Rudolf Mühland ist Aktivist der Freien ArbeiterInnen Union Düsseldorf und Mitglied der
anarchistischen Föderation. Ausserdem tritt er als Redner beim 20. Friedensfest in Iserlohn zum Thema Leiharbeit auf. Seit einigen Jahren ist er als Vortragsreisender hauptsächlich in der BRD und der Schweiz unterwegs, aber auch in Österreich und Serbien. Darüber hinaus ist er in der syndikalistischen Bildungsarbeit aktiv, u.a. mit Vorträgen und Seminaren zum Thema "Kollektives
Arbeitsrecht", "Was ist Anarcho-Syndikalismus" und vielem mehr. Du beteiligst dich an der Kampagne Leiharbeit abschaffen. Warum gibt es die Kampagne? Wie läuft die Kampagne? Was kritisiert du an Leiharbeit? Kleben Leiharbeiter in der Leiharbeit fest? Was verbirgt sich hinter der Forderung nach "equal pay and equal treatment"? Wie siehst du die Rolle der christlichen Gewerkschaften? Bist du mit dem Einsatz des DGB zur Leiharbeit zufrieden? Verhalten sich die Arbeitsagenturen angemessen? Rot-Grün hat Leiharbeit durch Gesetzesänderungen erst zu einem Masseninstrument gemacht. Die Basisgewerkschaft FAU möchte mit der Kampagne "Leiharbeit stoppen" krasse Formen der Ausbeutung verhindern. Was möchte die Freie ArbeiterInnen Union sonst noch erreichen? Schlecker hat einiges Aufsehen erregt. Was ist da passiert? Was können von Leiharbeit Bedrohte und mit ihnen solidarische Menschen tun?Endlich aktiv gegen Leiharbeit vorgehen
Schwarze Katze Interview mit Rudolf Mühland
abgedruckt in der Friedensfestzeitung 2010
Die Kampagne gibt es, weil immer mehr ArbeiterInnen endlich aktiv gegen Leiharbeit vorgehen wollen.
Die einen sind es leid, zwei Bosse durchzufüttern (einer ist eigentlich schon zu viel), die anderen
wollen nicht mehr täglich die Angst haben ihren Job zu verlieren und entweder durch
LeiharbeiterInnen ersetzt zu werden oder selbst als LeiharbeiterIn für weniger Lohn den alten Job weiter machen zu
müssen. Die Reform der Leiharbeit hat nicht unwesentlich zum Ausbau des Niedriglohnsektors beigetragen.
Die Kampagne ist dezentral verfasst, d.h. dass lokal die unterschiedlichsten Dinge passieren. So haben wir beispielsweise in
Düsseldorf im Rahmen der Kampagne eine "Leiharbeitsrally" veranstaltet. Dabei
haben wir mehreren Dutzend Leiharbeitsfirmen selbstgemachte "Ausbeuterurkunden" überreicht und viele
Flugblätter an potentielle und tatsächliche LeiharbeiterInnen verteilt.
Einiges habe ich ja schon erwähnt. Stichpunktartig zusammengefasst sind es folgende Punkte:
- LeiharbeiterInnen verdienen im Schnitt 30 bis 50 Prozent weniger als ihre KollegInnen bei der
Entleihfirma.
- Viele Beschäftigte werden um Lohn und Urlaub betrogen, indem ihnen die Zeit, in der sie nicht
vermietet werden können, abgezogen wird.
- LeiharbeiterInnen haben im Entleihbetrieb noch weniger zu melden als ihre fest angestellten
KollegInnen. Sie sind Beschäftigte 2. Klasse.
- LeiharbeiterInnen werden als StreikbrecherInnen eingesetzt.
- Leiharbeit ist Menschenhandel. In Namibia ist Leiharbeit als Sklaverei sogar offiziell und
höchstrichterlich verboten!
- Das besonders Abstoßende an dieser Art des Menschenhandels ist, dass gleich zwei Unternehmen an
den LeiharbeiterInnen profitieren – die Leihbude und die Entleihfirma – während die
LeiharbeiterInnen selber mit Niedriglohn in die Röhre schauen.
Alle Untersuchungen bestätigen das. Wer einmal in die Leiharbeit gerutscht ist, kommt da kaum noch
heraus. Selbst hochqualifizierte ArbeiterInnen haben Schwierigkeiten, wieder in den regulären
Arbeitsmarkt zu wechseln.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Alle ArbeiterInnen sollen für die gleiche Arbeit den
gleichen Lohn bekommen und die gleiche Behandlung erfahren. Es geht nicht an, dass in ein und
demselben Betrieb ArbeiterInnen für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt und behandelt
werden.
