Antirassistisches Grenzcamp Köln, Sommer 2003
Sendemanuskript der Schwarze Katze Sendungen


Anmoderation zur ersten Sendestunde
Zwischenmoderation mit einem Zitat aus der Out of Control
Nur Deutsche deutschen Blutes sollen auch in Deutschland wohnen... Schwarze Katze Interview
Es wurde ständig gefilmt, es war eine massive Polizeipräsenz Schwarze Katze Interview
Bericht über das Grenzcamp
Abmoderation zur ersten Sendestunde
Anmoderation zur zweiten Sendestunde
Es muss weitergehen Interview mit der Antifa St. Wendel
Zwischenmoderation
Ich find direkte Aktionen sehr inspirierend Interview mit Marc Amann über kreativen Widerstand
Zwischenmoderation
Weil es meiner Meinung nach einfach wichtig ist solche Inhalte weiterzuverbreiten Umweltzentrum Münster
Abmoderation zur zweiten Sendestunde
Gremzcampdiskussion über Antideutsche

Schwarze Katze: Die Schwarze Katze ist eine antirassistische Gruppe. Deswegen war es für uns ein Anliegen das Antirassistische Grenzcamp auf den Poller Wiesen in Köln zu besuchen. Dabei haben wir auch einige Interviews geführt, die wir heute abend bringen. Das Antira Camp wird zusammen von Menschen aus dem antirassistischen, autonomen, anarchistischen und Antifa-Spektrum organisiert. Mehr dazu nach der Musik.

Schwarze Katze:Zum 6. Mal trafen sich Antirassistinnen und Antirassisten zum Campen. Die ersten antirassistischen Grenzcamps fanden an der deutsch-polnisch-tschechischen Grenze statt. Nach Ansicht der Organisatoren sind Grenzen überflüssig, da konstruiert und künstlich geschaffen. Nicht zuletzt zur Aufrechterhaltung eines Ausbeutungsgefälles im globalen Rahmen. In der antirassistischen Mobilisierungszeitung Out of Control für das Kölner Grenzcamp heisst es:

Grenzen sind oftmals rassistisch und manchmal auch tödlich. Sie sind auch in uns und es liegt an uns diese Grenzen nicht hinzunehmen und aufzulösen.

Nun folgt ein Schwarze Katze Interview mit einer der Redakteurinnen der Campzeitung Campesina:


Nur Deutsche deutschen Blutes sollen auch in Deutschland wohnen...
Interview mit einer Redakteurin der Campzeitung Campesina

geführt auf dem Antirassistischen Grenzcamp Köln, Sommer 03

Schwarze Katze: Wir sprechen jetzt mit mit einer Antirassistin. Sie ist an der Campzeitung für das Antirassistische Grenzcamp beteiligt.

Antirassistin: Ich bin beteiligt an der Vorbereitungsgruppe der täglichen camp-internen Zeitung. Unter der Campzeitung verstehen Leute eher die "Out Of Control". Was die Zeitung ist, mit der sich das Camp nach aussen wendet.

Schwarze Katze: Und diese interne Zeitung gehört dann auf den Camp zum Tag, oder wie können sich das unsere Hörerinnen und Hörer vorstellen?

Antirassistin: Also, erst mal heisst die Campesina und wird möglichst jeden Morgen zur Frühstückszeit auf dem Camp verteilt.

Schwarze Katze: Was steht da in dieser Campesina-Zeitung so drin?

Antirassistin: Was die Leute so schreiben. Sie soll ein Austausch-, Diskussions- und Informationsspiegel für das Camp sein, damit möglichst viele Leute mitbekommen, was andere so erleben und was so abgeht, was passiert ist, oder ob es irgendwo Diskussionsbedarf gibt. Da können Leute ihre Workshops und Aktionsvorschläge oder was auch immer veröffentlichen. Also wir schreiben nichts als Redakteure der Gruppe, ausser einem kleinen redaktionellen Beitrag, aber die Zeitung besteht aus dem, was die Leute - also was die Camp-BewohnerInnen - schreiben.

Schwarze Katze: Wie sieht die Beteiligung an der Erstellung der Zeitung aus?

Antirassistin: Naja, bisher etwas mau. Aber das ist ja auch erst die erste Ausgabe. Das heisst, die Leute müssen sich erst noch daran gewöhnen, dass es sowas gibt. Wir hatten letzte Nacht extreme Probleme, das Ding zu füllen und haben das dann doch irgendwie hingekriegt und hoffen, dass das in Zukunft besser wird.

Schwarze Katze: Für unsere Hörerinnen und Hörer, die mit dem Begriff "Antirassistisches Grenzcamp" nichts anfangen können - was ist das?

Antirassistin: Also das ist ein Camp, also eine grosse Wiese mit vielen Zelten und ähnlichem drauf, wo sich Leute treffen, die dann eine Woche lang zusammen leben, das heisst kochen und alles was dazugehört. Wohnen und Aktionen machen gegen rassistische Gesetze, rassistische Institutionen und die rassistische Mehrheitsgesellschaft.

Schwarze Katze: Worum geht es bei der antirassistischen Demonstration?

Antirassistin: Es geht schon hauptsächlich um Rassismus. Es geht um das Ausländerzentralregister Köln. Es geht um die International Organisation of Migration (IOM), die in Bonn ist und Immigrationsmanagement betreibt, wie das so schön heisst. Das heisst, die Kontrolle der autonomen Bewegung von Menschen auf der ganzen Erde. Es geht natürlich auch um den ganzen Verwertungsrassismus, Sozialrassismus und um das Flüchtlingsschiff, das hier gleich um die Ecke vom Camp ist, wo Roma auf ganz furchtbar unmenschliche Art und Weise eingepfercht worden sind.

Schwarze Katze: Du hattest mir im Vorgespräch erklärt, dass du staatlichen Rassismus ablehnst. Warum?

Antirassistin: Warum? Also, ich lehne jede Form von Rassismus ab, ob die jetzt staatlich oder gesellschaftlich oder persönlich ist. Also, was ist staatlicher Rassismus? Das ist die auf staatlicher Ebene institutionalisierte Ungleichbehandlung von Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe oder einer irgendwie konstruierten "Rasse". In Deutschland ist es halt so, dass sich die Staatsbürgerschaft immer noch an Blutsverwandtschaft festsetzt, d.h. nur Deutsche deutschen Blutes sollen auch in Deutschland wohnen, und alle anderen haben hier nichts verloren, sind nicht mal toleriert oder geduldet. Ich finde das sinnlos und eine bekloppte Idee, die Erde in kleine Flecken aufzuteilen, wo es 'ne Grenze gibt und wo gesagt wird: "Du siehst so und so aus und musst da und da wohnen." Alle Menschen sollten da wohnen können, wo sie wollen - also, sich frei bewegen.

Schwarze Katze: Ein Kritikpunkt von Antirassistinnen und Antirassisten ist die Residenzpflicht.

Antirassistin: Das ist noch mal so eine Verschärfung von Grenzen. Es gibt ja nicht nur Grenzen zwischen Nationalstaaten, und als ob das nicht schon bekloppt genug ist, sondern da wird noch mal 'ne künstliche Grenze aufgemacht, die speziell nur für Flüchtlinge gilt, und die sie schikanieren soll. Das bedeutet, dass diese Flüchtlinge, so lange ihr Asylverfahren läuft, den Landkreis, dem sie zugewiesen worden sind, nicht verlassen dürfen. Das heisst, dass jemand der am Ende der Welt - irgendwo in Süd-Bayern zum Beispiel - zugewiesen worden ist, der darf nicht mal kurz nach Frankfurt fahren, um meinetwegen seine Verwandten zu besuchen, die dort zugewiesen worden sind.

