Film über Chiapas
Schwarze Katze Filmbesprechung

Die Regierung und Justiz in Mexiko sind korrupt. Durch ihre neoliberale, sich an den GroßgrundbesitzerInnen und ausländischen InvestorInnen orientierende Politik hat sich die erschreckende Armut der indigenen Menschen, der BäuerInnen noch verstärkt, hat Mexiko zwei Gesichter erhalten: das "moderne" Mexiko, das zur ersten Welt gehören will, und die anwachsende "dritte Welt" im Inneren, die Welt der Ausgeschlossenen. Noch '88 hat die seit sechzig Jahren machthabende PRI, die Partei der institutionalisierten Revolution, 90% der Stimmen erhalten. Zwei Dinge macht dieser Umstand deutlich: den organisierten Wahlbetrug der PRI und eine Entfernung von den Bedürfnissen der Menschen, die nicht größer sein könnte. Die Regierenden repräsentieren niemanden, nur noch sich selbst. Seit 1940, seit die PRI an der Macht ist, waren ihre Antworten auf soziale Proteste immer die gleichen: Bilder von PolizistInnen, die mit ihren Schildern und Waffen auf aufgebrachte Menschen einschlagen. Aufstandsbekämpfung nennt sich das.

In Chiapas, einer Region von Mexiko, die überwiegend von Indigenen bewohnt wird, riefen diese und viele BäuerInnen "Ya basta!", "Es reicht!". Sie drückten damit ihren Verdruss mit einer nicht länger hinnehmbaren Politik aus, in denen sie und ihre Bedürfnisse nicht einmal Erwähnung finden, und die Bereitschaft, für Veränderung zu kämpfen. Schon '93 gab es Berichte über Vorbereitungen für den bewaffneten Kampf der Indios.

Am 1. Januar '94, eine Stunde nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens Mexikos mit Kanada und den USA, NAFTA, besetzen die Indios mehrere Städte. Am Ende des Filmes sagt Subcommandante Marcos, dass der Freihandelsvertrag ein Todesvertrag für die indigenen Menschen sei, da dieser auf Konkurrenz basiere und die Indios da nicht mithalten könnten. Die erste Erklärung der EZLN mit ihren Forderungen wird verlesen: Die Regierung von Präsident Salinas soll abgesetzt werden und eine Übergangsregierung soll freie Wahlen gewährleisten. In 9 Punkten fasst die EZLN ihre weiteren Forderungen zusammen: Land, Demokratie, Ernährung, Gesundheit, Dach über dem Kopf, Erziehung, Frieden, Unabhängigkeit und Freiheit. Die EZLN erklärt der mexikanischen Armee den Krieg. Alle Zapatistas betonen im Folgenden, dass sie Frieden wollten und wollen und dass sie den bewaffneten Kampf nur gewählt haben, weil sie keinen anderen Ausweg sahen, weil die Regierung ihnen keine andere Möglichkeit offen ließ. Der Dialog-Aufruf der Regierung an die EZLN stößt auf Unglauben: Seit langem sind ihr die Probleme in Chiapas bekannt, doch daran geändert haben die Regierenden nichts, eher im Gegenteil.

Die Probleme in der Menschen in den indigenen Kommunen sind groß: Analphabetismus, unterbezahlte oder gar un-bezahlte Lohnarbeit, zu wenig Ärzte, kaum oder keine sanitären Anlagen. Das wohl größte Problem sind die GroßgrundbesitzerInnen, einige wenige, die das fruchtbare Land in ihren Händen halten, dessen die BäuerInnen bedürfen, um sich selbst zu versorgen.

Die Zivilbevölkerung in den besetzten Städten fühlt sich von den ZapatistInnen gut behandelt, Kinder spielen auf den Straßen und keineR wird am Ort festgehalten. Derweil geht von der Hauptstadt Mexikos der Ruf aus, den Aufstand der EZLN zu unterdrücken und zu ersticken. Das mexikanische Millitär geht gegen die EZLN vor: am 4. Jan. Luftangriffe auf die eigene Bevölkerung. Die EZLN kontrolliert 14 Gebiete, hat zu diesem Zeitpunkt 200 Gefangene befreit und den Ex-Gouverneur Gonzales von Mexiko entführt, dem Menschenrechtsverletzungen en masse vorgeworfen werden.

Die Regierung ignoriert die Rebellion, die als "Gesetzesübertretungen" beschönigt werden, und am 5. Jan. besteht ihr einziges "Angebot" darin, die EZLN zu begnadigen. Präsident Salinas diffamiert die kämpfenden Zapatistas mit rassistischem Unterton als Auswärtige, als Guamalteken. Einer der Zapatistas selbst hebt jedoch hervor, dass alle von ihnen aus Mexiko stammen. In einer Stadt kommt es zu brutalen Festnahmen von mutmaßlichen EZLN-AktivistInnen durch die PRI. Vor den BewohnerInnen versuchen die PRI-Istas die ZapatistInnen als mordende TerroristInnen darzustellen, um so die Perspektive umzudrehen. Nach zehn Tagen des Kampfes und trotz des Einsatzes von ca. 17000 Soldaten ist der Widerstand ungeschlagen: die EZLN hat sich lediglich in die Selva zurückgezogen, greift aber weiterhin das militärische Hauptquartier an. Die offiziellen Schätzungen von 200 Guerilleros und Guerillieras scheinen viel zu niedrig zu sein. "Wir sind viele", meint einer von ihnen verschmitzt. In Regierungskreisen geht mensch inzwischen von 6 Monaten aus, um den Aufstand zu "kontrollieren."

