Massenarbeitslosigkeit
Die Opfer sind schuld

Friedensfestzeitung Iserlohn 2002, Friedensplenum

Großkonzerne schließen Betriebe und entlassen Leute, um ihre Gewinne zu steigern. Banken treiben mittelständische Unternehmen in den Ruin, indem sie ihnen die Kredite streichen. Deren Chefs wiederum sparen lieber an Investitionen und Personalkosten, statt ihren eigenen Konsum einzuschränken. Und die Politiker präsentieren uns einen Sündenbock: die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger.

Würde die Justiz nach dem gleichen Prinzip arbeiten, würden statt der Täter die Opfer von Straftaten vor Gericht gestellt werden. Nicht genug, dass Leute ohne Aussicht auf einen neuen Job von einem Tag auf den anderen gekündigt werden, jetzt soll ihnen auch noch das wenige Geld vom Amt gekürzt werden. Von einem "Arbeitsanreiz" sprechen die Sozialrevolutionäre in den Parteien und Unternehmensverbänden gerne in diesem Zusammenhang. Als gäbe es Millionen von freien Stellen, die nur keiner haben will. So fern von der Realität können nur Menschen sein, die selbst keine Existenzängste haben. Und in der Tat: Einen Politiker werden wir nie in der Schlange beim Arbeitsamt treffen. Selbst wenn wir sie am Wahltag zum Teufel jagen würden, kassierten sie anschließend als Frührentner mehr Geld fürs Nichtstun, als die meisten von uns mit harter Arbeit verdienen.

Wir brauchen eine Systemveränderung
Dabei ist der Ansatz durchaus richtig. Deutschland braucht eine grundlegende Systemveränderung. Nur müsste die nicht bei den Ärmsten ansetzen, sondern bei jenen, die Profit über das Wohl der Menschen setzen. Das wäre ein Angriff auf das System? Um mit Michael Moore zu sprechen: Unser System ist die Demokratie. Im Grundgesetz steht viel über durch, mit und für das Volk - das Wort Aktionär kommt dort nicht vor.

Natürlich könnte die Politik dem unsozialen Verhalten der Konzerne und Profiteure ein Ende setzen - es bedürfte nur entsprechender Gesetze. Doch die werden durch Lobbyisten verhindert, notfalls durch Bestechung von Politikern. Eine derartige Interessensvertretung fehlt den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern natürlich. Darum eignen sie sich auch hervorragend als Sündenbock.

Konzerne in Not
Beispiele gefällig? Aus "finanziellen Gründen" schloss der WAZ-Konzern im Oktober 2001 die WR-Lokalredaktionen Iserlohn, Letmathe und Hemer. Inzwischen gab es einen Einstellungsstopp im gesamten Konzern, dem neben der Westfälischen Rundschau, unter anderem die Westfalenpost, die Westfälische Allgemeine Zeitung und der IKZ angehören. Geht diesem Mediengiganten das Geld aus? Mitnichten. Interne Quellen besagen, dass sich der jährliche Gewinn auf etwa 500 Millionen Euro beläuft. Geld genug, um - wie Verdi berichtet - gleichzeitig Medien in "halb Osteuropa" aufzukaufen.

Ein weiteres Beispiel für die Not der Konzerne ist die Iserlohner Brauerei. Grund für die beabsichtigte Schließung der Brauerei ist nicht etwa eine erdrückende Minusbilanz. Nein, Brau und Brunnen meint lediglich, hier nicht genug Gewinn zu machen. Wenn hier jemand einen Anreiz benötigt, sich sozialverträglich zu verhalten, dann sind es sicherlich nicht die Mitarbeiter.