Interview mit der Antifa Hagen
Quelle: Schwarze Katze Rundbrief 10.11.02

Ein längeres Interview mit Aktivisten der Antifa Hagen wurde von der Schwarzen Katze im Radio ausgestrahlt. Dort ging es u.a. um die von Gerichten als ungerechtfertigt eingestufte Einkesselung der antifaschistischen Demonstranten durch die Polizei. In der Sendung sprachen die Antifas von ihrer Kritik an Kameraüberwachung, Konsumwahn, Rasterfahndung, Kapitalismus und über überflüssige Dienste, wie den Verfassungsschutz. Die Hagener Antifas lasen ihren Aufruf zur antikapitalistischen Demo und zum Konzert am 21.09.02 in Hagen vor.

Bei dem Hagener Antifa-Fest war die Schwarze Katze mit einem Büchertisch vertreten. Das hat uns ausgesprochen gut gefallen. Coole Musik, nette Leute, eine bunte Demo gegen Kapitalismus vorher, gutes Essen und Trinken und noch einige andere interessante Infostände. Sowas sollte es öfter geben. Über 400 Menschen aller Altersgruppen besuchten das antikapitalistische Strassenfest und das Konzert, was umsonst und draussen stattfand. Bei der Demo wurden auch Redebeiträge zur Ausgrenzungspolitik der ReGIERenden und (passend vor einer Zeitarbeitsfirma) was kritisches zu Leiharbeit gehalten. Unser Fazit zu Demo und Fest: Eine runde Sache.

Antikapitalistische Demo und Konzert in Hagen
Abschrift der Schwarze Katze Radiosendung

Schwarze Katze Interview mit der Antifa Hagen
und Fotos von Demo und Konzert am 21.09.02

Schwarze Katze: Ihr hört eine Sendung der Radiogruppe Schwarze Katze. Heute sind wir nicht alleine im Studio, sondern es sind noch zwei von der Antifa Hagen dabei.

Antifa Hagen: Wir veranstalten am 21.09. im Hagener Volkspark ein Open Air Konzert. Vorher wird´s eine antikapitalistische Demo geben. Mehr Infos darüber gibt es nach dem Musikstück von Rotes Haus. Das Lied ist über Mumia Abu Jamal.

Schwarze Katze: Am 21.09.02 wird es eine Demonstration und ein Konzert in Hagen geben - veranstaltet von der Antifa Hagen. Mich interessiert jetzt erst einmal das Konzert.

Antifa Hagen: Das Konzert wird im Volkspark stattfinden, das ist in der Innenstadt von Hagen. Und da steht eine Konzertmuschel und darin wird das stattfinden. Es werden spielen: 'Microphone Mafia'- die machen HipHop und kommen aus Köln, dann werden 'Rotes Haus' spielen - die habt ihr gerade auch gehört, die kommen aus Hamburg, dann 'Judy`s Mad Day' aus Hagen, und 'Stroh' - die kommen extra aus Spanien für das Konzert hergefahren- und die machen eine Mischung - man könnte es als SkaCore bezeichnen.

Schwarze Katze: Was passiert, wenn es an dem Tag regnet?

Antifa Hagen: Wenn es regnet haben wir schon eine Ausweichmöglichkeit gefunden, dann wird das im 'Globe' stattfinden - vielleicht zeitlich verzögert. Aber wir werden dann im Volkspark rechtzeitig darauf hinweisen wann und wo genau das sein wird. Aber wir haben schon einen festen Ausweichtermin.

Schwarze Katze: Da wird ja auch 'Microphone Mafia' spielen...

Antifa Hagen: Ja Microphone Mafia machen HipHop und kommen aus Köln. Die gibt es auch schon seit zwölf Jahren, die haben schon bei vielen antifaschistischen Festivals gespielt. Früher viel auf türkisch und italienisch gerappt, und jetzt machen sie es auf deutsch. Und von denen hören wir jetzt das Stück 'Denkmal' von ihrer CD 'Infernal'.

Schwarze Katze: Wann fängt das Konzert an?

Antifa Hagen: Das Ganze beginnt um 15 Uhr im Volkspark, außer Musik gibt es mit Sicherheit einen Würstchenstand, Getränke und Infostände.

