Artikel über Innenstadtpolitik aus der Arbeitslosenzeitung quer
Berlin Stunk im Kiez
Am 14. Mai 2001 haben wir symbolisch das Quartiersmanagement Boxhagener Platz in der Krossener Strasse besetzt.
Rund 35 Aktivistinnen aus dem Erwerbslosenverein HÄNGEMATTEN und aus befreundeten Organisationen nahmen an dieser Aktion teil.
Unter dem Motto: "Rettet das Quartier vor seinen Managern" marschierten die Besetzerinnen ins Büro und entleerten dort Müllsäcke mit gesammelten Abfall, den die Aktivistinnen zuvor auf dem Boxhagener Platz gesammelt hatten. Von Seiten der Quartiersmanager versuchte man zu de eskalieren und verwies die her-beieilende Polizei aus den Räumen.
Informationen zum Quartiersmanagement am Boxhagener Platz
Wir, eine Initiative von fassungslosen, harmlosen Erwerbslosen, haben beschlos-sen, unser "Harmlos" nicht mehr länger zu ertragen. Vor allem das Quartiersmanagement ist uns schon lange ein Dorn im Auge.
Nach eigenem Anspruch hat das Quartiersmanagement die Aufgabe, der fortschreitenden negativen Entwicklung im Kiez entgegen zu wirken und lokale Strategien für eine soziale Stadtpolitik auf Quartiersebene zu entwickeln.
Die wesentlichen Handlungsfelder sind:
o Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftsförderung, Stadtteilökonomie
o Wohnen, Wohnumfeld und Umwelt
o soziale und kulturelle Infrastruktur
o Soziale Integration/Zusammenleben im Quartier/Gewaltprävention
o Schule und Bildung
So weit, so gut. Wie sieht die Realität aus?
Das QM hat die Aufgabe, die Bewoh-nerinnen mit einzubinden. Das will aber das QM unter allen Umständen verhindern.
Ohne Rücksprache mit den Bewohnerinnen werden jetzt aus Mitteln des ESF 130.000 Mark für die Begrünung der Gabriel-Max-Straße klar gemacht. Die Anwohner wurden und werden nicht gefragt.
Die Entmündigung geht weiter.
Auf dem Boxhagener Platz gibt es ein schwarzes Brett, das von den Anwoh-nerInnen genutzt wurde. Jetzt wurde ein Platzmeister damit beauftragt, das bürgernahe Kommunikationsforum dahingehend zu überwachen, dass alle Kiez-nachrichten außer den Nachrichten vom Quartiersmanagement sofort entfernt werden. Bürgerbeteiligung und Kommu-nikation im Kiez soll so konsequent unterbunden werden. Einwände von An-wohnerinnen werden als "nicht praktikabel und nicht machbar" niedergeschmettert.
Zu Wahlen von Gremien, die die Gelder des QM verteilen, werden ansässige Vereine und Initiativen wie etwa der Mie-terladen Kreuziger Straße gar nicht einge-laden, andere Gruppen bekommen Einladungen 24 Stunden vor der Veranstaltung.
Und als Bürgervertreter wird dann ein Mensch, der im QM in neuem Bezirk Mitte arbeitet, selbstverständlich auf Vorschlag des QM gewählt. Man will unter sich bleiben - kritische Bürger stören nur und müssen, so die Philosophie des QM, mundtot gemacht werden.
Einer "unserer" Manager hat es immerhin geschafft, vernetzte Verein zu vernetzen und dann bei den Vernetzungstreffen mit gezielten Störaktionen für Spreng-stoff zu sorgen. Andere Menschen nennen ein solches Verhalten intrigant.
Aber das war ja offensichtlich Ziel von Senat und Bezirk, vorhandene Strukturen zu zerstören und zu verdrängen. In einem Gebiet mit überwiegend Ein-Raum- Wohnungen sollen Familien leben. Gleichzeitig werden aber Kinder- und Jugendeinrichtungen kontinuierlich abgebaut. Diesen Zusammenhang zu erkennen verbietet sich für das QM von selbst, denn es geht ja um die eigenen Pfründe - und um sonst nichts.
