Zunehmender Leistungsdruck in Schule, Studium und Ausbildung. Stress und sich verschlechternde Bedingungen am Arbeitsplatz und im Jobcenter. Probleme mit Behörden und Polizei, Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Verhältnisse, in denen Du lebst, erscheinen Dir grundverkehrt, und Du denkst, die Dinge müssen verändert werden?
Ständig stoßen wir im Streben nach Verwirklichung unserer
Wünsche und Interessen auf Hindernisse, Beschränkungen und
Vorschriften. Sei es, wie und wo wir unsere (Frei-)Zeit verbringen
wollen, die Möglichkeit am Aussehen unseres Stadtteils mitzuwirken
oder sei es die Gestaltung unseres Arbeitsplatzes. Und obwohl wir
alle mit ähnlichen oder gleichen Bedingungen und Herausforderungen
konfrontiert sind, fühlen wir uns oft auf uns allein gestellt und
hilflos. Dabei gibt es viele Menschen, die von den selben Problemen
betroffen sind, die die selben Wünsche, Interessen, Ängste und die
selbe Wut im Bauch haben.
Immer wieder können wir sehen, wie Menschen ihre Umgebung konkret verändern und gestalten. Sie finden sich zusammen und organisieren Projekte zur Verbesserung von Lebensumfeld und -bedingungen. Beispielsweise durch Initiativen von Jugendlichen, als Bewohner_innen von Stadtteilen oder in anderen selbstorganisierten Gruppen, die sich zusammen in Bewegung setzen. So hängt die Existenz von Jugendhäusern, Proberäumen, Skate- und Spielplätzen, Graffitiwänden und anderen unkommerziellen Alternativen oft vom Einsatz der Menschen vor Ort ab – auch wenn gesetzliche Hindernisse und politische Ignoranz im Weg stehen.
Vielleicht hast Du dich auch schon an Demonstrationen und einzelnen Kampagnen beteiligt und jetzt willst Du mehr. Denn nicht nur im Kleinen können wir direkt Einfluss nehmen: Viele Verbesserungen von Arbeitsbedingungen, „soziale Absicherungen“ und Schritte in Richtung Gleichberechtigung konnten nur durch freiwillige Organisation von Menschen und langen Kampf gegen Widerstände erreicht werden.
Allein geht das nicht und natürlich lassen sich Probleme nicht über Nacht lösen. Daher ist es wichtig, sich zu organisieren und aktiv für seine Vorstellungen und Rechte einzutreten. Andere sitzen vielleicht nur eine Straßenecke weiter und machen sich die gleichen Gedanken. Zwei bis drei Gleichgesinnte zu finden ist gar nicht so schwer und gemeinsam kann man sich auf die Suche nach mehr begeben. Eine Lösung wäre, selbst eine neue Gruppe zu starten oder sich einer bestehenden Struktur anzuschließen. Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, die (Um-)Welt zu verändern, um eine freie, gerechte und menschliche Welt zu schaffen – vor allem, wenn sich Menschen zusammentun, um die Veränderungen gemeinsam zu tragen und voranzutreiben. Es kann zwar anstrengend sein, sich politisch zu engagieren und zu organisieren. Es ist aber auch befreiend und motivierend, wenn etwas erreicht wird und es Spaß gemacht hat.
Und keine Angst vor Rückschlägen oder Fehlern: einfach aus ihnen lernen!
Es stimmt, wir leben in einer visionslosen Zeit - leider. Für viele Menschen enden »Visionen« bei der konsumorientierten Ausgestaltung des nächsten arbeitsfreien Wochenendes. Und wer noch nicht den Traum einer geileren Welt jenseits von Markt und Staat aufgegeben hat, stößt vielerseits auf Ignoranz, aber auch auf berechtigte Kritik. Da wir denken, dass Utopien für gesellschaftliche Veränderungen unentbehrlich sind, ist es gerade wichtig, sich mit Kritik auseinander zu setzen, sie anzunehmen oder zu widerlegen und Fehler zu korrigieren. Ebenso notwendig ist es, immer wieder zu begründen, warum Utopien so wichtig sind, damit sie nicht zum blinden Selbstzweck werden. Einen Beitrag dazu möchten wir mit diesem Text leisten.