Schwarze Katze: Du hattest gerade auch was von einem Flüchtlingsschiff erzählt. Bedeutet das, dass diese Flüchtlinge keinen festen Boden unter den Füssen haben?

Antirassistin: Das bedeutet, dass da Leute auf dem Schiff Transit im Deutzer Hafen untergebracht sind, unter ziemlich inhumanen Bedingungen. Es gibt keine grossen Aufenthaltsräume, es gibt nicht genügend Spielsachen, es gibt keine richtige Küche oder sowas, wo sie zusammen kochen können. Sie werden von aussen mit Essen versorgt. Es sind zum Teil vier oder fünf in einem mini-kleinen Zimmer eingesperrt und das Schiff ist obendrein noch ziemlich überfüllt. Es gibt nicht genügend sanitäre Anlagen, et cetera...

Schwarze Katze: Wenn so Begriffe wie Staatsrassismus gebraucht werden, bedeutet das, dass du den Staat oder Staaten generell ablehnst?

Antirassistin: Ja, das bedeutet das auch.

Schwarze Katze: Vielen Dank für das Gespräch.

Antirassistin: Bitte.

Schwarze Katze Nachtrag vom Mai 04: Das Flüchtlingsschiff Transit ist seit Winter 2003 weg, die Roma leben jetzt wieder zusammengepfercht in Wohnheimen an Land. Im Hafen verblieben ist aber das Asylschiff, auf dem seit Jahren Asylbewerber für wenige Tage einquartiert werden, bevor sie in eine GUK (Gemeinschafts-/Erstaufnahmeunterkunft) geschickt werden.


Es wurde ständig gefilmt, es war eine massive Polizeipräsenz
Schwarze Katze Interview mit einem Antirassisten

Antirassistisches Grenzcamp Köln, Sommer 03

Schwarze Katze: Wir sprechen jetzt mit einem Teilnehmer des antirassistischen Grenzcamps. Du warst ja dabei, als es am Samstag zur Räumung kam. Erzähl mal was drüber.

Antirassist: Am Samstag ab 11 Uhr wurde das Camp komplett von der Polizei dicht gemacht. Dazu muss man wissen, dass auch eine Nazi-Demonstration mit etwa 60 Nazis stattfand, die sich mit einem riesigen Polizeischutz durch die Stadt bewegen konnten, während Gegendemonstranten oder Camp-Teilnehmer keine Chance mehr hatten, aus dem Camp raus zu kommen. Und es auch in dieser Phase bereits zu Ausschreitungen seitens der Polizei gekommen ist, die in die Menge reingeknüppelt hat, die sich wegbewegen wollte, und auch das Wasser abgedreht hat. Es war ein sehr sehr heisser Tag war und die Polizei hat die Wasserversorgung mehrfach ausgeschaltet.

Dann kam es, dass am späten Nachmittag die Polizei ankündigte, das Camp entweder zu räumen, oder wir würden freiwillig gehen, und da gab's natürlich gemischte Ansichten dazu. Aber eine Reihe von Leuten - etwa 300 bis 400 - hat sich entschlossen, dort zu bleiben und mit den Flüchtlingen und Menschen, die keine Papiere haben, die vielleicht auch Probleme mit der Polizei hatten, auszuharren und sich eben nicht freiwillig dieser Massnahme zu beugen.

Das Camp ist dann umstellt worden mit etwa insgesamt 2.500 Polizisten, die an dem Einsatz beteiligt waren. Es werden auf jeden Fall einfach tausende gewesen sein, die allein dieses Camp umstellt hatten und die mit Hamburger Gittern dann alles dicht gemacht haben.

Schwarze Katze: Was bedeutet "Hamburger Gitter"?

Antirassist: Hamburger Gitter sind einfach nur eine Form von Absperrgittern, die so ineinander greifen und die, als erstes in Hamburg eingesetzt, verhindern sollen, dass Menschen sich dort noch frei bewegen können. Damit die Polizei es eben einfacher hat, das ganze Gelände einzukesseln, wie man das so schön nennt.

Schwarze Katze: Du hast vorhin was von illegalisierten Flüchtlingen gesagt. Was hat das denn für sie für Konsequenzen, wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden?

Antirassist: Also das kann im schlimmsten Fall die Konsequenz einer sofortigen Abschiebung haben, oder auch, dass die Duldung abgelehnt, also beschnitten wird, was dazu führen kann, dass diese Menschen in Staaten abgeschoben werden, die nicht zimperlich im Umgang mit Menschen sind.

Schwarze Katze: Und das war ja auch das Thema vom antirassistischen Grenzcamp. Doch jetzt weiter zurück zum Samstag.

Antirassist: Es ist dann so gewesen, dass die Polizei dort einen Räumpanzer und zwei Wasserwerfer aufgefahren hat, und mehrere sogenannte Flutlichtanlagen der Feuerwehr auch noch zum Einsatz kamen, als es dann langsam dunkler wurde und sich das endlos hinzog. Die CampteilnehmerInnen hatten sich in einem Kreis zusammengefunden, sich eingehakt und hatten die Flüchtlinge in die Mitte genommen, um sie vor diesen Massnahmen zu schützen. Die Polizei hatte gesagt, dass die Menschen auch freiwillig gehen können, aber alle sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen müssen. Das heisst, alle müssen Personalien abgeben und sich auch von der Polizei filmen lassen, weil sie eben angebliche Straftäter, die die Polizei mit Dielen und anderen Gegenständen aus der Menge beworfen hätten, dabei identifizieren wollten.

Irgendwann haben sie angefangen, die Leute rauszuziehen. Das hat sich alles endlos hingezogen. Die Polizei selber hat, weil sie nicht über die logistischen Möglichkeiten verfügte, ziemlich viele Leute nach Brühl transportiert, was zwischen Köln und Bonn liegt. Das ist eine riesige Gewahrsam-Sammelstelle, die sehr provisorisch ist, mit so Tier-Käfigen, wo die dann drin hocken, jedenfalls sieht das genauso aus.

Schwarze Katze: Wie war das denn in Köln-Brühl?

Antirassist: Ja, das war so: Ich war auch in einem kleineren Gefangenentransporter, wo immer zwei Leute in so einer Mini-Zelle sitzen und es hat schon eine halbe Stunde gedauert, bis wir überhaupt da raus transportiert wurden. Als wir da hingekommen sind - es gab ja Leute, die aufs Klo mussten, und die Polizei drauf aufmerksam gemacht haben - und die Polizisten immer nur gesagt haben: Wir hören gar nichts. Dass es auch vollkommen klar war, dass die da in Grundrechte eingreifen und die Menschen da so einer Qual aussetzen.

Wir konnten uns angucken, wie andere Leute da reingeführt wurden und irgenwann waren wir halt dann auch dran. Da war's dann so, dass Personalien aufgenommen und Leute abgefilmt wurden mit 'ner Kamera. Was schwierig war, weil viele sich Parolen ins Gesicht gemalt oder Schlamm ins Gesicht geschmiert hatten. Viele haben einfach auch weggeguckt. Die Polizei hatte auch keine rechte Lust, da grossartig gewalttätig zu werden. Die Polizeibeamten wirkten dort alle sehr genervt und nicht sehr lustvoll. 90% der Zeit standen sie Kippe rauchend draussen rum, weil sie einfach nichts zu tun hatten.

Irgendwann wurde man in eine Zelle verfrachtet, wo schon etwa 10 bis 15 Leute drin sassen. Alle Leute die dazu kamen, wurden unter grossem Jubel begeistert aufgenommen. Es war eigentlich eine sehr gute Stimmung, und ständig Sprechchöre gegen solche Polizeimassnahmen und staatlichen Rassismus erhoben. Von daher konnten wir uns die Zeit recht gut vertreiben.

