Facebook, SchülerVZ und Co.
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Friedensfestzeitung 2010

Hallo, Anna!

Du bist Anna S., bist 16 Jahre und kommst aus Iserlohn. Momentan bist du Single, da du vor drei Tagen mit deinem Freund Schluss gemacht hast, bist aber wieder auf der Suche. Du bist 169 cm groß, schlank und bist polnischer Abstammung. Außerdem rauchst und trinkst du. In Zukunft möchtest du Kinder haben, wohl nachdem du deine Bäckereiausbildung in der Wermingser Straße beendet hast. Ich kenne deine Vorlieben für Bücher, Filme, Musik und weiß auch was du sonst gerne tust. Hinzu kommt, dass ich jederzeit herausfinden kann, ob du zu Hause bist, oder nicht und falls nicht, dann weiß ich auch wo du bist und für wie lange. Dies ist nur ein Bruchteil von dem, was ich von dir weiß. Nun zu mir: Ich bin weder dein Freund, noch bin ich in der Spionagebranche tätig. Ich war lediglich 5 Minuten auf deiner Myspace-Seite.

Soziale Netzwerke

Myspace, MeinVZ, SchülerVZ, Facebook und wie sie alle heißen - soziale Netzwerke sind Webdienste, die es ermöglichen leicht ein persönliches Profil zu erstellen, um neue Leute kennen zu lernen, Kontakt zu alten Freunden wieder aufzunehmen oder einfach nur mit seinem momentanen Freundeskreis zu kommunizieren. Beim Erstellen des Benutzerprofils kann der User den Grad der Informationsfreigabe größtenteils selbst bestimmen. Da ein informationsreiches Profil leichter von Freunden und kennenlernwütigen Menschen über die Suchfunktion der Netzgemeinschaft gefunden werden kann, ist dieser Informationsgrad meist auch dementsprechend hoch. Sorglos werden jegliche Infos über alle möglichen Dienste (z.B. Profilseite, Blog, Stimmungsanzeige, Buschfunk) preisgegeben. Was sagt unsere Anna S. aus Iserlohn dazu? "Ist doch wunderbar, so kann ich all meinen Freunden gleichzeitig Bescheid geben, dass ich heute Abend nach meinem Frisörtermin für 2 Tage zu Jenny feiern fahre. Und danach kann ich über meinen Myspaceblog allen erzählen, wie es war, wo wir waren und wie die Cocktails waren. Meine Handyfotos kann ich sogar schon beim Feiern direkt auf Myspace hochladen - so kann ich auch die Langweiler, die zu Hause sitzen noch ein wenig ärgern, weil die sofort sehen können wie viel Spaß ich habe."

Gefahren

Freunde sind nicht die einzige Gruppe von Menschen, die an dir Interesse haben. Hier nur ein Bruchteil von denen, die auch einen Nutzen aus deiner Datenschleuder ziehen können:

- Zukünftige Chefs können doch mal schauen, was du so treibst. Auf jedem dritten Bild deines Fotoalbums hast du ein Bier in der Hand. Hast du ein Drogenproblem? Dein Profil ist geschmückt mit einem schwarzen Stern und du bist auf einer Demo zu sehen. Bist du etwa autonom? Im Blog hast du etwas über deine Rückentätowierung geschrieben. Hast du bei deiner Bewerbung gelogen, als du behauptetest, du seist nicht tätowiert?
- Dein Ex-Partner verkraftet die Trennung nicht und ist besessen von dir? Nie war Stalking einfacher. Um immer auf dem neusten Stand zu sein, muss er schon lange nicht mehr mit einem Fernglas im Baum vor deinem Haus sitzen.
- Du fragst nach, was gegen Herpes hilft. Welche Psychopharmaka helfen am besten gegen deine Depression? Das kann die Chancen einen Job zu kriegen sicherlich nicht steigern...
- Auf der letzten Demo in Dortmund hast du einem Neonazi die Nase gebrochen, leider ist dieser fähig Suchmaschinen richtig zu bedienen. In der Antifa-Dortmund-Freundesliste von Myspace hat er doch tatsächlich dein Profil gefunden. Nun kennt er deine Wohnadresse, dein Autokennzeichen und weiß welches Konzert du Freitag Abend besuchst. Auf ein "nettes" Wiedersehen...
- Facebook und andere soziale Netzwerke bieten personalisierte Werbung an. Das freut unsere Anna S. aber sehr, denn dann hat sie auch mal interessante Werbebalken auf ihrer Seite. Dumm ist nur, dass Anna nicht bedenkt, wie es zu dieser Werbung kommt. Dass sie vegan ist, am liebsten Metal hört und ausschließlich Liebesromane liest, wissen nun nicht nur ihre Freunde und Profilbesucher, sondern auch alle Konzerne, die auf Facebook werben dürfen. Diese Infos bekommen sie sogar von Facebook geliefert, sie müssen nicht mal selbst spionieren.
- Die iranische Polizei nutzt Facebook-Profile um Informationen, zum Beispiel Freundeskreise von Regimegegnern und Demonstranten zu ermitteln. Der Verfassungsschutz wertet sicherlich auch Facebook-Nutzerdaten aus. Sicherlich sind unsere Gemeinschaftsportal-Daten eine Bereicherung für viele Polizeibehörden und Nachrichtendienste weltweit. Oftmals sind die Nutzungsbedingungen, wie zum Beispiel bei Facebook gar so formuliert, dass diese Internet-Spionage auch nicht illegal ist. Zum Teil behalten sich diese Netzwerke gar das Recht vor, deine Daten so lange zu behalten, wie sie wollen. Sollte also in der Zukunft eine autoritäre Regierung an die Macht kommen, dann wird dir deine Profillöschung auch nicht weiter helfen.

