Tofu, Sojamilch, -desserts und andere Produkte aus der prominenten Hülsenfrucht sind bei zahlreichen Veganerinnen sehr beliebt und werden zum Teil auffällig offensiv beworben. Soja gilt als veganes ,Vorzeigenahrungsmittel'. Von diesem Trugbild bleibt allerdings nicht viel übrig, wenn eine herrschaftskritische Perspektive eingenommen wird, die soziale und ökologische Folgen der industriellen Soja-Produktion einblendet.
Der Anbau von Sojabohnen boomt wie nie zuvor - der wesentliche Grund: Parallel zum weiterhin steigenden Fleischkonsum wächst der Bedarf an billigen, energiereichen Futtermitteln. Ein sehr beliebter Bestandteil dabei ist das von Importzöllen befreite Soja, das in bisher ungeahntem Ausmaß hergestellt und über den Globus befördert wird. Die wichtigsten Abnehmerinnen sind die EU und China; allein Deutschland importierte 2005 um die 3,3 Millionen Tonnen Soja. 1
Hauptanbaugebiet - noch vor den USA und Argentinien - ist Brasilien, das seine Soja-Produktion seit 1998 verdoppelt hat. 2 Dabei handelt es sich um eine relativ neue Entwicklung, denn lange Zeit gehörte Soja nicht zu den in Brasilien angebauten Kulturpflanzen. Die eingetretene Veränderung ist eng mit globalisierten Markt- und Machtverhältnissen verknüpft: "Wie die gesamte Monokultur gehörte auch der Sojaanbau grundsätzlich zur Produktion in Großgrundbesitz. Sie wurde von der Regierung entwickelt und in engem Zusammenhang mit internationalen Interessen politisch durchgesetzt."3 Dieser Prozess war und ist sehr folgenreich: Der hohe technische wie finanzielle Aufwand der Soja-Produktion ist für Kleinbauern kaum tragbar. Das begünstigt die Herausbildung riesiger Anbauflächen, die sich in den Händen Weniger konzentrieren. Kleinbauern werden so schrittweise verdrängt und müssen sich aufgrund des Landverlustes an Großgrundbesitzerinnen deren miserablen Arbeitsbedingungen unterwerfen (oder hungern). Monokulturen und die Exportorientierung zerstören zudem landwirtschaftliche Ansätze, bei denen die Selbstversorgung im Mittelpunkt steht.
Die ökologischen Wirkungen der Soja-Produktion sind nicht weniger fatal: Für den Anbau von Sojabohnen werden inzwischen Teile der brasilianischen Regenwälder per Brandrodung zerstört. Das geschieht häufig ,illegal' 4, wobei auch legale Abholzungen nicht besser wären! "Bis August 2004 wurden innerhalb eines Jahres in Brasilien über 26.000 Quadratkilometer Amazonas-Wald abgeholzt - eine Fläche von sechs Fußballfeldern pro Minute." 5 Mit der Expansion industrieller Soja-Monokulturen sind Bodenerosion und ein starker Schwund der Artenvielfalt verbunden. Zur Umweltzerstörung trägt auch der hohe Pestizideinsatz beim extensiven Sojaanbau bei. Nicht vergessen werden sollte, dass schon heute circa 30 Prozent der in Brasilien geernteten Sojabohnen gentechnisch verändert sind, Tendenz steigend.
Inhaltsverzeichnis
* Was hat das mit Veganismus zu tun?
* Fazit
* Anmerkungen
* Fussnoten
Was hat das mit Veganismus zu tun?
