Schwarze Katze Rundbrief 23.09.06

Freiheit kann nur durch Freiheit geschaffen werden.
Michail Bakunin

1.) Ich lebt nicht
2.) antinationale Demo Dortmund
3.) Papstbesoffen
4.) Hartz IV-Verschärfung

1.) ich lebt nicht.
ein schwarzer passagier
Quelle:
Piratenutopie

ich lebt nicht.
eine Hand, die nichts hält,
die nicht geben kann, was zu geben sie wünscht;
leer, ohne sinn, ohne leben.
eine Hand, welche nicht weiter reicht,
was ich fühlt,
die nicht berührt, nicht die anderen
erreicht; leer, ohne sinn –
 die Hand lebt nicht.

eine Träne, in der gebündelt ist,
was ich nicht zu sagen vermag,
die erzählt, was worte unfähig zu übermitteln sind -
 ein augenblick der lebhaftigkeit?
eine Träne, in der nach außen dringt,
was so tief verschlossen ist,
in der wirklich was sonst nur hoffnung ist: ich?

ein moment der traurigkeit,
der unergründlichen – ? – depression,
ausdruck einer einsamen existenz,
deren sehnlichster wunsch ist,
(s)ich selbst zu beFREIen.
angst und hass, selbstverachtung.
ich lebt nicht.

eine Träne, die die hoffnung erhält,
das ich, ein keim der individualität
nicht ganz gestorben ist –
 lichtblick?
eine Träne, die niedergeschlagenheit
in sich trägt,
und den flüchtigen wunsch an das,
was frei zu sein sich sehnt: ich.

wenn ich weint, wenn die dämme,
die verinnerlichten zwänge und fesseln brechen;
momente, in denen ich ihre emotionen,
die zu unterdrücken es gelernt hat,
sich frei entfalten läßt,
wenn ich nicht man(n) ist –
 weiß nicht recht;
wenn ich weint, lebe Ich.

fragezeichen.

2.) Gegen Krieg und Herrschaft - Für ein freies und selbstbestimmtes Leben!
Nazi-Aufmarsch am 02.09.06 in Dortmund und antinationale Demo dagegen

Auszug aus dem Schwarze Katze AG Antifa Demobericht, September 06

Am 02.09.06 marschierten Nazis ausgerechnet anlässlich des Antikriegstages in Dortmund auf. Diesmal lief nicht nur eine in solchen Fällen übliche Antifa-Gegendemo, sondern auch eine anarchistisch-antinationale Demonstration.

Erfreulich: Nationalisten ärgern sich über Demo
Wir boten eine Mitfahrgelegenheit von Iserlohn aus an und konnten einige Sauerländer - auch aus dem Punk-Spektrum - zur Demo mitnehmen. Dass der Demoaufruf eine klare Distanzierung zu Nationalismus und den dazugehörigen Nationalfahnen enthielt, gefiel uns ausgesprochen gut und missfiel Nationalisten verschiedener Coleur. So ärgerten sich über die Demo drei verschiedene nationalistische Strömungen: nationalfahnenschwenkende Nazis, marxistische nationalfahnenschwenkende Antideutsche und marxistische nationalfahnenschwenkende Antiimps. Marxistische Antideutsche schickten einen Beobachtertrupp in schwarz und mit schwarzen Sonnenbrillen, der sich aber ruhig verhielt und trotz der Ankündigung einen israelsolidarischen Block zu machen, keine Nationalfahnen auspackte. Wahrscheinlich wollten sie nicht mit den Konsequenzen leben. Die marxistischen Antiimps kamen nicht und hatten stattdessen eine fast zeitgleiche Demo im Dortmunder Norden veranstaltet. Die Konkurrenzdemo wurde von DemoteilnehmerInnen kritisiert. Nazis kamen auch nicht, so konnte ohne Störung durch nationalistische Kreise unsere antinationale Demo stattfinden. Auf Indymedia schrieb Anarchia Si:

Gute und wichtige Demo
anarchia si 06.09.2006 17:50

An der Reaktion diverser rückschrittlicher Geister (Nazis, Antideutsche, Wirtschaftsliberalspinner, Esoteriker...) kann man ablesen, wie erfolgreich diese Demo gewesen ist. Die Idee einer freien Welt macht diesen Typen Angst. Jede hasserfüllte Reaktion gegen die Demo dürft Ihr als Kompliment und Bestätigung ansehen. Hoffe, daß es mal bald wieder was dazu gibt.