Schwarze Katze: Wie beurteilst du das Verhalten der Polizei?

Antirassist: Wenn man sich die ganze Woche anguckt, war sie geprägt von Kamera-Überwachung. Es wurde ständig gefilmt, es war eine massive Polizeipräsenz, es sind auch zivile Einheiten dabei gewesen, die die Menschen ständig verfolgt haben, also dieses ganze Potpourri was sie dann immer weiter zugespitzt haben, hat einfach eine total einschüchternde, autoritäre Situation geschaffen.

Auch diese Geschichte wie: Wasser abgedreht, Internetkabel sind von der Polizei durchgeschnitten worden. Da sind einfach Handlungsmöglichkeiten von Menschen beschnitten worden. Es ist eine Atmosphäre geschaffen worden von einem Klima der Angst und der Einschüchterung, was natürlich auch Aggression produziert, und was einfach völlig ungeeignet ist, um mit so einer Situation umzugehen. Dabei wurde von der Polizei das Gefühl geschaffen, dass sich dort irgendwelche Chaoten - oder was auch immer - versammeln, die die Stadt in Schutt und Asche legen wollen. Und dass sich natürlich die Medien und auch sonst niemand anderes mehr mit dem Inhalten und den Forderungen der Menschen dort auseinandersetzt. Weil eben alles nur von den "Gefechten" zwischen Polizei und DemonstrantInnen überlagert wird.

Schwarze Katze: Vielen Dank für das Gespräch.

Antirassist: Jou.


Schwarze Katze: Nachfolgend ein Bericht von jemand, der beim Antirassistischen Grenzcamp dabei war:

Besucher des Antira-Grenzcamps: Ich möchte jetzt im Nachhinein ein bisschen was über das Camp erzählen, dass jetzt schon eine Weile vorbei ist. Insbesondere dann auch nochmal auf den inhaltlichen Teil am Anfang und das Auftaktforum, das war ein kleiner antirassistischer Kongress, in dem Ansätze antirassistischer Arbeit diskutiert wurden und danach noch ein bisschen über die Aktionen die während des Camps gelaufen sind. Und noch einmal ganz besonders auf die Repression die gegen das Camp in Köln stattfand, in der die Polizei das Camps massiv provoziert hat, sehr brutal vorgegangen ist. Und so das Camp am Samstag, einen Tag vor dem offiziellen Ende, dann unter dem Vorwand das 70% der am Campistas, der teilnehmenden Menschen, Straftäter wären, geräumt hat.

Das Forum hat am Freitagabend mit einem inhaltlichen Auftaktplenum in der Fachhochschule Köln-Deutz begonnen. Das ist ein paar hundert Meter von den Poller Wiesen, wo das Camp stand, entfernt. Dort haben verschiedene Gruppen ihre Ansätze ihrer antirassistischen Arbeit vorgestellt. Interessant war der Gegensatz der Praxis der verschiedenen Gruppen wie "Kanak Attak" die mehr den Schwerpunkt auf die alltäglichen Kämpfe von Migranten, Illegalisierten und Flüchtlingen gelegt haben. Und von der Flüchtlingsselbstorganisation "The Voice" die ihren Schwerpunkt in der antirassistische Praxis mehr auf Anti-Abschiebungsaktionen gelegt haben. Den Kampf gegen den gesellschaftlichen und staatlichen Rassismus haben durch alle Teilnehmenden Personen und Gruppen als notwendig angesehen, lediglich die Ansätze waren unterschiedlich. In Gruppen wie "Kanak Attack" von einer Autonomie der Migration sprachen, Migration per se als subversiven und vielleicht auch revolutionären Akt dargestellt haben.

Bei "The Voice" lag der Fokus dagegen ganz klar darauf gegen die Auswüchse des staatlichen Rassismus, wie etwa Abschiebung zu protestieren und Aktionen dagegen zu machen. Auf einen gemeinsamen Standpunkt konnten sich die Gruppen aber, wie ja schon vorher zu erwarten war, nicht einigen. Über das Forum gingen noch einige inhaltliche Diskussionen hinaus, so gab es eine Reihe von Vorträgen zur Theorie des Rassismus.

Besonders ist der Vortrag von Mark Terkessidis hervorzuheben, dem Autor des Buches "Psychologie des Rassismus". In seinem Vortrag wurden die Unterschiede der Rassismusforschung in Deutschland und im Ausland eingegangen. Während die Rassismusforschung in Deutschland im Mainstream eigentlich noch Rassismus bestärkt, indem es versucht die negativen Vorurteile die über einer imaginären "Rasse" herrschen, zu widerlegen greift der internationale Diskurs über den Rassismus als solchen an, d.h. als System. Es geht dort nicht darum zu zeigen, dass "die Türken" oder "die Schwarzen" ganz besonders gute Menschen sind, es geht darum zu zeigen das es "die Türken" und "die Schwarzen" als solche gar nicht gibt. Sondern das hier eine Gruppe konstruiert wird die zu einer Projektionsfläche von allem möglichen positiven oder negativen Vorurteilen werden kann. Es gibt quasi weder ein Vorurteil noch ein Urteil über eine bestimmte Gruppe, weil es diese als solche nicht gibt. Auch die Geschichte des Rassismus war Thema in diesem Vortrag, der mit dem Untertitel "Rassismus und Moderne" gehalten wurde.

Für Mark Terkessidis fängt die Geschichte des Rassismus im Jahr 1492 an, mit der Entdeckung der so genannten Neuen Welt. Hier trafen die mächtigen Europäer auf die Ureinwohner und unterdrückten sie. Das Kriterium, nach dem unterdrückt wurde, war die Rasse, weil die ja irgendwie anders war. Mark Terkessidis ging in seinem Vortrag weiter darauf ein, dass seine Definition von Rassismus ein etwas losgelöster Begriff sei als der dem biologischen Begriff Rasse sei. Und durch die heutige Bezeichnung Rassismus nur die Illegitimität der Gruppenkonstruktion aufgezeigt werden soll. Daran gab es von einigen Formsteilnehmern Kritik. Der Rassismusbegriff, so sagten sie, würde so beliebig werden und eigentlich gar nichts mit Rassismus zu tun haben. Auch zur Diskussion über Antisemitismus ist es nach dem Vortrag gekommen. Marc Terkessidis etwa sieht im Antisemitismus nur eine andere Spielart des Rassismus, was von einigen Forumsteilnehmern heftig kritisiert wurde. Die Kritiker wiesen darauf hin, dass Rassismus in der Regel dazu genutzt wird, Gruppen negative Eigenschaften zuzuschreiben, um diese besser unterdrücken zu können. Während der Antisemitismus Projektionsfläche für alle Übel bietet. Juden werden nicht nur negative Eigenschaften, wie etwa Hakennasen oder einem watschelndem Gang zugeschrieben, sondern sie werden gleich zu Übermenschen charakterisiert, die alle Fäden in der Hand halten. Einigen konnten sich die Diskussionsteilnehmer aber auch hier nicht. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Vortrag und die anschliessende Diskussion überaus aufschlussreich und interessant war.

Ausser diesen Vorträgen gab es natürlich noch eine ganze Reihe anderer Veranstaltungen wie etwa Workshops zu direkten Aktionen und zur International Organisation of Migration, der IOM. Das Ende des Auftaktforums bildete ein Abschlussplenums. Viel Neues tat sich jedoch nicht. Die Positionen waren im wesentlichen mit denen identisch, die schon im Auftaktplenum dargelegt wurden.