Die Frage ist, ob Utopien dazu führen, dass mensch sich immer mehr in weltferne Träume flüchtet. Die Gefahr ist nicht zu leugnen: Wenn Utopien zur bloßen Wunschwelt im eigenen Kopf erstarren, um überhaupt noch mit der beschissenen Wirklichkeit fertig zu werden, führt das nicht zu aktiver Veränderung - sondern zur Flucht, welche nur den ganzen Quatsch stützt, vor dem mensch sich wegträumt. Dass kann aber nur dann passieren, wenn Visionen ganz allein gesehen werden, als etwas Außenstehendes, über das nur in Theoriezirkeln gerdet werden kann.
Was fehlt: Aktion! Notwendig ist es daher, Visionen im Verbund mit Widerstand, mit Direkten Aktionen, veränderndem Handeln zu denken und auch auf diese Weise umzusetzen! Es hat sich in der Vergangenheit als naiv erwiesen, in aufklärerischer Manier darauf zu hoffen, dass sich die Utopien von selber durchsetzen. Um utopische Enwürfe in gesellschaftliche Diskussionen einbringen zu können, Menschen überhaupt noch zu erreichen, ist es notwendig, den Trott des alltäglichen Wahnsinns zu durchbrechen: Es geht darum, mit einfallsreichen Direkten Aktionen (Blockaden, Torten...) Aufmerksamkeit zu erzeugen und diese Risse mit unseren Inhalten, Visionen zu füllen. Die betroffenen Menschen sind so viel eher bereit, diese an sich heran zu lassen - sei es aus Wut, Verwunderung oder Neugier. Ansätze dafür, wie diese Verbindungen sinnvoll hergestellt werden können, existieren schon und warten auf breite Resonanz, auf praktische Umsetzung - durch uns!
Was weiter fehlt sind Strukturen, die uns mit unseren Ängsten, Problemen und Träumen auffangen. Denn was ganz wichtig ist: Für uns und andere Menschen muß erleb- und vermittelbar werden, dass Utopien nicht das ganz ferne Morgen sind, sondern etwas, mit dem wir schon heute anfangen können. Freiräume, Projekte, Widerstandsnetzwerke können durchaus eine gelebte Utopie sein. Und wer konkretes Handeln, z.B. gegen Autobahnneubau im größeren Kontext einer gemeinsamen, autoarmen - bzw. freien Utopie setzen kann, kann daraus wieder Durchhaltekraft ziehen, die für uns sicher notwendig ist. Der Traum ist nichts ohne den Einsatz für den Traum!
Einer der ältesten Vorwürfe ist der, dass Utopien eine Abwendung vom rationalen Denken hin zu idealistischer »Spinnerei« seien. Für uns ist die Frage schon falsch gestellt, weil sie einen Gegensatz aufbaut, den wir so nicht sehen: die schonungslose, selbstkritische Analyse der bestehenden Gesellschaft und Vorstellungen einer anderen Welt schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich, gehören untrennbar zusammen.
Beide für sich führen irgendwann ins Leere: Entwürfe für eine andere Gesellschaft kommen nicht ohne eine Analyse der bestehenden aus, denn wer nicht versteht, warum Ausbeutung von Mensch und Natur, warum Machtstrukturen und Herrschaft existieren, wird diese nie verändern können. So können Visionen zwangsläufig nur als Flucht vor der nicht erkannten Wirklichkeit enden. Und ebenso braucht eine Analyse utopische Funken, um über das hinaus zu weisen, was kritisiert wird, Menschen Perspektiven aus den schlechten Verhältnissen anzudeutet! Wer z.B. keine Vorstellung von einer Welt ohne Autos hat, muß fast zwangsläufig vor Autobahnen und Betonwüsten resignieren. Denn es liegt einfach zu nahe zu sagen: »mensch ist das doof - aber es ist halt so.« Das ist der Punkt, wo Analyse und Utopie verknüpft werden können, um Teil emanzipatorischer Politk sein zu können.