Kurz und klein: Die von den Managern angestrebten Veränderungen haben das Ziel, unter dem Vorwand Bürgerinnen in Entscheidungs- und Planungsprozesse einzubinden, vor allem Bürgerinnen zu entmündigen. Die Definitionsmacht, was dreckig, sozial abweichend, aggressiv ist, bleibt allein bei den Managerinnen.
Durch die Förderung von Kunst und Kultur auf und um den Boxhagener Platz herum wird gerade jener Entwicklung Vorschub geleistet, die die Quartiersmanagerinnen vorgeben abzustellen: der "Yuppisierung" des Stadtteils, mit den einher gehenden Begleiterscheinungen, Verdrängung der Armutsbevölkerung und Schaffung eines Kiezes nach den Maximen bürgerlicher Kiezidyllen mit den entsprechenden Läden und Wirtshäusern und der Folge, dass über kurz oder lang der Wohnraum im Quartier nur noch von Wohlhabenden bezahlt werden kann.
In die gleiche Richtung geht auch die Sicherheitsstrategie der QuartiersmanagerInnen.
In ihrem Entwurf zum "integrierten Handlungskonzept Quartiersentwicklung Boxhagener Platz" von 1999 beschreiben die Quartiersmanagerinnen, dass das Verhalten aggressiv auftretender Gruppen (und hier sind nicht etwa die Faschisten gemeint, die in unserem Kiez herumlaufen) durchsetzungsschwächere Gruppen von der Nutzung öffentlicher Grünflächen ausschließt.
In Zusammenarbeit mit Polizei und BSR will das Quartiersmanagement dieses "Müllproblem" lösen. Die saubere Stadt mit sauberen Bürgern mit einer sauberen Gesinnung, die den Spießern den Anblick von Pennern, Unrat und Armut erspart.
Statt angesichts des Wohnungsleerstandes bezahlbaren Wohnraum für "arme Leute" zu akquirieren, wird hier nur an der Erscheinungsebene angesetzt. Die Armut soll hinter der Fassade der Wohlanständigkeit zum Verschwinden gebracht werden.
Ähnlich verhält es sich mit den Absichten der Quartiersmanagerinnen, den Menschen, die keine Arbeit haben, Arbeit zu verschaffen oder wie es in deren Jargon in ihrer fürsorglichen Situationsbeschreibung heißt:
"Der hohe Anteil von Arbeitnehmern in prekären und ungesicherten Arbeitsver-hältnissen, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern birgt für diese Bevölkerungsgruppen die Gefahr eines dauerhaften Ausschlusses aus dein Erwerbs-leben mit psychosovalen Folgeerscheinungen."
Arbeit soll durch "die Schaffung, von Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten über vorhandene Ausbildungsverbände und lokale Arbeitsvermittlungen realisiert werden."
Wie das konkret aussieht, konnte man schon im Wrangelkiez und im Tiergarten beobachten. Dort hat der zuständige QM Arbeitskräfte nach dem Programm "Integration durch Arbeit" beschäftigt und sie an Möbel Hübner vermittelt. Das heißt, Möbel Hübner erhält vom neuen Quartiersmanager kostenlos Arbeitskräfte, die einzig vom Steuerzahler bezahlt werden.
Mit dem Rückgriff auf jene Institutionen und die mit ihnen verbundenen Förderprogramme aus EU, Bundes- und Landesmitteln, sowie den Mitteln der BfA wird genau jenes Instrumentarium be-dient, das mit der Verknüpfung von Unterstützungs- und Zwangsmaßnahmen Arbeitsverhältnisse schafft, zumeist ohne Qualifikation, ohne Perspektive, nach dem Motto: "Hauptsache Arbeit", um da-mit weg von der Straße zu sein.
Dass etwas auf der Straße ist, was da nicht hingehört, gefällt den Quartiers-managerinnen überhaupt nicht. Verwahr-losungserscheinungen, wilde Müllkippen und Hundekot, aggressiv auftretende Gruppen.
