Beim Barte des Propheten! - Aufregung um einen Cartoon.
Libertäre Presse Agentur, 02.02.06, RGL für LPA

(lpa) Wie es ein kleines Gekritzel nicht nur bis in die Schlagzeilen, sondern bis auf die Bühne der Weltpolitik schaffen kann, bekommen wir in diesen Tagen drastisch vor Augen geführt. Unisono regt sich die islamische Öffentlichkeit bis in die Spitzen der Politik über einen dänischen Cartoon auf (ich kenne diese Zeichnung nicht), der als Objekt den Stifter des Islam, Mohammed, haben soll und ihn angeblich mit Terrorismus in Verbindung bringt.

Nun kann man Mohammed beileibe nicht nachsagen, daß er ein Feind des bewaffneten Kampfes gewesen sei, und der Koran wimmelt von martialischen Kampfaufrufen und Abmurksphantasieen gegen Ungläubige, aber warum M. in einen terroristischen Kontext gestellt wird, bleibt das Geheimnis des Zeichners. Vermutlich hat dieser naiverweise Mohammed als stellvertretende Figur für den bewaffneten und terroristischen Islamismus hergenommen, ohne zu ahnen, welche Gefühlswallungen er damit bei den "wahren Gläubigen" (Ausdrucksweise des Koran) auslöste.

Schon im muslimischen Buch der Bücher wird den Spöttern und Ungläubigen gebetsmühlenhaft das tiefste und andauernste Höllenfeuer in Dschehannam prophezeit, also denen die den Propheten nicht für voll nahmen und wagten über ihn zu witzeln. Dies wird zweifelsohne nun auch dem armen dänischen Cartoonisten glühen.

Allerdings bezweifele ich, daß dies der erste Cartoon dieser Art in der westlichen Welt war. Alleine die Zeichnungen die dem tollen Chomeini gewidmet waren, füllen wahrscheinlich ganze Folianten. So stellt sich denn die Frage, warum das ganze Geschrei ausgerechnet jetzt sich zu einem Ceszendo steigert und fanatischen Glaubenseifer, gepaart mit Morddrohungen produziert. Massendemonstrationen, angeheizt von diesem kleinen Fidibus aus einer dänischen Zeitung, blockieren die Straßen der Hauptstädte der islamischen Staaten. Arabische Länder dröhnen auf einmal unisono und konzertiert gegen den westlichen Meinungsliberalismus. Botschafter werden hin- und herzitiert und zurückgezogen. Dänischer Hering und TUBORG alkoholfrei ist jetzt tabu in der Wüste und anderswo.

Gleichzeitig eskaliert der Streit um das iranische Atomprogramm international, angefeuert von den internationalen Meinungsmachern. Boykott- und Militärschlagsszenarien werden spekulativ ausgemalt. Wahrscheinlich wären wir schon wieder mitten im schönsten Heiligen Krieg aller Glaubensfraktionen, wären da nicht die internationalen Wirtschaftsverflechtungen, die allseits nachhaltig Schaden nehmen würden, ja katastrophale Zustände bei einer schweren Störung wie Krieg nach sich ziehen würden (Iran ist die Nr. 3 der Öllieferanten).

Im alten Europa brannten in finsteren Zeiten auch schonmal die Scheiterhaufen, kam irgendwer in den Geruch der vermeintlichen "Gotteslästerung", und das ging anno dunnemals recht schnell. Bis weit in das 20. Jahrhundert wurden Menschen noch mit drakonischen Strafen verfolgt, die Kritik an den christlichen Kirchen übten, oder gar über sie witzelten. Zwar wurde zuletzt nicht mehr verbrannt, aber sozial und wirtschaftlich ruiniert, solange v.a. die Kath. Kirche noch Macht hatte.

Dennoch läßt sich der antigeistliche Cartoon (und der Spottvers) bis ins Mittelalter und davor zurückverfolgen, denn trotz hoher Strafandrohungen ließen sich viele Menschen nicht schrecken, im Bild geäußerte Kritik an den säkularen und den damit verflochtenen weltlich-staatlichen Machtverhältnissen zu üben. Vor allem die Geistlichkeit blieb Zielpunkt der Spötter bis in die heutigen Tage.

Daß das Gottesbild (im Islam verboten) selbst Ziel der Ironisierung wurde, war zwar eher seltener, aber kam auch bisweilen vor. Hier sind im Zuge der antiautoritären Revolte bis zum heutigen Tag die Hemmschwellen immer weiter gefallen und selbst (gezeichnete) Witze über "Gott" und "Gottes Sohn" sind mittlerweile kaum mehr zählbar. Angefangen von einer Jesusgestalt am Holzkreuz mit den bekannten vier Buchstaben über dem Haupt, die seufzt "O Herr, laß diesen ELCH an mir vorübergehen!" bis zum dreidimensionalen gekeuzigten Kleinen Arschloch von Walter Moers fürs Klassenzimmer, ist an respektlosem Gewitzele über das Höchste Wesen und seinen angeblichen Ableger (den der jüdisch-christlich basierende Koran des 7. Jahrh. als Propheten bestätigt, aber als "Sohn Gottes" heftigst bestreitet) alles möglich und vorhanden. Zum Glück erleben wir deswegen keine Massendemonstrationen hysterischer Christenfanatiker mehr, die z.B. unseren Walter Moers ersatzweise ans Kreuz schlagen oder ein wenig auf dem Scheiterhaufen grillen möchten. Zur Hölle wünschen ihn sicher noch viele. Steinigungen sind in der christlichen Welt sowieso schon länger out (naja, ganz so lange nicht - mir fällt gerade "Alexis Zorbas" ein).

Der gläubige Mensch darf sich auch vor Augen halten, daß eine vorausgesetzte Höchste Wesenheit den Menschen mitsamt der Gabe des Humors nach seinem Ebenbilde geschaffen hat. Angesichts der permanent überbordenden Realsatire der Weltgeschichte darf mensch daher getrost annehmen, daß GOTT unermeßlichen Humor hat und über gelungene Gags herzlich mitlacht. Und sollte tatsächlich jemand versuchen ihn oder seine Gesandten mit kümmerlichen Menschenwitzchen zu beleidigen, kann unter- und feststellen, daß ER-SIE-ES (Gott hat ja wohl keine primären Geschlechtsmerkmale) hoch darüber steht. Wie könnten denn Menschen GOTT beleidigen?! Bestenfalls Propheten im allgemeinen könnten sich beleidigt fühlen - sie sind ja nach den alten Dokumenten zu urteilen, auch alle nur unvollkommene Menschen (das sagen sie ja selbst von sich).

Ist nun in der ganzen Welt den CartoonistInnen vor Schreck der Zeichenstift aus der Hand gefallen und die Tusche im Faß gefroren? Ich hoffe doch nein. Wo sollten wir denn sonst das bißchen Trost hernehmen, das uns dieses Jammertal noch bietet? Keine Cartoons des "Stellvertreter Gottes auf Erden" mehr? (Ich spreche hier vom Papst.) Das wäre doch wirklich jammerschade, da der Gutgesagte (Benedict) doch eine so wunderbare Zielscheibe für alle Spottdrosseln der Welt abgibt. Existieren denn wirklich in den islamischen Ländern keine Cartoons vom neuen Papst? Das wäre doch zu traurig!