Was ist eigentlich Globalisierung?
von: Schwarze Katze, Quelle: Iserlohner Friedensfestzeitung 2002


Globalisierung ist in aller Munde: Sozialabbau, Lohndrückerei, Privatisierung, die Ausweitung von Profitlogiken - mit Globalisierung läßt sich praktisch alles rechtfertigen. Doch weltweit mehren sich Stimmen, die nicht einverstanden sind mit der herrschenden Entwicklung. Etwas, das mit dem "Ya Basta" der Zapatistas in Mexiko begann und sich zuletzt in den Aufständen in Argentinien äußerte. Die Proteste von Seattle, Genua, Göteborg und Barcelona haben globalisierungskritische Inhalte in die breite Öffentlichkeit getragen. Grund genug, sich einmal intensiver mit Thematik zu beschäftigen.

Probleme

Vorweg ein paar kritische Anmerkungen: DIE Globalisierung gibt es nicht. Der Begriff umschreibt verschiedenste Prozesse, eine differenzierte Betrachtung ist notwendig. Zu unterscheiden wäre z.B. ökonomische und kommunikative (Internet usw.) Globalisierung, wobei Letztere zu begrüßen ist. Insofern ist die Bezeichnung ‚Globalisierungsgegner' auch falsch gewählt, da sich der Widerstand vor allem gegen Konzernherrschaft richtet. Von Medien und Wirtschaft wird der Begriff jedoch taktisch benutzt, um die Demonstranten als unmodern hinzustellen.

Ein weiteres Problem: Globalisierung legt nahe, dass Multis jetzt plötzlich die Welt "entdecken". Das ist falsch, denn Konzerne waren schon immer weltweit aktiv (siehe Kolonialismus), nur die Quantität ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Kritik an Globalisierung verschleiert daher auch, dass Zerstörung von Umwelt und Ausbeutung von Menschen schon immer das Wesen der Marktwirtschaft war.

Transnationale Konzerne

Transnationale Konzerne sind die wichtigsten Akteure der ökonomischen Globalisierung. Sie haben in einem Land ihren "Stammsitz", handeln, produzieren und verkaufen aber weltweit. Die Zahl der transnationalen Konzerne ist von 1970 bis heute von 7.000 auf über 40.000 gestiegen. Über 90% dieser Firmen haben kommen aus den nördlichen Industrienationen, mehr als die Hälfte in den 5 Ländern USA Japan, Deutschland, Frankreich, Niederlande. Nicht thematisiert wird in der Regel, dass dieses Konzerngeflecht mit der dahinter stehenden Profitlogik hauptverantwortlich ist für ökologische und soziale Probleme. Zur Aufrechterhaltung dieses Zustandes haben sie und die beteiligten Regierungen sich mächtige Institutionen geschaffen.

Ein wenig Geschichte

1947 wurde von der UNO die ITO (International Trade Organisation) geschaffen. Sie hatte die Aufgabe den globalen Handel zu fördern. Sie sollte jedoch ausdrücklich gemäß ihrem Mandat wichtige soziale Ziele verfolgen: Vollbeschäftigung, Umweltschutz, grundlegende Menschenrechte wie von der UNO festgelegt. Wichtige Industrienationen waren von der Organisation nicht gerade begeistert: So gründeten die USA 1947 das GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) - unabhängig von der UNO, ohne soziale Ziele. Seit 1947 gab es eine Reihe von Handelsvereinbarungsrunden der größten Industrienationen, darauf ausgerichtet den Handel auszudehnen und zu vereinfachen. Ein erster Ansatz der ökonomische Globalisierung.