So nun möchte ich auch etwas zu unseren Aktionen erzählen. Die erste Aktion ging bereits am Samstag los, als eigentlich das Auftaktforum noch im vollen Gange war. Die Neonazis um den Kölner Verleger Manfred Rouhs und den Rechtsanwalt Markus Beisicht, beides sich bürgerlich gebende Rechte, mit einer illusteren Vergangenheit in diversen neonazistischen Organisationen, wie etwa den Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der faschistischen NPD, oder der Deutschen Liga für Volk und Heimat, meinten gegen das Grenzcamp aufmarschieren zu müssen. Naja aufmarschieren ist vielleicht zuviel gesagt: Mit etwas 20 Leuten standen sie da - nach Polizeiangaben - ich selber habe eigentlich nur 6 gezählt - und andere Leute 13. Aber viel mehr werden es nicht gewesen sein.

Besonders viel Publikum hatten sie eigentlich auch nicht, außer den 200 wütenden Antifaschisten und den 300 Polizisten, die sie vor eben denen beschützen mussten. Die Polizei hat sich an diesem Tag, wie auch die restliche Camp-Zeit ziemlich brutal verhalten. Einigen Antifaschisten, denen es gelungen ist, den Platz auf den sich die Nazis treffen wollten zu besetzen und den Nazis auch ein Transparent zu klauen, wurden von den Polizisten brutal vom Platz geprügelt. Viel passiert ist dann aber nicht. Jedoch war es ziemlich lustig mit anzusehen, wie die Nazis in Taxis nach Haus gefahren sind und eigentlich alle recht verunsichert guckten. Besonders der etwas treudoof herumschleichende Manfred Rouhs war echt ein Bild für die Götter. Oder Judith Wolter, die sich die ganze Zeit Sprüche wie: "Judith, wink doch mal! Judith, wink doch mal!" anhören musste. Naja danach sah die Pro Köln Vorsitzende nicht ganz so pfiffig aus. Nachdem die Deutschen Helden von Pro Köln endlich weg waren konnten sich die Campistas wieder dem Auftaktforum zuwenden.

Am Montag lief die erste offizielle Aktion: Eine kleine "Wir stellen uns vor" Kundgebung auf der Kölner Domplatte. Dort wurde von einem Lautsprecherwagen den Kölner Bürgern und Bürgerinnen das Anliegen des Grenzcamps vermittelt. Danach gabīs noch eine Spontandemonstration durch die Innenstadt. Die Polizei, die zwar mit vielen Kräften vor Ort war, war sichtlich überfordert. Denn mit soviel spontan agierenden Menschen kommen sie anscheinenden nicht klar. Naja eigentlich auch kein Wunder, wenn man nur Befehl und Gehorsam kennt. Zu gewalttätigen Übergriffen von Polizisten auf Campistas ist es hier jedoch noch nicht gekommen und wenn dann nur vereinzelt und ich habs dann nicht mitgekriegt. Dies sollte sich aber im Lauf des Camps noch ändern. Einige Tage später kam es dann zu einer direkten Aktion gegen das Ausländerzentralregister (AZR) in Köln-Riehl. Das AZR speichert systematisch Daten von in Deutschland lebenden Menschen ohne deutschen Pass. Zugriff auf diese rassistische Datenbank haben neben Arbeits- und Sozialbehörden auch noch alle möglichen Geheimdienste und sonstige Repressionsapparate. Bereits in der Vergangenheit regte sich Wiederstand gegen das Ausländerzentralregister. Und auch diesmal versuchte eine Gruppe diesen direkt zu äußern. Die Aktivisten drangen auf das Geländer des Ausländerzentralregisters ein und versuchten dort in das Gebäude zu gelangen. Aufgrund der hohen Sicherheitsvorkehrungen und den Panzerglastüren gelangte dies jedoch nicht. Durch das Verschönern der Fassade mit Farbe und aufbringen von antirassistischen Parolen machten die Aktivisten ihrem Ärger Luft. Polizeikräfte waren zu dieser Zeit noch keine da. Was sich jedoch später ändern sollte. Im Anschluss formierte sich noch eine Spontandemo. Diese wurde jedoch von den anrückenden Polizeikräften mit der Begründung eingekesselt, dass sich angeblich Straftäter in den Reihen befinden würden. Über mehrere Stunden wurden die Aktivisten in sengender Hitze festgehalten. Immer wieder griff die Polizei einzelne Menschen raus. Einige Menschen, die ihr Gesicht mit Tüchern bedeckt hatten um der gleißenden Mittagszone zu entgehen wurden von der Polizei rausgegriffen. Ihnen wurde der abstruse Vorwurf gemacht, sie hätten sich vermummt. Das Vermummungsverbot gibt es übrings nur in Deutschland und in keinem anderen Land.

Nach dieser Aktion gab es auf dem Camp einen Aushang, der die ausländischen Aktivsten darauf hinwies, dass es in Deutschland verboten ist, das Gesicht mit Tüchern zu bedecken. Das Ergebniss der AZR-Aktion und der Demo waren acht Verhaftete. Diese wurden nach Köln-Brühl, in die Gefangensammelstelle gebracht. Die anderen Aktivisten wurden dann mit einer Sonderstrassenbahn zurück zum Camp kutschiert.

Am Donnerstag folgten Aktionen gegen den Abschiebeflughafen in Düsseldorf. Neben einer vorher angemeldeten Demonstration, ziemlich abseits auf dem Flughafengelände, die sich später noch zur Bundesgrenzschutzkaserne bewegte, gab es zahlreiche fantasievolle Aktionen innerhalb der Hallen.

Auch hier waren leider wieder Verhaftete zu beklagen und die Polizei zeigte sich an der Bundesgrenzschutzkaserne ziemlich aggressiv. Provokativ wurde diese gesamte - übrigens sehr friedvolle - Demonstration gefilmt. Und auch ein BGS-Hubschrauber kreiste permanent über dem Gelände. Ob das nicht ein Sicherheitsrisiko für den Flughafen ist, wenn da einfach so Hubschrauber von der Polizei rumfliegen? Naja vieleicht ein gefährlicher Eingriff in den Flugverkehr, aber das muss die Polizei ja selber wissen. Für die in der BGS Kaserne inhaftierten Flüchtlinge gabīs dann noch ein Konzert einer Band, die vom Lautsprecherwagen der Demo aus spielte. Ob die Flüchtlinge erreicht wurden, wissen wir leider nicht. Bleibt nur zu hoffen das sie etwas Licht hatten in diesem Dunkel.

Dass das Camp nicht nur Antirassismus wörtlich nimmt, sondern auch antikapitalistische Perspektiven hat, zeigte sich bei der Rückfahrt vom Düsseldorfer Flughafen zurück nach Köln. Spontan entschieden sich die Aktivisten statt mit der popligen Regionalbahn zu fahren, einmal richtig Luxus zu genießen und mit einem ICE zu fahren, natürlich ohne Ticket. Denn eine der Parolen des Camps lautete bekanntlich: "Alles für alle und zwar umsonst!". Nachdem die 120 Aktivisten es sich im Luxuszug gemütlich gemacht hatten, tauchte auch schon bald der erste Schaffner auf und wollte Fahrkarten kontrollieren. Nachdem er mehre Male ans andere Ende des Zuges verwiesen wurde, hat er irgendwann kapiert, das die Leute weder ein Ticket hatten, noch eines erwerben wollten. Die Reaktion darauf war allerdings nicht so kreativ und subversiv wie die Aktionen der Campistas. Statt die Leute bis zum nächsten Halt, der schon Köln Hauptbahnhof war, fahren zu lassen orderte der Schaffner den BGS für Köln Hauptbahnhof an und wartete, während dieser dort offenbar auflaufen sollte, im Bahnhof Köln-Deutz. Doch gab es wohl einige technische Probleme an Bord und der Funkspruch der offenbar an das BGS gehen sollte, ging durch die Sprechanlage des Zuges, so das die Campistas von den Plänen Bescheid wussten. In Köln-Deutz angekommen, dauerte es nicht lange, bis der erste findige Aktivist den Notöffner für die Tür fand und alle 120 den Zug verlassen konnten. Nach einiger Zeit hat aber auch die Polizei den Weg nach Köln-Deutz gefunden und einige Aktivisten eingekesselt, die meisten sind jedoch so davon gekommen. Am Ende des Tages waren aber schon wieder alle im Camp.