Wir finden es falsch, Utopien und Träume abzulehnen, weil sie etwas mit Emotionen zu tun haben - dass ist keine Absage an Rationalität, aber an ein aufspaltendes und reduzierendes Menschbild, dass Gefühle verteufelt, verdrängt und unterdrückt: Widerstand und das Streben nach einer freien Gesellschaft stützt sich nicht allein auf Einsichten, sondern auch auf unsere Wut, Hass, Spaß und Wünsche! Wenn dafür kein Platz ist, ist für uns kein Platz!
Und auf die Frage, ob Utopien nun Quatsch sind, können wir nur noch herbei zitieren: »Auch in Form von Hirngespinsten tragen sie in sich ein Körnchen Realität. Denn vieles wird gerade zu bestimmten Zeiten vorstell- und denkbar. In der Realität wachsen den Utopien Latenzen zu; es entstehen Möglichkeiten des "Noch-Nicht". Diese Möglichkeiten lassen sich nicht mehr als "bloß utopisch" negieren, sondern warten auf das handelnde Eingreifen der Menschen.« (A. Schlemm, »Macht was ihr wollt!«) So bezieht z.B. die Utopie eines arbeitsfreien - bzw. arbeitsarmen Lebens ihre (Überzeugungs-)Kraft aus der realen Chance, die Produktion durch hochmoderne Technik zu automatisieren.
Viele Menschen kritisieren, dass visionäre Entwürfe selbst wieder starre Gegenbilder vorgeben würden, die keinen Raum zur eigenen Ausgestaltung lassen, von wenigen stammen und vielen aufgedrückt werden. Dieser berechtigte Verdacht bezieht sich insbesondere auf extrem genau durchdachte Entwürfe wie z.B. Ökotopia und Panokratie. Wir sehen es auch als Problem, wenn Visionen nur von einzelnen Menschen entwickelt werden, da dort eine gleichberechtigte Kommunikation vieler fehlt und soziale Rollen, in diesem Falle die der TheoretikerIn, zementiert werden. Und Utopien, die nicht in der Auseinandersetzung von Gruppen und Einzelpersonen wachsen, können zwangsläufig nur von außen an eine Bewegung heran getragen werden.
Eine Utopie einer Gesellschaft, die in sich Gleichberechtigung und Selbstorganisation tendenziell schon verwirklicht, kann daher nur entstehen, wenn sie von allen Menschen getragen werden kann - als selbstorganisiertes Projekt. Unterschiede und Eigenheiten dürfen trotz gemeinsamer Ziele nicht verwischt werden. Dazu muß die Rollenaufteilung in AktivistInnen und TheoretikerInnen aufgehoben werden: Nicht am Schreibtisch, sondern in Austausch und Auseinandersetzung von aktiven Menschen und Gruppen selbst könnten diese Gegenbilder entwickelt und weiter entwickelt werden. Dabei kann das Internet unterstützend sein, Erfahrungen haben aber gezeigt, dass nicht-virtuelle Treffen unersetzbar und viel intensiver sind - also bitte mehr davon!
Die Vision: eine bunte, offene Utopie, die aus und in der Bewegung entsteht, in der sich unterschiedlichste Ansätze treffen und treffen können und die eine Vernetzung von - trotz gegenteiliger Bemühungen - immer noch recht isolierten Teilbereichskämpfen bewirkt. So könnte die gemeinsame Vision einer Gesellschaft jenseits von Verwertungslogik und Rollenzwängen Menschen aus verschiedenen Zusammenhängen (Anti-Atom, Anti-Gentech, Kinderrechte, Anti-Kapitalismus und Anti-Sexismus / Gender) nicht nur gedanklich stärker verbinden - ohne die Autonomie der einzelnen Aktionsfelder einzuschränken.