Tips

Da soziale Netzwerke hervorragend dazu dienen, sowohl den Selbstdarstellungshunger vieler Leute zu stillen, als auch den Umstand zu verhindern, dass wir vor die Tür gehen müssen um Menschen zu treffen, sind sie für viele unabdingbar. Um den eventuellen Schaden, der durch die Nutzung dieser Netzwerke entstehen könnte, für diejenigen zu minimieren, die trotz allem meinen "Ich will aber!", nachfolgend einige Usertips:

- Lasse deinen Namen nie deinem Profil zuordnen. Das gilt sowohl für deinen echten Namen, als auch für deinen Spitznamen, denk dir etwas neues aus. Weder bei der Profilerstellung solltest du ihn angeben, noch sollte er irgendwo auf dem Profil erscheinen (z.B. Pinnwand, Bildunterschrift). Auch solltest du vermeiden, ein und denselben Usernamen für alle Onlineprofile zu nutzen. Ist ein Profil aufgedeckt, sind alle aufgedeckt. - Deine Adresse, Telefonnummer, Homepageadresse, usw. solltest du besser auch für dich behalten.
- Lade keine Fotos hoch, bei dem eindeutig Menschen oder Orte in deiner Nähe zu erkennen sind. Auch Verlinkungen deiner Person solltest du vermeiden.
- Gebe so wenige Infos wie möglich über deine Person an (u.a. Musikgeschmack, politische Orientierung, Studiengang). Auch diverse Funktionen wie "Kommentare ausblenden" sollten genutzt werden.
- Sei bei der Freundesauswahl nicht zu streng. Je auserlesener dein Freundeskreis ist, desto leichter kann der Profilbesitzer bestimmt werden und desto leichter können z.B. Profile für die Wirtschaft erstellt werden.
- Private Dinge sollten auch nicht über dein Profil geklärt werden, dies gilt allerdings für alle elektronischen Kommunikationsebenen. Trefft euch, wenn es geheim bleiben soll.
- Achte auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Änderungen. Falls du nicht ohne dieses Netz leben kannst, dann lösch dein Profil und erstelle ein neues.
- Wenn Fremde dir schreiben, halte dich zurück. Wenn du der Person sofort alles über dein Leben erzählst und wer du bist, dann kannst du das auch auf dein öffentliches Profil schreiben.
- Wähle keine Email-Adresse aus, aus der dein Name ersichtlich ist. Durch den Namensbestandteil können sowohl Betreiber als auch diejenigen, die über die Suchfunktion nach der Mail suchen, alle Daten deiner Person zuordnen.

All diese Punkte, können in einem zusammengefasst werden:

Lasse nicht zu, dass dein Profil dir zugeordnet werden kann. Mit so einem Profil kannst du weiterhin problemlos Kontakt zu Vertrauten haben und auf den Informationsfluss der sozialen Netzwerke zugreifen.

Sensible Daten

Das Internet an sich sollte nicht sorglos genossen werden. Unüberlegtes Weitergeben von Daten kann zu erheblichen Schäden führen. Die meisten sensiblen Daten werden von Jugendlichen über soziale Netzwerke in Umlauf gebracht.

Deshalb gilt besonders da:
Erst denken, dann uploaden!