die rattenpost an Menschen und an Gruppen und Vereine, die sich für Tierrechte einsetzen. In der rattenpost sind Termine über Demos und Seminare enthalten, über Aktionen in Richtung Tierrecht, aber auch Menschenrecht.

Schwarze Katze: Was ist denn der Unterschied zwischen Tierrecht und Tierschutz?

die ratten: Tierschutz kümmert sich meist aktiv um Tiere. Um Tiere, die draussen leben, dass die gefüttert, kastriert und ärztlich versorgt werden. Und TierrechtlerInnen, die kämpfen dafür, das Tiere ein Recht bekommen. Denn wenn Tiere Rechte haben, dann ist Tierschutz überflüssig.

Schwarze Katze: Ihr kümmert euch um das Gänsereiten. Was hat es damit auf sich?

die ratten: Das Gänsereiten findet immer am Rosenmontag in Wattenscheid-Höntrop statt. Das ist eine 400 Jahre alte Tradition, ursprünglich von spanischen Soldaten hier eingeführt. Und zwar wird dann eine bereits tote Gans an ein Seil aufgehängt, und die Gänsereiter reiten auf Pferden unter diesem Seil her und versuchen dann der toten Ganz den Hals, also den Kopf abzureissen. Und wir finden, da fängt die Verrohung an und dass sich keiner mehr darüber Gedanken macht, dass das mal ein fühlendes Lebewesen war. Da wird sich einfach ein Spass draus gemacht, aus dem Lebewesen. Da gehen wir gegen an.

Schwarze Katze: Einige Nazis sind auch immer dabei.

die ratten: Weil es eben heisst das wäre Tradition. Dabei kommt diese Tradition von spanischen Soldaten, ist also keine deutsche Tradition. Und ich denke mir: Was war alles schon Tradition und ist mittlerweile abgeschafft worden? Also könnte man auch diese Tradition abschaffen oder umwandeln. Sie können ja andere Geschicklichkeitsspiele machen. Aber nicht, dass wir ein Lebewesen töten, um Spass daran zu haben.


4.) Deswegen ist Atomkraft auf diesem Planeten abzulehnen
Schwarze Katze Interview mit einem Naturwarenhändler

Schwarze Katze: Ich spreche jetzt mit einem Naturwarenhändler aus dem Sauerland. Was sagen Ihre Kunden, die ja vor allem aus gesundheitlichen Gründen bei Ihnen einkaufen, zum Jahrestag von Tschernobyl?

Naturwarenhändler: Die Atomkraft wird von meinen Kunden grösstenteils abgelehnt. Folgeschäden sprich Krebs und Genveränderungen sind sehr gravierend. Um möglichst gesund zu bleiben, muss man natürlich gegen Atomkraft sein.

Schwarze Katze: Was ist denn ihre persönliche Meinung zu Atomkraft?

Naturwarenhändler: Alleine die Endlagerung ist schon problematisch. Das bleibt ja ungefähr zwanzigtausend Jahre radioaktiv, das heisst nach zwanzigtausend Jahren ist immer noch die Hälfte des Atommülls, vorhanden. Das ist ein allzulanger Zeitraum, das lässt sich nicht überblicken und schon gar nicht nachfolgenden Generationen zumuten. Deswegen ist auf Atomkraft auf diesem Planeten abzulehnen.

Schwarze Katze: In unserer Gesellschaft sind nun nicht alle Menschen Ihrer Ansicht. Können Sie sich vielleicht erklären, aus welchen Gründen es noch immer so viele Atomkraftbefürworter - vor allem in den Parlamenten - gibt?

Naturwarenhändler: Wahrscheinlich aus finanziellen Gründen, die kurzfristig Profit aus dieser Kernkraftgeschichte ziehen wollen. Die die Folgen der langfristigen Verseuchung und der Belastung der nachfolgenden Generationen nicht berücksichtigen. Es sind entweder verblendete Leute, die fehlinformiert sind, oder Leute, die einen direkten finanziellen Profit aus dieser Geschichte schlagen.

Schwarze Katze: Vielen Dank für dieses Gespräch.


5.) Wichtig ist die politische Umkehr
Schwarze Katze Interview mit einer Mutter vom Verein Eltern für unbelastete Nahrung

Schwarze Katze: Mittlerweile ist die Veranstaltung zum Jahrestag von Tschernobyl beendet und ich frage jetzt eine Mutter vom Verein Eltern für unbelastete Nahrung nach ihren Eindrücken.

Eltern für unbelastete Nahrung: Ja, mir hat die Veranstaltung gut gefallen. Wir haben uns gemeinsam an den Jahrestag von Tschernobyl und an die Folgen erinnert. Wir alle haben sie am eigenen Körper erlebt. Und es ist schon wichtig, sie sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, da wir jetzt doch irgendwie zum Alltag übergegangen sind. Die Radioaktivitiät, die auch wir hier erlebt haben. Wir haben belastete Milch getrunken, wir haben belastetes Gemüse gegessen.

Schwarze Katze: Wie sehen denn ihrer Meinung nach die praktischen Konsequenzen aus, also wie kann man sich vor so einer Atomkatastrophe schützen?

Eltern für unbelastete Nahrung: Ich denke persönlich kann man sich überhaupt nicht davor schützen. Man kann nur versuchen, alles zu tun, damit es einen Ausstieg aus der Atomenergie und damit eine Energiewende gibt. Persönlich haben wir uns damals etwas schützen können, indem wir zum Beispiel auf frische Milch verzichtet haben, indem wir Lebensmittel auf Radioaktivität haben messen lassen. Wir haben zum Beispiel ganz lange auf Pilze und Haselnüsse verzichtet, die ganz hoch belastet waren. Wir haben keinen Tee aus der Türkei getrunken, der sehr belastet war. Aber das sind persönliche Schutzmassnahmen, die natürlich nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung, der das Bewusstsein hatte, durchführen konnte. Wichtig ist die politische Umkehr. Dass wir einem grossem Teil der Bevölkerung eben nicht die Probleme der Kernkraft aufbürden, sondern dass wir jetzt aussteigen und jetzt eine Energiewende durchführen.