Aus disem Grunde ist es bedeutsam, dass wir in Utopien nicht die letzte Antwort oder die zu Ende gedachte Lösung sehen, sondern etwas Unfertiges, Prozesshaftes, das sich mit den praktischen Veränderungs - und Diskussionsprozessen weiter entwickelt kann. Neuere, eher fragmentarische Utopien wie bolo-bolo, die viele Fragen und Antworten offen lassen, weisen da schon in die richtige Richtung - wenn auch die Diskussion noch breiter, offener und vielfältiger sein könnte. Wenn wir Utopien als Teil des Kampfes für ein freies Leben begreifen, dann müssen sie auch hinterfrag - und veränderbar sein! Allein schon deswegen, weil wir unsere Gegenbilder vor dem Hintergrund der Gesellschaft entwickeln, die wir verändern bzw. überwinden wollen. Mit diesem Widerspruch und einem möglichen Umgehen damit schliddern wir in den nächsten Absatz...
Ein Einwand gegen Visionen ist, dass es unmöglich sei, eine andere, freie und ökologische Gesellschaft zu denken, da unser Denken völlig von der Welt, wie sie ist, bestimmt wird. Und der zweite Teil des Einwandes ist ohne Zweifel zutreffend: So ist z.B. in vielen Visionen die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau beibehalten worden, ebenso wie in älteren Utopien oft eine technikritische und ökologische Perspektive fehlt. Dennoch finden wir es falsch, diese einfach als Ganzes zu verdammen. Wir alle stecken in der Gesellschaft samt ihren Zwängen, die wir verändern und überwinden möchten - auch an uns selbst. Und es ist klar, dass unsere Vorstellungen einer geileren Welt durch die Brille der alten entstehen. Anders gesagt: Utopien richten den Blick auf eine bessere Zukunft, aber wir sehen dieses andere Leben immer aus den getrübten Augen einer miesen Gegenwart!
Wir sehen darin keinen Grund, jede Utopie zu verwerfen, sondern einen viel größeren, ehrliche, gemeinsame Reflexionen und Auseinandersetzungen voran zu treiben, um uns diese Widersprüchlichkeiten immer wieder bewusst zu machen. Nochmal: Die genannte Kritik ist richtig, absolut gesetzt schließt sie jedoch radikale Umbrüche völlig aus: Ein Verzicht auf Gegenbilder würde bedeuten, uns die Chance zu nehmen, Veränderung zu denken, die über eine herrschaftsförmige Gesellschaft hinaus weist und damit auch die praktische vorbereitet. Abschließend noch zwei Sätze dazu: Das System kann (über-)leben, weil es die Fähigkeit der Menschen verschüttet, phantasievoll zu sein, mit ihren Gedanken und Träumen kleine Risse in den gesetzten Rahmen zu denken, wo dann Neues, Anderes entstehen kann. Ohne den Traum kann der Traum nicht Wirklichkeit werden.
Eine Bewegung von unten mit realistischer Perspektive ist nicht denkbar ohne Zielvorstellungen und Visionen, die nicht auf Markt, Staat und autoritäre Strukturen setzen - sondern auf Menschen, freie Vereinbarungen und kollektive Selbstorganisation. Anders kann aus unserer Sicht der Orientierungs - und Perspektivlosigkeit sozialer Bewegungen nicht entgegen gewirkt werden. Dabei sind wir mit den schon benannten Schwierigkeiten konfrontiert, Gegenbilder...
- nicht am Schreibtisch - sondern in kontinuierlichen, gemeinsamen Diskussionsprozessen entstehen zu lassen. Ziel ist ein selbstorganisierter Enstehungsprozess von vielen.
