Schwarze Katze Rundbrief 28.03.15

Freiheit ist die Möglichkeit zu leben, wie du willst.
Marcus Tullius Cicero

1.) Wenn du nicht Kunde bist, bist du das Produkt
2.) Eine schwarze Katze putzt sich
3.) Was passiert mit den Kindern, wenn ich einfahre?
4.) Knast als gewerkschaftsfreie Zone?
5.) Bürgerbüro und Bücherei Lendringsen schliessen
6.) Stoff zum Nachdenken - TTIP

1.) Wenn Du nicht Kunde bist, bist Du das Produkt!
Schwarze Katze AG Datenschutz

Viele Menschen freuen sich was kostenlos zu bekommen. Nichts bezahlt werden muss für E-Mail Adressen wie gmx, web.de, Soziale Netzwerke wie Facebook, Fotoseiten, youtube und andere Videodienste, twitter, google und unendlich viele andere Angebote. Ist doch prima, oder? Also anmelden und nutzen? Die Frage ist, ob das Ganze wirklich kostenlos ist und wie die Betreiber die ganzen "Wohltaten" finanzieren. Angestellte, Serverplatz, Hardware, Software, Programmierer, Kundendienst usw. wollen schließlich bezahlt werden.

Profit auf deine Kosten
Ist es wirklich vorteilhaft kostenlose Online-Angebote zu nutzen? Die profitorientierten Firmen streben keinen Verlust, sondern Gewinn an. Und zwar mit deinen Daten. Diese werden an Unternehmen für zielgruppenorientierte Werbung verkauft. Es gibt Methoden dir deine Kommunikation zuzuordnen, alles zu speichern und darauf zu einem späteren Zeitpunkt zuzugreifen. Wo ich mich aufhalte, wie meine Einstellung ist, was mich interessiert, was ich kaufe, all das ist für Staat und werbetreibende Wirtschaft aufschlussreich. Du gibst dem kostenfreien E-Mail-Anbieter die Erlaubnis dir Werbung zuzuschicken. Entweder kassiert dieser für die Werbung oder es gibt prozentuale Provisionen. Dann gibt es noch die Möglichkeit auf etwas kostenpflichtiges umzustellen, was oft durch Tricks geschieht. Ein falscher Klick bei Treue- oder Geburtstagsangeboten, keine rechtzeitige Kündigung und schon bist du deine Kohle los.

AGB lesen!
Meistens werden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht gelesen bevor man ihnen zustimmt. Dort steht beispielsweise, dass auf die Rechte an eigenen Fotos, Filmen und Texten zugunsten des Kostenlos-Anbieters teilweise oder ganz verzichtet wird. So wird dem Kostenlosanbieter die Erlaubnis gegeben, dass dieser sie selbst verwerten, unterlizensieren und weiterverkaufen darf. Das ist vielen nicht klar, die ein Video bei youtube oder einen Text bei facebook einstellen, mal schnell twittern oder eine Datei über ICQ rüberschieben. Viele Online-Firmen kassieren ab, sammeln als Datenkrake alles, was sie kriegen können, geben wichtige Informationen den Konzernen und dem Staat. Sie lassen sich nicht in die Karten schauen, wollen aber alles von anderen wissen und verwerten.

Kunde oder Produkt?
Sollte ich nicht lieber direkt bezahlen, statt hinten herum abgezockt zu werden? Bezahlen musst du so oder so, mit deinen Daten oder direkt. Da ist es besser, ein kostenpflichtiges Angebot bei einem kleinen alternativen Anbieter zu wählen, der nicht mit den Daten handelt. Oder sich zu überlegen, ob das alles wirklich nötig ist und es gleich sein zu lassen. Wichtig ist, genau zu schauen, wer der Anbieter ist und welchen Vertrag du eingehst. Wesentliche Einschränkungen sind oft im langen Vertragstext versteckt. Im Web hat niemand etwas zu verschenken. Ein gesundes Misstrauen ist angebracht. Überlegen und Hinterfragen sollte vor dem Handeln erfolgen. Wenn du nichts bezahlst, bist du nicht der Kunde. Du bist das Produkt, das verkauft wird. Wer nicht zahlt, wird verkauft.