6.) Etwas Besseres als Staat und Kapital findest du überall
Einladung für die Gründung einer ‚Libertäre Gruppe Düsseldorf'
Treffen am 13. März 2005 im "Cafe Modigliani"

Du bist zufrieden mit der Welt, so wie sie ist? Du nimmst sie so zumindest hin? Dann lies nicht weiter. Wir werden nicht zusammen kommen. Du siehst: Die eh schon durch Machtverhältnisse und Ungleichheit gekennzeichneten gesellschaftlichen Verhältnisse verschärfen sich derzeit. Die gegenwärtigen Machtverhältnisse steigern die Ausbeutung von Mensch und Natur. Die Herrschenden dieser Welt führen Krieg gegen uns. Die Einzelnen werden klein gemacht, entrechtet. Das ergibt immer mehr Überwachung, immer weniger persönliche Rechte, Verschlechterung der Lebensbedingungen. Kapital und Staat spielen sich die Bälle zu, wobei sich deutlich zeigt, dass der Staat auf der Seite der Reichen steht. Du meinst: Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Du willst gegen dieses System der Ungleichheit angehen. Bravo! Du bist noch nicht Opfer der weit verbreiteten Resignation, die den Profiteuren des Systems so sehr in den Kram passt.

Du siehst aber auch: Der angebliche "Sozialismus" hat die Änderung nicht erbracht, war letztendlich nur Staatskapitalismus. Die angeblich "alternativen" Parteien haben nichts Alternatives zu bieten. Sie passen sich den vorgegebenen Strukturen an. Die Herrschenden verbreiten die Propaganda, es gäbe keine Alternative, wollen uns ihre Gesetzmäßigkeiten als angeblich " notwendig" aufzwingen.

Nicht mehr so weiter - eine andere Philosophie
Wir meinen: Die Alternative besteht in einem freiheitlichen, einem libertären Sozialismus, welcher den Geist der Basisdemokratie und der Räte atmet. Solche Strukturen sollten wir entwickeln. Bestehende Kooperativen und Kollektive sind Inseln der Freiheit und Gleichheit, vermögen es aber nicht alleine, die herrschenden Machtverhältnisse zu gefährden. Die Lebens- und Kampfbedingungen der abhängig Beschäftigten, müssen vom sozialen Anarchismus durchdrungen werden, wenn wir grundlegende Veränderungen für die ganze Gesellschaft anstreben wollen. Die verschiedenen libertären Projekte lassen sich jedoch mit den selbstbestimmten Kämpfen der (noch) Abhängigen verbinden.

Die revolutionäre anarchistische Philosophie und Aktion haben die Befreiung des Individuums und die Gleichberechtigung der Menschheit als Ganzes zum Ziel. Diese Ziele sollten wir dann aber auch selbst in unseren Bewegungen umsetzen. Wir müssen praktische Formen der Zusammenarbeit entwickeln, in denen wir ohne Hierarchien und Macht auskommen. Wir brauchen zahlreiche Keimzellen der gleichberechtigten selbstbestimmten Kooperation.

Die Logik der Herrschaft und Ungleichheit steckt in allen Details dieser Gesellschaft. Die Ablehnung der bestehenden Kultur, welche Ausdruck der Werte der herrschenden Klasse ist, deren autoritärer und repressiver Strukturen, sollte in die Entwicklung freiheitlicher, anarchistischer Kulturformen münden. In einer solchen Alltags-Kultur sollten sich Formen und Inhalte entsprechen, so dass wir uns selbst verwirklichen können, aber auch andere Menschen angezogen werden, weil auch sie dort ihren Platz und ihre Bedürfnisbefriedigung finden.

Konkrete Angriffspunkte im System
Das Selektionssystem Schule fördert die Jugend der herrschenden Klasse, die Jugend der unteren gesellschaftlichen Klassen werden reif für hierarchische Produktionsabläufe gemacht. Über den Umweg von Familie und Schule umfängt die Gesellschaft das Individuum, um ihm das Prinzip des Gehorsams einzutrichtern. Das Ergebnis sind gut funktionierende Untertanen am Arbeitsplatz und beim Militär. Deshalb ist es mehr als notwendig, Initiativen des radikalen Kampfes und des Widerstandes gegen Funktion und Strukturen der Schule zu fördern und deren ideologische Inhalte zurückzuweisen.

Mit Ausnahme der Anarchosyndikalisten hat sich die sogenannte "Gewerkschaftsbewegung" in eine systemintegrierende, die kapitalistische Ausbeuterordnung stützende Struktur verwandelt. Dabei gibt es in verschiedenen Ländern verschiedene Modelle. In der BRD ist es ein kombiniertes Modell, das Teil des kapitalistischen Systems ist und politische Parteien unterstützt. Es ist das Modell der "Einheitsgewerkschaft", das Alternativen bekämpft. Auch andere, der angeblichen "Mitbestimmung" dienende "Gewerkschaftsverbände" geben wenig Handlungsmöglichkeiten, binden Engagement an herrschende Muster. Wir brauchen andere Formen des Widerstandes - die Selbstorganisation. Anarchosyndikalisten propagieren Direkte Aktion und Generalstreik. Jede direkte Aktion kann schon im Kleinen positive Veränderung erbringen, für den Generalstreik brauchen wir viele Entschlossene.

Frauenunterdrückung durchzieht diese Gesellschaft auf allen Gebieten. Libertärer Sozialismus muß dieses Problem vielfältig angehen, die Frauenfeindlichkeit des Systems herausstellen. Die strukturelle Benachteiligung der Frauen ist kein zweitrangiges Problem. Eine freiheitlich-egalitäre Gesellschaft kann nicht entstehen, wenn die systemüberwindenden Kräfte nicht alle Formen der Ungleichbehandlung und Unterdrückung berücksichtigen, bekämpfen und auch in den eigenen Reihen überwinden. Die Revolte der Frauen ist ein bedeutender Teil des libertären Protestpotentzials. Aber auch die Männer sind gefordert, die ihnen im Patriarchat zugewiesenen Rollen zu verweigern und Formen der Gleichberechtigung und Selbstentfaltung zu entwickeln, mit denen die herrschenden Muster überwunden werden können.