- an ihre reale Umsetzung zu knüpfen, als Teil des Prozess zu sehen - und zu leben!
- zu entwerfen, die gemeinsame Ziele setzt, ohne die Unterschiede der agierenden Gruppen auszulöschen. (eine Welt mit Platz für viele!)
- in Zusammenhang mit Direkter Aktion zu setzen, um Visionen an Menschen heran zu tragen und in öffentliche Diskussionen einzugreifen. Denken, träumen, handeln!
Dass die entstehende Bewegung von unten von diesem Anspruch meilenweit entfernt ist, ist ein offenes Geheimnis. Die bisherigen Versuche, eine (zugangs-)offene Utopie zu verwirklichen sind auch daran gescheitert, dass es kaum bis keine Beteiligung gab. Und gerade das finden wir schade, weil es wenige aktive Leute auf eine zugewiesene Rolle fest legt. Die Lösung dieses Problems kann dieser Text nicht anbieten. Denken, träumen, handeln - die Utopie selbst in die Hand nehmen.
Überrascht hat uns aber nicht, dass diese Demonstration für Dortmund verhältnismäßig viele Menschen aus dem autoritär-sozialistischen Spektrum anzog. Ca. 15-20 Menschen von Linksjugend, SAV und Die Linke fanden sich bei der Demo zusammen.
Geschuldet ist dies verschiedenen Punkten: Der Thematik, einer nicht eindeutig kommunizierten anti-autoritären Ausrichtung und letztendlich die Duldung von autoritären Kräften auf der Demo, sowie die generelle Verwobenheit von autoritärer und anti-autoritärer Linken.
Während der Demonstration wurde auf antiparlamentarische Parolen immer wieder von dem beschriebenen Zusammenhang geantwortet. Von den übrigen Teilnehmer*Innen wurde dies entweder einfach nicht beachtet oder eher als Zankerei und nicht als inhaltliche Auseinandersetzung (wenn auch nur in Parolen) betrachtet.
Erstaunlich, geht es doch in Griechenland genau um diesen Konflikt zwischen Basisbewegungen und Parlamentarismus. Aktuell erleben wir (wie so oft in der Menschheitsgeschichte) in Griechenland das Zusammenbrechen der parlamentarischen Illusion als Weg der Befreiung. Viele Menschen haben nachdem sie auf der Straße kämpften und in Nachbarschafts- und Basisbewegungen aktiv waren und jegliche Hoffnung in den Parlamentarismus verloren. Mit dem Aufkommen von Syriza wurde diese Hoffnung wieder von neuem genährt, denn Syriza hat es geschickt verstanden Basisbewegungen für sich zu vereinnahmen und den Widerstand gegen die frühere Regierung als Wahlkampf für sich zu nutzen. Nach der Wahl von Syriza wird offensichtlich was die anarchistische Bewegung in Griechenland schon immer betonte. Zuerst geht Syriza eine Koalition mit der rechtspopulistischen Anel-Partei ein und jetzt akzeptiert sie noch rigidere Sparmaßnahmen. Während dieselben (Nazi-)Bullen weiter die Proteste auf der Straße niederschlagen. Und alles unter dem Deckmantel von „Real“politik.
Wenn jetzt Leute entgegnen, dass die KKE für echte Veränderung stehen würde, dann müssen wir zustimmen. Aber Stalinismus wird sicherlich nicht zu einer freiheitlichen Gesellschaft führen.
Im Zuge dieser Situation in Griechenland, dem offensichtlichen Konflikt zwischen linkem Parlamentarismus und Basisbewegungen, ist es verwunderlich, dass dieser Konflikt kaum eine Rolle auf der Demonstration gespielt hat.
Sich nicht zu diesem Punkt zu äußern, diesen Konflikt nicht zu thematisieren, ist für uns keine Option, denn somit überlasst man autoritären Kräften das Feld. Woran liegt es, dass ein eigentlich sehr passendes Thema nicht dazu genutzt wurde, die Unterschiede zwischen den verschieden Positionen aufzugreifen.