Schwarze Katze: Jetzt hören wir von der Antifa Hagen den Aufruf zu ihrer antikapitalistischen Demonstration am 21.09.02:

Wir haben schon lange gewählt! Einen Tag vor dem üblichen Wahlspektakel wollen wir mit euch gegen den Kapitalismus und für ein besseres Leben für alle demonstrieren - und feiern.
ROCK THE CITY, SMASH CAPITALISM

Der Run auf den Platz an der Sonne beginnt schon früh. Spätestens in der Schule. Mit Ellenbogen um das begehrteste Mädchen, die tollsten Klamotten und die besten Noten. Später dann um die begehrteste Frau, das tollste Auto und den besten Job. Wer verliert, trifft sich später wieder, auf den Arbeits- und Sozialämtern, in den Gefängnissen oder Suppenküchen. Je größer die Chancen zu den Verlierern zu gehören, desto stärker werden auch die Abgrenzungsversuche gegenüber dem Elend. Und die Chancen stehen gut: Es gibt immer weniger zumindest einigermaßen sichere Beschäftigungsverhältnisse, fast jeder und jede muss damit rechnen, im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen auf der Strasse zu landen. Was einen dort erwartet ist schlicht menschenunwürdig: Stigmatisierung als "Drückeberger" und dergleichen, Gelder, die kaum zum Leben reichen, der Zwang Knochenjobs für kaum mehr Kohle anzunehmen und stetige Schikanen auf den Arbeits- und Sozialämtern.

Über all dem, also dieser menschlich degenerierten Gesellschaft steht das herrschende kapitalistische Prinzip Profit zu erwirtschaften. Fast jeder Mensch ist gezwungen, seine Arbeitskraft feilzubieten und sich in Konkurrenz zu anderen Menschen zu setzen. Dieses angelernte Konkurrenzverhalten, das die Profiterwirtschaftung garantiert, indem die Menschen möglichst produktiv und günstig sein wollen, durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche. Andersherum wird es in allen gesellschaftlichen Bereichen immer weiter vermittelt, so dass der Konkurrenzkampf um die vorhandene Arbeit immer weiter in den Köpfen verankert wird. Die Menschen werden also im gesellschaftlichen Leben auf ein Verhalten und Denken zugerichtet, das den Fortbestand der kapitalistischen Logik garantiert. Er/Sie wird und macht sich selbst zum Objekt, zur Arbeitsmasse, die nur nach ihrer Produktivität bewertet wird. Wer den Akkord nicht schafft, fliegt, wer morgens lieber im Bett liegen bleibt findet sich schnell auf dem Arbeitsamt wieder. Die dort aufeinandertreffenden Schicksale haben verschiedene Geschichten, von nicht können bis hin zu nicht wollen, aber die selbe Moral: Wer nicht mitmacht, kann auch nicht so leben wie die produktiven Teile der Bevölkerung. Und das wird ihnen von allen deutlich gezeigt, vom Staat, der die Gelder kürzt, von den Nachbarn, die mit teils traurigen, teils abwertenden Blicken tuscheln, von dem Sohn, der nicht versteht, warum er seine Nike-Schuhe nicht bekommt, von den Bullen, die es nicht gerne sehen, wenn sich gezeichnete Leute auf den Bänken vor den Geschäften rumdrücken und vor den Kameras, die - vorher nie wahrgenommen - nun einen zu verfolgen scheinen.

"We will rock you!" ist der Soundtrack einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für die am Rande selbiger, in der nicht nur Stefan Effenberg den Arbeitslosen ans Leder und an die paar Euros Sozialleistungen will. ?We? and ?you? - wir und sie. Das elendig Normale gegen das normale Elend. Die Konsumtempel der Einkaufpassagen und die Suppenküchen an deren Rand. Wer Ersteres einmal gesehen hat, möchte das Andere nicht erleben. Und was mich daran erinnert, will ich nicht sehen. Das Elend muss da bleiben wo es ist, ich will da bleiben wo ich bin. Wer im Konsumtempel sitzt, sitzt meist auch am längeren Hebel und hat damit die Definitionsmacht über das, was Normal ist. Normal bin ich, normal sind wir in den Tempeln, krank, abartig oder einfach nur unschön sind die Anderen. Die Grenzen sind also gezogen, nun müssen sie geschützt werden. Nicht mit roher Gewalt, nicht mit Polizei und Militär alleine. Nicht so, dass unser "Normales" als barbarisch entlarvt wird, sondern subtiler.