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2.) Eine schwarze Katze putzt sich
Fotos: Schwarze Katze
Menden/Sauerland, Platte Heide

















3.) Was passiert mit den Kindern wenn ich einfahre???
Interim # 172, 05.12.91

Von vielen Eltern/Müttern haben wir mitbekommen, dass durch ihre Kinder, die Entscheidung, ob und was sie politisch arbeiten, wie sie sich bei Demos, bei Aktionen usw. verhalten, stark eingeschränkt wird. Uns selber geht es genauso. Es besteht eine permanente Unsicherheit: Wer versorgt unsere Kinder, wenn wir einfahren, wie können sie als Druckmittel gegen uns eingesetzt werden?

Wir haben uns hauptsächlich damit beschäftigt, wie die ’elterliche Sorge’ im Voraus auf andere, den Kindern vertraute Personen, übertragen werden kann, weil wir denken, dass die Unsicherheit, ob die Kinder ins Heim kommen, oder zu den verhassten Schwiegereltern oder sonst wem, mit dem wir auf keinen Fall einverstanden sind, ganz schön viel an zusätzlichem Druck für die einzelnen im Knast macht.

Wenn dies vorher soweit wie möglich geklärt und abgesichert ist, haben die jeweiligen Frauen und Männer, die Kinder betreuen, auch eine ganz andere Grundlage, sich für bestimmte politische Arbeiten zu entscheiden. Um eine genauere Einschätzung zu bekommen, was im Fall einer Verhaftung mit den Kindern geschieht, haben wir uns mit Anwältinnen zusammengesetzt. Bei den Gesprächen ist herausgekommen, dass es grundsätzlich nicht mehr üblich ist die Kinder vorschnell in Heime zuschieben; selbst das Jugendamt lehnt eine solche Praxis erst mal ab, stattdessen wird nach Möglichkeiten gekuckt, wie das Kind in ihrem/seinem gewohnten Umfeld bleiben kann. Das ist natürlich keine Garantie, aber bei den uns bekannten politischen Verhaftungen von Eltern ist so was wie Heim nicht gelaufen.

Im Falle einer verschärften Repression, ist es sehr wohl vorstellbar, dass das Kind zwangsuntergebracht ist, um die Eltern / Mütter zu "strafen" und unter Druck (Aussagebereitschaft?) zu setzen. Natürlich ist die Vorraussetzung einer korrekten Unterbringung der Kinder, dass es überhaupt mehrere Bezugspersonen für das Kind gibt!!! Darüber müsste sich mal allgemeiner in der "Scene" Gedanken gemacht werden, denn, wenn dies nicht der Fall ist, heißt das natürlich meist für die MÜTTER, dass sie aus Verantwortungsbewusstsein dem Kind gegenüber auf alle möglichen politischen Arbeiten verzichten müssen. Kind oder Politik – so getrennt muss das eigentlich nicht laufen, wenn andere bereit sind auch Verantwortung zu übernehmen!!!

Dies soll als Appell aufgefasst werden, sich mal im Bekanntenumfeld darüber auszutauschen, wie welche Kinder eigentlich versorgt werden, wo es notwendig ist die eine oder andere zu unterstützen. Wenn es mehrere Bezugspersonen, dann taucht da noch ein anderes Problem auf, nämlich, dass durch auseinanderbrechende Gruppen, WG’s ... die Bezugspersonen der Kinder öfter mal wechseln. Deshalb ist es wichtig, dass ihr Personen angebt, zu denen ihr grundsätzlich das Vertrauen habt, dass sie sich in eurem Sinne um eine gute Unterbringung und Versorgung des Kindes kümmern; dabei ist es egal, ob das Kind dann tatsächlich bei ihnen wohnt oder bei mittlerweile vertrauten Personen. Mit älteren Kindern kann das ja auch schon gemeinsam abgeklärt werden.

