Bundeswehr bald überall?
Friedensfestzeitung 2007, Friedensplenum

Die Einsatzbefehle für deutsches Militär werden immer unbegrenzter und risikoreicher

Gegen eine deutliche Mehrheit von 70 % der Bevölkerung hat der Bundestag im März mit etwa 2/3 der Stimmen beschlossen, 6 Tornado-Kampfflugzeuge über dem Süden von Afghanistan einzusetzen. Hierfür wurden zunächst 35 Millionen € bereitgestellt. Erneut setzt die politische Mehrheit auf Militäreinsätze anstatt friedliche Alternativen mit mehr Geld auszustatten.

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und in letzter Zeit immer schneller erlebt die Bevölkerung in Deutschland systematisch gebrochene Versprechen und die Vorspiegelung unausweichlicher Entscheidungen. Schritt für Schritt wird versucht, eine sich ausdehnenden Militärpolitik für normal zu erklären. Inzwischen ist Deutschland schon fast wieder eine imperiale Macht, diesmal an der Seite der USA. Dem wollen wir uns als Friedensbewegung entgegenstellen.

BW-Auslandseinsätze

Grundsteinlegung - Die Wiederbewaffnung

Nach der Barbarei durch das Nazi-Regime, in der von Deutschen Europa mit Krieg und Gräueln überzogen worden ist, war für fast alle Menschen in Deutschland klar, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen sollte. Auch für die Alliierten, die den deutschen Faschismus besiegt haben, schien eine andere Entwicklung undenkbar. Als dann in den 50er Jahren von den USA und der Sowjetunion Hilfstruppen im Kalten Krieg gebraucht wurden bekam Deutschland in jedem seiner Teile eine eigene Armee. 1956 wurde Franz-Josef Strauß, der direkt nach dem 2. Weltkrieg noch erklärt hatte "Wer noch einmal eine Waffe anfasst, dem soll die Hand abfallen" Verteidigungsminister, baute die Bundeswehr massiv auf und strebte sogar nach deutschen Atomwaffen, was glücklicherweise verhindert werden konnte.

Die 1956 gegründete Armee der DDR (NVA) führte bis zu ihrer Abwicklung 1990 keinerlei Auslandseinsätze durch, was sogar bei dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei 1968 durchgehalten wurde.

Auch für die Bundeswehr galt bis kurz nach der deutschen Vereinigung durchgängig das Prinzip, dass Militär nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden darf und Ausnahmen nur für humanitäre Zwecke gemacht wurden wie z.B. Katastrophenhilfe in Marokko 1960, Algerien 1965, Italien 1976, Äthiopien 1984, Namibia 1988 und Iran 1990.

Deutsche Soldaten standen sich in West und Ost, in die jeweiligen Bündnisse eingebunden, waffenstarrend und mit großen Mannschaftsstärke von etwa einer halben bzw. einer viertel Million Soldaten gegenüber, nahmen aber an weltweiten Konflikten nicht aktiv teil.

Stufe 2 - Humanitäre Einsätze

Das änderte sich zunächst schleichend mit der Auflösung der DDR. Durch den 2 plus 4 Vertrag endete das Besatzungsrecht, Deutschland verzichtet im Gegenzug auf den Besitz von ABC-Waffen, die Führung eines Angriffskrieges und das vereinigte Deutschland wurde wieder ein souveräner Staat. Dadurch steigen die Erwartungen an eine Beteiligung deutscher Truppen an internationalen Einsätzen, aber auch durch die Bundesregierung wurde zunehmend versucht die Bevölkerung an Auslandseinsätze zu gewöhnen. Dies geschieht zunächst noch durch quasihumanitäre Einsätze z.B. ab 1991 durch Minenräumen im persischen Golf, 1991-93 durch Sanitätsdienste in Kambodscha, 1991-96 durch Transport von UN-Waffeninspektoren im Irak. Gegen diese "guten Auslandseinsätze" zu argumentieren war ziemlich schwierig.

Stufe 3 - "Deutsche Interessen in der Welt"

Verteidigungsminister Rühe (CDU) erließ 1992 neue verteidigungspolitische Richtlinien in denen der Auftrag zur Landesverteidigung zu einem Auftrag zur Sicherung deutscher Interessen in der Welt umformuliert wurde. 1992-96 mit der Entsendung von Kampfschiffen zur Unterstützung des Waffenembargos gegen das ehemalige Jugoslawien ins Mittelmeer wurde es dann auch praktisch schon militärischer. Dazu kam dann die Teilnahme an der gescheiterten UN Friedensmission 1993-94 in Somalia, bei der kein Frieden geschaffen werden konnte und auch der geleistete humanitäre Aufbau nur wenige Jahre unzerstört blieb. Damit war aber der nächste Schritt zu Auslandseinsätzen gemacht. Jetzt schossen deutsche Soldaten mit, der deutschen Bevölkerung wurden aber die Bilder hungernder Menschen gezeigt, denen man doch helfen müsse und dass der Einsatz doch von der UNO beschlossen worden sei.

