Schwarze Katze, 10.11.04
Auch wenn der Protest gegen das Atommüll-Endlager im Wendland von der Tragödie des ersten Todesopfers im Kampf gegen die Castoren überschattet wurde, war die Anti-Atom Bewegung erfolgreicher als die etablierte Presse uns glauben machen will. An allen Demonstrationen und Aktionen des vergangenen Wochenendes waren wieder mehr Menschen beteiligt. Und auch die Ideen sind dem Widerstand noch lange nicht ausgegangen.
Die Konzentration der Aktionen auf die Straßenstrecke zum so genannten Endlager bescherte den Castor-Bütteln einige peinliche Schlappen. Den gesamten Montag und die Nacht auf den Dienstag versammelten sich Protestierende und Blockierende auf beiden für den Transport in Frage kommenden Straßen, ohne daß die Polizei jemals vollständig räumen konnte. Im Laufe der Nacht kristallisierte sich heraus, daß der Transport auf der Nordroute fahren sollte. Die Fahrzeuge der Bullizei stapelten sich Stoßstange an Stoßstange. Trotz alledem gelang es einer Gruppe just in dem Moment die Straße in Quickborn samt Trecker und Betonklotz zu entern als sich gegen 4 Uhr die Castor-Tieflader in Gang setzen wollten. In Windeseile ketteten sich 5 AktivistInnen im Betonblock und am Trecker fest und blockierten wirkungsvollst die Strecke.
Nur 500 m weiter im gleichen Dorf kletterten 4 AktivistInnen von Robin Wood (darunter der Autor) von einem Baumhaus in die Zweige eines direkt an der Straße stehenden Baumes. In Langendorf, 3 km weiter, blockierten 1.000 Menschen die Straße, und auch bei Laase, wo beide Routen sich vereinigen standen noch hunderte.
Unsere Blockaden waren so massiv, daß die Staatsgewalt nach Stunden die nördliche Strecke aufgeben mußte! Für uns ein großartiger Erfolg, der für die nächsten Jahre hoffen läßt. Alleine um die Robin WoodlerInnen aus dem Baum zu bekommen brauchten 150 Staatsgewaltige 3 Stunden. Die Blockaden wurden während dessen abgedrängt und teilweise eingekesselt, fanden sich aber an anderen Stellen wieder zusammen. Und letztendlich war am Betonblock auch nach 5 Stunden Meißeln und Flexen kein wesentlicher Fortschritt zu erkennen. Die Grünen mußten unverrichteter Dinge abziehen. Die AktivistInnen harrten bis zum Ende des Transportes aus und befreiten sich dann selber!! Die Aktionsform schreit doch direkt nach Nachahmung.
Aber auch das Ausweichen auf die südliche Straße verlief für die Giftmüllkutscher nicht ohne Probleme. Einige BlockiererInnen testeten schon nach 1 km die Bremswirkung der Anhänger, was dazu führte, dass zwei Castoren mit blockierten defekten Bremsen stehen blieben und erst repariert werden mußten. Außerdem waren noch die Blockaden in Gußborn und Laase im Weg.
So zeigten wir auch dieses Jahr, daß trotz 10.000 aufgezogenen Damen und Herren in Grün unser Protest erfolgreich sein kann und wir in der Öffentlichkeit zeigen, daß die Castoren nicht unwidersprochen und ungehindert fahren können. Nicht zuletzt waren die Proteste am Ende des Castor-Weges nicht die einzigen, auch der Bahnweg wurde ja mit mehreren Blockaden in Frankreich und Deutschland unterbrochen.
Zum Schluß gibt es noch die alljährliche übliche Mahnung: Nach dem Castor ist vor dem Castor. Auch die Prozesse gegen alle Festgenommenen und die Arbeit der BürgerInneninitiativen kostet Geld. Sorgt mit euren Spenden für die Kontinuität des Widerstandes:
Spendenkonto x-tausendmal quer:
Volksbank Clenze, BLZ: 25861990, Kto.-Nr:24422803
Internet-Links:
- www.x1000malquer.de
- www.robinwood.de
- www.castor.de
- www.de.indymedia.org
Am 7. November 2004 starb Sébastien, als ihn die Lokomotive des Atommüllzugs nach Gorleben erfasste. Einige Wochen zuvor hatte er sich mit anderen von uns zum Handeln entschieden, um die Angreifbarkeit dieser Transporte publik zu machen. Die Tatsache, dass er tot ist, sollte nicht vergessen lassen, dass diese Aktion gewaltfrei, überlegt und freiwillig war.
Auch wenn dieses Drama es so erscheinen lässt, war unsere Tat keinesfalls unverantwortlich, bzw. ein Akt der Verzweiflung. Unser Engagement ist das Ergebnis tiefster Überzeugung reeller und bestehender Gefahren, welche die Atomkraft schon viel zu lange darstellt. Diese Aktion war gemeinsam genauestens vorbereitet: genaue Ortskenntnisse und die Berücksichtigung eines Notfallsstopps.
Wir hatten mehrfach die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Zug nicht anhalten könnte. Da wir uns in einer langgezogenen Kurve mit eingeschränkter Sicht befanden, war uns klar, dass wir notfalls die Gleise sehr schnell verlassen müssten. Wir lagen zu viert neben den Schienen, da wir zwei Rohre unter den Gleisen platziert hatten. Niemand lag zwischen den Schienen, um notfalls schnell wegzukommen. Wir waren nicht angekettet und hatten so die Möglichkeit schnell den Arm aus dem Rohr zu ziehen.
Leider konnte die Gruppe, die den Zug 1500m vorher zum Bremsen bringen sollte, nicht handeln. Der Hubschrauber, der ständig dem Zug voraus fliegt, fehlte. Er war "Tanken"; aber die Gruppe rechnete damit, dass er die Ankunft des Zuges signalisieren würde. Da neben dem Zug Fahrzeuge der Gendarmerie mit hoher Geschwindigkeit fuhren, konnte die Stoppergruppe nicht handeln. Der Transport konnte also weder vom Hubschrauber, noch von den Stoppern gewarnt werden und kam so mit 100km/h auf uns zu. Diese Verkettung von Umständen brachte uns in Gefahr. So hatten die Personen, die an den Gleisen lagen, sehr wenig Zeit festzustellen, dass der Zug seine Geschwindigkeit nicht verringerte. Wir hatten es geübt sekundenschnell wegzukommen.
Sébastien wurde dabei erfasst, als er die Gleise verließ. Sein Arm steckte nicht in dem Rohr fest, wie die durchzuführenden Untersuchungen beweisen werden. Es ging alles so schnell, dass wir ihm nicht helfen konnten.
Wir waren in der Kälte zehn Stunden lang etwa 30 m von den Gleisen entfernt am Waldrand versteckt. In dieser Zeit wurden weder wir, noch die Vorposten zur Benachrichtigung (15 Kilometer entfernt vom Ort der Aktion), noch die Gruppe von den Sicherheitskräften entdeckt, die den Zug stoppen sollte. Wir wurden auch nicht entdeckt, als wir im Vorfeld um fünf Uhr morgens die Rohre unter die Schienen legten. Es ist klar, die Verantwortung jedes Beteiligten muss festgestellt werden, unsere inbegriffen. Zur Stunde erleben wir einen der schlimmsten Augenblicke unseres Lebens.
Neben vielen bekannten Gründen für die Aktion, ging es uns in erster Linie der Schutz unseres Planeten, der Jahr für Jahr mehr zerstört wird. Es ging uns aber auch um die Ablehnung jeder Infragestellung dieses monolithischen Staats. Wir haben nicht aus Unreife oder Abenteuerlust versucht den Zug zu stoppen, sondern weil die Atompolitik dieses Landes nur so zu einer elementaren Frage werden kann. Sébastien ist durch einen Unfall gestorben, er hat es sich nicht ausgesucht, niemand wollte es. Er starb nicht nach einem Discobesuch betrunken am Steuer, sondern um seiner Überzeugung Gehör zu verschaffen.
Sein Tod wird deshalb für uns nie ein beliebiges Vorkommnis sein. In der Situation, in der wir derart verlassen und verloren waren, hätten wir uns nie vorgestellt so viel Unterstützung zu bekommen. Wir danken vor allem unseren Freunden und Eltern, vielen Initiativen, aber auch Tausenden anonymen Deutschen und Franzosen, die in seinem Andenken Demonstrationen und Andachten organisierten. Die Stärke der Solidarität überwältigt und berührt uns. Das Wichtigste ist für uns, einen Bruder zu beweinen und seine Familie zu unterstützen, nicht sein Bild zu instrumentalisieren. "Bichon" war voller Lebensfreude und -energie, nicht nur Atomkraftgegner. Dieser Text ist weder eine Beichte noch eine Anschuldigung, wir wollen dadurch nur die Wahrheit dieser Ereignisse wiedergeben.
Seine Weggefährtinnen und Weggefährten
Castor-Todesfall
Links zu weiteren Berichten
Castor-Opfer
Kommunique der CNT Frankreich, LPA, 12.11.04
Confédération Nationale de Travail
Bureau Confédéral
Secrétariat médias
Paris, den 9. November 2004
Die CNT schließt sich in ihrer Trauer den Angehörigen von Sébastien BRIAT an, der am Sonntag während einer Aktion gegen den Transport nuklearer Abfälle getötet wurde. Der Anti-Atom-Aktivist Sébastien war engagiert im Aufbau der studentischen Sektion der CNT-Education in Nancy. Traurig, begrüßen wir auch die Gedenkveranstaltungen für einen unserer jungen Militanten.
Die CNT verurteilt den systematisierten und banalisierten Transport gefährlicher Materialien, dem die Militanten - darunter Sébastien - mit ihrer Blockade des Atomzuges entgegen treten wollten.
Die CNT verurteilt die Sicherheitsbedingungen des Transports, die angeblich unter Kontrolle sind, ebenso wie den erklärten Willen der Regierungen, die Kernkraftwerke weiter zu betreiben.
Im Gedenken an unseren Genossen, schließt sich die CNT dem Aufruf des Netzwerkes "Sortir du Nucléaire" an: Versammlungen vor den Bahnhöfen, am Mittwoch, 10.11.2004 um 18h.
"am 7. november 2004 starb sebastien als ihn die lokomotive des atommüllzuges nach gorleben erfasste. einige wochen zuvor hatte er sich mit anderen von uns zum handeln entschieden um die angreifbarkeit dieser transporte publik zu machen. (...) wir lagen zu viert neben den schienen, da wir zwei rohre unter den gleisen platziert hatten. wir waren nicht angekettet und hatten so die möglichkeit schnell den arm aus dem rohr zu ziehen. leider konnte die gruppe die den zug 1500m. vorher zum bremsen bringen sollte nicht handeln. auch der hubschrauber der ständig dem zug vorraus fliegt fehlte. (...) sebastien wurde dabei erfasst als er die gleise verliess. (...) zur stunde erleben wir einen der schlimmsten augenblicke unseres lebens."
auszüge aus der erklärung der gruppe um sebastien, 12.11.2004
die ankettaktion sollte aufrütteln und auf ein thema hinweisen, das für die meissten menschen keines mehr ist: atomkraft. die aktion war ein versuch der artikulation, das eingreifen in einen menschenverachtenden kreislauf. er hat ungewollt sein leben dafür gegeben. wir sind traurig und wütend.
atomkraft tötet kontinuierlich, ob im sog. "normalbetrieb" der atomkraftwerke, beim uranabbau oder bei atomwaffeneinsätzen, zb. im golfkrieg. für den reibungslosen ablauf dieser dreckigen geschäfte gehen atomkonzerne, globale banken, nationale regierungen und deren durchsetzungsmacht polizei und bgs auch über leichen. für profit und macht.
ob genua oder gorleben, kapitalismus tötet, ob atomkraft, krieg, vorenthaltung sozialer rechte oder repression, die ursache bleibt das auf profit und macht orientierte politische und wirtschaftliche system. dieses system beruht auch auf mord, als einschüchterung, als auswirkung der politik, als sog. "kolateralschaden" oder als strafe für zb. millitanten widerstand. wir müssen begreifen das dieses kapitalistische system alles versuchen wird um seine gewinne zu maximieren, und das es jeden eingriff in den ablauf dieser geschäfte bestraft.
das muss bei uns einen denkprozess in gang bringen, in wie weit wir darauf angemessen reagieren können, einmal um uns davon nicht einschüchtern zu lassen und um den mördern zu zeigen, das sie diese verbrechen nicht ohne konsequenzen für sie begangen haben.
wir müssen die verantwortlichen, gewinnerinnen, profiteure,... (nicht nur) dieser technologie aus ihrer anonymität in die öffentlichkeit zerren. lasst uns gemeinsam eben jenen zeigen das sie damit nicht durchkommen werden: keine gnade mit diesem mördersystem! wir wünschen uns eine kontinuierliche millitanzdebatte und vor allem praktische ergebnisse!
die herrschenden verhältnisse werden täglich krasser, die zeichen klarer, wiedersprüche spitzen sich weltweit zu. unsere aufgabe muss es sein, diese wiedersprüche zu benennen und konsequent zu bekämpfen. unser protest muss unversöhnlich sein. wenn wir jetzt nachlassen, haben die herrschenden genau das erreicht was sie wollten: abschreckung. die klare aussage: jeder der sich den castortransporten in den weg stellt läuft gefahr getötet zu werden. das wird sicherlich die von den herrschenden erhoffte abschreckende wirkung auf gewisse kreise der anti-atom bewegung haben. die frage für die anti-atom bewegung ist nun wie sie auf den mord (und weitere mordversuche) der atomkonzerne und deren durchsetzungsorgane reagiert. sich zurück zu ziehen wäre auf jeden fall die falsche antwort auf die weitere verschärfung. auch spaltungsversuche (-und erfolge) sollten gemeinsam solidarisch und entschieden zurückgewiesen werden. (obwohl abgrenzungen manchmal natürlich notwendig sind!) unsere aktionsformen zu überdenken kann daher für uns nur heissen, wieder offensiver und radikaler zu handeln, nicht nur im november, nicht nur in gorleben!
jede/r muss seine/ihre eigene artikulation des protestes finden, jede/r entscheidet wie sie/er mit der wut im bauch umgeht. wir werden uns unsere eingreifmöglichkeiten nicht selbst einschränken, im gegenteil; wir müssen sie grade jetzt erheblich ausweiten!
doch nur wenn wir die wurzel der atomkraft, nämlich den kapitalismus, zerstören, können wir auch dafür sorgen das atomkraft nie wieder nirgendwo zu keinem zweck eingesetzt wird. im kampf gegen den kapitalismus, für ein schönes leben für alle menschen, ohne atom, nation, rassismus, unterdrückung und ausbeutung. wir werden den kampf darum jetzt noch energischer, noch radikaler, noch unberechenbarer führen.
ohne gerechtigkeit keinen frieden.
nichts wird vergeben und niemand vergessen, heisst für uns den verantwortlichen für atomkraft, repression, ausbeutung,... eine klare antwort darauf zu geben. wenn wir uns jetzt nicht gegen diese scheisse wehren werden die herrschenden immer wieder versuchen mit solchen morden unseren hartnäckigen widerstand zu brechen.
geben wir ihnen die angemessene antwort auf diesen und aller anderen morde!
wir werden unseren kampf, auch im sinne von sebastien, weiterführen. ihr seid aufgerufen euch an diesem kampf mit allen mitteln und auf allen ebenen zu beteiligen. unsere stärke ist die kontinuität und die unberechenbarkeit. also los...!!!
WUT & TRAUER ZU WIDERSTAND!
ATOMANLAGEN WELTWEIT STILLEGEN-ATOMSTAAT DEMONTIEREN!
FÜR DIE SOZIALE REVOLUTION!
autonome gruppe in gedenken an sebastien briat