Donnerstag war Innenstadtaktionstag. Es gab eine Pink & Silver Aktion, bei der Aktivisten als BGS Beamte kostümiert durch den Kölner Hauptbahnhof gingen und dort rassistische Kontrollen nachspielten, um den Bürgern klarzumachen was es heißt, rassistisch kontrolliert zu werden. Die ganze Aktion war sehr fantasievoll und gewalltfrei. Jedoch tickte die Polizei hier völlig aus. Die Leute wurden allesamt eingekesselt. Apropo Polizei und austicken: Am Samstag sind sie dann völlig abgegangen. Es war der zweite Naziaufmarsch gegen das Camp. Diesmal nicht von irgendwelchen treudoofen Manfred Rouhs Fans, die sich Pro Köln nennen, sondern diesmal war der militante Flügel an der Reihe. Die "Freien Kameradschaften" mobilisierten. Naja mobilisieren, auch nicht so wirklich. 50 warenīs. Immerhin schon mehr als die Pro Köln Nasen. Naja, aber nicht wirklich viele. Dafür war die Polizei umso zahlreicher vertreten. 2.500 waren es, die eine komplette Ausgangsspeere gegen das Camp verhängten, um den 50 Pappnasen das Marschieren zu ermöglichen. Es liegt an euch zu entscheiden, wessen Geistes Kind diese Aktion nun war. Naja, dieser Samstag stellt den Höhepunkt der Schikanen dar, die Seitens der Polizei die ganze Woche dem Camp gegenüber gebracht wurden.

Als ob es nicht schon genug gewesen wäre dass regelmäßig Polizeieinheiten vor dem Eingang des Camps parkten und versucht hatten Leute abzufilmen, nein diesmal wurde auch mit der "Begründung", das 70% der Campistas allesamt Straftäter seien, das komplette Camp eingezäunt und über 300 Leute in Gewahrsam genommen. Angefangen hatte das ganze mit einem heldenhaften Motorrad-Polizisten, der meinte mit Kamera bewaffnet über das Camp fahren zu müssen. Naja er wurde dann zum Umkehren gezwungen und hat dann auf dem Weg dahin seine Kamera verloren. In einer Polizeipressemitteilung hieß es später, sie sei ihm geraubt worden und die Campteilnehmer wurden dafür verantwortlich gemacht. Die Kamera ist zwar später wieder aufgetaucht, das hinderte die Polizei jedoch nicht daran, zu behaupten, dass Straftaten wie unter anderem "Schwerer Raub" von den Campteilnehmern begannen wurden. Eine Kamera abhanden gekommen und schon ist das schwerer Raub. Polizei halt... Während der Belagerung des Camps, die bis spät in die Nacht dauerte, setzte die Polizei unter anderem Tränengas gegen die anwesenden Menschen ein. Und das bei Temperaturen von 40 Grad Celsius, wo das Gas schwere Verbrennungen verursachen kann. Obendrein wurde auch noch das Wasser von der Polizei abgestellt. Nach einem Hinweis eines Arztes, dass dieses vorsätzliche Körperverletzung sei, stellte die Polizei es dann aber irgendwann wieder an. Auch auf Medien scheint man bei der Polizei wohl nicht wirklich zu stehen. Jedenfalls wurden die Telefonleitungen vom Camp sowie die ISDN- und Internet-Leitungen mehrmals gekappt. Nachdem die Polizei das Camp-Gelände gestürmt hatte und die Personen dort eingekesselt hatte, weil sie die Wahl zwischen einer freiwilligen Personalienabgabe und einer gezwungenen Personalienabgabe samt Erkennungsdienstlicher Behandlung nicht so toll fanden, durchsuchte die Polizei auch die Zelte. Berichten zufolge soll es auch dazu gekommen sein, dass Polizisten in einige Zelte urinierten. Das sind dann wohl die Freunde und Helfer in grün, die alles zum Wohle der Bevölkerung tun und natürlich auch nie Straftaten begehen. Sowas wie Sachbeschädigung und dann noch auf eine solch eklige Weise, nein das kann doch unsere Polizei nicht tun! So würde es wahrscheinlich im "Express" stehen aber sie tun es anscheinend doch.

Apropos "Express" und Medien: Die lokalen Medien in Köln zeichneten sich im Wesentlichen dadurch aus, das sie aus den Polizeipressemitteilungen zitierten. Wirklich eigenständige Berichte finden sich dort nicht. Aber das ist ja ziemlich bezeichnend für den deutschen Journalismus, wo man lieber von Behörden abtippt. Ohne jetzt böse sein zu wollen. Die einzige Ausnahme bildete die Frankfurter Rundschau, die einen sehr polizeikritischen Artikel geschrieben hat, was ja eigentlich zu begrüßen ist. Durch die Repression wurde jedoch auch etwas durchaus positives in Gang gesetzt, nämlich die Solidarität der Bewegung innerhalb ganz Deutschlands. So gab es viele Solidaritäts- und Protestaktionen bundesweit. So etwa in Dresden, Leipzig, Hamburg, Bremen, Freiburg und in Berlin. In Berlin entschlossen sich einige Aktivisten spontan ein symbolisches Grenzcamp im Lustgarten weiterzuführen.


Schwarze Katze Abmodi: Heute abend ging es um das Antirassistische Grenzcamp in Köln. Es stand unter dem Motto "Für globale Bewegungsfreiheit. Verwertungslogik und rassistische Ausgrenzung angreifen!" Dieses Motto ist auch ein schönes Schlusswort für diese Sendung.


Schwarze Katze Anmodi: Hallo liebe Hörerinnen und Hörer. Jetzt gibts eine Radiosendung der Gruppe Schwarze Katze zum Antirassistischen Grenzcamp in Köln. Und das erste Musikstück dieser Sendung ist vom Individualanarchisten Michael Kastner. Er trägt uns nun sein bürokratenkritisches Stück "Ich kann" vor.


Es muss weitergehen
Interview mit der Antifa St. Wendel

Schwarze Katze: Ich spreche jetzt mit jemand von der Antifa St. Wendel. Du warst ja beim antirassistischen Grenzcamp in Köln dabei. Wie war das so?

Antifa St. Wendel: Wir sind Mittwochabend angekommen, Zelte aufgebaut, dann schlafen gegangen und Donnerstag morgens direkt auf die erste Demo an die griechische Botschaft für die Gefangenen in Thessaloniki, dass die freigelassen werden. Ja es ging eigentlich ganz gut. Die Polizei hielt sich auch zurück, ausser als nach der Domplatte die Demo aufgehalten wurde und es nicht weiterging. Da gab ein inszeniertes Rugbyspiel - die Demoteilnehmerinnen und Teilnehmer zogen sich Trikots an und das Ziel des Spiels war den Rugbyball durch die Polizeisperren zu bekommen - ohne Gewalt. Das ging auch zweimal gut. Aber beim dritten mal ist ein Polizist ausgetickt und hat mit der Faust zweimal in das Gesicht eines Demonstranten reingeschlagen, und ihn dann noch am Pulli gezogen. Der Polizist wollte ihm noch ein drittes mal eine reinhauen, aber das ist dann nicht mehr passiert.

Schwarze Katze: Gabs neben lustigen Rugbyspielen mit der Polizei auch Inhaltliches auf dem Antirassistischen Grenzcamp?