Denn als Schwesterpartei von Syriza unterscheidet sich „Die Linke“, ihre Jugendorganisation Solid und ihre freudigen Unterwander*Innen von der SAV, genau an solchen Widersprüchen wie sie in Griechenland zu Tage treten, nur wenig.
Das die Widersprüche hier in Deutschland noch nicht so offen zum Tragen kommen, liegt nicht daran, dass das Verhältnis von z.B „Die Linke“ zu Basisbewegungen grundsätzlich anders als in Griechenland ist, sondern an der generellen Schwäche von revolutionären Bewegungen in Deutschland. Hätten revolutionäre Gruppierungen eine größere Relevanz und einen größeren Einfluss auf gesellschaftliche Abläufe würde dies unserer Meinung nach irgendwann auch hier in einem offenen Konflikt münden.
Für uns ist es daher keine Option diesen Differenzen solange wie möglich aus dem Weg zu gehen, sondern einen Diskurs über autoritär-sozialistische Gruppen in Gang zu setzen. Die Lehren, die Genoss*innen in vielen anderen Ländern und zu anderen Zeiten machten, wollen wir nicht unberücksichtigt lassen.
In der radikalen Linken ist es normal das aus einem diffusen antikapitalistischen „Konsens“ autoritäre Gruppen ohne Probleme ihr Unwesen treiben können. Die Linke, welche beispielsweise im Landtag von Berlin weiter abschieben lässt, dulden wir genauso wenig, wie die Rechten, die noch darüber hinausgehen wollen. Klar will „Die Linke“ nicht abschieben lassen, aber die „Realpolitik“ und geringer Spielraum für Veränderungen, lassen eine emanzipatorische Politik nicht zu. Für uns verläuft die Trennlinie nicht zwischen links-rechts, sondern zwischen autoritär-antiautoritär. Parlamentarische Kategorien sind keine in denen wir argumentieren. Auch wenn in der Linken von einem gemeinsamen Kampf geredet wird, bleibt am Ende doch nur das diffuse „Anticapitalista“ übrig
Für
uns ist es wichtig sich dieses Spannungsfeldes bewusst zu sein.
Einige Vorschläge was dies für unsere Praxis bedeuten kann:
-
Grundlegende anti-autoritäre Ausrichtung
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eigene Position bei Aktionen deutlicher herausstellen
-
generellen Diskurs zu autoritärem Sozialismus/Kommunismus anstoßen
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autoritäre Gruppen aus emanzipatorischen Zusammenhängen/Strukturen
ausschließen
Uns ist bewusst, dass es an der Basis von vielen autoritären Gruppierungen einige Menschen gibt, die unseren Ideen nahe stehen oder neu politisiert wurden. Es kann also nicht darum gehen, gegen einzelne Leute offensiv vorzugehen, sondern mit Fingerspitzengefühl und der Situation angemessenen Methoden sich deren Ideologie entgegen zu stellen, um sie möglicherweise auch mit unseren Inhalten zu erreichen und das Erstarken von autoritären Strukturen zu verhindern.
-
unseren Diskurs in nicht gefestigte autoritäre Strukturen bringen
Den
Bruch mit der autoritären Linken vorantreiben – antiautoritäre
Inhalte stärken!
Danke an die Organisator*Innen der Demonstration!
Einige
Anarchist*Innen aus Dortmund
weitere
interessante Diskussionsbeiträge zu der Thematik:
http://www.anarchie-mannheim.de/schriftenreihe/01_Ist_der_Anarchismus_links.pdf
http://lowerclassmag.com/2015/07/der-tod-des-reformismus/
http://lowerclassmag.com/2015/07/kapitulation-widerstand-revolutionaerer-bruch/
http://crimethinc.blogsport.de/2015/03/11/syriza-kann-griechenland-nicht-retten/
https://linksunten.indymedia.org/de/node/148339