Global betrachtet - wie beschrieben - endet nur ein verschwindend geringer Teil von Soja als veganes Dessert oder Tofu. Der Konsum und das kritiklose Bewerben von Sojaprodukten in mit Veganismus verbundenen Szenen ist dennoch nicht unproblematisch. An einigen Punkten möchte ich das konkret festmachen:
* Ausblendung von Herrschaft: Unabhängig davon, ob am Ende nichtmenschliche Tiere oder Menschen Soja knabbern - ohne Herrschaftsstrukturen, ohne Enteignung von Land oder Abhängigkeiten vom Markt ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass Menschen in Brasilien ein Nahrungsmittel herstellen würden, das danach zu reichen Europäerinnen verfrachtet wird und die eigenen Lebensgrundlagen untergräbt. Unter herrschaftsfreien Rahmenbedingungen ist anzunehmen, dass Ernährungssouveränität 6, das heißt eine möglichst unabhängige Versorgung mit Nahrungsmitteln aus der näheren Umgebung, in den Vordergrund rücken würde. Das scheint viele sich vegan definierende Menschen nicht zu interessieren - weil sie selbst zu den Privilegierten gehören?
* Bio ist keine Lösung: Bis auf wenige Ausnahmen 7 stammt auch Bio-Soja aus Brasilien, daher besteht die Kritik an der strukturellen Ungleichheit und Marktzwängen, die Menschen unter anderem in Brasilien zur Soja-Produktion drängt, auch hier weiter. Zusätzlich sind die langen Transportwege zudem ökologisch wenig sinnvoll.
* Hoher Energieaufwand: Zu alledem werden die meisten ,veredelten' Sojaprodukte, insbesondere Tofu und Sojamilch, mit hohem Energieaufwand 8 hergestellt, der in die ökologische und soziale Bilanz (auch der Strom muss ja von konkreten Menschen erwirtschaftet werden) miteinbezogen werden muss. Richtig ist zwar, dass die Energieaufwendung für Sojaprodukte weit unter der für Milch liegt, aber sich einfach nur mit "etwas weniger schlecht" zufriedenzugeben, erscheint mir zu bequem.
Praktisch sorgen solche Ausblendungen (mindestens) für die Akzeptanz eines Ausbeutungsproduktes. Daher sind auch sich als vegan begreifende Menschen mitverantwortlich dafür, dass diese Situation ungebrochen fortbestehen kann. Dabei gäbe es - an dieser Stelle kurz erwähnt - durchaus greifbare Alternativen zu Soja: Süßlupinen liefern ähnlich hochwertige Proteine und sind beispielsweise auch für ,typische' Anbaubedingungen in Europa gut geeignet. Lange Transportwege könnten dadurch entfallen und ein Schritt zu Ernährungssouveränität gemacht werden (jedenfalls, wenn gleichzeitig die ,Fleischproduktion' mindestens stark gesenkt wird!). Als Ersatz für Sojamilch bieten sich Getränke aus Hafer an, der auch regional produziert werden kann.
Dass über die Folgen des Sojaanbaus und mögliche Umgangsweisen mit der Problematik in Tierrechts- oder Vegan-Medien kaum bis gar nicht berichtet wird, spricht leider für Ignoranz gegenüber komplexen Herrschaftsverhältnissen. Absicht dieses Textes ist es daher auch nicht, dass Soja durch ein neues Lebensmittel ersetzt wird und in Zukunft nur noch Lupinen konsumiert und unkritisch beworben werden. Es geht nicht (nur) um den ,richtigen' oder richtigeren Konsum in falschen Verhältnissen, die als solche nicht hinterfragt werden. Ich wollte exemplarisch aufzeigen, welche Folgen vegane Ausblendungen und insgesamt ein verkürzter Blickwinkel haben können.
Begleitet ist dieser Versuch von der vorsichtigen Hoffnung, etwas dazu anregen zu können, den politischen Anspruch nicht bei ,vegan' enden zu lassen. Und die Herrschaftsbrille beiseite zu legen, damit nichts den Genuss der Sojamilch mit Vanillegeschmack trüben kann ...
Kritische Einstiegsseite zu Soja:
www.projektwerkstatt.de/tierrechte/texte/soja.html
* 1 Greenpeace (2006): Aus Urwald wird Tierfutter (www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/waelder/FS_Soja_Hintergrund.pdf).
* 2 Greenpeace (2006): Wir essen Amazonien auf (www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/waelder/FS_Soja_ReportAmazonien.pdf).
* 4 Greenpeace (2006): Wir essen Amazonien auf.