Undogmatisch, antiautoritär - revolutionär
Die Gründung einer libertären FdA-Gruppe im Raum Düsseldorf soll die anarchistische Bewegung stärken. Einmal mehr sollen Theorie und Praxis anarchistischer Zielsetzung zum Tragen kommen und im öffentlichen Raum zu wirken beginnen. All jene, deren Absicht es ist, sich im libertären Sinne zu organisieren, sind eingeladen, sich hier zu engagieren.

Internationale der Anarchistischen FöderationenSeit dem Jahr 2000 gibt es in Deutschland das Forum deutschsprachiger Anarchistinnen und Anarchisten ( FdA ). Zu seinen Zielen gehört es unter anderem, anarchistisches Leben zu ermöglichen. Deshalb tritt es für die Realisierung des libertären Sozialismus ein. Das FDA ist Teil, der in verschiedenen Ländern der Welt aktiven Internationale der Anarchistischen Föderationen (IFA - Internationale des Federations Anarchistes/IAF-International Anarchist Federations).

Sie wurde auf einem internationalen Kongress gegründet, der im August/September 1968 in Carrara/Italien stattfand. Die IAF-IFA versteht sich als Instrument der internationalen anarchistischen Bewegung zur Vorbereitung und Verwirklichung der sozialen Revolution. Ihre Prinzipien beruhen auf den Statuten, welche auf dem Kongress der Ersten Internationalen der Anarchisten 1872 in Saint-Imier/Schweiz beschlossen wurden.

Uns diesem Zusammenhang anzuschließen bedeutet: Wir können vor Ort konkret handeln und selbst Schwerpunkte setzen, sind aber eingebunden in größere Diskussions- und Handlungszusammenhänge. Wir können es lernen, in einer Föderation zusammen zu arbeiten, die Kräfte zu bündeln.

Das Treffen findet statt, am 13.März 2005, 17 Uhr, "Cafe Modigliani", Wissmannstraße 6

Initiativgruppe für die Gründung der ‚Libertäre Gruppe Düsseldorf' im FdA/CRIFA.


7.) Auszug der Entwicklung des Überwachungsstaats BRD nur der letzten 7 Jahre
Rückseite des Kölner Demoflugblatts zur Aktion Wintercheck zum 19.03.05

26. März 1998 - Der Große Lauschangriff wird durch eine Verfassungsänderung eingeführt: Die Wohnung ist nun nicht mehr vor dem Belauschen durch die Polizei sicher. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 2004 die Regelungen dazu wieder etwas eingeschränkt. Der letzte Zufluchtsort vor staatlicher Überwachung, die eigene Wohnung, ist aber endgültig verloren.

1999 - Es gab 12.651 richterliche Anordnungen zur Telefonüberwachung. 1995 waren es 4 674, was eine Steigerung von 175 % in vier Jahren bedeutet. Hinter jeder Anordnung können mehrere tausend abgehörte Telefonate stecken. In der Zahl nicht enthalten sind die Abhörmaßnahmen der Geheimdienste.

1. Mai 2000 - Das Passgesetz wird verschärft: Die Polizeien können nun das Demonstrationsrecht für andere Staaten entziehen und die Bewegungsfreiheit einschränken, indem sie die Ausreise aus der BRD untersagen und Zuwiderhandlungen unter Strafe gestellt werden (Ausreiseverbote).

1. Juli 2000 - Die KVB richtet eine eigene Sicherheitszentrale ein und stellt neues Sicherheitspersonal ein. Zuvor hatte sie schon begonnen, die Bahnsteige und die Bahnen mit Videokameras auszurüsten; wer Bahn fährt, wird nun ständig überwacht.

24. November 2000 - Die Innenministerkonferenz beschließt die Einführung von Gewalttäterdateien beim BKA, in die Beschuldigte aufgenommen werden, bei denen die Polizei Anzeichen in der Persönlichkeit zu erkennen glaubt, dass in Zukunft mal Strafverfahren gegen sie geführt werden. Einer Verurteilung bedarf es dazu nicht. Die Dateien diene u.a. als Grundlage für Ausreiseverbote.

2000 - Ca. 18.000 Anordnungen zur Telefonüberwachung.

ab Oktober 2001 -In ganz Deutschland läuft eine Rasterfahndung, durch die alle Männer bis zum 40. Lebensjahr überprüft werden.

2001 - Ca. 20.000 Anordnungen zur Telefonüberwachung.

11. Januar 2002 - Das Terrorismusbekämpfungsgesetz tritt in Kraft: Die Befugnisse der Geheimdienste, des Bundesgrenzschutzes und des Bundeskriminalamtes werden erweitert. Zusammen mit der Änderung der Ausländergesetze, der Sozialgesetze, des Pass- und des Personalausweisgesetzes werden vor allem die Datenerhebung, -speicherung und –weitergabe vereinfacht, um uns stärker kontrollieren zu können. Die Trennung von Polizei- und Geheimdiensten ist kaum noch vorhanden. Außerdem können sog. Ausländervereine nun schneller verboten werden.

14. August 2002 - Die Anwendung von IMSI-Catchern wird durch § 101 i StPO legalisiert. Nun darf der Staat Handys orten, um Bewegungsprofile zu erstellen und Aufenthaltsorte zu ermitteln.

1. September 2002 - Ein neuer § 129b im StGB stellt die Mitgliedschaft in und Unterstützung von ausländischen terroristischen Vereinigungen unter Strafe. Damit geht die jahrelange Kritik an den Sonderermittlungsparagrafen 129 und 129a StGB erstmal unter; sie werden vor allem gegen politisch unbequeme Menschen eingesetzt, um diese mit aller Härte verfolgen zu können, ohne dass eine konkrete Straftat vorliegt.

2002 - 21.874 Anordnungen zur Telefonüberwachung.

