Die Geschichte von Anna & Arthur
Eine Geschichte in fünf Akten

abgedruckt im Schwarze Katze Rundbrief 07.05.05


Aussageverweigerung ist unser aller Recht, von dem wir auch nach Möglichkeit gebrauch machen sollten. Dient sie doch einerseits dem juristischen Selbstschutz genauso wie andererseits der Verteidigung unserer politischer Strukturen. Im folgenden also eine im großen und ganzen wahre Geschichte in mehreren Akten, Rückblende und Moral.

Erster Akt

Anna und Arthur wohnen in einem politisch eher verschlafenen Städtchen. Doch auch dieses Städtchen hat seine Wirtschaftsbosse, seine faschistoiden PolitikerInnen, seine Militärs und selbstverständlich sind Anna und Arthur jederzeit bereit, gegen dieses Pack etwas zu unternehmen. So waren sie sofort zur Stelle, als das Gesindel eines schönen Tages eine Party machen wollte, ein Großveranstaltung die auch noch ganz groß und protzig im Fernsehen übertragen werden sollte.

Anna, Arthur, Ayse und Agnes, Archibald und Andrea, sowie eine Menge Freundinnen und Freunde wollten sich das aber nicht bieten lassen. "Erst schmeissen sie Bomben und prügeln uns jeden Tag nieder und dann tanzen sie da blöd vor den Kameras rum", dachten sie sich und standen daher pünktlich zu Beginn des Balles störend auf der Straße herum und und zeigten den eintrudelnden Gästen und Gästinnen die Zuge.

Erst der geballten Gewalt des Staates in Form einer Horde ungehobelter Hooligans in Uniform mussten sie weichen. Vorher waren sie noch schnell aufgefordert worden, eine Versammlungsleitung zu benennen; der Chef der anwesenden Staatsgewalt wandte sich zu diesem Zwecke an den Ältesten der Runde, das war der Ali. Ali wies zwar alle Zuständigkeit von sich, schließlich war er ja auch nur zufällig vorbeigekommen, aber trotzdem, seitdem fungierte der Ali in den Hirnen der Staatsgewalt als `Versammlungsleiter'. Schnell waren zahlreiche Personalien aufgenommen - und das war`s fürs Erste...

Zweiter Akt

Ein wenig später bekommt Arthur eine Vorladung zu den ausführenden Organen der Staatsgewalt (Polizei). Er hätte wen beleidigt, heißt es. Arthur kennt zwar den Zettel von der Rechtshilfe wo drin steht, einfachen polizeilichen Vorladungen braucht mensch nicht Folge zu leisten, doch er fragt noch mal rum. Aber auch Anna meint gleich: "Da brauchst ja nicht hingehen, steht auch im Rechtshilfe-Manual. Gehste eh nicht hin, oder?" "Öhh," meint Arthur "Ja, ich denk mal nich." Na, dann ist ja alles klar, denkt Anna. Hat Anna sich gedacht.

Dritter Akt

Alle Beteiligten an der Demo haben nun nach Monaten ein Verfahren wegen Nötigung am Hals. Alle Verfahren werden eingestellt. (Die Kamera der StapozistInnen war damals anderweitig im Einsatz, und so waren die Herren und Frauen PolizistInnen nicht in der Lage, genau anzugeben, wer denn nun wohl vor welcher Eingangstüre oder überhaupt da gestanden hat - nötigenderweise). Tja, aber da blieb doch noch einer, dem schon immer mal ein kleiner Dämpfer gegeben werden sollte: Ali, der von Staatsgewaltens Gnaden ernannte und im Protokoll vermerkte `Versammlungsleiter': "Nun ham wir ihn! Vorladen!"

Vierter Akt

Ali wird vorgeladen, gerichtlich, da muss er wohl hin. "Ich war gar nicht Versammlungsleiter", sagt er dann dort. "Was Sie nicht sagen", sagt die zuständige Richterin. "Steht aber hier im Protokoll: Versammlungsleiter einer nicht angemeldeten Kundgebung zum Zwecke einer Nötigung. Kann ich somit wohl beweisen, denn ein Protokoll ist Beweis genug. Was sagen sie dazu?!" "Kann gar nicht sein, und überhaupt, das war eine spontane Versammlung!" sagt der Ali. Aber: "Das wissen sie genau?" fragt die Richterin. "Ganz genau weiß ich das," sagt der Ali. "Und warum?" fragt da die Richterin. "Warum haben wir da eine Aussage, dass dazu auch aufgerufen wurde? Und zwar Tage vorher? Also kommen sie uns nicht mit spontan!" Scheisse, da ist Ali der Angeschissene.

Eine Rückblende: Arthur war sich unschlüssig: Anna hat zwar sicher recht und so, aber trotzdem, kann doch eigentlich gar nix schaden, hinzugehen, und wer weiß, was sonst noch daraus wird, ist sicher nicht so schlimm, ich sag ja schon nix, ich werd nur mal so gucken, was die wirklich von mir wollen, vielleicht verplappern die sich ja auch und ich kann was weitersagen, und dann, ist doch nix Wichtiges eigentlich, und trotzdem, bevor noch was nachkommt und dann wird's wohlmöglich dicke enden. Ach ich geh einfach mal hin und fertig.