World Trade Organisation (WTO)

Die WTO ist eine internationale Organisation mit einer erschreckenden Machtkonzentration. Sie kann Gesetze abschaffen, die "handelseinschränkend" sind. Daneben kennt die WTO keinerlei Minimalforderungen bezüglich Menschenrechte, Sozial- oder Umweltstandards. Ihre einzige Aufgabe ist die Forcierung des Handels. In jedem einzelnen Fall (mit der Ausnahme eines Nahrungsmittelschutzgesetzes) hat sie alle Gesetze bezüglich Gesundheit, Nahrungssicherheit, fairem Handel oder Umweltstandards, die sie überprüft hat, für "handelseinschränkend" befunden und abgeschafft. Die Hauptentscheidungsgewalt innerhalb der WTO haben die EU, die USA, Japan und Kanada. In der WTO sitzen ausschließlich die Vertreter großer Öl- und Gaskonzerne, darunter Texaco und Halliburton. Sehr vertrauenserweckend also. Ein kleine Gruppe hat so die Möglichkeit, ihre Interessen gegen einen großen Teil der Menschen durchzusetzen, Entscheidungen über andere zu treffen.

Beispiel Mexiko

Die nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) verdeutlicht die Probleme, welche mit der ökonomischen Globalisierung verbunden sind. Die Freihandelszone hat in Mexiko einige 100.000 neue Jobs geschaffen, aber: 1981 lebten 49% der Mexikaner unterhalb der Armutsgrenze, nach wichtigen Reformen und dem Beitritt zur NAFTA waren es 1999 75% (sic!) der Bevölkerung. Die Zahl der Mexikaner, die unter 2 Dollar pro Tag verdienen ist seit Inkrafttreten der NAFTA um 4 Millionen gestiegen. Auch die Umweltzerstörung schreitet voran: Innerhalb der ersten vier Jahre von NAFTA haben 15 große Hersteller von Holzprodukten Niederlassungen in Mexiko eröffnet, um den größten noch intakten Wald in Nordamerika zu großen Teilen zu fällen.

Konzerne und Kolonialismus

Der IWF (Internationaler Währungsfond) hat seit den 80ern "Strukturanpassungsprogramme" in über 70 Staaten verordnet: Kredite, auf welche die eh verschuldeten Staaten der sog. ‚Dritten Welt' angewiesen sind, werden an bestimmte Maßnahmen gekoppelt: Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Soziales müssen drastisch gekürzt oder gestrichen werden; Handelsbeschränkungen und Sozialstandards müssen aufgehoben und Exportorientierung eingeführt werden, von der vor allem der Norden profitiert. In den betroffenen Ländern führt das zur weiteren Schwächung des Binnenmarkts. Die Anzahl der Menschen, die in absoluter Armut leben ist in von Strukturprogrammen betroffenen Gebieten, in Osteuropa, in Südasien, in Lateinamerika, in der Karibik, und in Afrika südlich der Sahara, erheblich gestiegen. Insgesamt werden durch solche Programme die Abhängigkeiten des Südens vom Norden weiter vertieft. In vielen Ländern kommt es daher gehäuft zu Protesten der Bevölkerung, die ihre nachhaltige Ausbeutung nicht mehr hinnehmen wollen.

Perspektiven des Widerstands

Grundsätzlich sind die Proteste gegen weltweite, wirtschaftliche Ungerechtigkeiten zu begrüßen. Leider besteht innerhalb der Bewegung keine Klarheit darüber, welche Alternativen umzusetzen wären: Viele Gruppen fordern, den Staat gegenüber dem Markt zu stärken (z.B. Attac). Übersehen wird dabei, dass der Staat es ist, der den Markt durchsetzt, Gesetze verschärft und Migranten abschiebt, die sich nicht verwerten lassen. Hinter der fragwürdigen Forderung nach demokratischer Kontrolle steckt aus Sicht herrschaftskritischer Gruppen die falsche Hoffnung auf den ‚guten' Staat und einen gezähmten Kapitalismus. Sie selbst wenden sich grundsätzlich gegen Herrschaft und Verwertung. Modernisierte Marktwirtschaft oder eine ganz andere Welt? Eine offene Frage ... abhängig auch davon, wie wir in das Geschehen eingreifen. Neben Protesten bei Wirtschaftsgipfeln ist es besonders wichtig, auf lokaler Ebene aktiv zu werden: Informationsveranstaltungen, Theateraktionen und vieles mehr sind möglich!

Weitere Infos im Internet
http://de.indymedia.org


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