Bewegungsarchiv vor der Vernichtung bewahrt
Schwarze Katze Archiv, Oktober 04

Quelle: Schwarze Katze Rundbrief 29.10.04
diesen Bericht gibts auch im PDF-Format zum ausdrucken

alternative Zeitungen, die es nicht in jedem Kiosk zu kaufen gibt20 Jahre wurde von einem Anti-Atom Aktivisten alles aus den Bereichen der ausserparlamenatarischen Opposition gesammelt. Viele Zeitschriften, Flugblätter und Bücher aus den Bereichen Atommafia, Ökologie, Antimilitarismus, Anarchismus, Autonome, Antifa, Soziales, Studentenpolitik, Schwul-Lesbisches und Internationalismus wurden gesammelt und sortiert. Nun ist der Vater des Sammlers gestorben. In dessen grossen Haus in der Eifel lagerten viele Jahre die gesammelten Materialien. Der Hobby-Archivar hat sein mit Schriftgut vollgestelltes Elternhaus in der Eifel allerdings nicht alleine geerbt, sondern mit seinen Geschwistern in einer Erbengemeinschaft. Diese bestanden drauf, das Haus zu verkaufen um die Kohle einzustreichen. Der Sammler kann sie nicht auszahlen, also muss verkauft werden. Übergabetermin war der 29.10.04. Der Bruder des Sammlers hat angekündigt das ganze Zeug wegzuschmeissen, wenn es nicht abgeholt wird. Grund: Im Verkaufsvertrag des Hauses war eine Konventionalstrafe von 1.000 Euro festgelegt, wenn das Haus nicht leer übergeben würde. Deswegen bemühte sich die Schwarze Katze das an Bewegungsarchive zu vermitteln oder einen Teil erstmal privat zwischenzulagern. Bewegungsarchive wie das Schwarze Katze Archiv sammeln Materialien der ausserparlamentarischen Opposition und stellen sie Interessierten zur Verfügung.

Anfragen an andere Archive
Die Schwarze Katze hat das Angebot bekommen dieses recht grosse Bewegungsarchiv zu übernehmen. Wir sind ja immer auf der Suche nach alten Texten der ausserparlamentarischen Opposition, um sie für eigene Radiosendungen zu nutzen oder um ausgewählte Artikel aus Basisblättern einzuscannen und online zu setzen. Für uns war recht schnell klar, dass wir nicht den Platz für das recht umfangreiche Archiv haben. Im Gegensatz zum Sammler verfügten wir über die Kontakte zu vielen Archiven und Gruppen. Um die Materialien der ausserparlamentarischen Opposition vor der Vernichtung zu bewahren, hat sich die Schwarze Katze bereiterklärt, die Koordination zur Rettung zu übernehmen. Nicht alles lief reibungslos. Wir hatten vor allem ein Transportproblem. Es nahm einige Zeit in Anspruch diverse Menschen und Gruppen nach einem Bulli bzw. einem grösseren Wagen zu fragen. Jemand von der Schwarzen Katze erklärte sich bereit die Sachen durch ganz Deutschland zu den Archiven zu fahren.

Danach wurden Anfragen an diverse Archive gestellt, ob diese einen Teil oder alles übernehmen würden. Ferner wurde abgeklärt, wieviel Platz vorhanden war, was für Interessenschwerpunkte bestehen, ob die Materialien selber abgeholt werden oder gebracht werden müssen und wer einen Bulli zur Verfügung stellen kann. Leider gab es bei den meisten Archiven, die prinzipielles Interesse gezeigt hatten, nachher keine Reaktion mehr. Etwas enttäuschend. Ein Bewegungsarchiv aus Thüringen hatte sich zurückgemeldet und hatte - im Gegensatz zu den meisten anderen Archiven - auf Anfrage eine Kontakttelefonnummer zurückgeschickt.

Die lange Fahrt in die Eifel
Wir fuhren am Sonntag, 24.09.04 zu zweit in die Eifel, um das Archiv vor dem Wegschmeissen zu retten. Der Fahrer ist um 8 Uhr von Thüringen losgefahren und um 13.30 Uhr in Hemer angekommen. Er betreut ein Bewegungsarchiv und hatte vor allem Interesse an Antifa-Materialien. Diese hat er auch bekommen. Der vegane Fahrer bekam in Hemer veganes Essen zur Stärkung, dann gings mit jemand von der Schwarzen Katze los. Da der Sammler zuwenig leere Kisten hatte, nahmen wir genug leere Kartons mit. Diese waren auch nötig.