Antifa St. Wendel: In den ersten Tagen fand das Plenum 'Antirassismus ausbuchstabiert' statt. Dann gabs noch verschiedene Antirassistische Workshops, und sonstige Workshops auf dem Camp und noch verschiedene Demonstrationen gegen Institutionen wie IOM, also International Organisation of Migration. Es gab noch Konzerte und jede Menge andere Dinge.

Schwarze Katze: Samstag ist ja die Polizei gekommen. Die haben das Ganze ja geräumt. Wie hast du das Verhalten der Polizei empfunden?

Antifa St. Wendel: Am Samstagmorgen war ich einer der Wenigen, der noch auf den Naziaufmarsch gekommen ist. Die ersten drei Stunden der Polizeiaktion hab ich gar nicht mitbekommen. Wir waren dann so um 16 Uhr wieder da. Da war das Camp komplett umstellt. Die Polizisten haben das Wasser abgedreht und Telefonleitungen gekappt. Es war auch für mich neu, dass die Polizei so ein Camp räumt. Es war beängstigend, dass friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten von der Polizei so umstellt werden - 2.500 Polizistinnen und Polizisten das Camp mit Absperrgittern umstellen, zwei Wasserwerfer auf's Camp fahren, ein Räumpanzer. Es war schon sehr beängstigend. Ein komisches Gefühl.

Schwarze Katze: Du warst ja außerhalb von dem Camp. Hast du versucht, da noch reinzukommen? Bist du verhaftet worden?

Antifa St. Wendel: Wir mussten eigentlich auf's Camp, weil wir von der Polizei einen Platzverweis für Köln bekommen hatten. Die einzige Wahl war halt, auf's Camp zu gehen. Am Sonntagmorgen um halb drei sind wir dann alle eingefahren worden - da war ich auch darunter. Ich wurde auch eingefahren.

Schwarze Katze: Wie war das als Gefangener in der Sammelstelle Brühl?

Antifa St. Wendel: Wir sind im Bus angekommen. Als erstes ist ein Lichtbild von uns angefertigt worden, dann Personalienkontrolle. Wir sind komplett durchsucht worden. Dann ging's ab in die Zellen. Es waren - glaub ich - sechs Zellen aufgebaut, so 8 x 8 Meter. Ein Polizist nannte sie scherzhaft 'Vogelkäfige'. Dann sind wir so um 6 Uhr rausgelassen und mit einem Bus an eine Autobahntankstelle gefahren worden - am Bonner Verteilerkreis. Die Polizisten meinten, wir müssten hier aussteigen und zu Fuß ans Camp gehen. Das scheiterte dadran, dass niemand aus dem Bus ausstieg, und die Polizisten freundlich darauf hingewiesen wurden, dass wir jetzt sofort zum Camp gefahren werden wollen.

Schwarze Katze: Und die Polizisten haben euch dann zum Camp gebracht?

Antifa St. Wendel: Ja in die unmittelbare Nähe, das war direkt neben dem Camp.

Schwarze Katze: Bundesweit gab's einige Protestkundgebungen, unter anderem auch bei euch in St. Wendel.

Antifa St. Wendel: Wir haben direkt am Montag eine Spontandemo in St. Wendel durchgezogen, an der sich 30 Leute beteiligt hatten, was bei einer Mobilisierungszeit von knapp 14 Stunden doch sehr gut war. Wir haben Flyer verteilt, und es gab Kundgebungen - nur irgendwie hat es die Leute eigentlich gar nicht interessiert - es war schon sehr komisch - eine Demo zieht vorbei, Redebeiträge werden verlesen und Flyer verteilt - und die meisten interessiertīs nicht.

Schwarze Katze: Aber ihr gebt deswegen doch nicht auf, oder?

Antifa St. Wendel: Nein, auf keinen Fall. Es muss weitergehen. Mit den restlichen Flyern gabs dann noch eine Hauswurfsendung in St. Wendel.

Schwarze Katze: Mit was für Flyern?

Antifa St. Wendel: Wir haben ein Flyer über die Repression gegen die GrenzcampteilnehmerInnen geschrieben. Ausserdem Hauswurfsendungen verteilt, damit die Leute darüber informiert werden. Es ist ja nichts in den Medien von St. Wendel zum Grenzcamp erschienen. Die Menschen müssen wissen, was da abgegangen ist.

Schwarze Katze: Danke für das Gespräch.

Antifa St. Wendel: Bitte.


Schwarze Katze Zwischenmodi: Wir waren von der Schwarzen Katze beim Antirassistischen Grenzcamp dabei und haben Interviews geführt. Unter anderem eins über kreativen Widerstand.


Ich find direkte Aktionen sehr inspirierend
Schwarze Katze Interview mit Marc Amann über kreativen Widerstand
abgedruckt im Schwarze Katze Rundbrief 05.04.05

Schwarze Katze: Im März 2005 ist dein Buch go.stop.act! Die Kunst des kreativen Strassenprotests herausgekommen. Womit beschäftigt es sich?

Marc Amann: Im Buch geht es um Kunst und Aktion, also darum, was als kreative Aktion oder kreativer Widerstand bezeichnet wird. Gleichzeitig geht es um das Spannungsfeld zwischen Kunst, politischen Aktionen und der direkteren Art von politischer Aktion. Wir versuchen Geschichte und Herkunft von verschiedenen kreativen Aktionen zu erklären. Diese sind in den letzten Jahren ziemlich breit bekannt geworden und haben in vielen deutschen Städten Anwendung gefunden. Da jeweils Geschichte und Erfahrungen darzustellen, z.B. von reclaim the streets und allem was daraus dann aus Ablegern entstanden ist: radical cheerleading, pink silver, gleichzeitig mit neueren Phänomenen oder Formen, die wieder aufleben: Alles was zum Beispiel unter dem Begriff "Urban Art", momentan breit in den Medien diskutiert wird, was eigentlich alte Sachen sind: Graffiti und Schablonenkunst.

In der Jugendkultur leben diese Aktionsformen neu auf und innerhalb einer Linken wird sich wieder damit beschäftigt. Ein bisschen Theorie über Kunst und Aktivismus wird auch mit drin sein. Ich habe Material zusammengetragen, Menschen gesucht, die Beiträge schreiben oder die Erfahrungen haben, Geschichten über Kunst und Aktionen erzählen können, die sie erlebt haben, die sie gehört haben, die sie gut fanden.

Schwarze Katze: Du veröffentlichst dein Buch im Trotzdem Verlag. Dieser Verlag gibt auch Bücher zu anarchistischen Themen heraus. Wie findest du das?

Marc Amann: Ich findīs gut, dass der Trotzdem Verlag Bücher zu anarchistischen Themen herausgibt. Der Trotzdem Verlag ist sicher dafür bekannt anarchistische Themen aufzugreifen und diese herauszugeben. Was eben auch die Tradition dieses Verlags ist. Gleichzeitig versucht der Verlag auch anarchistische Traditionen in der Widerstandskultur, wie den langen Widerstand gegen den Flughafen auch wieder öffentlich zu machen. Um sich in einer breiteren sozialen Bewegung zu verorten.

Schwarze Katze: Du hattest das mit dem Frankfurter Flughafen angesprochen. Was hat es mit Widerstand gegen die Startbahn West auf sich?

Marc Amann: Am Frankfurter Flughafen findet seit vielen Jahren Widerstand statt der breit bis in die bürgerlichen Schichten reingeht. Mit dem weiteren Ausbau, vor allem in den letzten Jahren, wurde dieser Widerstand fast nur noch von bürgerlichen Initiativen getragen. Die Linke, oder auch die Autonomen, die in den 80ern da sehr aktiv waren, mischen sich nicht mehr so stark ein. Und darüber hat der Trotzdem Verlag eben ein schönes Buch mit hübschen Bildern und guten Texten herausgegeben.