David aus Dortmund fasste auf Indymedia am 04.09.06 den Demoverlauf zusammen:
Also an der Demonstration nahmen knapp 300 Leute teil. Die Demo war bunt durchmischt und nicht eine von diesen langweiligen Black-Bloc-Demos. Man traf sich gegen 16 Uhr am Dortmunder Stadthaus und bereitete sich langsam vor. Die Demo startete so um 17 Uhr. Angeführt von einer Straßenkunst Aktion, der Zombie-Armee. Zombies in Uniformen marschierten zu sinnlosen Befehlen und führten diverse andere Aktionen wie "Marschieren, Angriff und Tot-Umfallen" durch. Darauf folgte der bunte Demozug. Man marschierte durch das Kreuzviertel, bis an der Möllerbrücke eine ca. 30minütige Kundgebung stattfand. Dort folgten noch ein paar Redebeiträge und dann zog man weiter bis zum Hauptbahnhof. Dabei ertönte immer wieder lustige Musik und Flyer wurden verteilt. Die Demo zog viel(positive) Resonanz auf sich: Angefangen von erstaunendem Glotzen bis zum heiteren Lachen über die Zomby-Army. Am Hauptbahnhof angekommen löste sich die Demo um 21 Uhr erfolgreich auf. Insgesamt mal wieder eine schöne Aktion in Dortmund, die nicht dem üblichen Einheits-Brei entsprach und offen positiv von den Zuschauern und den Teilnehmern aufgenommen wurde.
Insgesamt also ein voller Erfolg!

Schwarze Katze gegen rechten und linken Nationalismus
Im zweiten Redebeitrag wurden nicht nur die Nazis, sondern auch die freiheitsbeschränkenden Systeme des Stalinismus kritisiert. Diese stellen nach Ansicht des anarchistischen Redners für antiautoritäre Menschen keine Alternative dar. Schön, dass sich in NRW nicht nur vom rechten, sondern auch vom linken Nationalismus sowohl antideutscher als auch antiimperialistischer Prägung öffentlich distanziert wird. Mit Nationalfahnen anderer Staaten rumzulaufen und "Solidarität mit Israel" oder "Solidarität mit Palästina" zu rufen ist nichts anderes als Staatsbefürwortung. Nationale Symbole zu tragen bedeutet Nationalist zu sein. Das antideutsch-marxistische und antiimperialistisch-marxistische Motto lautet gleichermassen: "Für Staaten, gegen Menschen". Anarchisten hingegen sind für Menschen und gegen Staaten. Das ist der Unterschied. Der Anarcho-Syndikalist Rudolf Rocker brachte es auf den Punkt:

Die nationale Fahne deckt
- jedes Unrecht,
- jede Unmenschlichkeit,
- jede Lüge,
- jede Schandtat,
- jedes Verbrechen.

Die Demo verlief übrigens friedlich, das sahen auch die Cops so:

Demonstration in der Dortmunder Innenstadt verlief friedlich.
Pressemitteilung Polizei Dortmund, 01.09.2006 - 22:29 Uhr

Dortmund - Unter dem Thema "Gegen Krieg und Herrschaft - für ein freies und selbstbestimmtes Leben" fand am 01.09.2006 von 16:00 Uhr bis 21:00 Uhr in der Dortmunder Innenstadt ein Aufzug statt. Die Versammlung, an der 250 Personen teilnahmen, verlief störungsfrei und wurde um 21.00 Uhr für beendet erklärt.

Libertäre Demo Dortmund 1.9
von a-movement - 05.09.2006 17:06

Die Demonstration die für eigentlich 100 Menschen angemeldet war, und ziemlich auf Anarchistische Ziele besonnen war, war mit ca. 350 TeilnehmerInnen gut besucht. Auftakt war an der U-Bahn / S-Bahn Station Dortmund Stadthaus 18:30 Uhr, wo sich am Tag darauf die Nazis treffen würden.

