Eine ganz normale Jagd
Iserlohner Friedensfestzeitung 2004

Man stelle sich einmal vor...
Sonntag Nachmittag - Familie sitzt gemütlich im Wohnzimmer. Plötzlich knallen Schüsse, ein paar Meter vom Haus entfernt robbt ein Menschen durchs Gras, der beide Beine gebrochen hat und versucht, sich kriechend seinen Peinigern zu entziehen. Ein Hund kommt hinzu, stellt diesen Menschen und verbeißt sich in diesen. Was würdet ihr machen? So ähnlich muss es vor ein paar Monaten in Pillingsen gewesen sein. Nur, dass dort kein Mensch durchs Gras robbte, sondern ein Reh. Die eingangs erwähnten Personen eilten dem Reh zu Hilfe, welches vor Schmerz und aus Angst um sein Leben schrie. Sie schlugen auf den Jagdhund ein, damit der von dem Tier ablässt. Kurz darauf betrat ein in Jägermontur gekleideter Mann die Szene, beschimpfte die zur Hilfe geeilten und begann letztlich damit, das Reh mit einem Messer zu töten. Nun, das war a) für das Reh das beste, denn der Hund hätte sich sicherlich weiter in ihm verbissen und medizinische Hilfe für Wildtiere ist ein Absurdum in unserer Gesellschaft, zumal b) das auch das Ziel des Jägers war.

Leserbriefdebatte
Im Nachhinein gab es zu diesem Vorfall eine Leserbriefdebatte in der Zeitung. Besonders interessant war der Beitrag des Jagdpächters, der zwar bei dem Vorfall nicht anwesend war, aber trotzdem alles wusste und dann natürlich auch gleich besser. Ein von Selbstgefälligkeit und Arroganz nicht zu überbietendes Schriftgut, welches selbst die Ghostwriter von Helmut Kohls Memoiren vor Neid in die Knie zwingen dürfte. Die dem Reh zu Hilfe eilenden Menschen hätten nicht nur keine Ahnung, sondern den Jäger frech gestört und überhaupt, ein Reh klagt manchmal, wenn es sich in Gefahr sieht. Ein Sprachstil, welcher einem Louis XIV. entnommen zu sein scheint.

Kein Einzelfall
Und das ganze ist kein Einzelfall! Damit ist jetzt nicht die Dumpfbartigkeit des Jagdpächters gemeint, sondern die Tatsache, dass täglich von den circa 340.000 registrierten deutschen Jägern Tiere verstümmelt werden. Konkret heißt das: Bauchdecke aufgeschossen - Gedärme hängen heraus - Kopfschüsse mit herausfließender Gehirnmasse - gebrochene Beine mit herausguckenden Knochen... Das ist Jagdrealität. Natürlich gibt es manchmal auch glatte Todesschüsse. Aber angesichts der oftmals greisen Jägersleut, vermag dies eher dem Zufall zu entsprechen.

Jetzt zwängt sich natürlich die Frage auf, weshalb es die Jagd noch gibt. Vom Deutschen Jagdverband (DJV) wird hierfür die Mär von der Hege und Pflege angeführt. Unsere Wälder seien so denaturiert, dass eine Bestandskontrolle unbedingt notwendig wäre, um das ökologische Gleichgewicht zu halten. Und tatsächlich fehlen in unseren Wäldern die natürlichen Feinde des noch vorhandenen Wildes. Wolf, Luchs, Adler... gibt es schon lange nicht mehr - Füchse werden gnadenlos verfolgt. Aber warum wehren sich die Grünröcke dann so vehement gegen eine Wiederansiedlung der Luchse? Warum werden Greifvögel abgeknallt? Und warum richten Jäger im Winter Futterstellen ein, die eine Überpopulation sichern? Wer mal ein Blick in ein Jagdmagazin geworfen hat, wird sich über die wahre Motivation schnell im Klaren: Der Jäger: Bezwinger der Bestie - Herrscher über Leben und Tod. Hier geht es rein um die Befriedigung niederer Instinkte, herrschaftlicher Phantasien. Hochglanzanzeigen von Jagdgesellschaften in Namibia oder auch anderen afrikanischen Ländern sprechen eine eindeutige Sprache.

Freizeitvergnügen für Besserverdienende
In der Steinzeit diente die Jagd dazu, Nahrung zu bekommen. Mit der Zeit entwickelte sie sich zur Freizeitgestaltung für Besserverdienende. Und da schließt sich der Kreis. Denn die Arroganz des besagten Jagdpächters hat durchaus einen Grund, denn in seiner kleinen Welt kommt er sich bestimmt immer noch wie ein Landvogt vor. Ende 1996 ergab eine Umfrage, dass 71 Prozent aller Deutschen zwischen 16 und 60 Jahren die Jagd ablehnen. Wenn das auch auf dich zutrifft und Du nicht weiterhin akzeptieren willst, dass den Jägern jährlich auch circa 30 000 Hunde und bis zu 400 000 Katzen (Angabe des DJV) zum Opfer fallen, kannst Du aktiv werden.