Wir brauchten zwei Stunden um die ganzen Sachen einzuladen, da jeder einzelne Karton erst beschriftet und kommentiert wurde. Für das Schwarze Katze Archiv gab es einen in der Nacht vorher mit 4 Stunden Zeitaufwand gepackten recht grossen Karton mit Anti-Atom Materialien. Damit ist eine weitere Lücke geschlossen. Wir haben ja sowieso vor uns intensiver mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Nideggen in der Eifel hat eine interessante Geschichte
Etwa um 17 Uhr kamen wir in Nideggen an der Eifel an. 3.500 Einwohner, landschaftlich reizvoll, in der Mitte von Köln, Bonn und Aachen gelegen - mit 40 km Waldausblick bis ins Bergische Land. Schade, dass das schöne Haus verkauft werden musste. Nideggen ist der ehemalige Herrschersitz der Grossherzöge von Jülich. Durch Zuheirat kamen grosse Teile vom späteren NRW dazu. Die Zwingburg diente dazu, die umliegende Bevölkerung auszuplündern. Reaktion: Der Herzog von Jülich wurde von der aufgebrachten Bevölkerung bei einem Staatsbesuch bei der freien Reichsstadt Aachen geköpft. Beim umliegenden NATO-Flughafen Nörvenich lagerten 50 Atomsprengköpfe für den Kriegsfall. Wir sahen uns noch die Steinesammlung seines verstorbenen Vaters an, die teilweise vom Mineralogischen Institut einer NRW-Uni übernommen wird.

Die Rückfahrt ins Sauerland
Der Bruder des Sammlers wollte, dass wir die schon eingeladenen Bücher auspacken sollten, damit er sich alles nochmal genau durchguckt, ob Bücher seines Vaters zu China/Mao Tse Tung dabeiwaren. Da wir aber die China-Bücher aus Platzmangel nicht mitgenommen haben, brauchten wir glücklicherweise nicht wieder alles aus- und dann wieder einzupacken. Ein Grossteil der mitgenommenen Materialien, darunter fast alle Bücher, wurden direkt nach Thüringen gefahren und von dort aus weiterverteilt. Die recht zahlreichen Antifa / 3. Reich Bücher und viele Bücher zu Pädagogik/Erziehung kommen an ein dortiges Bewegungsarchiv, die DDR-Sachen gehen an ein Archiv in den neuen Bundesländern, die Materialien zu Bürgerrechtsthemen sammeln. Diese Sachen mussten also nicht in Hemer ausgeladen werden und brauchten nicht zu den Plätzen gebracht werden, wo sie zwischengelagert werden sollten. Trotzdem danke für die Bereitschaft die Sachen zwischenzulagern, bis ein anderes Archiv sie abholt bzw. sie gesichtet werden können. Es blieben nur wenig Sachen übrig, die weiterverteilt werden können, da das meiste in den neuen Bundesländern landet. Ein Teil geht an ein schon länger arbeitendes Antifa-Archiv aus Berlin. Die studentenpolitischen Materialien kommen an ein Universitätsarchiv. Der Transport ist gesichert. Diejenigen Basisblätter, die der Sammler selber behalten möchte, werden an einem sicheren Platz zwischengelagert.

Wir kamen erst um 23.30 Uhr in Hemer wieder an, luden den kleineren Teil der Sachen wieder aus und der Fahrer kam erst um 3.30 Uhr morgens in Thüringen an. Für die Fahrt fielen 90 Euro an Spritkosten an und der Fahrer bekam davon 50 Euro Fahrtkostenzuschuss und viele Bücher für das von ihm betreute Archiv. Für die zeit- und kostenaufwendigen organisatorischen Bemühungen bekam ein Schwarze Katze Aktivist als Privatperson ebenfalls 50 Euro, diese werden von ihm an die Schwarze Katze gespendet, da noch einige Rechnungen, unter anderem die Webspacekosten für www.free.de ausstehen.

In Dortmund gibts was für das Schwarze Katze Archiv
Positiv bei der Fahrt in die Eifel war, dass wir auf dem Rückweg in Dortmund vorbeifuhren, wo wir alternative Zeitschriften aus einer Wohnungsauflösung abholten. Deswegen konnten wir uns das sonst recht hohe Porto sparen. Wir erhielten 28 Exemplare vom anarchistischen Schwarzen Faden, 11 Ausgaben der sozialrevolutionären Wildcat und fünf Anti-Atom Bücher.

Geschafft!
Wir hatten wegen dieser Archivgeschichte recht viel Koordinationsarbeit: Telefonate, e-mails, Auto besorgen, Absprachen und nicht zu vergessen der Zeitaufwand für die Fahrt. Das alles hat zwar viel Zeit in Anspruch genommen, aber es ist ein schönes Gefühl ein Bewegungsarchiv vor der Vernichtung zu bewahren. Danke an alle, die mitgeholfen haben durch das Fahren in die Eifel, das Ausleihen eines Autos, Vermittlung von Kontakten. Danke für das Angebot zur Bereitstellung von Lagerplatz, das brauchten wir nicht in Anspruch zu nehmen, da die meisten Materialien direkt von Thüringen aus verteilt werden. Alles, was im Haus war, wurde bis Ende Oktober 2004 abtransportiert, damit sind die unersetzlichen Archivmaterialien für die Bewegung gerettet, wenn auch auf diverse Städte verteilt.