Leider gab es von Anfang an Probleme mit dem Lauti und den Redebeiträgen wodurch sich leider alles etwas verzögerte. Als es jedoch dann endlich losging, und die Eröffnungsrede erfolgreich gehalten wurde, kam gute Stimmung auf und es wurden Lautstark die Themen Krieg, Herrschaft, Patriarchat, Kapitalismus, Staaten, Grenzen und Faschismus Kritisiert.

Die Menschen welche die Demonstration veranstalteten hatten von Anfang an keine Seitentransparente gewünscht was auch wunderbar funktionierte da sich die Bullen auch nicht an die DemoteilnehmerInnen trauten und die Seitentransparente somit nicht wirklich von Bedeutung gewesen waren da die Demo ohne einen Offeneren Eindruck auf die Bevölkerung machte welche durchweg positiv auf die Demo reagierte.

Bei der Zwischenkundgebung an der Möllerbrücke kam es wieder zu Verzögerungen die durch den Lauti herbeigeführt wurden was der Demo bei der Zwischenkundgebung leider einwenig die Stimmung nahm. Nach ca. 30 - 45min. Pause/Kundgebung ging es aber umso Lautstärker weiter Richtung Hauptbahnhof, auf dem Weg dorthin gab wohl einen Falschenwurf auf Bullen welche aber eher relaxt mit der Situation umgingen und keinen Stress machten. Am Hauptbahnhof angekommen wurden noch Infos über den am 2.9. Stattgefunden Naziaufmarsch durchgegeben und zu Blockaden aufgerufen danach löste sich die Demo ziemlich schnell auf.

Erfreulich war das die Pennplatzbörse unseren ermäßen nach eigentlich gut geklappt hat und die Demo ohne große Zwischenfälle durchgeführt wurde, außerdem haben die großmäuligen Neo-Nazis es nicht gewagt die Demo anzugreifen oder sonst wie zu sabotieren was mal wieder zeigt wie sehr ihnen Dortmund gehört, auch die Bullen konnten sehen das wenn sie weniger sind sie keine große Angst haben müssen und es somit durch ihr dummen Provokationen zu keinen Zwischenfällen kommt. Auf jeden Fall Positiv zu bewerten gilt die "Zombie Army" welche super Aktionskunst geleistet hat und ein wunderbares Bild für die Augen der Demo TeilnehmerInnen und Bürger / Bürgerinnen war. Diese machten durch lustiges vor der Demo hermarschieren und auf Befehl jeden Scheiß durchzuführen klar wie lachhaft Autorität ist und wie dumm Menschen sind die diese ohne großes Denken ausführen (Grüße hier an alle Nazis, Bullen, SoldatenInnen und sonstigen Roboter).

Auf alle Fälle zu kritisieren gilt es das Problem Redebeiträge vorzuführen und den Lauti besser zu Organisieren! Außerdem ein kleiner Wunsch an die Menschen auf der Demo vllt. sollten wir uns alle nächste mal noch mehr Sprüche ausdenken damit es von den Parolen her nicht so einseitig wird und das Hauptthema noch bewusster angesprochen wird!

Ansonsten DANKE an alle Menschen die da waren und unterstützt haben und den Abend so nett gestalteten. Auch DANKE an die OrganisatorenInnen die klar gemacht haben das wir aus der Reaktionären Politik raus müssen um Selber wieder unsere Politik und Ansichten besser unter die Menschen zu bringen. Außerdem war es echt schön mal ne Anarchodemo im Ruhrpott zu sehen. Wir freuen uns auf die nächsten Sachen.

Liebe & Kraft nach Dortmund (A)


Weitere Berichte und Fotos auf Indymedia

Libertäre Demo Dortmund A-Movement
KNALL in Dortmund: LIBERTÄRER Antikriegstag
Antikriegsdemo in Dortmund
Nazidemo Dortmund Fotos von Pig Destroyer
Business as Usual: Naziübergriff in Dortmund Autonome AntifaschistInnen Dortmund
Dortmund - Nazidemo

Antinationale Demo in Dortmund
Schwarze Katze Fotos, 01.09.06


Fahne bei antinationaler Demonstration


Armbinde als Teil des Strassentheaters


FAU Plakat: Grenzenlose Solidarität statt beschränktem Nationalismus


Smash Patriarchy! Kampf den Herrschenden, Nazis, Staat & Kapital!


Für ein freies und selbstbestimmtes Leben - Zusammen Kämpfen!


