"Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast"
Friedensfestzeitung 09

Ganze Herrscharen von studierten Mathematikern leben davon, Statistiken zu erstellen. Es gibt ein Statistisches Bundesamt und es gibt mit Sicherheit im Dunstkreis der Europäischen Union auch jede Menge Statistiker. Irgendjemand von den Letztgenannten muss vor geraumer Zeit mal eine Statistik zum Thema "Kinderarmut in Europa" veröffentlicht haben.Das muss ein herber Schlag für unsere Politiker gewesen sein, denn - oh Schreck - Deutschland stand mal so gar nicht gut da! Lediglich ein Mittelfeldplatz sprang raus. Nicht das unsere Politiker sich plötzlich für das Kind als Solches und seine Situation im Detail interessierten, aber vordergründig sind sie nun mal alle kinderfreundlich! "Kinder sind unsere Zukunft" = wer zahlt unsere Rente? Was also tun? Es musste etwas sein, was wirklich wirksam die Kinderarmut in Deutschland bekämpft, aber in Zeiten knapper Kassen nichts kostet.

Kindern helfen?
Im Normalfall denkt man sich jetzt: Okay,Kinderarmut kann man bekämpfen, indem man Kindern, bzw. deren Eltern mehr Geld zur Verfügung stellt. Da es nichts zusätzlich kosten soll, muss das Geld eben umgeschichtet werden. Das ist ja schließlich die Aufgabe eines Staatswesens - Geldströme so zu lenken, dass das Allgemeininteresse am bestmöglichen bedient wird. Aber scheinbar denken Mandatsträger unserer Republik bei wirksamer Bekämpfung der Kinderarmut nicht an die Kinder, sondern an die eingangs erwähnte Statistik.

Wohngeldgesetz
Von den Medien weitgehend unbeachtet wurde deshalb das Wohngeldgesetz geändert. Seit dem 01.11.2008 können nun nicht nur ganze Familien Wohngeld beantragen, sondern auch "nur" die Kinder der Familie, so sie neben dem Kindergeld über irgendein eigenes Einkommen verfügen. 5-jährige gehen eher selten arbeiten, also wird das im Zweifel entweder Unterhalt sein oder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (wenn der Elternteil, der Unterhalt zahlen soll, dies aus welchen Gründen auch immer nicht macht). Damit wird schon deutlich, dass Zielgruppe dieser Gesetzesänderung in erster Linie die Kinder von Alleinerziehenden sind. Und eine andere Voraussetzung: Die im gleichen Haushalt lebenden Eltern/Elternteile können den Lebensunterhalt des Kindes / der Kinder nicht durch eigenes Einkommen decken und sind auf Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch = Hartz IV angewiesen. Diese Änderung des Wohngeldgesetzes ist also auf Hartz IV Empfänger zugeschnitten. Immerhin sind da ja auch die Kinder zu finden, die in der Armutsstatistik den deutschen Schnitt runterziehen. Also - so könnte man meinen - kriegen die Kinder nun Wohngeld, fallen aus dem Leistungsbezug raus und alle sind glücklich:

Nullsummenspiel
Die Statistik sieht besser aus und die Kinder und ihre Eltern haben mehr Geld zurVerfügung. Aber nun sind wir wieder an der Stelle mit: Es soll aber nichts kosten! Das was die Kinder nun an Wohngeld kriegen, wird den Eltern bei der Hartz IV Berechnung wieder abgezogen. Damit sind die Kinder aus der Statistik draußen (weil die haben ja nun mit Kindergeld, Unterhalt und Wohngeld ausreichend Einkommen), aber die Familie als solches hat trotzdem nicht mehr Geld zur Verfügung, bzw. wegen Anrechnung eines etwaigen pauschalierten Freibetrages evtl. bis zu 30,- Euro mehr.
Beispiel:
Laura Z. ist alleinerziehende Mutter von Ephraim. Sie selber geht für 100,-Euro im Monat jobben, ihr Sohn erhält neben dem Kindergeld 200,- an Unterhalt. Zusammen haben sie vorher 600,- Euro Hartz IV Leistungen erhalten = 164,00 Euro Kindergeld + 200,00 Euro Unterhalt + 100,00 Euro Job + 600,00 Euro Hartz IV - 1.064,00 Euro im Monat. Jetzt erhält Ephraim 164,00 Kindergeld + 200,00 Euro Unterhalt + 100,00 Euro Wohngeld = 464,00 . Laura bekommt noch 500,00 Euro Hartz IV + 100,00 Euro Job = 600,00 Euro - insgesamt also 1.064,00 Euro.
Traue keiner Statistik...