25. Juli 2003 - In Nordrhein-Westfalen wird das Polizeigesetz verschärft: Die Polizei kann ohne gerichtliche Verurteilung Aufenthaltsverbote für ganze Gemeindegebiete bis zu drei Monate aussprechen. Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums wird legalisiert und die Rasterfahndung vereinfacht. Andere Bundesländer haben in den vergangenen Jahren noch weiter reichende Überwachungs-, Vertreibungs- und Gewahrsamsbefugnisse für ihre Polizei eingeführt, darunter die Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Kontrollen).

1. Oktober 2003 - Kalker Wochen: Die Polizei Köln vertreibt mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten gnadenlos Drogenabhängige und SozialarbeiterInnen aus Kalk.

2003 - 24.441 Anordnungen zur Telefonüberwachung.

29. Juli 2004 -Die Sicherungsverwahrung wird Bundesrecht. Damit können Menschen nach Verbüßen der Strafe weiterhin in Haft gehalten werden, wenn von ihnen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Zuvor war sie schon in einzelnen Bundesländern eingeführt worden; nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde nun eine bundesweite Regelung eingeführt. In der Nazizeit war diese Form der Haft eines der schlagkräftigsten Mittel gegen ideologische Gegner, die sog. Schutzhaft.

26. November 2004 - Aktion Wintercheck beginnt: Die Kölner Polizei weitet die Vertreibungspolitik von Kalk auf die Innenstadt, Mülheim und Ehrenfeld aus, systematisiert sie und erweitert die Kontrollen auf PassantInnen, AutofahrerInnen und KVB-KundInnen. Jeder ist nur noch potenzieller Straftäter. Dabei ist eine Selektion von Randgruppen und AusländerInnen unübersehbar.

1. Januar 2005 - Spätestens jetzt müssen die Provider den gesamten E-Mail-Verkehr überwachen und die Daten speichern, damit der Staat auf sie zugreifen kann. Dies geht auf eine Vorschrift der Telekommunikations-Überwachungsverordnung aus dem Jahr 2003 zurück.

11. Januar 2005 - Das Luftsicherheitsgesetz tritt in Kraft: Der Bundesverteidigungsminister darf nun den Abschuss von Flugzeugen anordnen. Das Leben der Flugzeuginsassen wird damit weniger wert als das Leben anderer. Die Bundeswehr macht einen weiteren Schritt zur Übernahme von Sicherheitsaufgaben im Inneren.

1. April 2005 - Das Bankgeheimnis wird für den Staat faktisch aufgehoben. Nun kann u.a. das Konto von EmpfängerInnen von Sozialleistungen direkt eingesehen werden.

bis Herbst 2005 - Einführung biometrischer Daten in die Pässe der Europäischen Union.

2005/06 - Systematische Datenerfassung aller BesucherInnen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland schon bei der Bewerbung für die Kartenauslosung. in Planung -Einschränkung des Versammlungsrechts durch Abschaffung der aufschiebenen Wirkung von Widersprüchen bei Verboten und Auflagen.

in Planung - Die Analyse und Speicherung der DNA von Tatverdächtigen soll ausgeweitet werden.

bis 2007 - In Personalausweise werden biometrische Daten und eine Bürgerkartenfunktion über Chips eingefügt.


8.) Das kleine Einmaleins der Arbeitslosigkeit
8 Regeln für den Überlebenskampf
Freie ArbeiterInnen Union - Anarcho-SyndikalistInnen
Diese Seite ausschneiden oder kopieren und in Kneipen, WGs, Ämtern und sonstwo aufhängen.

1. Arbeitslos zu sein ist Deine neue Arbeit.

Die Zeiten, in denen es reichte, einmal im Jahr, höchstens alle 3 Monate, bei Deinem Sachbearbeiter vorbei zu schauen, könnten vorbei sein. Die Fallmanager und Arbeitsberater des JobCenters können Dich ganz nach Gutdünken vorladen. Einmal pro Woche, alle drei Wochen oder auch nur alle drei Monate, ganz wie es beliebt. Sie fordern Nachweise Deiner Eigenbemühungen, also Bewerbungen, Vorstellungsgespräche. Zusätzlich gibt es Profiling-Maßnahmen (meist eine Woche lang) oder Trainingsmaßnahmen, die von 3 Monaten bis zu einem halben Jahr dauern können. Alles ziemlicher Unsinn. Doch keine Bange, jedes Gift hat sein Gegengift. Es gibt bislang unerkannte Krankheiten, die nur darauf warten unter Stresseinwirkung auszubrechen, es gibt Bekannte, die Dich vielleicht für einen Monat beschäftigen mögen - im Rahmen eines Praktikums oder ähnliches. In jedem Fall musst Du damit rechnen, Dich eine Zeit lang ernsthaft für den Bezug Deiner Leistungen anzustrengen. Wenn der Laden erstmal läuft, kann es wieder weniger werden.

2. Das JobCenter ist Dein Feind.

Die Aufgabe des JobCenters, ist es die Arbeitslosenzahlen zu reduzieren. Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Unter den Angestellten des JobCenters mag es nette, hilfsbereite, kulante Exemplare geben - darauf rechnen darfst Du nie. Daher gilt für Termine auf dem Amt:

- Überlege Dir genau, was Du sagst. Deine Aussage könnte gegen Dich verwendet werden.

- Lass den Sachbearbeiter/ die Sachbearbeiterin reden. Sei stoisch, überlege vor jeder Antwort genau, was klug wäre. Lass vor jeder Antwort drei Sekunden vergehen.

- Lass Dich weder von Freundlichkeit noch von Unverschämtheiten täuschen. Letztendlich geht es um Paragrafen und um Rechte, die uns zustehen, auch wenn die SachbearbeiterInnen davon keine Ahnung haben mögen.

- Versuch nicht, die SachbearbeiterInnen auf einer politischen Ebene zu überzeugen. Es hat erstens keinen Sinn, den falschen Leuten, das Richtige zu erklären. Zweitens ist es möglicherweise unklug, sich als GesinnungstäterIn zu offenbaren. Bleib vorerst lieber unberechenbar.