Deprimierter Nazi fragt sich: Aber warum nur ist mein Schatten schwarz?


Schönes Transparent: Keine Staaten, keine Nation!


Gegen Krieg und Herrschaft - Für ein freies und selbstbestimmtes Leben

3.) Papstbesoffen
Stefan Stickler

Nun ist es soweit: der Papst besucht "sein" Bayern; und Deutschland ist im Freudentaumel wie zum Weltjugendtag in Köln vergangenen Jahres. Eine Wiederentdeckung der Religiosität, oder sollte man besser sagen: der religiösen Gefühle scheint sich in unserem Land aufzutun, eine Neuauflage des deutschen "Wir"-Gefühls, nur auf einer anderen Ebene! Oder etwa doch nicht?

Die Fußball-WM zeigte schon, daß es heutzutage keine Schande mehr ist, als Deutscher sich seiner Nationalität bewußt zu sein und auch zu ihr zu stehen, ohne gleich ins politische Rechtsaußenlager gestellt zu werden. Doch was durch die Wahl des Kardinals Josef Ratzinger zum neuen Papst nach Johannes Paul II. geschah, vermochten die vier Wochen Fußball-WM nicht erreichen können. Das alltägliche "Volks"-Blatt des kleinen Mannes, genannt "BILD", postulierte sofort nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses aus der sixtinischen Kapelle: "Wir sind Papst!" Jawohl, wir (sic!) sind Papst, und nicht nur der kleine, alte Mann in dem für ihn viel zu großen Haus in Rom. Und um dieses wunderbare Ereignis gebürtig zu feiern, sponsert die "Volkesstimme" des 21. Jahrhunderts noch die passende "Volks-Bibel" mit Goldumschlag; "für alle gläubigen Volksgenossinnen und Volksgenossen!", möchte man am Liebsten ergänzend hinzufügen. Die Botschaft ist eindeutig!

Daß nach ein paar Jahrhunderten es wieder ein deutscher Kardinal auf den Papststuhl geschafft hat, beflügelte nicht nur das innere Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern auch die Religiosität des Landes. Vergessen sind all die Zeiten der Aufklärung, vergessen auch die Abermillionen Opfer der Kirche in ihrer 2000jährigen Geschichte. Niemand will es wissen. Niemand will die gegenseitige Abhängigkeit und Verbindungen von staatlichen und religiösen Machthabern erkennen, oder den Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewalt. Nur wenn die Gewalt von anderen Religionen ausgeht, sind das Entsetzen und das Geschrei nach schärferen Gesetzen gegen religiöse Fundamentalisten groß. Ist ein Vergleich des ach so offenen und toleranten Christentums mit dem intoleranten und gewaltbereiten Islam doch nicht redlich! Ist es nicht? War es im Christentum etwa nicht gefährlich, einer "falschen" Religion anzugehören? Wie viele Juden wurden z. B. durch den Großinquisitor Tomás de Torquemada (1420 – 1498) zwangsgetauft, und wie viele Menschen wurden von ihm auf den Scheiterhaufen geschickt oder sind in den Kerkern und unter der Folter elendig verreckt? Und wer weiß, daß dieser Menschenschlächter von der Kirche bis heute geschützt wird? Schwere Mißhandlungen von Schutzbefohlenen in christlichen Kinderheimen bis in die 80er Jahre des 20sten Jahrhunderts, Beihilfe zum Völkermord in Ruanda durch katholische Nonnen: die Liste der kirchlichen "Verfehlungen" ist lang; sehr lang; viel zu lang, um mißachtet zu werden!

Doch warum schweigt die Masse des deutschen Volkes über die eigenen Religions-Fundamentalisten? Selbst die Medien, welche mit ihren Informationen sich selbst als Aufklärer betrachten, verhalten sich außergewöhnlich zurückhaltend, wenn es um die Kirche geht. Die ARD widmet einige Internetseiten alleinig nur zum Papstbesuch am Wochenende, inklusive der "Privataudienz" von vier – selbstverständlich kirchenunkritschen - Journalisten vor laufender Kamera. Daß man dieses angebliche Interview nicht als journalistische Arbeit betrachten kann, sondern als widerwärtige Anbiederung von Propaganda-Dienstleistungen an die Kirche, ergibt sich schon aus der Auswahl der Interviewer und aus den Fragestellungen der Journalisten selbst. Nicht nur die räumliche Distanz der Journalisten zum "Heiligen Vater" wurde bewahrt, sondern auch die Distanz zu religionskritischen Fragen. Will der Journalismus es sich nicht mit der Kirche verscherzen!