Here we go:

Von Boutiqen, Fitnessstudios, Sonnenbänken und individuellen Nadelstreifen oder Das Übel mit dem Normalen

...in einer Zeit der Individualität. So oder ähnlich könnte die Überschrift ergänzt werden. Oder sie könnte gänzlich anders formuliert werden, etwa ?Das Übel mit der Individualität in einer Zeit des Normalen?. Klingen beide Überschriften im ersten Moment noch recht gegensätzlich, so geht die Gleichung im Kontext unserer Gesellschaft doch auf, verschwimmt der Antagonismus beider Begrifflichkeiten, das Normale und die Individualität, in einem sonnengebräunten Brei, in eben dieser unseren Gesellschaft.

Individualität verkauft sich gut. Ob auf Werbetafeln, im Fernsehen, in Zeitungen oder im Radio. Sei du selbst, am besten mit Levis, Audi und Gard-Styling Produkten. Mach was aus dir, im Job oder in deiner Freizeit im 24h geöffneten Fitnessstudio. Fit, schön, gesund und erfolgreich, das Credo einer Gesellschaft in der alles möglich ist, wenn du es nur willst. Die normalisierte Individualität im Alltagsdenken hat auch einen Gegenpol, nämlich hässlich, krank, erschöpft und damit nicht so leistungsfähig. Wer den physischen und psychischen Anforderungen der Arbeits - und Freizeitwelt nicht genügt, ist krank oder abnormal und gehört zu denen, die außen vor stehen. Sie sind unnütz für die Anderen, sie sind unnütz für die Wirtschaft, taugen weder als Produzenten noch als Konsumenten.

Geschlechterverhältnisse in der kapitalistischen Logik

Die klassische Rolle der Frau innerhalb dieser kapitalistischen Gesellschaft liegt in der Reproduktion, der Arbeit im Haushalt, dem Großziehen der Kinder, was der Entlastung des auf Lohnbasis arbeitenden Mannes dienen soll, der sich vor allem auf die Produktion zur Anhäufung von Kapital konzentrieren soll.

Diese Reproduktionsarbeit wird nach wie vor dem Tätigkeitsbereich der Frau zugeschrieben. Heute gehen die meisten Frauen jedoch ebenfalls der Lohnarbeit nach, so dass sie durch Haushalt und Lohnarbeit einer doppelten Belastung ausgesetzt sind. Hinzu kommt noch, dass Frauen zumeist in schlechter bezahlten Bereichen arbeiten als Männer, die zudem kaum eine Perspektive auf sozialen Aufstieg bieten. Ob in Callcentern oder im Supermarkt an der Kasse ? Frauen dienen im postfordistischen Kapitalismus vor allem als billige Arbeitskräfte. Diese heutige Form einer patriachalen Gesellschaftsordnung hat ihren Ursprung vor allem in der Entstehung des Kapitalismus. Männer verdingten sich der Lohnarbeit in den Fabriken, während Frauen die notwendige reproduktive Tätigkeit zur Wiederherstellung der Arbeitskraft zugewiesen wurde. Aus dieser Zuteilung entwickelten sich auch typische charakterliche Zuschreibungen: dem Mann wurde u. a. Organisationsfähigkeit und ein generelles rationales Denken angedichtet, Frauen wurden dagegen eher als gefühlsbetont bzw. emotional angesehen. Das Geschlechterverhältnis ist also kein biologistisches Resultat, sondern das einer Konstruktion, die Zweck und Nutzen hat.

Rassistischer Konsens

Der "Aufstand der Anständigen" im Sommer letzten Jahres wollte uns weismachen, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gehe ausschließlich von ein paar Nazi-Glatzen aus, während neben her das Asylrecht faktisch abgeschafft, Abschiebeknäste gebaut und offen mit antisemitischen und rassistischen Ressentiments Wahlkampf gemacht wird. Rassismus ist jedoch vielmehr das Produkt eines gesellschaftlichen Konsens, der Sündenböcke schafft und ökonomische Ausbeutung ermöglicht. Menschen, die aus anderen Ländern aus Not geflohen sind und auf ein menschenwürdiges Leben hoffen, sind durch ihre Situation gezwungen, die schlechtesten Jobs zu den minimalsten Löhnen anzunehmen. Auf dem Bau oder als ?RaumpflegerInnen? arbeiten diese dann unter Bedingungen, die nicht nur dem ?deutschen Kleinbürger? unvorstellbar sind.