Fünfter Akt

Ali hat ein Verfahren, das steuert auf eine Verurteilung zu. Er erzählt etwas von einer ominösen Aussage von wegen einem Aushang wo die Demo drauf angekündigt war. "Weiß wer was davon?" Oh, denkt Anna, oh - oh. Sie geht zu Arthur: "Hey, Warste nun bei den Kieberern oder nich?!" "Doch", antwortet Arthur fröhlich. "War gar nicht schlimm. Die haben mich nur gefragt, ob ich den Dings beleidigt habe, der hatte nämlich Anzeige gegen mich erstattet, wegen Beleidigung. Aber ich hab gesagt, den Dings kenn ich gar nicht, konnte ihn deshalb gar nicht beleidigen, und damit war das dann geklärt. Die haben dann nur noch gefragt, wieso ich überhaupt da war, da hab ich gesagt, wegen einem Plakat im Beisel. Sonst wollten die gar nichts weiter. Da konnte ich gleich wieder gehen."

Volltrottel, du Volltrottel, dass die Männer immer denken, sie wüssten alles besser - Volltrottel blöder, denkt Anna. Und dann sagt sie ihm das auch. Und was denn damit wäre: mit Anna und Arthur halten das Maul, und weder Aussagen noch Unterschriften geben, und überhaupt. "Alles schon tausendmal gelesen und noch immer nix kapiert, nicht?!" Und: Was ihm einfiele, und dass er sich schon mal Gedanken machen solle, wie er das Geld für das Verfahren gegen Ali zusammenbekommen könnte. Und noch so einiges hatte Anna dem Artur zu sagen. Wir können nur hoffen, dass er mal gut zuhört - diesmal.

Und die Moral von der Geschicht: So was kommt von so was und nur nix sagen ist gut!!!!!

ANNA UND ARTHUR HALTEN'S MAUL - wenigstens ab jetzt?!

Diese wahre Geschichte (Namen + unwesentliches leicht geändert) hat sich tatsächlich so zugetragen und wurde von der Anna erzählt mit der Bitte, sie doch zur Erbauung und Belehrung eines geneigten Publikums zu veröffentlichen.

------

Aussage verweigern!!!

In JEDER Gesprächssituation mit PolizistInnen gilt: WIR HABEN DAS RECHT AUF AUSSAGEVERWEIGERUNG!!!

Deshalb sagst du am besten GAR NICHTS. Das ist das Beste für dich und alle anderen Betroffenen und lässt sich auch am leichtsten durchhalten. Gar nichts sagen heißt: "ICH MACHE VON MEINEM RECHT AUF AUSSAGEVERWEIGERUNG GEBRAUCH." Ende. Aus.

Es heißt NICHT zu sagen: "Ich weiß das und das nicht." "ich war da und dort gar nicht." "Ich war zwar dort und da, aber ich hab ja eh nichts getan." Wenn du anfängst zu reden, und sei es scheinbar noch so belanglos, dann wissen sie, dass du redest und haken nach. Du bist in einer Ausnahmesituation, kannst nicht so gut kontrollieren was du sagst, merkst vielleicht gar nicht, in was du dich verstrickst. Du bist im Streß, die PolizistInnen in ihrer normalen Arbeit, sie können sich abwechseln. Es ist für dich einfacher, dich darauf zu konzentrieren, gar keine Aussage zu machen, als darauf zu achten, was möglicherweise an deiner Aussage gefährlich werden könnte und was nicht. Was für dich harmlos klingt, kann in irgendeinem Paragraphen unter Strafe gestellt sein. Deine Verteidigung beginnt im Gerichtsverfahren.

Die Polizei versucht bei einer Einvernahme (mit deiner Hilfe!) lediglich "Belastendes" GEGEN dich zu sammeln. Vermeintlich Entlastendes ist bei der Polizei an der völlig falschen Adresse! Jede Info kann Teil einer Anklagekonstruktion werden, oder aber sie wird ganz einfach ein Baustein in den Akten. Und du lieferst ihnen mit der "Darstellung deiner Sicht der Dinge" zu diesem Zeitpunkt wichtige Hinweise über deine Verteidigungsstrategie, die doch nur die Staatsanwaltschaft zur Anklagekonstruktion nützen wird. Beziehungsweise können sie sich die Sache nachher zurechtbiegen, um dein Entlastungsmaterial nutzlos zu machen.

Sie versuchen uns alles anzuhängen, was sie können, und das hat mit der Realität meist wenig zu tun. Das Verhör kann belanglos beginnen, mit Fragen nach deinen Eltern, der Schule oder deiner Arbeit. Das äußerste, was du sagen mußt, ist: -Name, -Adresse, -Geburtsdatum. Wenn du minderjährig bist die Namen deiner Erziehungsberechtigten/Eltern. SONST NICHTS.