Apropos "verscherzen": Noch zu laut klingen die Töne des Karikaturenstreites nach, will man sich doch nicht mehr gerne daran erinnern. Nur zu eifrig griffen konservative Kräfte in diesem Land den Streit zum Anlaß auf, um gegen jegliche Kritikern gegen den (Aber-)Glauben auch hierzulande politische Front zu machen. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte eine Verschärfung des Paragraphen 166 StGB, in dem er den Zusatz "…geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,…" ersatzlos streichen will! Bis zu drei Jahren Haft für die abscheulichen Lästermäuler. Der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer durfte dies am eigenen Leib erfahren, als er in Griechenland wegen seinem Buch "Das Leben des Jesus" im Jahr 2005 zu 6 Monaten Haft verurteilt wurde. So will es auch unser Stoibi; so soll es sein! Doch sind nicht etwa Befürchtungen der Grund, daß Gewaltexzesse religiöser Fanatiker das weiß-blaue Bayernland überschwemmen könnten, sondern das religiöse Dogma der Wahrhaftigkeit der Kirche! Denn wer den Mut hat, sich über den Islam lustig zu machen, der traut sich das auch gegen das abendländische Heiligtum, die römisch-katholische Kirche, welche mit dem tief-religiösen Land der Bajuwaren eng verbunden (und vor allen Dingen auch verstrickt) ist! Schnell findet man auch Zustimmung bei allen anderen in Deutschland stark vertretenen Religionen, profitieren sie ebenfalls von dieser Verschärfung. Vergessen sind da plötzlich die Diskrepanzen zwischen den Glaubensrichtungen. Brüder im Geiste, hat man doch einen gemeinsamen Feind entdeckt: Religionskritiker!

So schlägt unsere Familienministerin in die gleiche Kerbe und glaubt mit der neu entdeckten deutschen Religiosität der Jugend christliche Werte vermitteln zu können. Doch Halt: Was genau sind denn "christliche" Werte? Welcher ach so aufklärerische Journalist hat je diese Frage ernsthaft gestellt? Liegt es vielleicht daran, daß man nicht anecken will; daß die Berufskarriere und die political correctness gegenüber einer Glaubensgemeinschaft höher zu bewerten ist, als das Sammeln und publizieren von Fakten? Ist es etwa eine differenzierte Interpretation von christlichen Werten, die darüber einen Streit auslösen könnte? Sind die von Frau von der Leyen erwähnte "Werte" keine christlichen, sondern normale Benimm- und Anstandsregeln, die auch in jeder anderen Religion oder einer säkularen Gesellschaft zu finden sind? "Die Ehrfurcht zu Gott" als festgesetztes Erziehungsziel für die Jugend in der Schule: ungeachtet der Tatsache, daß eine solche Forderung ein eklatanter Verstoß gegen Artikel 4 des Grundgesetzes ist, welches unser Staat zur Neutralität gegenüber jeder Weltanschauung verpflichtet, drängt sich die Frage auf, ob dadurch ein Schüler mit atheistischer Weltanschauung das Klassenziel zwangsläufig nicht erreicht!? Dies wird in den Medien nicht behandelt. Stattdessen scheint es wichtiger zu sein, wo man die besten Ärzte für die nächste anstehende Schönheits-OP findet. Facelifting, Fettabsaugung und Silikon-implantate für das Ego scheinen nach Ansicht einiger Redakteure interessanter zu sein. Oder scheuen die Medien eine Auseinandersetzung mit dem religiösen Moloch, welcher jede Form von Aufklärung im Keim ersticken will und das Gegenteil propagiert? Doch auch hier lauert eine ketzerische Frage, was denn genau das Gegenteil von Aufklärung sei? Etwa Vernebelung, Verschleierung, Verdunkelung? Ein Schelm, wer böses dabei denkt!