Deshalb haben wir uns gedacht, ganz in diesem Sinne, den Müll dahin zu bringen, wo er tatsächlich hingehört, vom Quartier ins Management.
Wir brauchen weder staatliche noch staatlich gelenkte Einrichtungen, die dazu dienen, uns zu entmündigen, unseren Müll oder andere Probleme zu lösen.
Wir managen unsere Probleme selbst! Quartiersmanagement Friedrichshain vorübergehend besetzt!
Die vorübergehende Besetzung des Quartiersmanagements in Friedrichshain hat genau unseren Erwartungen entspro-chen. Das Q-Management ist eine Insti-tution, die entgegen den selbst gesetzten Ansprüchen, für alle Bürgerinnen da zu sein, in Wirklichkeit nur ein ideologischer Zulieferbetrieb ist für die Interessen von Menschen mit höheren Einkommen, und deren Bedürfnis noch Ruhe, Sicherheit und Ordnung.
Auf die Frage, wie sich Q-Management zur Polizeigewalt im Kiez am 30.4. dieses Jahres verhält und zu den alltäglichen fa-schistischen Übergriffen tat die Q-ManagerIn ratlos. Sie antwortete, dass es Jugendprojekte gebe, die sich mit der Gewalt präventiv auseinandersetzen würden. Auf Nachfrage, in welcher Form dies geschehen würde, ließ sie die liberale Maske des Alles-verstehen-Wollens-und Könnens fallen und antwortete, dies wür-de uns gar nichts angehen. Die Sprachlosigkeit und die Weigerung der Q-ManagerIn ist die Abkehr von dem allgemeinen Verständigungskitsch und Kommunikationsschmus, den diese Einrichtung zum Programm erhoben hat.
Im Dienste der gruppendynamischen Beschnupperungsfeste, der inszenierten Zwanglosigkeit und der Diskussionsrituale, in denen wir solange mitreden dürfen, wie wir nichts zu sagen haben und uns unterwerfen werden. Das organisierte Palaver der Q-Managerin soll gerade den Zustand verhindern, in welchem der/die Einzelne noch etwas zu sagen hätte. Das Q -Management will durch die Entschärfung von Konfliktpotentialen die Leute zum Sprechen bringen und die Untergebenen zu Kritik ermuntern, damit nicht unbemerkt im Stillen sich jene Portion Wut ansammeln kann, um die Machtverhältnisse tatsächlich zu verändern. Die Politik des Quartiersmanagements, vorgeblich für alle "etwas Gutes" tun zu wollen, "jederzeit für Kritik als Anregung empfänglich" zu sein, trägt in Wirklichkeit dazu bei, die berechtigten Interessen eines großen Teils der Bevölkerung zu absorbieren, Wider-spräche zu glätten, zu deeskalieren. Dies kann sich Gewaltprävention, Bürgerbeteiligung oder anderswie nennen. In Wirklichkeit läuft es immer auf die selbe Schose raus, unvereinbare Interessen glätten zu wollen, Menschen zu befrieden, sie von ihren Interessen abzuhalten oder durch Taschenspielertricks über ihre eigene Lage zu täuschen. Erst wenn es den Q-Managerinnen gelungen ist, die "armen Schweine" zu befrieden, wird es Ihnen gelingen, ihre Politik im Interesse derer durchzusetzen, die sie in Wirklichkeit vertreten, der Politikerinnen, der Klein- und Großkapitalisten. Kurz und knapp der Bürgerinnen, die Gewinnerwartungen haben.
Da wir, die Erwerbslosen und SozialhilfebezieherInnen, nicht bereit sind, uns auf dieses falsche Spiel noch länger ein-zulassen, werden wir einiges dafür tun, das Konzept der Q - Managerinnen zu durchbrechen - durch politische Aktionen und Widerstandshandlungen.
Kein Quartiersmanagement!
Wir managen unser Quartier selbst, auch wenn sie (die Q-ManagerInnen) un-ser Bestes wollen, das wir ihnen auf keinen Fall geben werden!