Gefahr für Waldgänger
Der Orkan Kyrill fegte am 18. und 19.01.07 durch Deutschland und sorgte für grosse Schäden in den heimischen Wäldern, besonders im Sieger- und Sauerland. Auch das sauerländische Hemer wurde nicht verschont. Wir haben uns die Schäden in den Hemeraner Ortsteilen Sundwig, Stephanopel und Frönsberg angesehen. Dabei waren wir vorsichtig, denn nach einem Sturm ist es gefährlich den Wald zu durchstreifen, da noch stehende Bäume durch Spannungen brechen können. Unsere Empfehlung: Bleib zuhause und schau dir unsere Fotos an.
Hemer stark von Orkanschäden betroffen
Starke Sturmschäden gab es in den vorher grossen Wäldern von Frönsberg, Stephanopel und Ihmert. Sowohl beim Lohberg als auch beim Brandenberg im hochgelegenen Frönsberg stürzten die meisten Fichten um, während einige Buchen noch stehen. "Die Stadt Hemer ist im Sauerland mit am stärksten betroffen", so Ingo Haurand, Förster der Forstbetriebsgemeinschaft Unteres Hönnetal. Die Feuerwehr fuhr etliche Sondereinsätze. In Hemer-Deilinghofen wurden von 1.000 Hektar 12 % zerstört. Die Stadt Hemer als Waldbesitzer muss durch Kyrill 30.000 Festmeter verkaufen. Das entspricht der 12fachen jährlichen Einschlagsmenge. Der 230 Hektar grosse Hemeraner Stadtwald ist zu 70 - 80 % betroffen, insbesondere bei Fichten. Private Waldbauern können damit rechnen die nächsten drei Jahrzehnte kein Einkommen aus dem Wald mehr zu ziehen. Darüberhinaus müssen sie die Fällarbeiten vorfinanzieren. Der durch einen umgestürzten Baum verursachte Brückenschaden am Höcklingser Weg, vom Wind herausgeschleuderte Dachziegel und die 17 kaputten Strassenlaternen lassen sich durch die Versicherung schnell wieder ersetzen, aber bis Bäume wieder wachsen wird es noch sehr lange dauern. Der Wald, der Hemer lebenswert gemacht hat, ist nicht mehr wiederzuerkennen. 450.000 Festmeter Bruch- und Wurfholz entsprechen 15.000 schweren LKW-Transporten, um das gefallene Holz aus Hemer abzutransportieren. Der Abtransport wird ein Jahr dauern. Bittere Folgen für den Tourismus im Sauerland: Die ersten Stornierungen mussten angenommen werden.
Gegenseitige Hilfe in Iserlohn
Joachim Zacharias, Leiter des Forstamtes in Olpe beklagt den Verlust von 1 Million Festmeter Holz in seinem Revier: "Ganze Bergkuppen sind regelrecht blank". Das mit 70 % bewaldete Siegen-Wittgenstein musste grosse Schäden verzeichnen. In Hagen sind 40 Hektar Wald zerstört und 120 Hektar beschädigt. Hemers Nachbarstadt Iserlohn hat 350.000 und Balve 300.000 Festmeter Sturmschäden zu beklagen. Wenn das Holz nicht mit Wasser bespritzt wird, bedienen sich die Borkenkäfer, die herauskommen, wenn es einige Tage wärmer wird. Das Felsenmeer hat es nicht so schlimm erwischt. Dort sind nur 10 Buchen umgestürzt. Die Forstbetriebsgemeinschaft Iserlohn lud für den 25.01.07 zu einer gutbesuchten ausserordentlichen Mitgliederversammlung ein. Dort wurde ein gemeinsames Vorgehen und gegenseitige Hilfe beschlossen.
Genug Lichtung
Die vom Sturm verschonten nun einzelstehenden Bäume sind bei künftigen Unwettern besonders gefährdet. Der Stadtförster Dirk Basse wird am 26.01.07 im Iserlohner Kreisanzeiger mit folgenden Worten zitiert: "Im Stadtwald hat es uns voll erwischt. Überall, wo Holz liegt, sind wir voll dabei. Meine Leute müssen sich durch zehn bis 15 Meter hohe Fichtenwände kämpfen." Im Balver Wald und in der Rottmecke sei "alles platt, da steht nichts mehr. Man kann es sich nicht vorstellen. (...) Auf 1000 Meter Breite steht kein Baum mehr. (...) "Das schönste am Wald ist die Lichtung. Davon haben wir nun genug."
Hohe Kosten
Der Forstamtsleiter des Märkischen Kreises, Bernd Schmitt rechnet mit hohen Kosten. 30 Millionen Euro kosten nach seinen Berechnungen die Aufräumarbeiten im MK, weitere 30 Millionen die Wiederaufforstung. Er ist gegen den Einsatz von 1 Euro Jobbern, sondern fordert Fachkräfte, um die gefährliche Arbeit zu erledigen. Logistisch stellen Holzabsatz und Holzbergung grosse Anforderungen.