Vorbei die Zeiten, in denen kritische Journalmagazine wie "STERN" oder "SPIEGEL" sich mit solch grundlegenden Fragen auseinandersetzten. Selbst diese sind mittlerweile zu dressierten Schoßhündchen der mächtigen Kirchen geworden, zu Lakaien derer Propaganda. "Aufklärung? Gott bewahre…!" heißt es in den Redaktionsbüros deutscher Medien. Dabei sägen sie selbst an dem Ast, auf dem sie sitzen. Denn die journalistische Freiheit, die sie genießen, war zuvor gegen den massiven Widerstand der Kirchen errungen worden. Die unzähligen Opfer, die dieser Kampf gekostet hat, wird höflicherweise ignoriert. Dabei genügt nur ein Blick auf Kollegen in streng islamischen Ländern, um zu erkennen, wie diese durch die Macht der Religionen instrumentalisiert werden, und Kritik am Islam mit schwersten Strafen bis hin zum Todesurteil nach sich zieht. "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen", postulierte Immanuel Kant schon im 18. Jahrhundert. Doch ungehört von den journalistisch Verantwortlichen verhallen seine Worte im Schleier des christlichen Dunstkreises! Der religiöse Trend ist eine willkommene Einnahmequelle, das haben die Redaktionen erkannt! Wenn durch die Euphorie Kauf- und Einschaltquoten, und somit der Umsatz gesteigert werden kann, ist man gerne bereit, auf diesen Zug aufzuspringen und die Schere im Kopf zu akzeptieren, die das selbstständige Denken beschneidet. Der eigentliche Sinn des Journalismus für die breite Öffentlichkeit geht dabei verloren. Daß dabei der Journalismus die Zeit unweigerlich zurückdreht, scheint ihn nicht wirklich zu stören. Gleichfalls auch die Erkenntnis aus der Geschichte, in der das deutsche Volk schon mehrfach unter dem Zeichen eines Kreuzes agierte, auch wenn die Kreuze in ihrer Form variierten! In allen Fällen "glaubte" das deutsche Volk an die Unfehlbarkeit und Wahrhaftigkeit der Kreuzträger, "glaubte" deren stereotypen Heilsversprechen; und in allen Fällen wurde es eines Besseren belehrt. Aber wen interessiert das alles? Egal! Hauptsache der Papst ist Deutscher!


Dieses und weitere antiklerikale Bilder gibts bei
Religionsfreie Zone

4.) Hartz IV-Verschärfung
Große Koalition erhöht den Druck
direkte aktion # 176, Juli/August 2006

Während der große Wurf der Großen Koalition in den meisten Politikfeldern noch auf sich warten lässt, waren sich Unionsparteien und SPD schnell einig, wie die Vereinbarungen zur Verschärfungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) umgesetzt werden sollen. Bereits im Februar wurde das SGB II-Änderungsgesetz und im Juni das SGB II-Fortentwicklungsgesetz vom Bundestag verabschiedet. Beide Gesetze bedeuten für Erwerbslose spürbare materielle und rechtliche Einschnitte. Die Neuregelungen erschweren den Zugang zum Leistungssystem, sie enthalten zahlreiche Kürzungen für bestimmte Zielgruppen und reduzieren die Alterssicherung insgesamt, sie schärfen bereits vorhandene Sanktionierungs- und Kontrollinstrumente des Gesetzes und fügen neue hinzu und sie konstruieren umfassende Unterhaltspflichten, die mit bürgerlichen Rechten nicht mehr zu vereinbaren sind.

Flankiert werden diese Gesetze durch eine Missbrauchskampagne von Politik und Massenmedien, die gestützt auf Lügen und gezielter Desinformation Erwerbslose diffamiert und unter Generalverdacht stellt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass nach der Sommerpause die nächsten Verschlechterungen für Leistungsbeziehende ins Haus stehen werden.

Bereits Ende Februar wurde das Änderungsgesetz verabschiedet. Das Paket umfasst u. a. die Angleichung der Regelsätze Ost an die 345 Euro in den alten Bundesländern, die Halbierung der Rentenzahlungen für ALG II-Beziehende, den Leistungsausschluss für Ausländer auf Arbeitssuche in der BRD und eine Neuregelung der Wohnraumsicherung, wenn Wohnungslosigkeit droht. Das Kernprojekt der Gesetzesänderung war die Hereinnahme der unter 25-jährigen erwerbslosen jungen Erwachsenen, die noch zu Hause wohnen, in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern. Bislang wurde den betreffenden Personen noch eine eigene Haushaltsführung zugestanden. Über den Umweg der Bedarfsgemeinschaften wird ab 1. Juli eine uneingeschränkte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren erwachsenen Kindern konstruiert werden. Außerdem reduziert sich ab dem Stichtag der Leistungsanspruch für unter 25-jährige automatisch auf 80% oder 276 Euro Regelleistung monatlich.

Die zweite gravierende Änderung für diese Zielgruppe ist das Auszugsverbot für junge Erwerbslose. Der Auszug muss nun bei der ALG II-Behörde genehmigt werden, da sonst die Unterkunftskosten nicht mehr gezahlt werden. Die Genehmigung vom Amt soll nur in schwerwiegenden sozialen Gründen erteilt werden. Wer die Behördenpraxis kennt, weiß, dass das einem Auszugsverbot gleichkommt.

Anfang Juni schließlich wurde das "SGB II Fortentwicklungsgesetz" durch den Bundestag gewunken. Es wird vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates größtenteils im August in Kraft treten. Die Regierung erwartet durch die Leistungskürzungen weitere Einsparungen in Höhe von 1,2 bis 1,4 Mrd. Euro. Mit dem Fortentwicklungsgesetz treten u. a. die folgenden Verschlechterungen beim ALG II in Kraft:

- Schärfung der Sanktionsinstrumente bis zur Existenzvernichtung

- Die schmerzhafte Verschärfung des Sanktionsparagraphen (§ 31 SGB II) ist die Ausweitung der Zählwirkung einer Sanktion von drei Monaten auf ein Jahr. Eine zweite Pflichtverletzung innerhalb von zwölf Monaten führt bereits in die zweite Sanktionsstufe mit bis zu 60% Kürzung der Regelleistung über starre drei Monate. Die dritte Sanktion innerhalb der Frist umfasst eine 100 Prozent-Kürzung der Leistung - also inklusive der Unterkunftskosten - und bedroht die Hilfebedürftigen mit Wohnungsverlust. Bei "Besserung" des Verhaltens des Sanktionierten kann die 100 Prozent-Kürzung vom Fallmanager "gelockert", d. h. verringert werden.

- Aufgrund der weit verbreiteten Willkür bei der Verhängung von Leistungskürzungen durch ALG II-Ämter und des Wegfalls des untersten Netzes zur Sicherung der Existenz (im Zuge der "Hartz IV-Reform") kann diese neue Sanktionsregelung als gesetzlich vorgegebener Weg in die Obdachlosigkeit bezeichnet werden.

- Neben dieser "Neuerung" soll eine flexible Handhabung des Sanktionszeitraums bei unter 25-jährigen die Skrupel der Fallmanager zur Verhängung der 100 Prozent- Kürzung verringern, so die Begründung in einem Papier aus dem Hause Müntefering.

- Abschreckende Sofortangebote

- Allen NeuantragstellerInnen sollen künftig sogenannte "Arbeitsangebote" noch vor Antragstellung unterbreitet werden. Bei dem, was die ALG II-Behörden zu bieten haben, können wir uns lebhaft vorstellen, wozu aktivierende Sofortangebote und aggressives Fallmanagement noch vor der Antragstellung gut sind: Die Hürden zum Leistungsbezug werden unerträglich erhöht. Menschen werden in existenziellen Notlagen ohne Leistungen dastehen.

- Vollständige Überwachung der Armen

- Die Pflicht der ALG II-Träger zur Einrichtung von Ermittlungsdiensten im Außeneinsatz wird zur verschärften rechtswidrigen Durchleuchtung der Privatsphäre von Leistungsberechtigten führen. Andere weitreichende Gesetzesänderungen sollen die Rundum-Überwachung von Erwerbslosen erleichtern. Sie sehen u. a. die Ausweitung des automatisierten Datenabgleichs vor und die Möglichkeit der Erhebung von Daten durch Dritte durch die Schaffung einer datenschutzrechtlichen Grundlage für Telefonabfragen (z. B. durch private Callcenter).