Viele SachbearbeiterInnen kennen die elementarsten Vorschriften und Gesetze nicht. Sie handeln nach Gutsherrenart. Mit ein wenig Mühe kannst Du ihnen leicht beikommen. Zur Not gehst Du zum Teamleiter oder dessen/deren Vorgesetzten und reichst Beschwerde ein, oder strengst Disziplinarverfahren an.

3. Spiel das Spiel und versuche, die Regeln zu bestimmen!

Interessanter Weise ist der Handlungsspielraum der FallmanagerInnen und SachbearbeiterInnen immens groß. Das meiste ist Verhandlungssache, auch die Anzahl und Qualität der Bewerbungsbemühungen und der Turnus, in dem Du erscheinen musst.

Am Anfang ist es wichtig, die gestellten Anforderungen zu erfüllen, um zu zeigen: Ich habe Reserven, ich breche nicht bei der kleinsten Belastung zusammen. Ich bin keine Wurst.

Wenn Du beispielsweise einen Neuantrag auf Arbeitslosengeld II stellst, dann wird der Fallmanager/ die Fallmanagerin versuchen, es Dir so schwer wie möglich machen, in den Leistungsbezug zu kommen. Sie schicken Dich von Pontius nach Pilatus, fordern z.B. eine Bescheinigung vom Sozialamt Innenstadt, das Sozialamt will eine Bescheinigung vom Wohnungsamt und das Wohnungsamt wieder die Bescheinigung vom JobCenter. Mach es eine Woche oder zwei mit. Dann kommt der Punkt, die Regeln aktiv zu bestimmen und notfalls derbe auf den Putz zu hauen. Mache offensichtliche Unsinnigkeiten nicht mehr mit, raste aus, drohe mit Beschwerden, suche Dir Hilfe etc.

Verlange bei jeden zukünftigen Schritt, eine schriftliche Begründung, warum Du die betreffende Bescheinigung, Bewilligung etc. nicht erhalten hast und was Du tun musst, um sie zu erhalten. Diese schriftliche Begründung steht Dir zu. Verlasse den Raum nicht, bis sie da ist.

4. Kenne Deine Rechte, handle taktisch und strategisch!

Viele reden sich durch eine an Naivität grenzende Gutgläubigkeit um Kopf und Kragen. Du solltest Dir vorher überlegen: Wie ist meine derzeitige Lage, wie könnte sie sich durch den neuen Termin auf dem Amt verschlechtern, wie würde eine Verbesserung aussehen? Überlege Dir eine Argumentationsstrategie, die in Richtung Verbesserung geht. Wir sagen nicht, dass Du unbedingt lügen musst, manchmal ist es jedoch ratsam, nicht alle Karten aufzudecken. Mitunter kommt es nur darauf an, wie man die Realität betrachtet. "Was heißt hier Bedarfsgemeinschaft? Na gut, wir waren gute Freunde, das ist lange her. Jetzt leben wir in längst in Trennung, wollen auseinander ziehen, aber versuchen Sie mal eine neue Wohnung zu finden."

5. Die lange Bank ist des Teufels liebstes Möbelstück.

Wir haben Leute kennen gelernt, die seit Monaten keine Leistungen mehr erhalten haben, weil sie es nicht geschafft haben, die notwendigen Anforderungen - darunter auch völlig unsinnige - zu erfüllen. Die perverse Argumentation des JobCenters: Sie haben die letzten zwei Monate ohne unsere Leistungen überlebt, d. h. sie verfügen anscheinend über stille Reserven (Verwandte, Vermögen, Schwarzarbeit etc.). Wozu brauchten Sie also unsere Hilfeleistungen? Du wirst dann gezwungen, nachzuweisen, wovon Du in den letzten Monaten gelebt hast. (Deine Antwort könnte lauten: Bekannte haben Dir Geld geliehen und fordern es jetzt zurück.)

Wenn Du kein Geld mehr in der Tasche hast, dann muss Dir sofort geholfen werden. Notfalls verlangst Du eine Abschlagszahlung oder einen Vorschuss. Jetzt. Notlage. Eher gehst Du nicht. Und wenn Du gehen musst, dann sofort zum Verwaltungsgericht, wo Du auf Dringlichkeit gegen das JobCenter klagst. Die Sozialhilfe ist - juristisch betrachtet - ein Recht und kein Almosen. Sie fußt auf dem Grundgesetz, Artikel 1("Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.").

6. Übe den aufrechten Gang!

Es gibt viele, die versuchen die Sachbearbeiter auf der emotional-menschlichen Ebene zu beeindrucken. "Mein Lebensgefährte ist unlängst verstorben. Ich bin im Methadon-Programm und habe Hepatitis B. Ich versuche ja alles, aber es klappt nicht." Diese Herangehensweise bringt überhaupt nichts. Die SachbearbeiterInnen sind nach kurzer Zeit völlig abgestumpft und können wahre, von halbwahren und erlogenen Geschichten nicht mehr unterscheiden. Außerdem transportiert das Fahren auf der Mitleids-Schiene eine verhängnisvolle Botschaft: Ich bin ein armes Würstchen und weiß mir nicht zu helfen. Das kann auch heißen: Mit mir kann man es machen. Oder schlimmer noch: Ich brauche jemanden, der mir Feuer unterm Arsch macht.

Unsere Haltung gegenüber dem Amt sollte sein: Wir brauchen weder euer Mitleid noch eure schlauen Tipps. Wir kennen unsere Rechte. Wir reden auf der Grundlage von Paragrafen und Gesetzen, denn nur die bringen uns dazu, überhaupt im Amt zu erscheinen. Unser Privatleben geht die SachbearbeiterInnen nichts an und deren privaten Meinungen interessieren uns nicht. Wenn man meint, mit uns den Larry machen zu können, dann werden wir auf der juristischen und auf anderen Eben kreative Antworten suchen und finden.

7. Never walk alone - Such Dir Beistand und Hilfe!

Das Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) regelt die Beziehungen zwischen Bürgern und Behörden. Dort steht unter § 13, 4 folgendes: "Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht."