Diese kann man in Bezug auf Leiharbeit nicht ohne die Rot-Grüne Regierung unter Bundeskanzler
Schröder (SPD) betrachten. Dieser Regierung haben wir es zu verdanken, das der "equal pay and equal
treatment"-Grundsatz faktisch aufgehoben wurde. Rot-Grün verfasste den Zusatz, dass vom "equal pay
and equal treatment" mittels eines Tarifvertrages nach unten (!) abgewichen werden könne.
Natürlich haben die christlichen Gewerkschaften sich sofort daran gemacht, eine ganze Reihe
Gefälligkeitsverträge mit Menschenhandelsringen abzuschließen. Dass sie gar keine Mitglieder in der
Branche haben, stört weder diese sogenannten Gewerkschaften, noch die Menschenhändler.
Gleichzeitig lieferten sie so den sozialdemokratischen Gewerkschaften des DGB ein Pseudo-Argument, um
ebenfalls Verträge mit den Menschenhändlern zu unterzeichnen.
Nein. Das Beste wäre gewesen, er hätte nie einen Vertrag mit den Menschenhändlern unterzeichnet!
Eine Chance zur Berichtigung seiner Politik haben die DGB-Mitgliedsgewerkschaften verstreichen lassen.
Anstatt die ausgelaufenen Tarifverträge auf den Misthaufen der Geschichte zu werfen, haben sie sich
auf neue "Verhandlungen" eingelassen. Auch die Gewerkschaften des DGB verfügen über keine
nennenswerte Mitgliederbasis in der Branche. Sie können dort nicht einmal mit Streiks drohen!
Das stört aber weder die sozialdemokratischen Gewerkschaften, noch die Bosse!
Das kommt auf die Perspektive an. Ich würde sagen Nein, denn sie schikanieren Arbeislose immer wieder und versuchen sie bei
Menschenhändlern unterzubringen.
Es war die Rot-Grüne Regierung im Zusammenspiel mit den sozialdemokratischen Gewerkschaften, denen wir die heutige Situation zu verdanken haben. Jede
andere Regierung hätte es im übrigen sehr ähnlich gemacht. Klar ist, das die ArbeiterInnen
weder auf politische Parteien noch auf die bezahlten SpitzenfunktionärInnen der DGB-Gewerkschaften
vertrauen können.
Unser primäres Ziel ist es, eine Arbeiterbewegung aufzubauen, in der die ArbeiterInnen selbst aktiv
sind. Wir haben keine bezahlten Funktionäre und anstelle einer zentralistischen
Organisationsstruktur haben wir eine föderalistische Struktur. Diese erlaubt es den Mitgliedern
immer völlige Kontrolle über ihre Arbeitskämpfe (und sonstigen Aktivitäten) zu behalten.
Gleichzeitig verpflichten sich alle Gliederungen unserer Syndikate zur konkreten gegenseitigen
Hilfe! Was wir wollen, sind selbstbewußte ArbeiterInnen, die sich nicht mehr alles gefallen lassen!
Schlecker war im Laufe der Jahre häufiger im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Ich nehme aber
mal an, du spielst auf den "Leiharbeitsskandal" bei Schlecker an. Nun, Schlecker hatte die selbe Idee wie schon andere Konzerne vorher - ArbeiterInnen werden
entlassen und über die selbstgegründete Leiharbeitsfirma wieder eingestellt. Die KollegInnen machen
exakt die gleiche Arbeit, haben sogar im eigentlichem Sinn den gleichen Boss, bekommen aber weniger
Geld und haben auch sonst schlechtere Arbeitsbedingungen.
Zuerst einmal können sie ihre Isolation aufheben, indem sie Kontakt zu bestehenden
Antileiharbeits-Gruppen (zum Beispiel www.alaid.de - eine Gruppe in Düsseldorf) aufnehmen oder sich
über www.chefduzen.de vernetzen. Natürlich sollen sie sich auch der Kampagne "Leiharbeit abschaffen"
anschließen. Infos darüber sind im Internet unter www.leiharbeit-abschaffen.de zu finden. Über diese drei Kontakte werden auch Rechtsanwälte vermittelt. Es lohnt sich nämlich
gegebenenfalls gegen einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertrages zu klagen. Auch wenn dies ein sehr
individuelles Vorgehen ist, sollte jedeR das in Betracht ziehen. Darüber hinaus ist es wichtig sich
über die wenigen Rechte, die ArbeiterInnen bei Menschenhändlern haben, in Kenntnis zu setzten und
diese dann auch zu gegebener Zeit aktiv anzuwenden!
Und natürlich immer daran denken: "Wenn sie nur so tun als würden sie uns bezahlen - dann tun wir
auch nur so als ob wir arbeiten!"