Wie übertrage ich die "elterliche Sorge" im voraus auf andere Personen??
Bei alleinerziehenden Eltern besteht oft eine Amtspflegschaft für das Kind. Es wäre gut diese sofort aufzuheben, damit sich im Falle einer Verhaftung nicht gleich das Amt einschaltet. Soweit wir wissen, ist die Aufhebung unproblematisch, wenn ihr kein Geld über die Unterhaltsvorschusskasse kriegt, und es keinen amtsbekannten Stress mit dem Vater gibt, das Amt also davon ausgeht, er zahlt und kümmert sich. Erkundigt euch, ob die Aufhebung bei euch möglich ist. Weiter bestimmt ihr mindestens 2 Menschen, die alternativ die "elterliche Sorge" für einen solchen Fall übernehmen. In einer ausführlichen, schriftlichen Erklärung begründet ihr, wie lange und intensiv diese Menschen das Kind schon kennen und warum ausgerechnet sie das Kind betreuen sollen. Eine solche Erklärung zeigt, dass ihr euch intensiv um das Kind kümmert, und kann vor Gericht, als Argument für euch verwand werden, falls euch unterstellt wird, ihr selber wärt ja gar nicht in der Lage gewesen, euch korrekt um euer Kind zukümmern. Diese Erklärung, sowie eine kurze Bestätigung der betreffenden Personen, sollte notariell beglaubigt werden und allen Betroffenen zugänglich sein. Wenn ihr die 2 Personen bestimmt, dann achtet nicht nur auf die Beziehung zwischen ihnen und dem Kind, sondern auch, dass eine der beiden in "geregelten Verhältnissen" lebt (gute Wohnung, Kinderzimmer, geregeltes Einkommen, genug Zeit usw.)

Was gibt es zu tun, wenn’s dann tatsächlich passiert ist? (3xHolz)
Ist Frau/Mann eingefahren sollte der Mensch, der das Kind versorgen wird, so schnell wie möglich zum Vormundschaftsgericht gehen. So wird erst mal verhindert, dass die Bullen das Kind abholen. Außerdem sollte eine Anwältin benachrichtigt werden, die sich um die Belange des Kindes kümmert. Kinder sollten bei Demo’s oder Aktionen nie alleine in der Wohnung gelassen werden. In den nächsten Wochen kommt das Jugendamt (Termin muss angegeben werden!) und überprüft die Verhältnisse, in denen das Kind lebt. Sowohl mit den Erwachsenen als auch mit dem Kind wird ein Gespräch geführt; mit dem Ziel, deren Beziehung untereinander beurteilen zu können. Deshalb ist es bei jüngeren Kindern schon wichtig, das zur angegebenen Person eine Vertrautheit besteht.

Ab 14 Jahren erhalten die Kinder ein Mitspracherecht vor Gericht. Die Kinder werden nicht gegen den Willen des Sorgeberechtigten zu ihren Großeltern oder anderen Verwandten gesteckt. Auch hier findet eine Überprüfung statt, ob zwischen Kind und Verwandten überhaupt eine intensive Beziehung existiert. Die Angehörigen würden wahrscheinlich als erste gefragt werden, ob sie bereit wären, das Kind aufzunehmen, wenn ihr nichts festlegt, aber automatisch gibt’s da keinen Vorzug.

4.) Knast als gewerkschaftsfreie Zone?
direkte aktion 226, Nov./Dez. 2014

Für die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern!

Seit Ende Mai dieses Jahres existiert die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO, vormals Gefangenen-Gewerkschaft der JVA Tegel). Das Agieren der GG/BO ist hinter Gittern formaljuristisch abgesichert und nicht angreifbar. Wo dennoch Angriffe bspw. gegen GG/BO-Sprecher versucht werden, greift die politische und juristische Gegenwehr. Das schafft die Voraussetzung, damit Knäste seitens der Gefangenen keine gewerkschaftsfreien Zonen mehr sind.

Zwei GG/BO-Forderungen stehen aktuell im Mittelpunkt: erstens der allgemeine flächendeckende gesetzliche Mindestlohn für Gefangenenarbeit und zweitens eine Rentenversicherung für Inhaftierte. Auf Sicht geht es um die Durchsetzung der uneingeschränkten Gewerkschaftsfreiheit in der Unfreiheit der Haft – inklusive Versammlungsfreiheit, Tariffähigkeit und Streikrecht!

Auf welchen Prinzipien gründet die GG/BO?