1995 beteiligte sich die Bundeswehr dann im Rahmen der NATO an Lufteinsätzen in Bosnien-Herzegowina zur Durchsetzung des Flugverbotes und zum Schutz der UNPROFOR-Truppe, die die Massentötungen in Srebrenica und Zepa nicht verhindern konnten. Der Bevölkerung wurde erklärt, dass man doch in Europa keinen Krieg zulassen dürfe und den Serben die Möglichkeit zu Luftangriffen genommen werden müsse. Nach dem Waffenstillstandsabkommen von Dayton beteiligte sich die Bundeswehr an den UN-Missionen IFOR (1995), und SFOR (1996-2004) EUFOR (2004-heute). Damit sollte der Frieden im ehemaligen Jugoslawien gesichert werden. Der Anspruch auf konstruktives, multiethnisches Zusammenleben konnte aber kaum erreicht werden.

Stufe 4 - Tödliche "Luftschläge"

NATO-Luftangriff auf Belgrad im März 1999

Als 1998/99 die Auseinandersetzungen um die Provinz Kosovo eskalierten, wurde die nächste Schwelle überschritten. Verteidigungsminister Scharping (SPD) präsentierte der deutschen Bevölkerung den "Hufeisenplan", nach dem die Serben alle Albaner aus dem Kosovo vertreiben wollten, der sich hinterher als gezielte Desinformation herausstellte. Außenminister Fischer (GRÜNE) erklärte "Wir haben immer gesagt: ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber wir haben auch immer gesagt: ‚Nie wieder Auschwitz!‘" und bemühte damit Erinnerungen an den Völkermord durch die deutsche NS-Diktatur, um seine eigene Partei und die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des Krieges zu überzeugen. Obwohl das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr noch am 22.3.99 meldete "Tendenzen zu ethnischen Säuberungen sind weiterhin nicht zu erkennen", begannen am 24.3. auch ohne UNO-Mandat NATO-Luftangriffe unter Beteiligung der Luftwaffe der Bundeswehr ohne völkerrechtliche Legitimation. Die Friedensbewegung sah und sieht dies als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg an.

Für die Bundesregierung und die Bundeswehr stellte sich das besondere Problem, dass die Bundesregierung im 2 plus 4 Vertrag unterschrieben hat, dass die Führung eines Angriffskrieges verfassungswidrig und strafbar ist. Die Bundesstaatsanwaltschaft hat später aber nicht einmal Ermittlungsverfahren aufgenommen, weil vorher in der Region schon kein friedliches Zusammenleben der Völker gegeben war. Die Bombardierung beschränkte sich nicht auf militärische Ziele, sondern es wurden auch absichtlich Brücken, Fernsehsender, Raffinerien, Chemie- und Autofabriken und sogar Wohngebiete angegriffen. Verteidigungsminister Scharping spricht von "Luftschlägen". Die Tötung von Zivilisten und sogar die Bombardierung von Flüchtlingen werden verharmlosend als "Kollateralschäden" bezeichnet. Amnesty international bezeichnet die Luftangriffe als "zunehmend blindwütig". Zermürbt und wirtschaftlich massiv geschädigt unterzeichnen jugoslawische Generäle am 9.6. ein Rückzugsabkommen und KFOR-Truppen ziehen unter deutscher Beteiligung (bis zu 4700 Soldaten) und UN-Mandat in das Kosovo ein, wo sie bis heute eingesetzt sind, um Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen zu vermeiden. Mit diesem Krieg und den damit einhergehenden Lügen und Verdrehungen sind weitere Dämme gegen die Entgrenzung von Militäreinsätzen deutscher Soldaten eingerissen worden.

Stufe 5 - "Deutschland soll am Hindukusch verteidigt werden"

Mit den Terroranschlägen auf das World-Trade-Center und das Pentagon am 11.9.2001 änderte sich die Bedrohungssicht entscheidend, denn nun wurden auch Menschen in den Industrienationen getötet. Die Reaktionen darauf waren hektisch und unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Terrorismus wurden alte Pläne zur Gewinnung von Einfluss der NATO-Länder und besonders der USA im ölreichen Arabien umgesetzt. Der NATO-Bündnisfall wurde ausgerufen, deutsche Schiffe im Rahmen der Operation ACTIVE ENDEVOUR in das Mittelmeer entsandt. Der amerikanische Präsident Bush erklärt Afghanistan zum Hort des Terrorismus, er forciert die Operation ENDURING FREEDOM in Afghanistan und am Horn von Afrika. Bundeskanzler Schröder sprach von "uneingeschränkter Solidarität mit den USA" und "Deutschlands neuer Verantwortung auch an weltweiten Militäreinsätzen". Er verknüpfte die Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sogar mit der Vertrauensfrage, um Abweichler aus den Fraktionen der SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN zur Zustimmung zu drängen. Die Taliban wurden schnell besiegt und die Hauptstadt Kabul erobert bevor deutsche Soldaten daran hätten teilnehmen können. Es folgte eine bis heute anhaltende Auseinandersetzung mit Taliban-Verbänden im Süden Afghanistans unter Beteiligung von KSK-Trupps der Bundeswehr bei der Jagd nach Bin Laden (Operation Anaconda).