Denn sonst bist du schon mitten drin im Geplauder, plötzlich werden die Fragen ernsthafter und du weißt nicht, wie du das ganze Ding jetzt noch stoppen sollst. Bist du schon mittendrin: Spät gestoppt ist besser als gar nicht! Oder es beginnt mit Bemerkungen über deine politische Einstellung, das kann abwechselnd freundlich-verständnisvoll sein, oder auch provokant-beleidigend. In beiden Fällen gilt, dass du nicht beweisen mußt, dass du gescheiter bist als sie, hier ist nicht der richtige Ort um zu agitieren.

Es kann auch sein, dass sie sich abwechseln: zuerst macht dich der/die "Böse" zur Sau, dann trösted dich der/die "Gute". In der Hoffnung, dass du dich ausweinst. Vergessen wir nicht: hier passiert nichts zufällig! Sie wollen dich zum Reden bringen, und darauf sind sie auch geschult. Reagiere nicht auf "Versprechungen" wie: "Wenn du redest kommst du raus, wenn nicht sitzt du Wochen, Jahre, Monate, ewig." Alte "Häfen"weisheit: "Sagst du ja, bleibst du da, sagst du nein, gehst du heim."

Drohungen wie: "Wir wissen eh`schon alles, deine Freunde haben gestanden.": Das ist einer der ÄLTESTEN VERHÖRTRICKS! Egal ob das stimmt oder nicht: das Beste für dich ist nichts zu sagen! Denn sie wissen meist gar nichts! Auch vermeintlich erdrückende Beweise sollten nicht zu einer Aussage verführen. Nur über Aussagen, in denen wir uns selbst oder gegenseitig belasten, kommen sie zu einem Anklagekonstrukt! Auch wenn sie uns Fotos, Filme und anderes "Beweismaterial" vorlegen: ohne Aussagen kommen sie damit allein vor Gericht oft nicht durch. Und eine Aussageverweigerung darf vor Gericht nicht zu deinem Nachteil gewertet werden. DAHER: wenn du im "Informationsblatt für Festgenomme"der Polizei liest: " Einvernahme: sie werden Gelegenheit erhalten, sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern. Wenn sie diese nicht nützten, sondern schweigen, nehmen sie sich die Möglichkeit, die Dinge aus ihrer Sicht darzustellen und sich zu verteidigen. (....)"

!MERKE!: ...die Polizei ist nicht die richtige Adresse für Verteidigung - deine Verteidigung findet (wenn sie überhaupt notwendig wird!) erst (und nach rechtlicher Beratung!) im Gericht statt!

Angst...

...ist eine normale menschliche Reaktion, für die sich keineR schämen muss. Lassen wir uns von unsrer Angst nicht unterkriegen. DENK DRAN: ES WIRD VORBEI GEHEN. Mit einer Aussage kannst du der Gegenseite (und das ist die Polizei in so einer Situation nun mal) höchstens noch mehr (Pseudo)-Argumente fuer ein Verfahren gegen dich liefern.

Ob es überhaupt zu einem Verfahren gegen dich kommt entscheidet erst einmal eine Staatsanwältin, der/ die deinen Fall prozesswürdig finden muss. (Die Staatsanwaltschaft stellt einen Strafantrag über den der/die Richterin entscheidet). Dem Polizisten oder der Polizistin etwas erklären zu wollen hat also Gar Keinen Zweck. Am Ende der Einvernahme bekommst du ein Protokoll, in dem dann steht: "... verweigert die Aussage." Du brauchst es nicht zu unterschreiben. Geplauder mit der Polizei am Gang oder sonstwo steht zwar nicht im Protokoll, wird aber zu einem Aktenvermerk und später ev. als "eigene dienstliche Wahrnehmung" zu einem Baustein einer Anklagekonstruktion gegen dich. All die feinen taktischen Schachzüge, die dir durch den Kopf gehen, wie du die Bullen reinlegen oder dich aus dem Schlamassel bringen könntest: vergiss sie!

Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen, als die, wenn du bei den Bullen sitzt, und alles - wirklich alles - ist auch nach Absprache mit deinen GenossInnen und dem/der AnwältIn möglich, auch wenn die BeamtInnen dir erzählen, dass es zu deinem Vorteil gereiche, wenn du ihnen gegenüber Aussagen machen würdest. Wenn du meinst, dir würden Sachen vorgehalten, mit denen du gar nix zu tun hast - sag bitte trotzdem nicht aus. Denn was dich entlastet, kann jemand anderen belasten. Wenn von zwei Verdächtigen eineR ein Alibi hat, bleibt immer noch einE über!

Wenn du meinst du steckst schon so tief im Schlamassel, dass du lieber alles zugeben willst, damit du nicht so hart verurteilt wirst, shut up! Erst NACHDEM deinE AnwältIn Akteneinsicht hatte und ihr euch beraten habt, lässt sich eine gute Strategie festlegen. Wenn du erstmal ausgesagt hast, nützt dir oft auch der/die beste AnwältIn kaum noch was. Außerdem reißt du womöglich unbeabsichtigt andere Leute mit rein.

Und noch ein Argument: Ein Geständnis vor dem Richtertisch zahlt sich immer mehr aus als bei der Polizei, wenn`s denn schon sein muss!