Schwarze Katze: Der Widerstand zum Frankfurter Flughafen ging ja auch darum, dass ein grosses Waldstück nur für die Profitinteressen vernichtet werden sollte. Autonome und Anarchisten, die sich da beteiligt haben, sind damals schon für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen eingetreten. Marc, was war denn deine erste kreative Widerstandsaktion? Das muss dich ja wohl irgendwie beeindruckt haben, dass du zu dem Thema ein Buch schreibst.

Marc Amann: Ich find direkte Aktionen - also tatsächlich auf Bäume klettern, wenn eine Strasse verhindert werden soll - sehr inspirierend. In dem Zusammenhang hab ich eben angefangen mich damit zu beschäftigen und fand es reizvoll. Dann die Kunst, die in die Aktion kam, also Verkleidungen, Umzüge, Karneval, Musik.. Alles was damit zu tun hat. Puppen, grosse Figuren, kamen erst später, da kann ich dir jetzt nicht sagen, was da die entscheidende Inspiration war. Ich fand eben interessant, dass es möglich ist, Kunst, Spass, Lust, Freude zu verbinden. Kunst in dem Sinne, dass man selber kreativ wird, etwas schafft und zwar auf spielerische Art - dass man das mit der Aktion, als direkte Aktion verbindet. Da interessiert mich auch nicht so sehr der Kunstaspekt im Buch, sondern die Verwendung von Kunst im Rahmen direkter Aktionen, oder Kunst als direkte Aktion.

Schwarze Katze: Magst du mir noch sagen, was die Merkmale einer direkten Aktion sind?

Marc Amann: Es gibt verschiedene Definitionen von direkter Aktion und es gibt auch eine historische Definition: Massenstreik, Verweigerung und Sabotage im Betrieb. Ab Anfang der 90er in Grossbritannien und Ende der 90er kam auch in Deutschland ein neuer Begriff von direkter Aktion auf. So wie ich ihn dann auch jetzt verstehen würde: Das direkt das zu verhindern versucht wird, was einem nicht passt. Also sich nicht über Umwege an andere wendet, die irgendwas verändern können, sondern selber versucht diese Veränderungen herbeizuführen. Also wenn eine Strasse durch ein Waldgebiet gebaut werden soll, wogegen ich bin, dann versuche ich wenn ich direkte Aktion mache nicht irgendwelche Politiker zu beeinflussen, damit die gegen diese Strasse vorgehen, sondern ich stell mich dort selber dem Strassenbau in den Weg - das wäre dann eine direkte Aktion.

Schwarze Katze: Jetzt bin ich auf das Buch gespannt und danke dir für das Interview.

Marc Amann: Und ich danke auch.

Weiterführende Infos:

  • Marc Amann (Hrsg.) // go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichten - Aktionen - Ideen, Trotzdem Verlag, ISBN 3-931786-38-2 // 240 Seiten // Großformat // März 2005 // 18 Euro
  • Mehr zum Buch: www.go-stop-act.de
  • Weblog des kreativen Strassenprotests mit einer Sammlung von Berichten und Fotos zu kreativen Aktionsformen, Gruppen und Initiativen: http://kreativerstrassenprotest.twoday.net
  • Trotzdem Verlag: www.trotzdem-verlag.de
  • Die autonome Kommunikationsplattform für kritische Auseinandersetzung zu den Themen Politik, Aktivismus, Punk, Anarchismus, Drogen, Veganismus, diy-Musik, Gegenkultur und dem alltäglichen Wahnsinn.: http://direct.action.at
  • "Direct Action" ist eine Form kreativen Widerstandes, die wir als Teil gesellschaftlicher Intervention gegen Herrschaft und Verwertung sowie als Eröffnung von Diskussionen um visionäre, emanzipatorische Gesellschaftsformen verstehen. www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/dan/haupt.html
  • Schwarze Katze http://schwarze.katze.dk


    Schwarze Katze Zwischenmodi: Utah Philips hat zusammen mit Arbeiterinnen und Arbeitern das letzte Lied gesungen. Es ist ein Lied der Wobblies, einer klassenkämpferischen Gewerkschaft. Heute abend gehtīs um das Antirassistische Grenzcamp in Köln. Dieses Camp wurde von der Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und einem Räumpanzer aufgelöst. Das zeitgleich stattfindende Anarchistische Sommercamp auf der Burg Lutter reagierte. Die dort anwesenden Anarchistinnen und Anarchisten sprachen sich gegen die Kölner Polizeigewalt aus. Weiterhin sammelten Teilnehmende des Anarchistischen Sommercamps in Lutter Spendengelder für die Antirepressionsarbeit des Grenzcamps. Falls nach dem Anarchistischen Sommercamp noch Überschüsse bleiben, wird davon die Hälfte für die Rechtshilfe des Kölner Grenzcamps gespendet. Wir von der Schwarzen Katze sagen dazu: Bravo! Das Plenum des Anarchistischen Camps am 09.08.2003 beschloss folgende Solidaritätserklärung mit dem Antirassistischen Grenzcamp in Köln:

    Wir vom Anarchistischen Camp 2003, welches parallel zum Kölner Grenzcamp stattfindet, verabscheuen das Vorgehen der Polizei in Köln. Durch Repressionen sollen Menschen davon abgehalten werden, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Wir erklären uns solidarisch mit den TeilnehmerInnen des 6. Antirassistischen Grenzcamps in Köln, insbesondere den Opfern staatlicher Willkür. NO BORDER!!! NO NATION!!! STOP DEPORTATION!!!!!!!

    Jetzt hören wir ein Interview mit einem Mitglied des Umweltzentrums Münster:


    Weil es meiner Meinung nach einfach wichtig ist solche Inhalte weiterzuverbreiten
    Schwarze Katze Interview mit dem einem Aktiven vom Umweltzentrum Münster

    Schwarze Katze: Du machst mit beim Umweltzentrum Münster. Was ist das Umweltzentrum?

    UWZ: Das Umweltzentrum ist hauptsächlich ein Infoladen und das gibt es schon seit über 20 Jahren. Es gibt neben dem Infoladen noch Räume, wo sich Gruppen treffen können, die in der ausserparlamentarischen Linken arbeiten. Ausserdem haben wir noch ein großes Archiv.

    Schwarze Katze: Was sammelt ihr da für Sachen?

    UWZ: Wir sammeln Sachen aus den Sozialen Bewegungen Deutschlands, aber auch ein paar überregionale Sachen. Und ein Schwerpunkt liegt bei Umweltpolitik, beispielsweise bei Anti-Atomkraft. Wie der Name Umweltzentrum auch schon sagt. Es ist ein gutsortiertes Archiv, wo aber der Inhalt mittlerweile weniger geworden ist, auf Grund von finanztechnischen Problemen. Unser Schwerpunkt liegt auf den achtziger/neunziger Jahren.

    Schwarze Katze: Wir machen im Sauerland ja etwas ähnliches, das Schwarze Katze Archiv. Wir haben leider die Erfahrung gemacht, dass das Archiv viel zu wenig von Leuten aus der ausserparlamentarischen Opposition nachgefragt wird. Sieht das in Münster anders aus?

    UWZ: Leider nicht. Wir haben auch sehr wenig Kundschaft. Ich würde schätzen, wir haben in der Woche vielleicht so 2 Leute, die mal reinschauen und sich weiterbilden wollen.

    Schwarze Katze: Das UWZ in Münster macht wie die Schwarze Katze Bücher- & Zeitschriftentische. Was ist da so drauf?

    UWZ: Wir haben ein ziemlich breites Sortiment. Wir haben Buttons, Spuckis, aber auch Zeitschriften und ziemlich viele Bücher.