Trotzdem bemühen auch in diesem Wahlkampf Politiker von Schwarz bis Grün rassistische Klischees. MigrantInnen haben in Wahlkampfzeiten keine (wenn auch leere) Versprechungen zu erwarten. Stattdessen werden sie zumeist noch stärker beschimpft und stigmatisiert als dies sowieso schon der Fall ist. ?Wir brauchen mehr Ausländer, die uns nutzen, nicht die uns ausnutzen?, so ein Politikermund im letzten Wahlkampf.

Die Hagener City

Sobald in einer Gesellschaft - bzw. diejenigen, die in ihr funktionieren - Einigkeit über die Kriterien der Aussonderung, über die Definition von "normal" und "abnormal", wer mehr wert ist und wer weniger, besteht, müssen die anderen, die Nicht-Funktionierenden, damit rechnen, ausgegrenzt zu werden. Nach dem Umbau weiter Teile der Hagener Innenstadt, die Hagen wieder mehr konsumkräftige Besucher aus dem Umland einbringen soll, durch das holländische Unternehmen MDC (Multi Development Cooperation) bzw. billige polnische Arbeitskräfte, die zum Teil allerdings schon bald wieder gefeuert wurden, da sie es gewagt hatten aus Solidarität mit den Lohnforderungen ihrer deutschen Kollegen zu streiken, wird dies auch in Hagen wieder verstärkt zur Praxis von Behörden, Unternehmen und privaten Sicherheitsdiensten werden. Schon schwadronieren Lokalpolitiker wieder über eine Wiederbelebung der sogenannten Ordnungspartnerschaft aus Polizei, privaten Sicherheitsdiensten usw. zur Beseitigung eines herbeigeredeten Sicherheitsproblems, die Junge Union will gar eine Bürgerwehr gründen und die immer freundlichen Kontaktbullen erklären im Lokalradio, Randgruppen könnten ja woanders hingehen ? es gäbe ja schließlich genug Wald um Hagen herum. Die Vertreibung von Menschen, die nicht in das hübsche Bild der glitzernden Scheinwelt aus Spaß und Konsum passen, aus der Hagener Neuen Mitte, ist auch ein Teil einer perfiden, kapitalistischen Logik. Der kaufkräftigen Bevölkerung wird das Leben als kaufbares Glück suggeriert, sie soll ihren Sinn im Konsumieren finden. Wer kein Geld hat, hat in dem ständigen Produzieren, Verkaufen und Kaufen nichts zu suchen.

Who reminds Orwell´s 1984?

Diese Vertreibung wird vor allem von der Polizei, immer mehr aber auch von privaten Sicherheitskräften umgesetzt. Weiterhin werden immer mehr öffentliche Plätze per Videokamera überwacht. Verbunden wird dies mit einer Angstmacherei der Medien, die immer wieder die Bilder von brutalen, vor allem nichtdeutschen, Kriminellen produzieren. Die Kriminalität an sich, die sich aus unterschiedlichen Konsequenzen der kapitalistischen Logik füttert ( Armut, Unmenschlichkeit, strukturelle Gewalt, Vereinsamung...), wird dadurch bestimmt nicht bekämpft. Menschen, die in einem Überlebenskampf stecken, die tagtäglich von den Ämtern verarscht und schikaniert werden, die ausgegrenzt werden, denen also tagtäglich Gewalt wiederfährt, reagieren oft auf diese Gewalt ihrerseits mit Gewalt. Dieser Kreislauf wird mit weiterer Ausgrenzung durch Kameras und Polizei, durch die Kürzung von Sozialleistungen nicht durchbrochen, sondern allenfalls weiter gefördert. Kriminalität ist der offensichtlichste Teil des ganz normalen Wahnsinns in dieser Gesellschaft. Sie gehört dazu, ist immanenter Bestandteil des Kampfes der Menschen gegeneinander und um das bessere Leben. Kameras werden daran nichts ändern. Sie sind nur ein weiteres Mittel, diesen Status Quo zu erhalten.

Rock the city

Wir denken, dass es gerade einen Tag vor dem üblichen demokratischen Wahlspektakel wichtig ist, deutlich zu machen, dass die genannten Zustände ein Produkt des Kapitalismus sind, die nicht durch eine andere Regierung beseitigt werden können. Egal ob es sich um Sexismus, Rassismus oder die Ausgrenzung und Vertreibung von Menschen in der kapitalistischen Verwertungslogik handelt, die Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung bietet sich nur durch die soziale Revolution ? die Abschaffung des Kapitalismus! Um dies deutlich zu machen wollen wir am 21.09.2002 mitten in der Baustelle ?Neue Mitte Hagen? demonstrieren und feiern. Noch steht zwar die Abschaffung des Kapitalismus in der BRD noch nicht auf der Tagesordnung, aber an diesem Tag wird wenigstens die Hagener Innenstadt schon mal uns gehören.