Waldschäden durch den Orkan Kyrill in Hemer
Fotos: Schwarze Katze, 28.01.07
Hemer Sundwig |
Absperrung |
Lange steht das nicht mehr... |
umgefallenes Warnschild |
umgeknickter Baum am Waldfriedhof |
heruntergefallene Dachziegel |
hinter dem Waldfriedhof Sundwig |
schiefes Grabkreuz auf Waldfriedhof |
Windbruch |
Vor dem Sturm war auf der Bergkuppe alles bewaldet |
Kyrill hat im Stephanopeler Tal... |
...ganze Arbeit geleistet |
Windwurf in Stephanopel |
mit Motorsäge abgesägt |
Fichten hinter Baumreihe stehen nicht mehr |
umgeknickter Baum in Frönsberg |
Blick auf Hans Prinzhorn Klinik nun möglich |
mitsamt Wurzelballen vom Wind umgeworfen |
entwurzelter Baum |
düstere Aussichten |
Flachwurzler
Wieso dieser Sturm so grosse Schäden anrichten konnte, hat verschiedene Ursachen. Durch die Umweltverschmutzung und das daraus resultierende Waldsterben sind die Bäume sowieso geschwächt. Fichten haben im Sturm die geringsten Überlebenschancen. Die Wurzeln von Fichten gehen in die Weite und nicht so tief in den Boden hinein und finden daher bei Sturm keinen besonders festen Halt. Da dieser Winter praktisch ausgefallen ist, gab es auch keinen Frost und so konnte der Regen den Boden aufweichen und so kann das Hin und Herschaukeln der Fichten durch den Sturm leicht den Wurzelteller lösen und den Baum umfallen lassen. Von den am Boden liegenden Bäumen sind daher die meisten Fichten.
Tannen widerstehen besser: sie sind fester und haben zudem Pfahlwurzeln. Aber sie wachsen langsamer, sind deshalb forstwirtschaftlich unrentabler. Besonders Fichtenbestände in Monokulturen mussten dran glauben. Fichten und Buchen sind beide "Flachwurzler", sie holen sich ihr Futter aus den oberen Bodenschichten. Fichten haben das Problem, dass sie ihr "Blattwerk" im Herbst nicht abwerfen und zudem durch Monokultur nur noch oben ihre "Blätter" tragen: da kann Sturm gut angreifen und den Stamm - Hebelwirkung - durchbrechen. Also: Fichten werden bei orkanartigen Stürmen eher abgebrochen, die stabileren Buchen dagegen gleich ganz entwurzelt, einzeln stehende Fichten aber durchaus ebenfalls samt Wurzelwerk aus der Erde gehoben. Buchen lieben zudem Kalkböden. Da ist, weil Kalkstein relativ leicht wasserlöslich und deshalb von einer Vielzahl von Klüftchen durchzogen und oberflächlich zerbröselt, die oberste, nahrhafte Humusschicht nur dünn (der Humus verschwindet in den Klüftchen), und der Boden unter dem Wurzel"ballen" einer umgeworfenen Buche schaut er aus wie Geröll: wer kann sich da schon dran festhalten...
Aus Fehlern lernen
Mehr Wildnis, vom Menschen unbewirtschaftete Fläche, wär für die Natur besser. Wenn schon Waldnutzung, dann anders: Bei der Wiederaufforstung sollte auf Monokulturen verzichtet werden und stattdessen Mischwald angepflanzt werden. Da die Sägewerke in Süddeutschland momentan eine grosse Nachfrage nach Holz haben, sollten die Bäume vom Sauerland per Bahn in den Süden gebracht werden. Auf den höhergelegenen kahlen Flächen könnten Windkrafträder aufgestellt werden. Weniger Autoverkehr trägt zur besseren Widerstandsfähigkeit der Bäume bei.
Durch die Profitgier der Unternehmer spielt das Klima verrückt. Starker CO2 Ausstoss durch Fabriken und Autos, Abholzen von Regenwäldern, das Abschmelzen der Arktis, das Wachsen des Ozonlochs, kurz gesagt die naturzerstörende kapitalistische Produktionsweise ist für die Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen verantwortlich. Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, da dieser im Gegensatz zum Individualverkehr eine Kohlendioxidreduzierung beinhaltet, ist ebenso wie die Förderung regenerativer Energien dringend geboten: Der Nulltarif bei Bus und Bahn wäre schon mal ein erster Schritt zum Klimaschutz. Aufgrund der nahezu ausschliesslichen Orientierung auf naturzerstörende Arbeitsplätze plus Wirtschaftswachstum durch Kapitalisten und Marxisten müssen wir in Zukunft mit weiteren Orkanen, Hitzeperioden und Überschwemmungen rechnen. Künftig sollte daher mehr Wert auf ökologische Aspekte gelegt werden.