Die zapatistische Bewegung erhält zahlreiche Solidaritäts-Erklärungen und in Mexiko-Stadt und anderen Städten kommt es zu Bombenanschlägen, für die die EZLN nicht verantwortlich zeichnet.

Das Militär reißt das Informationsmonopol an sich: ReporterInnen werden verletzt, ihre Autos demoliert, von der Luftwaffe angegriffen, es wird ihnen selbst der Zugang zu Gebieten versperrt, in denen es keine Auseinandersetzungen gibt. Auch in den Medien vollzieht sich ein Wandel, nachdem die EZLN zwei Tage die Möglichkeit hatte, sich intensiv in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zwischen der Regierung und der Sendeanstalt Tele Visa werden Vereinbarungen darüber getroffen, welche Meldungen noch gesendet werden dürfen, z. B. eine vom 2. Jan., in der gefangene oder gestellte Zapatistas gestehen, 8 Soldaten getötet zu haben. Ganz im Gegensatz dazu werden in dem Film nun Fotos gezeigt, auf denen 14 auf dem Bauch liegende Menschen aus der unbeteiligten Zivilbevölkerung zu sehen sind. Sie wurden gefesselt und per "Gnadenschuss" mit 9-Millimeter- Geschossen ermordet, welche das mexikanische Millitär verwendet.

Angriffe der Millitärs auf die unbeteiligte Zivilbevölkerung sind kein Einzelfall: Bei der Bombardierung eines Marktplatzes werden unzählige Menschen ums Leben gebracht. Die ZapatistInnen fordern das Millitär dazu auf, nicht-kämpfende Menschen in Ruhe zu lassen. Auch internationale Menschenrechtsorganisationen klagen die Verbrechen des mexikanischen Millitärs an: Exekutionen, Bombardierungen und das "Verschwinden lassen" von Menschen.

Menschen in den Städten, die zur Lage in Mexiko befragt werden, machen die Regierung für diese und die Gewalt verantwortlich. Von einer Frau kommt die Forderung, die GroßgrundbesitzerInnen zu enteignen, um das Land den BäuerInnen zukommen zu lassen, die es benötigen. In Mexiko fallen die Börsen- und Aktienkurse, die Regierung von Carlos Salinas und ihr militärisches Vorgehen gegen die EZLN werden in der internationalen Presse angeklagt. Aufgrund dessen wird am 10. Januar der ReGIERungssekretär entlassen und ein "Beauftragter für Frieden und Versöhnung" ernannt, der Gouverneur von Mexiko muss zurücktreten.

Als Voraussetzung für einen Dialog sieht die EZLN ihre eigene Anerkennung an, den Waffenstillstand und Rückzug der Millitärs. Als Vermittler wählen sie einen Bischof, welcher die nun hervortretende Gewalt als Ergebniss der Ungerechtigkeit in Mexiko betrachtet.

Am 12. Jan. findet eine riesige Demo in Mexiko-Stadt statt: Die Illusion des sozialen Friedens zerbröckelt und damit die Anerkennung von Salinas. Am 16. Januar gibt die Regierung bekannt, dass sie die Versöhnung will und den Zapatistas Amnestie gewähren will. Doch für die Indigenen und BäuerInen sind die wirklichen Probleme, die Landverteilung, Ernährung und das Bildungswesen, ungelöst. Nach 12 Tagen Kampf schweigen die Waffen, Mexiko hört zum ersten Mal Chiapas zu. Über das Medium Fernsehen versucht sich Salinas, sich und seine "sozialen Reformen", das Freihandelsabkommen, als Lösung der sozialen Probleme zu inszenieren. Das alles für "ein großes Mexiko," wie er selbst sagt. Aber die meisten BäuerInnen sind es satt, auf eine weitere seiner Fernsehansprachen zu warten. Der Art. 27 der Verfassung, der das Unrecht der GroßgrundbesitzerInnen verrechtlicht, ist für die EZLN das unmissverständliche Zeichen, dass die Regierung ihnen, den armen Menschen in Chiapas, die Tür zu besseren Zuständen verschließt. Bis zum 12. Jan. sind auf Seiten der EZLN, die den Rücktritt von Salinas will, 40 Tote zu verzeichnen, einschließlich der Opfer in der zivilen Bevölkerung und der Verschwundenen.