Die Stadt gehört uns allen! Kapitalismus abschaffen!

Die antikapitalistische Demonstration beginnt um 13.30 Uhr in der Ecke Bahnhofstrasse, Graf von Galen Ring, das ist direkt gegenüber vom Hauptbahnhof. Das Konzert beginnt um 15 Uhr im Volkspark.

Schwarze Katze: Ihr organisiert für diesen Samstag eine antikapitalistische Demonstration in Hagen. Warum antikapitalistisch?

Antifa Hagen: Antikapitalistisch aus dem Grund, weil wir uns gegen die 'Ellbogengesellschaft' stellen möchten, gegen dieses ewige Konkurenz-Denken, das in einem kapitalistischem System einfach Fakt ist, das gefördert wird - dagegen richtet sich unter anderem unsere antikapitalistische Demonstration.

Schwarze Katze: Das bedeutet also, ihr strebt ein anderes Gesellschaftssystem an, was sozialer und ökologischer ist?

Antifa Hagen: Ja, das ist vollkommen richtig. Wir wollen eine vollkommene Umstrukturierung und alles hin zu einer sozialeren, lebenswerteren Welt, die für uns mit dem Kapitalismus nicht zu machen ist. Und deshalb wollen wir auch den Kapitalismus nicht reformieren, sondern abschaffen. Einen anderen Kapitalismus kann und wird es nicht geben.

Schwarze Katze: Ihr kritisiert auch Teilaspekte von diesem System, unter anderem auch die steigende Videoüberwachung. Wie sieht das in Hagen mit Videoüberwachung und mit Schwarzen Sheriffs aus?

Antifa Hagen: In Hagen sind ziemlich viele Videokameras installiert. Die Innenstadt dürfte komplett überwacht sein. Genauso wie die Bahnhöfe schon seit Längerem. Schwarze Sheriffs und private Sicherheitsdienste sind in der Hagener Innenstadt sehr präsent. Das, was wir auch nicht nachvollziehen können, ist diese ewige Kameraüberwachung, die durch einen Sicherheitswahn hervorgerufen wird, der vielen Leuten eingeredet wird. Wir glauben nicht, dass mehr Sicherheit unbedingt dadurch erreicht werden kann, indem viele Kameras installiert werden, sondern dass man da eher an die Ursachen gehen sollte, und nicht nur die Symptome bekämpft.

Schwarze Katze: Viele Menschen fühlen sich unsicher, wenn sie andere Menschen sehen, die nicht - in Anführungsstrichen gesagt- 'normal' sind. Wird da eurer Meinung nach eine Normalität konstruiert?

Antifa Hagen: Ja, das sehen wir auch so. Je mehr Kameras installiert sind, und je mehr eingeredet wird, dass diese Kameras Sicherheit versprechen, desto mehr gewöhnen sich die Menschen daran und es stört ja auch niemanden mehr. Weil man das Argument 'die Kameras helfen uns ja nur, und wir machen ja nichts Böses' im Kopf hat und man sich immer mehr daran gewöhnt und früher oder später in einem totalen Überwachungsstaat landen wird.

Schwarze Katze: Wie steht ihr speziell als Antifa-Gruppe zur wachsenden Überwachung in der BRD?

Antifa Hagen: Da wir uns als Antifa-Gruppe verstehen, sehen wir Überwachungskontrollen und -mechanismen als sehr kritisch. Für uns sind das faschistoide Methoden, die auch mit der Individualität und der Freiheit des Menschen überhaupt nicht vereinbar sind. Also dass irgendjemand vor irgeneinem Computer-Bildschirm genau weiß, wo, wann, und wie ich mich aufhalte. Das sind ja nicht nur Kameras. Das sind Kreditkartensysteme, und weiß der Geier was es da alles für technische Möglichkeiten gibt. Über die man auch als Bürger überhaupt keine Kontrolle mehr hat.

Schwarze Katze: Wie siehst du das mit der Rasterfahndung besonders bei 'nichtdeutschen' Menschen?