Deutsche Truppen wurden im Rahmen der ISAF (2002 bis heute) mit UNO-Mandat im Norden von Afghanistan stationiert. Um der neuen Praxis eine Grundlage zu geben, veränderte Verteidigungsminister Struck (SPD), der schon 2002 erklärt hat, "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt" die Verteidigungspolitischen Richtlinien dahingehend, dass nun "Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern auch über das Bündnisgebiet hinaus für die Bundeswehr im Vordergrund stehen." Damit wurden die letzten Beschränkungen abgeräumt und die Bundeswehr kann weltweit als Interventionstruppe auch bei Präventivkriegen eingesetzt werden. Dass dazu kein UNO-Mandat mehr erforderlich scheint, ist schon mit dem Jugoslawien-Krieg und den Aktionen in Afghanistan demonstriert worden. NATO-Beschlüsse oder der "Bündnisfall" nach dem 11.9. wurden als ausreichend angesehen.

Kurze Besinnung - Irak-Krieg 2003

Da war es fast ein Wunder, dass Schröder und Fischer nicht Präsident Bush 2003 in den Irak gefolgt sind, sondern die Lügen der US-Administration über das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen nicht geglaubt haben. So konnte die Bundeswehr wenigstens aus diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg herausgehalten werden. Der Irak ist Lichtjahre von der versprochenen Demokratisierung entfernt und für die Bevölkerung noch viel unsicherer geworden. Dass dann trotzdem von deutschem Boden die üblichen Unterstützungshandlungen erfolgen wie die Nutzung von Stützpunkten oder die Bewachung von US-Einrichtungen durch die Bundeswehr, um die US-Truppen zu entlasten, entspricht der diplomatischen Logik von in das Bündnis NATO eingebundenen Politikern.

Stufe 6 – Die letzten Dämme brechen - Einsätze jetzt ohne Grenzen

Die jetzige Bundeskanzlerin Merkel war schon beim Irak-Krieg nicht so kritisch und nannte ihn unvermeidlich und kritisierte das "NEIN" ihres Amtsvorgängers Schröder massiv. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten deutsche Soldaten sich an der Seite der USA an diesem gefährlichen Debakel beteiligen müssen. Die neue Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel ist noch weniger zögerlich bei der Beteiligung an militärischen Aktionen. Nach einer Beteiligung an der UMNIS-Mission im Sudan (seit 2005) wurden Soldaten auch zur Sicherung der Wahlen 2006 in den Kongo geschickt. Seit September 2006 dümpeln deutsche Kampfschiffe im Rahmen des UNIFIL II Mandates der UNO vor der libanesischen Küste rum. Sie beobachten Boote, angeblich um illegale Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden, und mussten auch schon Scheinangriffe der israelischen Luftwaffe erdulden. Wer wirklich etwas in der Frage illegaler Waffenimporte erreichen will, sollte den libanesischen Zoll unterstützen. Dazu müsste man aber keine Kampfschiffe entsenden.

Der letzte Schritt hin zu militärischen Einsätzen besteht in der Entsendung von Tornados nach Afghanistan 2007. Der Bevölkerung soll auch wieder Sand in die Augen gestreut werden. Es wird zu erklären versucht, dass der Einsatz im Zusammenhang mit dem UN-Mandat ISAF steht, bei dem Frieden gesichert werden soll. In Wirklichkeit steht der Einsatz im Zusammenhag mit ENDURING FREEDOM, wofür es bis heute kein UNO-Mandat gibt. Bundeskanzlerin Merkel erklärt, dass eine "militärische Absicherung notwendig" ist, aber bis hinein in DIE GRÜNEN wird davon gesprochen, dass der zivile Aufbau militärisch abgesichert werden muss. Aber im Süden, wo die Tornados fliegen, steht im Gegensatz zum Norden die Kriegführung im Vordergrund. Es wird vorgegaukelt, dass die Tornado-Jets doch nur Bilder liefern und nicht an kriegerischen Handlungen beteiligt sind. Aufklärung ist aber integraler Bestandteil von Kampfhandlungen, denn die Tornados liefern die Ziele für die Militäraktionen von Truppen anderer NATO-Truppen. Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht durch die Fraktion Die Linke gegen diesen Einsatz läuft noch. Erneut sollen zunächst 35 Millionen € für militärische Einsätze ausgegeben werden, anstatt zivilen Aufbau angemessen zu unterstützen.

Das Friedensplenum steht klar gegen Militäreinsätze der Bundeswehr und fordert die Beschränkung Deutschlands auf zivile Unterstützung in Krisenregionen.

Das Friedensplenum fordert dazu auf, weiter wachsam gegenüber der zunehmenden Militarisierung deutscher Politik zu sein.