Bundesgrenzschutz setzt rechtswidrig Spitzel gegen Anti-Atombewegung ein
Castor: An Lüneburger Blockadeaktion war ein Spitzel des BGS beteiligt

Aktionsbündnis Heidewerkstatt Katzenstr. 2 21335 Lüneburg, abgedruckt im Schwarze Katze Rundbrief 10.12.02

Der Verdacht von AtomkraftgegnerInnen hat sich bestätigt: An der Castor-Blockadeaktion vor Lüneburg am 13.11.2002, bei der ein ICE aufgehalten wurde, hat ein Spitzel teilgenommen. Durch Recherchen wurde der ca. 35 Jahre alte Mann nun als BGS-Beamter enttarnt.

Schon direkt nach der Aktion, noch im Polizeikessel, war die Verwirrung groß, als eine Aktivistin hörte, was ein BGS-Beamter zu seinem Kollegen sagte: „Ich wusste gar nicht, dass bei der Aktion ein Zivi dabei war!“ Ebenso erstaunlich war die Tatsache, dass der angebliche Atomkraftgegner im Polizeikessel keinen Personalausweis vorzeigen konnte und nach dem gemeinsamen Eintreffen aller AktivistInnen in der Gefangenensammelstelle plötzlich spurlos verschwunden war.

Nun lassen sich alle Beobachtungen zu einem vollständigen Bild zusammenfügen: Der BGS-Beamte in Zivil gesellte sich schon in den Tagen vor dem Castor-Transport zu den AtomkraftgegnerInnen, die sich im Infopark im Lüneburger Clamartpark aufhielten. Dort knüpfte er Kontakte und lernte AtomkraftgegnerInnen kennen. Zusammen mit ihnen wartete er auf die Ankunft des Castors in Lüneburg und begab sich gemeinsam mit ihnen zur Blockadestelle im Lüneburger Stadtteil Goseburg. Er war mit den DemonstrantInnen auf dem Gleis, wurde mit ihnen eingekesselt und anschließend in die Gefangenensammelstelle gebracht. Dort verlor sich seine Spur, bis die Recherchen von AtomkraftgegnerInnen Licht in die zweifelhafte Angelegenheit brachten: Der Spitzel hatte den AktivistInnen seinen richtigen Nachnamen, den zweiten Vornamen und seine alte Anschrift genannt. Die neue Anschrift konnte ermittelt werden. Ein Besuch bei den Eltern brachte die Erkenntnis, dass der Mann, der sich als Landwirt ausgab, in Wirklichkeit beim BGS arbeitet. Mit Hilfe von Fotos, die während der Blockadeaktion aufgenommen wurden, konnten Nachbarn bestätigen, dass der angebliche Aktivist, der auf den Fotos im Polizeikessel gut zu erkennen ist, in Wirklichkeit BGS-Beamter ist.

Es gibt keinen Zweifel mehr: An der Lüneburger Blockadeaktion war ein Spitzel beteiligt.

Diese Erkenntnis wirft die Frage auf, welche Rolle Polizei, BGS und Staatsschutz bei der Aktion gespielt haben, denn durch den Spitzel war bekannt, wann und wo sie stattfinden sollte. Als die AktivistInnen an der Blockadestelle ankamen, war bereits Polizei vor Ort, Hubschrauber kreisten über der Schiene. Offensichtlich wurde eine Blockade genau an der Stelle erwartet.

Die Aktion wurde nicht verhindert. Was in der Situation nicht klar war: Die Aktion wurde bewusst genutzt, um die Anti-Atom-Bewegung zu kriminalisieren. Nach der Aktion wurden durch die Polizei falsche und irreführende Informationen gezielt verbreitet. Die AtomkraftgegnerInnen wurden auf eine sehr emotionale Weise diffamiert. Dies bestärkt den Eindruck, dass der Verlauf der Blockade von der Polizei, dem BGS und der Bezirksregierung wohlüberlegt und gezielt gelenkt wurde. Das bewusste Ziel war und ist die Kriminalisierung der Anti-Atom-Bewegung.

Durch die gewonnenen Erkenntnisse wird die Blockade in ein völlig neues Licht gerückt. Die Diskussion um die Aktion war von Anfang an eine rein politische. Die vorgetäuschte Lebensgefahr während der Aktion war nur ein Mittel zum Zweck.

Beate Friedrich vom Aktionsbündnis Heidewerkstatt: „Die Angelegenheit ist brisant. Mit Sicherheit wird sie uns noch lange beschäftigen. Neu ist uns beispielsweise auch, dass der BGS Spitzel einsetzt. Nicht die Protestformen, sondern das Verhalten von Bezirksregierung , Polizei und BGS überschreitet alle Grenzen des Fassbaren!“

Lüneburg, 22.11.2002