    Schwarze Katze: Darunter sind ja auch Zeitungen wie graswurzelrevolution und direkte aktion. Warum verkauft ihr anarchistische Zeitungen?

    UWZ: Weil es meiner Meinung nach einfach wichtig ist, solche Inhalte weiterzuverbreiten. Wir sind ja ein linksradikales Infoladen-Kollektiv. Und es gibt ansonsten wenig Möglichkeiten, solche Publikationen zu erwerben.

    Schwarze Katze: Ein Infoladen verbreitet alternative Informationen, wo mensch nicht so einfach dran kommt. Darunter auch Plakate für Demonstrationen. Und Infoläden sammeln auch alternatives Schriftgut im Infoladenarchiv, was du grade schon erwähnt hast. Was mich jetzt interessieren würde sind die Zeitschriften, die verkauft werden. Könntest du davon einige kurz vorstellen?

    UWZ: Ja, wir haben hier z.B. die graswurzelrevolution. Das ist eine Zeitschrift der gewaltfreien anarchistischen Bewegung. Die Zeitung gibt es seit 25 Jahren. Sie ist vom Themeninhalt sehr gemischt. Artikel zum Anti-Atom Widerstand oder über die Friedensbewegung. Dann haben wir hier als nächstes die direkte aktion. Das ist die Zeitschrift der Freien ArbeiterInnen Union. Die FAU ist eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaft. Es gibt schwerpunktmäßig viele Berichte zum Thema Arbeit oder auch gewerkschaftlicher Organisation. Eine spezifischere Publikation ist die anti atom aktuell, die sich mit dem Anti-Atom Widerstand befasst und das Sprachrohr der Aktivisten und Gruppen der Anti-Atom Bewegung ist. Noch zu nennen wären die Lotta und das Antifaschistische Infoblatt. Das sind Zeitschriften, die Antifa-Arbeit machen oder Faschisten aufdecken und zeigen, wie man gegen den Faschismus vorgehen kann.

    Schwarze Katze: Manche von diesen Zeitschriften werden kriminalisiert. Wie siehst du das denn als Vertreter eines Infoladens, dass alternative Zeitschriften kriminalisiert werden? Was hat das noch mit Pressefreiheit zu tun?

    UWZ: Natürlich nicht viel. Die Zeitschriften werden halt kriminalisiert, weil sie dem Staat bzw. dem herrschenden System ein Dorn im Auge sind. Das ist eine Zwangsmassnahme um die Inhalte die wir vertreten zu unterbinden.


    Schwarze Katze Abmodi: Gerade hörten wir "Vagabund" vom anarchistischen Sänger Michael Kastner. Heute abend gab es eine Radiosendung der Gruppe Schwarze Katze zum Thema Antirassistisches Grenzcamp in Köln. Unsere Internetadresse lautet www.infoladen.de/katze.


    Grenzcampdiskussion über Antideutsche
    Schwarze Katze Rundbrief 30.09.03

    Auf dem Antirassistischen Grenzcamp auf den Poller Wiesen in Köln war die Schwarze Katze auch dabei. Wegen der drückenden Hitze lagen viele nur platt vor und in ihren Zelten.

    Das Grenzcamp war vielfältig: Es gab diverse Workshops, direkte Aktionen, Volxküche, Podiumsdiskussionen, eine antirassistische Demo und vieles mehr...

    Vier anarchistische antizionistische Israelis jüdischer Herkunft diskutierten auf dem Grenzcamp öffentlich mit etwa 10 "Antideutschen". Vertreter der staatsbefürwortenden antideutschen Strömung schwenken bei Demos Israelfahnen, rechtfertigen Kriege der USA und unterstützen die Regierungs- und Militärpolitik Israels durch Sprüche wie "Solidarität mit Israel". Antideutsche sind organisatorisch aus einer Spaltung des bolschewistisch-maoistischen Kommunistischen Bundes hervorgegangen. Die Diskussion fand in einer ruhigen und respektvollen Atmosphäre statt, da die Diskussionsteilnehmer andere Standpunkte kennenlernen wollten. Es wurde diskutiert, wie schwer es ist, spezifisch deutsche Begriffe und deren dahinterstehende Ideologie wie "Volk", "Ursprünglichkeit/Verwurzelung", "Blut und Boden" Menschen aus anderen Ländern zu erklären. Menschen, die eine andere Sprache als die deutsche sprechen, verstünden unter diesen Begrifflichkeiten nichts oder etwas anderes. Ausserdem sei die hinter diessen Begriffen stehende Ideologie spezifisch deutsch und die Begriffe an die deutsche Sprache gekoppelt.

    Die "Antideutschen" behaupteten, dass ein starker jüdischer Staat Israel als Resultat der Shoa und als Schutz vor Antisemitismus notwendig sei. Einer der israelischen Anarchisten legte Wert darauf, dass er auch als Jude nicht von einem Staat beschützt werden wolle. Er betonte, dass "Antideutsche" den Juden ein Glashaus bauen wollten und dies paternalistische Züge trage. Dies müsse von "Antideutschen" reflektiert werden. Daraufhin rechtfertigten die "Antideutschen" die militärischen Angriffe des israelischen Militärs gegen Palästinenser. Die israelischen Anarchisten kritisierten aus herrschaftskritischer Perspektive die ihrer Ansicht nationalistische und rassistische israelische Regierungspolitik und betonten, dass in Israel die Ideologie des Zionismus von äusserst rechtsstehenden Kreisen als Rechtfertigung dazu benutzt werde, gegen Palästinenser zu kämpfen und ihr Land zu besetzen. Die israelischen Anarchisten sähen es gerne, wenn (Anti-)Deutsche gegen jede Form von Nationalismus kämpfen würden, egal ob gegen israelischen, deutschen, oder sonstigen Nationalismus. Einer der jüdisch sozialisierten Anarchististen meinte, in diesem (antinationalen) Sinne verstünde er sich auch als antideutsch. Die Schwarze Katze lehnt jede Form von Nationalismus ab, da diese Herrschaftsideologie Menschen gegeneinander aufhetzt, statt sich gemeinsam gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu erheben.

    Da wir eine Reportageeinheit dabeihatten nutzten wir die Gelegenheit Interviews zu machen:

  • mit jemand, der an einem Buch über kreativen Widerstand arbeitet. Das Buch soll im Herbst 04 beim anarchistischen Trotzdem-Verlag herauskommen.
  • mit einer Redakteurin der internen Campzeitung Campesina über Residenzpflicht, staatlichen Rassismus und Systemkritik
  • mit jemand vom Umweltzentrum Münster. Er stellte verschiedene anarchistische Zeitungen vor und sprach sich gegen deren Kriminalisierung aus.

    Für die Schwarze Katze Radiosendungen zum Grenzcamp, die bei uns gegen Spende bezogen werden können, berichtete ein Campbesucher, was alles auf dem Grenzcamp so abging mit dem Schwerpunkt auf die brutale Polizeiräumung. In einem Interview mit einem anderen Campteilnehmer hat dieser die Polizei heftig für ihr überzogenes Verhalten kritisiert. Die Polizei hinderte die Antiras eine Antifa-Demo zu besuchen. Sie fuhr mit Wasserwerfern, Räumpanzer, Tränengas auf, pisste in ein Zelt, schnitt die Menschen von der Wasserversorgung ab, kappte den Internetanschluss und verletzte etliche Menschen. Statt sich bei den engagierten Bürgern zu entschuldigen, diffamierte die Polizei das Antirassistische Grenzcamp in der Polizei-Pressekonferenz als "internationales Treffen gewaltbereiter Linksextremisten", wahrscheinlich um von ihrem polizeilichen Fehlverhalten abzulenken.