Gewerkschaftsarbeit tritt im Konkreten höchst unterschiedlich auf. Es gibt eine Vielzahl von Gewerkschaften und Interessenverbänden, die sich für bestimmte Personengruppen und deren Belange einsetzen. Allerdings lassen sich mehrere Wesenszüge benennen, die für eine gewerkschaftliche Tätigkeit charakteristisch sind. Eine Gewerkschaft wie die GG/BO bezieht im Wesentlichen sich auf drei Grundsätze:

1. Das Prinzip der Autonomie besagt, dass die GG/BO eigenverantwortlich und selbstbestimmt auftritt. Das schließt eine Parteilichkeit für die eigenen Interessen ausdrücklich mit ein.2. Das Prinzip der Umgestaltung der Verhältnisse beinhaltet, dass (tiefgehende) Veränderungen angestrebt werden, die zu einer Verbesserung der Situation der (arbeitenden) Gefangenen führen sollen. Neben den beiden Kernthemen (Mindestlohn und Rente) ist auf die Arbeitsbedingungen in den JVA-Betrieben zu zielen. In den Blick ist hierbei vor allem die Akkordhetze in Form der Stücklohnbezahlung in den so genannten Unternehmerbetrieben in den Haftanstalten zu nehmen.3. Und nicht zuletzt orientiert sich die GG/BO auf das Prinzip der Solidargemeinschaft (Zusammengehörigkeit, Gemeinschaftssinn). Auch wenn Inhaftierte aufgrund ihrer Herkunft und Vergangenheit höchst unterschiedlich sind, können sie an ausgewählten Punkten gemeinsame Interessen ausdrücken. Ein Gefühl von Einheit und Genossenschaft kann sich einstellen, was die „Gefangenenfront“ von innen heraus stärkt.

Welche Zielsetzung verfolgt die bundesweite Knast-Gewerkschaft?

Eine Ausweitung der GG/BO auf JVAs im gesamten Bundesgebiet hat – von der JVA Tegel-Berlin ausgehend – schnell stattgefunden. In einem halben Dutzend Knästen kann die GG/BO über ihre Sprecher Präsenz zeigen. In etlichen weiteren bestehen teils enge Kontakte zu Inhaftierten. Das Ziel ist klar: in keiner JVA soll die „soziale Schutzmacht“ der GG/BO fehlen. Des Weiteren sollen mit engagierten GewerkschafterInnen aus den Einzelgewerkschaften des DGB und den Basis-Gewerkschaften FAU sowie IWW enge Kooperationsverhältnisse eingegangen werden.

Die Gewerkschaftsgründung ist eine authentische Initiative aus dem Knast heraus. Darin liegt auch der zentrale emanzipatorische Akt von den Gefangenen. Diese Initiative erhält aber erst durch die zahlreiche und kontinuierliche Unterstützung außerhalb des Knasts ihre zusätzliche erforderliche Stabilität.Sowohl die bestehenden Bündniskonstellationen mit verschiedenen Gewerkschaften als auch der direkte Austausch mit KollegInnen der Unterstützungsgruppen vor den Anstaltstoren wie etwa in Köln und Berlin festigen das lokale, regionale und bundesweite Fundament, auf dem die GG/BO steht.

Volle Gewerkschaftsfreiheit im Knast durch die GG/BO durchsetzbar?

Die GG/BO setzt sich aktiv dafür ein, gegen Lohndumping sowie Hungerlöhne in den Haftanstalten politisch und juristisch vorzugehen. Diese Preisdrückerei wird von den Anstalten zynisch als Wettbewerbsvorteil angepriesen, um sich als besonders günstiger Akteur im Marktgeschehen in Szene zu setzen. Knäste werden so zu Sonderwirtschaftszonen, in denen arbeitsrechtliche Standards faktisch ausgehebelt werden. Konzerne funktionalisieren Knäste als verlängerte Werkbank und lagern bestimmte Tätigkeiten in JVA-Betriebe aus.

Der Kampf gegen prekäre Arbeitsverhältnisse kann nicht vor den Stahltoren der Haftanstalten Halt machen. Es gehört zu den ureigenen Aufgaben selbstorganisierter basisgewerkschaftlicher Initiativen, solche Zustände nicht nur anzuprangern, sondern abzuschaffen. Die Hebung der ökonomischen Klassenlage ist dabei ein Minimalziel.Schlussendlich geht es der GG/BO um die Erlangung aller Gewerkschaftsrechte hinter Gittern, die ihr vorenthalten werden sollen. Das bedeutet, dass inhaftierte und nicht-inhaftierte gewerkschaftliche AktivistInnen nicht auf Arbeitskampfmittel verzichten wollen, die zur „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ geeignet sind. Die Lohnfrage ist hierbei eine zentrale Thematik des wirtschaftlichen Kampfes und die Rentenfrage eine der sozialen Absicherung im Alter.Durchsetzbar werden diese legitimen, zugegebenermaßen sozialreformerischen, Forderungen dann, wenn sich Kräfteverhältnisse innerhalb und außerhalb der Knäste zu verschieben beginnen. Eine Stärkung der GG/BO verschiebt ebendiese Kräfteverhältnisse…