Antifa Hagen: Seit Beginn der Rasterfahndung ist es so, das 'ausländische' oder 'nichtdeutsche' Mitbürger im Vordergrund der Ermittlung stehen. Wobei auch Leute, die nicht vorbestraft sind, oder denen noch nie eine kriminelle Handlung zur Last gelegt wurde, in dieses Raster besonders reinfallen. Und dementsprechend ist dann fast jeder 'nichtkriminelle' Ausländer verdächtig, bzw. jeder könnte verdächtig sein. Seit Beginn der Rasterfahndung ist es natürlich so, dass ausländische Mitmenschen eher in dieses Raster reinfallen, besonders wenn sie keine kriminelle Vorgeschichte haben. Das macht sie dann besonders verdächtig, was schon sehr komisch ist.

Schwarze Katze: Das bedeutet, die Unschuldsvermutung wird praktisch umgedreht.

Antifa Hagen: Ja, das ist genau so. Im Grunde könnte also jeder verdächtig sein.

Schwarze Katze: In eurem Aufruf für die Demonstration steht auch was vom 'rassistischen Konsens'. Meint ihr damit die 'Staatsantifa-Kampagne'?

Antifa Hagen: Ja. Auffällig ist, dass im Sommer 2001 zum 'Aufstand der Anständigen' aufgerufen wurde. Man sieht im Nachhinein, was davon zu halten ist: Es ist nichts dabei rumgekommen. Leute die Zivilcourage eingefordert haben, sorgen dafür, dass Antifaschisten auf Demonstrationen eingekesselt werden, es wird Wahlkampf mit rassistischen, antisemitischen Äußerungen gemacht.

Schwarze Katze: Bei euch in Hagen gab es verschiedene Demonstrationen von Nazis, wie vom 'Nationalen Widerstand Hagen-Lüdenscheid'. Antifas wurden eingekesselt. Was ist da genau passiert und wie ist das ausgegangen?

Antifa Hagen: Wir sind in diesen Kessel geraten, weil wir vor einer Bullensperre zurückgeschreckt sind, die ungefähr fünf Bullen stark war. Wir sind dann in eine Seitenstrasse gerannt und dort wurden wir dann ohne Vorwarnung eingekesselt. Niemand von uns hatte die Möglichkeit sich zu entfernen. Wir kamen dann in Polizeigewahrsam und unsere Personalien wurden festgestellt, wir wurden von Kopf bis Fuß gefilmt, wir mussten uns vermummen-- und... naja.. da fühlt man sich schon kriminalisiert.

Schwarze Katze: Du warst dabei, weil du gegen Nazis demonstrieren wolltest. Und du bist da in einen Polizeikessel gekommen. Hast du denn vorher Straftaten begangen?

Antifa Hagen: Nein ich habe keine Straftat begangen. Ich habe lediglich versucht so nah wie möglich zu der Kundgebung hinzukommen und meinen Protest auszudrücken.

Schwarze Katze: Es gab nachher einen Prozess gegen dich, wie ist denn dieser Prozess ausgegangen?

Antifa Hagen: Also ich habe eine Vorladung, wie alle Leute bekommen, - auch die Minderjährigen die aus dem Kessel wieder rausgelassen wurden. Aber das Verfahren wurde letztendlich eingestellt - bei mir, nicht bei allen.

Schwarze Katze: Nach dem Kessel ist eine Initiative gebildet worden, die sich um die Belange der 'Kessel-Opfer' gekümmert hat, und öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführte. Wie heißt diese Initiative und was ist da genau passiert?

Antifa Hagen: Die Initiative heißt 'Initiative gegen die Kriminalisierung von AntifaschistInnen' und es sind verschiedene Sachen gelaufen. Es sind Unterschriften gesammelt und der Polizeipräsidentin übergeben worden. Es sind Informationsveranstaltungen gemacht wurden. Es wurde eine Rechtshilfe-Veranstaltung gemacht mit Anwälten, die Leute aus dem Kessel juristisch beraten haben. Und es wurde halt eine Gegenöffentlichkeit aufgebaut, da die Sicht der Polizei und teilweise der Presse einfach nicht stimmte. Und da musste einiges richtig gestellt werden.

Schwarze Katze: Wie hat die Öffentlichkeit darauf reagiert? Hat die letztendlich euch mehr geglaubt oder eher der Version der Polizei?