- Wilde Konstruktion von Unterhaltspflichten

- Nach einem Jahr des Zusammenlebens müssen zwei Menschen, von denen einer ALG II bezieht, füreinander aufkommen, denn sie werden als "eheähnliche" oder "gleichgeschlechtlich lebenspartnerschaftsähnliche" Gemeinschaft angesehen. Die Beweislast, dass diese staatliche "Unterhaltsvermutung" nicht zutrifft, liegt "bei den Angeklagten". Vermutlich wird dies das Ende vieler Patchworkformationen und kostengünstiger Zweckwohngemeinschaften sein, zumal wenn die "Eheähnlichkeit" auch für gleichgeschlechtliche Wohnformen gilt.

- Sonderunterhaltspflicht für Stiefelternteile

- In sogenannten Patchworkfamilien wird die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den nicht verwandten Stiefkindern eingeführt, die es im normalen Unterhaltsrecht nicht gibt. Damit werden solche Familienformationen gesprengt. Die Regelung ist verfassungsrechtlich problematisch und familienpolitisch eine Katastrophe, denn sie führt dazu, dass Stiefeltern zunächst für die nichtleiblichen Kinder der unverheirateten ALG II-beziehenden Partner aufkommen müssen, bevor der Unterhalt für die eigenen Kinder gezahlt werden "darf".

- Reduzierung der Vermögensfreibeträge

- Hier wird eine Absenkung der Freibeträge für frei verfügbare Vermögensrücklagen von 200 auf 150 Euro pro Lebensjahr vorgenommen zugunsten einer Erhöhung der Freigrenze für gebundene Rücklagen zur Altersversorgung auf 250 Euro pro Lebensjahr mit vertraglich festgelegtem Verwertungsausschluss. Mit diesem "Taschenspielertrick" werden Tausende aus dem Hilfebezug fallen, weil sie nun "plötzlich zu viel frei verfügbares Vermögen" haben, das erst aufgebraucht werden muss.

- Einschränkung der Freizügigkeit von ALG II-Abhängigen

- Bei von der ALG II-Behörde nicht anerkannten Wohnungswechseln wird für die neue Wohnung höchstens die Miethöhe der bisherigen Wohnung bezahlt. Arbeitslose und ihre Familien werden unter schlechten Wohnverhältnissen in den schlechtesten Vierteln festgehalten.

- Außerdem erfolgt keine Kostenübernahme der Unterkunftskosten bei unter 25-jährigen, wenn um- bzw. bei den Eltern ausgezogen wurde, um die Voraussetzungen für die Gewährung von ALG II herbeizuführen. Hierbei handelt es sich um das Schließen einer "Gesetzeslücke", um das Auszugsverbot für junge Erwerbslose abzusichern. Die Kontrollen gegenüber jungen ALG II-Betroffenen werden vermutlich stark ausgeweitet. Die vom Gesetzgeber (absichtlich) völlig unbestimmte Regelung schaff t Probleme bei der Antragstellung, weil im Zweifelsfall Anträge erst gar nicht angenommen oder bearbeitet werden.

- Anwendung der Erreichbarkeitsanordnung, aber keine Residenzpflicht

- Entgegen anderer Verlautbarungen handelt es sich um eine Klarstellung, dass ALG II-BezieherInnen sich im orts- und zeitnahen Bereich aufhalten müssen. D. h. nach gefestigter Rechtsprechung, sie müssen wie ALG I-BezieherInnen an Werktagen per Briefpost erreichbar sein. Zudem wird klargestellt, dass ein Anspruch auf dreiwöchigen Urlaub besteht - natürlich nach Absprache mit dem Fallmanager. Katastrophale Auswirkungen in der Praxis wird dagegen die im Gesetz gewählte Formulierung haben "Leistungen nach diesem Buch erhält nicht ..." wer die Voraussetzung der Erreichbarkeitsanordnung nicht erfüllt. Hier besteht die Gefahr, dass Erwerbslose, die postalisch nicht zu Hause erreicht werden, erst mal dauerhaft aus dem Leistungsbezug gedrängt werden.

Oben wurden lediglich die gravierenden Änderungen durch das eben beschlossene Fortentwicklungsgesetz dargestellt. Es ist abzusehen, dass bei der Revision von Hartz IV, die von UnionspolitikerInnen für den Herbst angekündigt wurde, die Schlinge um den Hals von ALG II-Betroffenen noch enger gezogen werden wird, wenn sich kein entschiedener Widerstand formiert.