Oliver Rast

Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), www.gefangenengewerkschaft.de


5.) Bürgerbüro und Bücherei Lendringsen schliessen
Schwarze Katze, 16.12.13

Lendringsen, ein Ortsteil von Menden/Sauerland mit knapp über 7.500 Einwohnern hat ab dem 19.12.13 kein Bürgerbüro und seit dem 14.11.13 keine Zweigstelle der Bücherei mehr. Wer als Lendringser seinen Pass verlängern lassen möchte, eine Meldebescheinigung braucht oder ein Buch ausleihen möchte, kann dies nun nicht mehr in seinem Stadtteil tun, sondern muss nach Menden fahren. Das ist mit einem erhöhten Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Die Büchereizweigstelle hat ihre Bestände vor der Schliessung bis zum 12.12.13 zum Verkauf angeboten. Die Schwarze Katze sieht es kritisch, wenn Ortsteile ausgedünnt werden und kulturelle Bedürfnisse nicht mehr vor Ort gestillt werden können. In vielen anderen Dörfern und Stadtteilen sieht es ähnlich aus. Nicht nur in den Ortsteilen von Menden werden Geschäfte, Bildungseinrichtungen und kulturelle Stätten geschlossen. Für Ältere ohne Auto, Schüler oder prekär Beschäftigte, die auf den Öffentlichen Personennahverkehr und auf Geschäfte vor Ort angewiesen sind sieht es auf dem Land düster aus.

Wenn ein Bürgerhaushalt durchgesetzt wird, wo statt Politikern die Menschen vor Ort direkt über Einnahmen und Ausgaben entscheiden können, würden die Bürger sicherlich an anderen Dingen sparen als an Bildung, Kultur und städtischer Infrastruktur. Die direkt Betroffenen können besser über ihre Angelegenheiten entscheiden als Politiker und Verwaltungsbeamte, die von den Auswirkungen ihrer Entscheidungen nicht betroffen sind. Der Bund der Steuerzahler weist jährlich in seinem Schwarzbuch der Steuerzahler auf zahlreiche unsinnige und überflüssige Ausgaben der Städte hin.

Der Mendener Bürgermeister Volker Fleige sagte 2011 nach dem Sparvorschlägen von Stadt und Bezirksregierung: „Dieser Sanierungsplan beinhaltet bisher nicht gekannte Zumutungen.“ Die Bücherei-Leiterin Veronika Czerwinski bringt es auf den Punkt: "Ihr nehmt uns alles weg!". Menden spart 210.000 Euro im Kulturbereich ein, davon 100.000 Euro durch die Aufgabe der Lendringser Zweigstelle der Dorte Hilleke Bücherei. Die Lendringser Bürger sind zurecht aufgebracht. Wenn Stadt und Staat sich aus der Fläche zurückziehen, aber weiterhin Steuern kassieren, stellen sich immer mehr Bürger die Frage, wie sie ihre Angelegenheiten in die eigene Hand nehmen können.

Bürgerbüro und Bücherei in Menden-Lendringsen schliessen
Fotos: Schwarze Katze, 05.12.13



Bürgerbüro Lendringsen ist Geschichte


Büchereizweigstelle der Dorte Hilleke Bücherei Menden in Lendringsen


Stadtverwaltung Menden - Bürgerbüro Lendringsen


Büchereieingang


Flötenspieler auf dem Lendringser Platz spielt nicht mehr vor der Bücherei

6.) Stoff zum Nachdenken - TTIP
Umwelt & Macht, 11.03.15

STOFF ZUM NACHDENKEN

TTIP = "Taktik zur Transformation politische Initiativen in eine Profi-Protestkultur" ... ein paar kritische Gedanken

Es ist unheimlich. Niemand weiß so richtig, was in dem Vertrag stehen wird. Und was kann mensch dagegen schon tun? Alles unklar und keine konkreten Aktionsideen - das ist der Stoff, aus dem in heutiger Zeit die prägenden politischen Kampagnen entstehen: Angst und Ohnmacht formen eine Empörung ohne eigene Handlungsoptionen. Professionelle Bewegungsagenturen nutzen das aus und präsentieren sich als Rettung – gesetz dem Fall, dass genügend Menschen Geld spenden und so die scheinbar handlungskompetenten Apparate mit ihren aufgeblähten Hauptamtlichenbüros sichern. Damit verschärft sich, was ohnehin gerade läuft: Handlungsfähige Basisinitiativen lösen sich mehr und mehr auf oder werden zu reinen Zuarbeits-Vereinen für die Hauptamtlichenapparate namens Campact, Umweltinstitut und andere.

