Tierrechte, Menschenrechte, Kinderrechte - sehr oft und sehr ausgiebig beziehen sich emanzipatorische Strömungen auf einen abstrakten Begriff von Recht, den es zu erkämpfen gäbe. Dieser Text soll eine Analyse und Kritik am Rechtsbegriff sein.
Die Bewegung ist nicht allzu alt und die Kritik ist richtig und wichtig. Einige Menschen haben erkannt, dass zwischen Menschen und anderen Tieren ein klares Herrschaftsverhältnis besteht. Die Zivilisation nutzt die "Ressource Tier", beutet sie nach effizientesten Verwertungslogiken aus, versteht Lebewesen als Ware und Rohstoff. Die Menschheit sieht sich an der Spitze der Nahrungs- und Nutzungskette. Hier eine Kritik zu formulieren und eine konsequente Ablehnung der herrschenden Verhältnisse zu praktizieren ist mehr als nur angebracht. Auch einen Namen hat die "neue" Form der Ausbeutung schon: Speziesismus.
Salt stellte Ende des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal die Forderung, bestimmten anderen Spezies den Status des Rechtssubjektes zuzuerkennen. Diese Forderung wurde später auch von Philosophen wie Singer und Regan aufgegriffen und ist heute eine Art Konsens und Nomen der Tierrechtsbewegung. Anderen Spezies sollen Rechte zugesprochen werden, sofern sie bestimmte Kriterien ("Bewusstsein", "Leidensfähigkeit") erfüllen. Nicht selten entspricht die Forderung nach Tierrechten der Forderung nach Gesetzen, die anderen Tieren einen rechlichen Schutz oder Vorteil schaffen.
Doch genau diese Forderung ist falsch und die Kritik an nur einer Form der Herrschaft verkürzt. Speziesismus, die Konstruktion eines Machtverhältnisses einer Spezies öber andere, ist nicht die einzige Form der Unterdrückung, sondern symptomatisch för eine herrschaftsförmige Gesellschaft. Rassismus und Seximus - um nur einige weitere Definitionen herrschaftsförmiger Gewalt zu nennen - beruhen auf den selben Prinzipien, den Prinzipien, einer Gruppe mit bestimmten (konstruierten) Merkmalen durch strukturelle Gewalt gegen alle nicht Gruppenzugehörigen einen Vorteil zu verschaffen, Hierarchien zu bilden, Macht zu erlangen, zu wahren und zu mehren. Speziesismus kann nicht isoliert betrachtet werden sondern muss als Teil einer strukturellen und gewollten Machtausübung wahrgenommen werden.
Recht und Gesetz sind Mittel, Werkzeug der Herrschenden, ihre Macht aufrecht zu erhalten. Gesetze, Weisungen einer "Autoritätsperson" oder ansozialisiertes herrschaftshöriges Verhalten haben nie die Aufgabe, Gerechtigkeit und Horizontalität zu schaffen, sondern - im Gegenteil - diese zu verhindern. Gesetze implizieren immer den Zwang, ein bestimmtes Verhalten zu praktizieren. Gesetze können nicht das Vehikel sein, um Herrschaftsfreiheit zu erzeugen, da Gesetze Herrschaft sind.
Die Überwindung von Speziesismus kann nur durch eine Umstürzung der Herrschaft erfolgen. Nur in einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist es möglich, dass keine Herrschaft ausgeübt wird. Zu denken, Herrschaft könnte nur im Bezug auf andere Spezies abgeschafft werden ist illusorisch. Eine Gesellschaft, in der Macht und Hierarchie zu den Mechanismen des Alltags gehören, wird diese immer auch anwenden, erst recht gegen so "einfache Gegner" wie andere Spezies.
Neue Gesetze, die die Machtausübung ein wenig abmildern, zu generieren, ist kontraproduktiv. Es mag für einen einzelnen Inknastierten durchaus angenehmer sein, im Knast gutes Essen und medizinische Versorgung zu haben, als in einem Folterkerker dahinzusiechen. Ein grösserer, schönerer, besser Käfig bleibt aber ein Käfig. Wenn Freiheit ein Anspruch ist, wie kann dann ein Käfig eine Forderung sein? Weniger Machtausübung zu fordern bedeutet, die Macht an sich nicht in Frage zu stellen, sondern diese als gegeben hinzunehmen oder als essenziell för den eigenen Vorteil zu betrachten.
Tierrechte können keine Forderung einer Bewegung sein, die eine speziesismusfreie Gesellschaft erreichen will. Es ist Zeit, dass die antispeziesistische Bewegung sich des Tierrechtsbegriffs entledigt und einen Herrschaftsfreiheitsdiskurs beginnt.