Am 17. Jan. lässt die von der einheimischen Bevölkerung umjubelte EZLN den Ex-Gouverneur frei, in einer Rede werden seine Verbrechen nochmals benannt: der Raub von Gemeinschaftsgeld zweier Dörfer, das Räumen von indigenem Land und das ökologie-feindliche Abholzen von Bäumen. Ein von StudentInnen organisierter Hilfskonvoi mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten wirde von PRI und Millitär gestoppt, Krankenschwestern werden bedroht. Derweil treibt die Regierung die politische Isolation der EZLN voran. In allen zentralen Fragen der ZapatistInnen ist sie nicht zu Diskussionen bereit: Agrarstrukturen, Wirtschaft und das Wahlsystem sollen nicht zur Debatte stehen. Die EZLN-AktivistInnen sehen darin und in ihrer Untätigkeit, dass die Regierung ihre Verantwortung gegenüber den Menschen nicht erkannt hat, den Menschen, die Land, Essen und freie Wahlen wollen. Eine kämpfende Zapatistin wirft der Regierung vor, nur der Bourgeoisie zu dienen, den Wenigen.

Am 20. Feb. finden in beobachtender Begleitung internationaler NROs in Sant Christobal Gespräche zwischen Regierung und den gewählten Delegierten der EZLN statt. Marcos betont, dass nur dann von Dialog die Rede sein könne, wenn es um ernsthafte Lösungen gehe. Die EZLN will nicht die Staatsmacht an sich reißen, sondern eine "wahre" Demokratie, die der Zivilgesellschaft die Entscheidungsmacht überträgt. Ihr Ziel ist unter anderem, den Art.27 zu beseitigen. "Der Boden für die, die ihn bearbeiten," wie schon Zapata sagte, ist ihre Forderung. Und ihr Krieg diene dazu, dieses Land zu gewinnen, welches die Grundvoraussetzung für eine Selbstversorgung der indigenen Kommunen sei. Außerdem treten sie für die Aufhebung des Freihandelsabkommens ein, welches die mexikanischen BäuerInnen einer für so viele Menschen bereits tödlichen Konkurrenz ausgesetzt hat.

Im Wahlkampf im August versucht die PRD, eine Abspaltung der PRI, den Widerstand in Chiapas für sich zu vereinnahmen, doch die EZLN weist sie deutlich zurück. Von der rechten PAN werden sie als einen Strumpf auf dem Kopf tragende Wilde diffamiert, mit denen mensch nicht reden dürfe.

Was die Zapatistas tun, machen sie "nicht mit Hoffnung auf Macht," wie Subcommandante Marcos sagt, und wenn sie SoldatInnen geworden sind, dann nur, um für eine Welt zu kämpfen, in der es keine Armeen und Soldaten mehr gibt. Den Regierenden hält er vor: "Vor dem ersten Jan. haben sie (die indigene Armutsbevölkerung, Anm. d. Verf.) nicht existiert. Wenn sie wissen wollen, wer sich hinter diesen Masken verbirgt - nehmen sie einen Spiegel und schauen sie rein."

Salinas hingegen präsentiert sich als personifizierte Großzügigkeit und seine Regierung als vorausschauend. Es ist eine Geste der Herablassung, und wer sie annimmt, macht schon beim Machtspielchen mit, dass mit gleichberechtigtem Verhandeln nichts zu tun hat. "So kann es keinen Dialog geben.", sagt Marcos.

Der Ort Murillas wird vom Millitär eingekesselt, Soldaten ermorden drei Menschen, 35 als Zapatistas Verdächtigte werden ins Gefängniss gesteckt und gefoltert. Die reichen Viehzüchter, welche vor einer Bombardierung Murillas gewarnt wurden, sind aus der Stadt geflüchtet. Am 2. März kehren die Delegierten der EZLN in die indigenen Gemeinden zurück, in denen die Vorschläge der Regierung rege diskutiert werden. Eine Frau sagt, dass bisher nur Papiere angefertigt worden seien und Taten auf sich warten ließen.

In sechs Jahren ist die Anzahl der Dollar-Millionäre in Mexiko von 6 auf 24 angestiegen, ein Reichtum, von dem bei mindestens 20 Millionen verarmter Menschen jedee Spur fehlt, ebenso wie von dem Regierungsprogramm "Solidaridad.". In einigen Städten entfachen sich Proteste von LandarbeiterInnen, die sich millitant der Polizei und ihrer Gewalt entgegenstellen. Ein Molli lässt ein Wahllokal in Flammen hochgehen.

Die EZLN setzt den Dialog aus und versetzt ihre Truppen in Bereitschaft, deren Entfernung von den Stellungen der Millitärs oftmals nur einige hundert Meter beträgt. "Wir haben unsere Toten gefragt, wofür sie gestorben sind. Für etwas Grundlegenderes als das, was die Regierung den Menschen von oben herab anbietet." Für Ende Juni hat die EZLN demokratische Vollversammlungen einberufen...

Die deutsche Fassung basiert auf zwei Videos von "CANAL 6 DE JULIO", die nie im mexikanischen Fernsehen gezeigt wurden.