Die klassischen Umwelt-NGOs, von den modernen Massenmail-Agenturen ein wenig abgehängt, hecheln hinterher und bauen ihre Strategien nun ebenfalls auf diese Arbeitsweise um. Ziel ist hier nicht (mehr), die Menschen zum Widerstand zu ermutigen oder gar zu schulen (wer macht das eigentlich noch?), sondern Herden bereitwilliger Spender_innen aufzubauen und zu unterhalten, damit der Euro rollt. Keine Frage: Hier wächst zusammen, was zusammen gehört. Denn die Masse der Menschen ist müde, ausgebrannt, fühlt sich ohnmächtig – zumindest die, die länger dabei sind. Die jüngeren Aktiven sind oft ohnehin auf Internetklicks fixiert und in ihrem Leben gewöhnt, nicht selbst die Dinge zu organisieren und bei Bedarf auch zu ändern. So entsteht ein Geben und Nehmen im doppelten Sinne: Die einen geben Geld – richtig viel Geld -, welches in den riesigen Hauptamtlichenapparaten versickert. Aber es wirkt auch umgekehrt, denn die Spender_innen bekommen auch etwas von Campact, Umweltinstitut & Co. – nämlich das gute Gefühl, trotz Wenig- oder Nichtstuns aktiv zu sein: Durch Spenden, Unterschreiben, Klicken. Vermeintliche Erfolgsmeldungen aus den Bewegungsagenturen erhalten dieses gute Gefühl. Insofern ist es tatsächlich Geben und Nehmen: Geld zahlen, dafür gutes Gefühl bekommen. Für den Widerstand ist das fatal – und TTIP ist eine Extremform dieser Entwicklung. Das Thema ist für den beschriebenen Trend bestens geeignet, weil ohnehin niemand recht weiß, worum es überhaupt geht und wie mensch aktiv werden könnte. Also bleibt nur: spenden, Veranstaltungen machen, die Massenmails der irgendwie schlauer wirkenden und sich so darstellenden Hauptamtlichenapparate weiterleiten (am besten 10x über alle möglichen Mailverteiler – viel hilft bestimmt viel …) – und ansonsten die eigene Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit kultivieren. Ach, was waren das noch für anstrengende Zeit, als wir gegen Genfelder, Tierhaltungsanlagen, Autobahnen, Stromtrassen oder für eine Entprivatisierung von Wasser- oder Energienetzen stritten. Als wir uns dem Castor entgegenwarfen oder eine Abschiebung verhinderten. Davon ist viel vorbei – und TTIP ist ein Sargnagel beim Tod handlungsfähiger Bewegung.

Doch Ohnmacht ist nicht das einzige, was die Debatte um das TTIP auslöst und dem Umbau politischer Bewegung in einer Hauptamtlichen-Spenden-Logik fördert. Die inhaltliche Unbestimmtheit bietet den optimalen Humus für vereinfachte Welterklärungen aller Art. Als die Debatte aufkam, wurde vor allem mit der Angst „argumentiert“, dass die tollen EU-Standards durch die schlechteren US-Standards verdrängt würden. Das ist nicht nur falsch (z.B. das Haftungsrecht ist im angloamerikanischen Rechtsraum viel schärfer), sondern schildert auch das Ziel des TTIP völlig falsch. Es geht um eine Machtverschiebung zugunsten der Konzerne und auf Kosten der Menschen. Ob es europäische oder US-Konzerne sind, die dann davon profitieren, ist völlig egal. Doch das ist offenbar zu kompliziert. Antiamerikanismus zieht in Deutschland mehr. So verteilte Campact auf der diesjährigen Demo „Wir haben es satt!“ industriegefertigte Fahnen (in einem Land billig gedruckt, mit dem Deutschland ein Freihandelsabkommen hat???) mit zwei Symbolen, die als Monster Angst schüren sollten: Monsanto und der Dollar. Das ist primitiver Antiamerikanismus … die Menschen haben die Fahnen massenweise geschwungen.