Wir haben also ein verbrieftes Recht, zu zweit zu erscheinen. Egal ob vor Gericht, beim Staatsanwalt oder beim Arbeitsamt. Gegebenenfalls sogar mit mehreren Personen (der Paragraf ist normativ, nicht numerativ gemeint). Das ist wichtig. Denn damit hast Du Zeugen und BeraterInnen an Deiner Seite. Der Sachbearbeiter wird sich Unverschämtheiten nun eher verkneifen. Der Beistand sollte einen Block und Stift dabei haben und eifrig notieren. Ratsam ist es, eine Rollenverteilung nach dem Schema "Böser Prolet - guter Prolet" einzuhalten. Es macht wenig Sinn, wenn der/die Betroffene sich im Jammern ergeht, während der Beistand auf den Putz haut. Dann wird der Beistand schnell des Feldes verwiesen werden. Besser ist es, wenn der/die Betroffene seiner/ihrer Empörung freien Lauf lässt und Forderungen stellt. Dem Beistand kommt die Rolle zu, die Stimme der Vernunft zu erheben und den/die SachbearbeiterIn auf der sachlichen, juristischen Ebene anzusprechen. Oder einfach nur dabei zu sein, Notizen zu machen und Fragen zu stellen. Du wirst sehen, wie sich das Klima verändert, sobald Du jemanden an Deiner Seite hast.

8. Du bist für den Irrsinn nicht verantwortlich. Und Du bist nicht allein.

"Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es ist nur Deine Schuld, dass sie so bleibt" (*). Massen-Arbeitslosigkeit, JobCenter, Lohn-Dumping, Leiharbeit, Mietspiegel, Zwangsräumungen, Ein-Euro-Jobs - dahinter steckt nichts als der komplette Schwachsinn und eine völlige Ratlosigkeit der Herrschenden. Du bist eine/einer von Tausenden in Deiner Region und von Millionen auf der Welt, die darunter zu leiden haben. Wenn es gelänge, dass wir uns vor Ort auch nur zu 50 oder 100 Leuten dauerhaft zusammen schließen, dann könnten wir das Arbeitsamt rocken, dann würden wir beginnen, Suppenküchen zu organisieren, Genossenschaften und Kooperativen zu gründen, uns das Leben zurück zu erobern, dass es eine Freude wäre. Wichtig ist, im Kleinen anzufangen. Setz Dich in Bewegung und das Leben kommt auf Dich zu!

* Zitat: "Die Ärzte", seit Jahren beste deutsche Punk-Band.


9.) Das Arbeitslosengeld II – Tipps und Hinweise
Für Betroffene und solche, die es werden könnten

Kampagne "Vorsicht! Arbeitslosengeld II" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen e.V. (BAG-SHI) und der Erwerbslosenzeitung "quer" (stark gekürzt)

Das Arbeitslosengeld II bringt für Arbeitslose etliche Nachteile mit sich:

- Aufbrauchen eigenen Vermögens, um leistungsberechtigt zu werden

- Ständige Verfügbarkeit für Ein-Euro-Jobs

- Kürzung anrechnungsfreier Nebeneinkommen

- Hilfsarbeit statt Ausbildungsrecht für Kinder aus ALG II – Familien

- Weitgehende Versorgungspflicht für MitbewohnerInnen und Familienmitglieder von ALG II–Betroffenen ("Bedarfsgemeinschaften")

- Viele Fallstricke um die Leistungen zu kürzen oder zu streichen

Das ALG II hat einen entscheidenden Vorteil:

Alle können ALG II beantragen. Die ALG-II-Berechtigung ist nicht mehr an vorhergehende versicherungspflichtige Arbeit gebunden. Sie ist außerdem von Eltern und Verwandten unabhängig - anders als früher die Sozialhilfe.(Für Leute ohne Ausbildung, die unter 25 sind, gelten allerdings Einschränkungen.) Deshalb: ALG II beantragen! Reih Dich ein in die Arbeitslosen-Einheitsfront!

Wenn Du von Arbeitslosengeld in ALG II rutschst

Der Arbeitslosengeldanspruch bietet bessere rechtliche Voraussetzungen für Fortbildungsmaßnahmen. Für Existenzgründungen gibt es einen Rechtsanspruch auf Förderung.

Um den Arbeitslosengeldanspruch nicht zu verlieren, ist penible Wahrnehmung der Mitwirkungspflichten Voraussetzung!

ALG II wird erst bezahlt, wenn das eigene Vermögen aufgebraucht ist, bis auf einen kleinen Rest:

- einen Grundfreibetrag von 200 € pro Lebensjahr jeweils für erwerbsfähige Hilfebedürftige und ihre/seine PartnerIn, mindestens je 4.100 €, maximal 13.000 € pro Person

- "Riester”-Rente und weiteres Alterssicherungsvermögen von 200 € pro Lebensjahr, wenn dessen Verbrauch vor dem Eintritt in den Ruhestand vertraglich ausgeschlossen ist

- einen Freibetrag von 750 € für jede Person im Haushalt

- ein angemessenes KFZ für jede/n Erwerbs­fähige/n im Haushalt

- kleines Wohneigentum

Vorsicht! Auch Steuererstattungen zählen zum Einkommen.

Ist Verwertung von Vermögen oberhalb der Freibeträge unwirtschaftlich, wird ALG II nur als Darlehen gezahlt (Krankenversicherungsschutz entfällt). Das gilt z. B., wenn die Eltern die Eigentumswohnung bereits dem ALG II erhaltenden Kind überschrieben haben, aber selbst noch darin wohnen (Nießbrauch). So verarmen Familien.

Tipps zur Vermögenssicherung:

- Vor dem Ausfüllen der Anträge gründlich informieren!

- Bei Beantragung werden Nachweise zu Vermögen (Gutachten, Leihscheine, Privatschulden­verträge, Quittungen) und Unterhaltsleistungen gefordert!

- Rentenverträge prüfen, ggf. einen Nachvertrag zur Auszahlung ab 65. Lebensjahr abschließen!

- Rechtzeitig die "Angemessenheit" von KfZ, Hausgrundstück, Eigen­tumswohnung prüfen! Altes KfZ und Fahrrad gründlich überholen!

- Urlaub machen!

In den ersten 6 Monaten werden noch "unangemessen" hohe Wohnkosten anerkannt, danach nur, wenn nachweislich keine Senkung möglich ist. Bis zu zwei Jahre nach Arbeitslosengeldbezug kann ein befristeter Zuschlag bezahlt werden, um den Stoß in die Armut zu erleichtern.

Allgemeine Hinweise zum ALG II

- Der Eingliederungsvertrag ist Verhandlungssache. Es ist sehr wichtig, sich vor dem Besuch des Amtes zu überlegen, welche Eingliederungsleistungen darin stehen sollen. Hier ist gute Vorbereitung und Freundlichkeit angesagt, denn die Erteilung der Leistungen liegen im Ermessen der "FallmanagerInnen". Die Eingliederungsvereinbarung muss unterschrieben werden, sonst droht eine Kürzung. Allerdings muss das nicht sofort vor Ort geschehen, Bedenkzeit und externe Beratung sind möglich. Es gibt unabhängige Beratungsstellen. Die örtliche FAU–Gewerkschaft kann Auskunft geben,wo diese zu finden sind.

- Es ist eine gute Idee, jemand als Beistand zu Beratungsgesprächen mitzunehmen (nach § 13, SGB X).

- Beratungsstellen können den Dir zustehenden "Bedarf" unabhängig vom Amt ausrechnen. Zudem erfährt man dort, wie niedrig "angemessene" Unterkunftskosten in der Region höchstens sein dürfen.

- Lass Dich nicht dazu drängen, unterhaltspflichtige Verwandte anzugeben.

Junge Arbeitslose und SchulabgängerInnen ab 15 ohne Lehrstelle

Menschen unter 25 Jahren sind in besonderem Maße im Fadenkreuz der Bundesagentur. Das Motto lautet "kein Nachwuchs für Nürnberg". Bei denen, welche die kapitalistische Arbeitswelt neu kennen lernen, soll der Eindruck vermieden werden, man könne auch ohne geregelte Lohnarbeit irgendwie passabel überleben.

Wer Leistungen beziehen will, muss sofort jede von der Agentur angebotene Arbeit, Ausbildung und ausbildungsähnliche Maßnahme annehmen – auch chancenlose Drecksjobs. Wer das ohne wichtigen Grund verweigert wird für drei Monate völlig gesperrt! (außer Lebensmittelgutscheinen u. ä. und Unterkunfts- und Heizkosten).

  • Das wichtigste ist gute Vorbereitung. Ist eine Berufsausbildung gewünscht? Wenn ja, welche? Fördert die Arbeitsagentur eine Berufsausbildung?

  • Eine unakzeptable Beschäftigung darf nicht verweigert werden, aber Widerspruch ist möglich. Um das richtig zu machen, empfiehlt sich der Besuch einer unabhängigen Beratungsstelle.

  • Wenn die Eltern ALG II beziehen, kann der Verdienst aus eigener Arbeit für den Unterhalt der Eltern verwendet werden. Wenn jedoch das eigene Einkommen für den eigenen Unterhalt einschließlich Unterkunft bei den Eltern ausreicht,dann ist man kein Teil der Bedarfsgemeinschaft mehr und darf einen höheren Anteil des Einkommens behalten.

  • Beim Ausziehen vom Elternhaus ist es wichtig, in eine eigene Bude zu ziehen oder in ein WG-Zimmer mit eigenem Untermietvertrag. Sonst sind die Mitbewohner gegeneinander unterhaltspflichtig! Aus dem gleichen Grund ist getrenntes Wirtschaften auch beim Zusammenleben mit dem / der PartnerIn oder anderen Verwandten angesagt.

  • SchülerInnen, die nicht bei den Eltern wohnen, können Schüler-BaFöG beantragen.

    Der wichtigste Hinweis lautet – aus anarcho-syndikalistischer Sicht – jedoch: Macht eure eigene Lage zum Ausgangspunkt eurer politischen Aktivitäten: statt EZLN, Tierbefreiung oder Antifa vielleicht mal das JobCenter und DEINEN EIGENEN SACHBEARBEITER. Die Schikanen gegen junge Arbeitslose sind soweit gediehen, dass auf Dauer nur kollektive und kämpferische Aktionen wirklich helfen.

    Alleinerziehende

    Alleinerziehende, die bisher Sozialhilfe bekamen, fallen ab 2005 unter ALG II.

  • Ist ein Kind jünger als 3 Jahre, ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, so­lange das Kind nicht in der Kinderkrippe oder anderweitig betreut wird.

    Ist ein Kind älter als 3 Jahre und ein Kindergarten- oder Hortplatz verfügbar oder die Betreuung auf sonstige Weise (z. B. durch Großeltern) sichergestellt, ist während der Betreuungszeit eine Erwerbstätigkeit (in jedweder Form) zumutbar. Aber:

  • Ist die Betreuung eines Kindes wegen Krankheit, Behinderung oder Verhaltensauf­fälligkeiten nicht durch Kindergarten, Hort oder auf sonstige Weise unabhängig von den Eltern sichergestellt, so ist Erwerbstätigkeit nicht zumutbar! Im Zweifel hilft ein ärztliches Attest.

    Nebenjobs und ergänzende Sozialhilfe

    Ab 1. Januar 2005 gibt es vom Sozialamt keine (zum Job) ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt und keine Beihilfen (z. B. für Bekleidung) mehr. Dazu muss dann ein ALG II-Antrag gestellt werden.

    Bisher blieben 165 € Nebeneinkommen anrechnungsfrei. Mit dem ALG II werden die im Haushalt erzielten Einkommen stärker auf die Leistung ange­rechnet. Z. B. bei Minijob-Einkommen von 400 € verbleiben als Erwerbstä­tigenfreibetrag höchstens 60 €. Der Rest wird mit ALG II verrechnet. Der Aufwand für die Arbeit lohnt sich also häufig nicht.

  • Gilt nur für 2004: Ab 2005 wird die Aufgabe eines solchen Jobs mit Kürzungen bestraft. Deshalb ggf. noch dieses Jahr kündigen.

    Bisher konnte man zeitweilig aus dem Arbeitslosengeldbezug ausscheiden, um Honorarjobs durchzuführen, die keinen Einfluss auf Arbeitslosengeld/-hilfe hatten. ALG II erschwert das, denn das Einkommen eines Monats wird auf den ganzen Monat umgerechnet. Nur die Einkünfte der letzten fünf Tage werden dem nächsten Monat zugeordnet.

  • Um innerhalb der geschützten Vermögensfreigrenze Geld anzusparen ist es nötig, Job und Geldzufluss auf einen bestimmten Monat zu konzentrieren. In diesem Monat ohne ALG II-Bezug muss selbst Kranken- und Rentenversicherung gezahlt werden. Allerspätestens 6 Tage vor Monatsende müssen die Einkünfte auf dem Konto sein! Dann kann zum 1. des Folgemonats wieder ALG II beantragt werden. Dem Amt muss auch keine Verdienstbescheinigung für Zeiten ohne Leistungsbezug vorgelegt werden. Ob sich das lohnt, lässt sich in einer unabhängigen Beratungsstelle berechnen.


    10.) Eine weitere Front
    In Zukunft müssen wir nicht nur nach billiger Arbeit
    sondern auch nach billigen Wohnungen suchen.
    Freie ArbeiterInnen Union - Anarcho-SyndikalistInnen

    Ab dem ersten Januar 2005 müssen die Kommunen für ALG-II-EmpfängerInnen die Kosten einer "angemessenen Unterkunft" übernehmen. Alleinstehende haben danach ein Anrecht auf 45 qm Wohnraum. Wieviel dieser kosten darf, wird von Ort zu Ort unterschiedlich geregelt. Dieser Artikel behandelt die Thematik am Beispiel Köln. Die genauen Verhältnisse dürften sich bundesweit ähneln, müssen in jeder Stadt aber aufs neue erfragt werden.

    In Köln hat eine Arbeitsgemeinschaft von Stadt (Sozialamt) und Agentur für Arbeit festgelegt, dass eine Wohnung max. 297,- Euro plus Nebenkosten betragen darf. Das sind 6,60 Euro pro Quadratmeter. Für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft kommen 15 qm hinzu, die 99,- Euro kosten dürfen. Natürlich weiß jeder, dass in Köln für dieses Geld kaum eine Wohnung zu finden ist. Die Stadt erhöht diesen Satz nicht, um - nach eigener Aussage - Vermieter nicht zu Mietsteigerungen zu ermuntern. Etwa 50% der Sozialhilfeempfänger leben heute schon in teureren Wohnungen.

    Räumung nur im Einzelfall?

    Laut Auskunft der Kölner Sozialdezernentin Marlies Bredehorst soll in Zukunft bei ALG II- und Sozialgeld-EmpfängerInnen genauso verfahren werden, wie jetzt schon bei den Sozi-EmpfängerInnen. Danach würden die Einzelfälle geprüft und in einigen Fällen die Leute aufgefordert, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Das sollten angeblich nur etwa 5% aller Fälle sein. Ein anderes Bild vermittelt eine Zeitungsmeldung (Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Sept. 2004), nach der die Zahl der Räumungsklagen in Köln im Jahr 2003 mit 2677 einen neuen Höchststand erreicht hat. Die Räumungsklagen würden Ende 2004 um zusätzliche 15 Prozent steigen und, so der stellvertretende Wohnungsamtsleiter Jürgen Kube, in den kommenden Jahren durch Hartz IV weiter nach oben gehen. Was ja auch logisch ist, denn die Kommune ist vollkommen pleite und ihre korrupten Provinz-Strategen investieren lieber in Infrastruktur für Unternehmen als in arme Schlucker, die keine Steuern zahlen.

    Das Sozialdezernat sagt aus: Wenn die Betroffenen nachweisen würden (z.B durch Ablehnungsschreiben von Wohnungsgesellschaften), dass sie sich erfolglos um Wohnungen bemüht hätten, bekämen sie ihre bisherige Wohnung weiter bezahlt. In der Praxis ist es jedoch so, dass Du maximal ein halbes Jahr geduldet wirst und dann der Ärger von vorne los geht. Du lebst in der ständigen Angst um Deine Wohnung, die nach langen Jahren möglicherweise auch Heimat bedeutet. Schonende Sonderregeln gelten laut Sozialdezernat für Alte, psychisch Kranke und andere.

    Was tun, wenn die Miete ausbleibt?

    Wenn Dein Sachbearbeiter eines Tages den Daumen senkt, wird Dir wahrscheinlich einfach nur noch der Regelsatz bezahlt und Du kannst gucken, wie Du klar kommst. Es wäre dann eine Überlegung wert, deinerseits nur noch diesen Regelsatz an Miete zu bezahlen und die verantwortlichen SachbearbeiterInnen für entstehende Mietrückstände und eine drohende Zwangsräumung zur Verantwortung zu ziehen. Die Alternative wäre, dass sie Dir nach einer Räumung ein Hotel bezahlen, oder Dir sofort eine andere Wohnung anbieten müssten.

    Verbarrikadieren oder zelten gehen

    Wir kennen bereits Arbeitslose, die im Falle einer Zwangsräumung bei der Sozialdezernentin Bredehorst im Vorgarten zelten würden. Ein solches Vorgehen verlangt natürlich starke Nerven und ist z.B. für Menschen mit Familie kaum möglich. Dennoch wären solche spektakulären Einzelfälle für das Entstehen einer Arbeitslosen-Selbsthilfe wichtig, weil sie Lust zur Nachahmung verbreiten und die Armutsverwaltung Respekt lehren könnten. Ebenso das zeitweilige Verhindern von Zwangsräumungen durch Telefonketten und Verbarrkadierungen. So könnte sich innerhalb kürzester Zeit eine fruchtbare Überschneidung von Arbeitslosen- und Hausbesetzer-Bewegung ergeben, was richtig Dampf in den sozialen Kessel bringen dürfte.