Antifa Hagen: Leider ist es nunmal so, dass viele Leute halt eher der Polizei glauben, als anderen Leuten. Allerdings Leserbriefe in Zeitungen waren demgegenüber relativ positiv uns gegenüber. Es spricht schon für sich, dass fast alle Verfahren eingestellt wurden. In Hagen sind alle eingestellt worden, weil die Polizei und die Staatsanwaltschaft einfach nichts nachweisen konnte. Weil einfach nichts gewesen ist.

Schwarze Katze: Der Verfassungsschutz und der Staatsschutz Hagen haben sich da auch eingeklinkt.

Antifa Hagen: Ja, also, wir stehen als 'Antifa Hagen' im Verfassungsschutzbericht NRW drin - und zwar im Zusammenhang mit dem Kessel. Da wird so geschrieben, als ob eine Strassenschlacht stattgefunden hätte, die Polizei sei massiv mit Steinen beschmissen worden, was de facto einfach nicht so gewesen ist. Es ist vollkommen übertrieben dargestellt. Was der Staatsschutz sich da konstruiert hat, ist wirklich merkwürdig. Also wie die auf solche Ideen kommen...

Schwarze Katze: Was ist denn eure Meinung zum Verfassungsschutz?

Antifa Hagen: Fakt ist ja, das der Verfassungsschutz im Grunde ein Geheimdienst ist, der unserer Meinung nach abgeschafft werden sollte. Es ist einfach so, dass der Verfassungsschutz seine Macht oft dazu missbraucht linke Gegenaktivitäten zu kriminalisieren, während er auf dem rechten Auge des Öfteren relativ blind ist. Es ist ja auch bekannt, dass der Verfassungsschutz die NPD massiv finanziell unterstützt hat - und mit Leuten. Und das wirft für mich die Frage auf, wie die Verbindungen/Beziehungen zwischen NPD und Verfassungsschutz denn nun wirklich sind, da ja einige Informationen nicht öffentlich gemacht werden und noch zurückgehalten werden. Wer weiß, wie lange sie noch zurückgehalten werden...

Schwarze Katze: Mich würde interessieren, was ihr so alles macht.

Antifa Hagen: Ein großer Teil ist mit Sicherheit, dass wir auf Demonstrationen fahren und andere Städte unterstützen. Wir machen Kundgebungen wie letztens in Hagen vor einem Alt-Nazi. Dann machen wir viel Recherche-Arbeit, wir beobachten, welche Neo-Nazis wann wohin fahren und so. Weiterhin organisieren wir oft Gegendemos - wenn in Hagen Fascho-Aufmarsch ist, dann machen wir Gegendemos... Wir machen Info-Veranstaltungen über die Nazi-Szene, aber wir machen auch andere Sachen als die Nazi-Szene: Antiglobalisierung, Anti-Atom- und das ist eigentlich ein ziemlich weites Feld was da gerade so anliegt. Wir veranstalten Soli-Konzerte und machen Antirepressionsarbeit und im Moment stecken wir in den Vorbereitungen zu unserer Demo und unserem Konzert am 21.

Schwarze Katze: Und seit kurzem seit ihr ja auch im Internet mit einer eigenen Seite vertreten.

Antifa Hagen: Die Webseitenadresse lautet www.antifa-hagen.tk. Ist noch im Aufbau, aber ich hoffe sie wird irgendwann richtig fertig sein.

Schwarze Katze: Und der Link zur Antifa-Hagen Internetseite ist auch über www.antinational.de.vu unter 'Links' erreichbar. Möchtest du jetzt noch ein Schlußwort sagen?

Antifa Hagen: Ich möchte anmerken, dass wir nicht nur Gegenarbeit machen wie unsere ganzen Anti-Nazi Aktivitäten, Anti-Atom, und diese ganzen Anti-Sachen - sondern dass unser Hauptziel natürlich ein anderes ist: Dass wir uns für eine menschlichere und sozialere Gesellschaft einsetzen und dass wir Alternativen entwickeln möchten.

Schwarze Katze: Vielen Dank für das Gespräch. Ich sprach eben mit...

Antifa Hagen: ...zwei Aktiven der Antifa Hagen. Und nicht vergessen am 21.09. im Hagener Volkspark das erste Antifa-Festival, Konzert mit Rotes Haus, Stroh, Judy`s Mad Day und Microphone Mafia, das wird toll! Das nächste Stück ist wieder eins von Rotes Haus, und es heißt 'An die Arbeit'.