Der Protest gegen das TTIP wird aus zwei Gründen die Debatte noch lange prägen. Erstens ist es das gefundene (Spenden-)Fressen für die modernen Bewegungsführungen. Sie können große Massen von Menschen zu bereitwilligen Melkkühen machen. Vorbei ist das Zeitalter, wo sie sich Bedrohungen durch vermeintliche Neuzulassungen von Genpflanzen ausdenken mussten, um die dadurch schockierten Menschen zum Spenden zu animieren. Ja, wirklich, ihr habt euch nicht verlesen: Campact, Umweltinstitut und andere sind derart geldgierig, dass sie sich Bedrohungen manchmal auch ausdenken, um an euer Geld zu kommen. Dummerweise haben sie damit auch noch Erfolg und kaum jemand wird auf Demos wie „Wir haben es satt!“ so bejubelt wie die Leute, die mit Panikmache, Erfindungen und professioneller Inszenierung eigener (vermeintlicher) Erfolge die Spendengelder locker machen – euer Geld! TTIP steigert das ins Unendliche: Ihr habt gar keine eigene Aktionsmöglichkeit, die großen Hauptamtlichenapparate erscheinen euch als Rettung. Das lässt die Kasse klingeln.

Zweitens aber ist gerade die Unbestimmtheit von TTIP gut für die hohe Akzeptanz des Protestes dagegen. Denn wir leben im Zeitalter der vereinfachten Welterklärungen. TTIP passt nicht nur zum weit verbreiteten Antiamerikanismus, sondern auch zu den sich ausbreitenden Behauptungen über Weltverschwörungen, neue Weltordnungen usw. Nicht, dass die Mächtigen in Nationen, Institutionen, Konzernen und den sie überlagernden Seilschaften untätig herumsitzen. Natürlich basteln sie an allen möglichen Strategien, noch mehr auszubeuten, noch mehr zu kontrollieren, noch mächtiger und reicher zu werden. Das ist der Impuls eines Systems, welches (fast) alle Menschen dazu zwingt, sich konkurrierend gegen andere durchzusetzen und aus Geld mehr Geld zu machen. Dass dieses System existiert und die Mächtigen genauso antreibt wie uns, ist aber sehr breit akzeptiert und wird kaum kritisiert. Die meisten derer, die diesen Text lesen, sind unterstützender Teil dieses durch und durch unmenschlichen Systems. Deren Nutznießer_innen aber dürften sich freuen, dass wir uns immer mehr mit absurden Gerüchten über die neue Weltordnung beschäftigen. Völlig egal ist, ob die stimmen oder nicht – es macht uns ohnmächtig. Es gibt da keine Handlungsoptionen. Wir können nur denen Geld spenden, die uns versprechen, uns zu retten. Dummerweise sind die dann Teil des ewigen Spiels um mehr Profit und werden nach immer Geld streben (hier: Spenden) – da sind Campact, Greenpeace, BUND und andere nicht anders als Karstadt, Daimler, BASF oder Tupperware. TTIP passt wunderbar in das Gedankenmodell der Verschwörungen, denen wir ohnmächtig gegenüber stehen. Und in diesem Sinne, perverserweise, ist unser ohnmächtiger Hass auf „die da oben“ genau das, was „die da oben“ brauchen. Wir machen uns selbst zum Kaninchen vor der Schlange. TTIP nimmt uns die letzte Kampffähigkeit. Dabei müssen wir nicht aufhören, auch gegen solche Konzernmachtübernahmen zu kämpfen. Aber wir müssen wieder lernen, dass politische Aktion am Konkreten das Symbolische angreift. Gegen den Castor, weil wir eine andere Energiepolitik wollen. Gegen den konkreten Knast vor Ort, weil uns Strafe und Disziplinierung nicht gefallen. Gegen die Genehmigungsbehörde oder das konkrete Genversuchsfeld, weil uns die Landwirtschaftspolitik nicht passt. Usw. Der Widerstand gegen das TTIP ist, wenn er so weiterläuft wie bisher, eine weitere Beerdigung handlungsfähiger Bewegung – und der weitere Ausbau geldgeiler Hauptamtlichenapparate in Berlin, Hamburg, Verden, München oder sonst wo.


Emanzipatorische Gentechnikkritik:
www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm