Mitte November rollt der zehnte Castortransport nach Gorleben. Dann haben wir die Möglichkeit, das Thema Energiepolitik aufzugreifen und auch praktisch zu intervenieren. Wir sollten die Chance nutzen, das Themenfeld 'Energie' nicht den G8-Staaten zu überlassen, sondern unsere Forderungen und Vorstellungen einer emanzipatorischen Energieversorgung deutlich zu machen. Wenn wir gegen Castortransporte oder gegen die Atomenergie insgesamt Widerstand leisten, geht es uns um mehr: Es geht um die Frage, wie wir in Zukunft Energie produzieren wollen und wie eine emanzipatorische, also ökologische, soziale und basisorientierte Energiepolitik aussehen kann. Es geht uns aber auch darum, anhand der Atomtechnologie die Macht- und Produktionsverhältnisse des globalen Kapitalismus zu analysieren, darzustellen und dem selbstverständlich unseren Protest entgegenzusetzen. Ob in Gorleben, Heiligendamm oder sonstwo!
EnergieMachtPolitik
Wenn die radikale Linke in der BRD sich in den letzten Jahren mit dem Thema
Energie auseinandergesetzt hat, dann ausschließlich mit der Atomenergie, andere
Energieträger wie Kohle, Gas oder Erdöl wurden wenig bis gar nicht beachtet.
Die Ausdehnung, Beschleunigung und Weiterentwicklung des Kapitalismus (auch
Globalisierung genannt) hat in den letzten Jahren zu einem immer verschärfteren
Wettlauf um die energetischen Rohstoffe geführt. Ein neues Zeitalter der
Energiekonflikte hat begonnen. Auch deshalb wird beim G8 - Gipfel 2007 in
Heiligendamm die sog. 'Energiesicherheit' ein Schwerpunkt sein. Die sieben
führenden Industrienationen und Russland werden dort Absprachen treffen und sie
werden versuchen ihre imperiale Konkurrenz durch (Neu-) Aufteilung zu
entschärfen. Das ist nach ihrer Logik auch bitter nötig. Denn längst hat das
Zeitalter von Verteilungskämpfen um die immer knapper werdenden, aber
gleichzeitig in immer größeren Mengen benötigten Ressourcen begonnen. Die
Fragen von Energiesicherheit bestimmen immer mehr die globale Wirtschaft und
Politik. Der Zugang zu den Rohstoffen wird notfalls militärisch, oder durch die
Androhung von militärischer Gewalt und anderen erpresserischen Maßnahmen
durchgesetzt. Der Wettlauf um die Ressourcen greift in die Machtverhältnisse
zwischen den Staaten grundlegend ein.
EnergieMachtPolitk!
So setzte unlängst Russland seine Erdgasvorräte politisch gegen seine
Nachbarländer ein, in dem es mit einem Lieferstopp drohte.
Aber auch die EU rückt das Thema Energiesicherheit in das Zentrum ihrer
Außenpolitik, schmiedet. strategische Partnerschaften, mit welchen Regimen und
Diktatoren auch immer. Bei wirtschaftlichen und nationalen Interessen sind
Menschenrechte und Ökologie einen Dreck wert.
Und selbst US-Präsident Bush bescheinigt der USA eine Abhängigkeit vom Öl,
dessen Sicherung außenpolitisch in letzter Zeit zu einem großen Image-Verlust
seiner Regierung geführt hat. Und so verordnet er eine Entziehungskur, die im
wesentlichen auf den Ausbau der Atomenergie abzielt.
Die Großen Industrienationen (EU, USA, Russland und auch Aufsteiger China) geben
inzwischen ihrer Ressourcensicherheit politische Priorität. Angestrengt
versuchen sie ein Netz von Pipelines durch Wüsten, Wälder, Ackerflächen und
auch unter dem Meer zu ziehen. Nationen die (noch) Ressourcen besitzen, werden
umworben, es wird geschmiert und wenn nötig gebombt. Der Krieg im Irak z.B. ist
und bleibt vor allem ein Krieg um Erdöl! Wegen der gewaltigen Rohstoffe dort
gilt das Land als 'Tankstelle der Welt'.
Da sich solche und ähnliche Konflikte um Macht und Kontrolle der natürlichen
Rohstoffe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verschärfen dürften, wäre
es für die Linke fatal, die Entwicklungen zu ignorieren!
Ihre Antwort: Atomenergie!
Auf die durch Verschwendung verursachte Ressourcen-Knappheit reagieren viele
Nationen indes mit dem Ausbau der Atomkraft. Diese Entwicklung ist auch deshalb
sehr bedenklich da die Atomenergie NIE nur 'zivil' ist. Atomenergie heißt IMMER
die Option auf die Bombe. Weltweit findet eine zunehmende Verbreitung von
Atomwaffen statt. So zündeten bereits Indien und Pakistan 1998
Nuklearsprengsätze, Nordkorea in diesem Jahr und auch in den USA werden neue,
sog. 'Mini-Nukes' entwickelt. Die Schwelle zum Einsatz solcher Bomben scheint
weltweit zu sinken, bzw. werden Atomwaffen bewusst als Bedrohungspotential
aufrechterhalten, wie die aktuelle Stituation mit dem Iran oder Nordkorea
zeigt. Wer Atomwaffen besitzt vermindert die Gefahr eines militärischen
Angriffes oder einer Okkupation durch andere Staaten. An diesem Beispiel lassen
sich die derzeitigen (globalen) Machtverhältnisse ablesen. Selbstverständlich
kann unsere Antwort auf diese Entwicklungen nur die Forderung nach weltweiter
und sofortiger Abrüstung aller Atomwaffen sein!
In Deutschland hat mit den zunehmenden Unsicherheiten auf dem Energiemarkt eine neue Debatte um die Zukunft der Atomtechnologie eingesetzt: Atomkraft als Antwort auf die weltweite Verknappung der Ressourcen. Aber die vier in der BRD herrschenden (Atom)Stromkonzerne RWE, EON, Vattenfall und EnBW fordern nicht nur eine Laufzeitverlängerung für die AKW's, sondern bauen diese Technologie international aus, wie in Russland, Brasilien oder Schweden. So wird auch das AKW Forsmark in Schweden von Vattenfall betrieben. Dort kam es im August 2006 zu einem schweren Störfall, bei dem die Notstromtechnik versagte. Die gleiche Technik befindet sich übrigens im AKW Brunsbüttel... Desweiteren wird momentan um eine Laufzeitverlängerung des AKW Biblis gefeilscht (Biblis ist das älteste AKW in der BRD und für seine unzähligen Pannen und Störfälle bekannt...), und es sieht so aus, als ob der als Bestandsgarantie für Atomkraftwerke bekannte 'Atomkonsens' nochmal mehr ausgehöhlt wird. Atomkraft kann als weltweit auf dem Vormarsch angesehen werden, und natürlich ist uns klar, dass der Kampf gegen Castortransporte nicht den Kampf für eine ganz andere Energiepolitik ersetzen kann. Der Widerstand gegen Castortransporte ist aber nunmal der einzige, der die Energiefrage öffentlich noch wahrnehmbar macht und auch z.T. mediales Echo findet. Allerdings müssen wir versuchen, das Thema Energie generell ins Bewusstsein zu rücken (Energie als Ware, Energie als Beute,...). Es geht um mehr als Atom, das Thema hat mehr Sprengkraft!
Perspektiven?-Revolutionäre Energie!
Unsere Perspektive sollte eine autonome, kollektive, dezentrale und
selbstorganisierte Energieversorgung sein. Eine 'Energieversorgung von unten',
also eine in den Händen der Bevölkerung, die sich nach den Interessen und
Bedürfnissen aller richtet, kann Atomenergie nie zulassen. Das Interesse der
Mehrheit kann keine destruktive Energieerzeugung sein, die Raubbau und
Verseuchung verursacht. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die
Zerstörung der Lebensgrundlagen hat jene Verhältnisse zur Grundlage, die auf
Konkurrenz, Macht und Profitstreben basieren. Diese kapitalistischen
Verhältnisse sind und bleiben ein zentrales Übel!
Wir müssen weltweit Netzwerke von unten entwickeln, die eine autonome,
kollektive und regionale Energieversorgung auf die Beine stellen. Dass dies im
kapitalistischen Wirtschaftssystem schwierig ist, geschenkt!, dass z.B. die
Wasserversorgung in vielen Regionen der Welt erst mal einen höheren Stellenwert
einnimmt, klar!, dass wir aber Perspektiven für die Zukunft entwickeln müssen,
darum werden wir nicht herumkommen.
Es geht hier nicht um Verbesserungsvorschläge für den Kapitalismus, sondern ganz klar um Perspektiven die über ihn hinaus weisen. Die Zukunft liegt in den sog. erneuerbaren Energien wie Wasser, Holz, Sonne und Wind. Aber solange wir den Kapitalismus noch an der Backe haben, ist auch dies keine wirkliche Alternative (das wär eher die Revolution). Sie werden nur dann genutzt, wenn sie genug Profit abwerfen und neue Machtverhältnisse begründen, und auch dort gilt das Prinzip 'Höher, Schneller, Weiter'. Zum Beispiel sind in Indien Mega-Staudämme geplant, die für Massenumsiedlungen, aber auch breiten Protest sorgen. Neue Energien sind nicht per se gut, sie erfüllen genauso ihre Rolle als Ware im Kapitalismus, aber eine zukünftige Energieversorgung ist nur ohne Kohle, Erdöl und Atomkraft denkbar!
Der Kampf muss gegen 'das Ganze' geführt werden, für was ganz anderes!
Was dieses andere ist, steht nicht fest, es gibt weder den Stein der Weisen noch
die eine ultimative und universelle Wahrheit.
Aber es gibt Alternativen, lasst uns gemeinsam darüber nachdenken und handeln,
Perspektiven entwickeln und eingreifen!
Dazu bieten Castortransport wie auch G8-Gipfel gute Möglichkeiten.
Castortransporte zu blockieren ist für uns genauso wichtig wie G8-Gipfel zu
stören!
Beim Castortransport nach Gorleben in diesem Jahr bietet es sich geradezu an,
das landschaftlich mit der Region Heiligendamm vergleichbare Wendland als
'Übungsort' zu nutzen. Auch beim Gipfel wird es darum gehen, die Infrastruktur
zu beeinträchtigen, da ein Durchkommen zum Tagungsort eher unwahrscheinlich
sein wird...
Letztes Jahr beschränkte sich der Protest hauptsächlich aufs Wendland. Mit der
Bahn gibt es jedoch ein bundesweit angreifbares Ziel, Störungen des
Normalbetriebs machen sich großflächig bemerkbar, und wirbeln evtl. auch den
Castorfahrplan durcheinander... Also: Stört entweder der Bahnbetrieb bei euch
vor Ort oder kommt ins Wendland. Dort wird es wieder Camps, Demos, Voküs und
Aktionen geben.
Die Auftaktdemo findet am 11.11.2006 ab 13.00 Uhr in Gorleben statt. Kommt
zahlreich, denkt euch was aus, seid fies und gemein...!!
Busse fahren (bisher) aus Hamburg und Bremen, dazu: www.nadir.org/sand
Für Mitfahrgelegenheiten und Termine für Berlin: www.niXatom.de oder
www.squat.net/aap-berlin
Bereits am 04.11.2006 finden Auftaktdemos in Brunsbüttel und Biblis statt, dafür
checkt: www.castor-stoppen.de
Und für Termine und Infos zum Wendland checkt: www.castor.de
Also dann:
Lets Rock Them Hard: Atomanlagen Stillegen-G8 Gipfel Stören!