Hierarchie im Betrieb
Hierarchie im Betrieb Teil 1 direkte aktion # 68, April 88
Hierarchie im Betrieb Teil 2 direkte aktion # 69, Mai/Juni 88


Hierarchie im Betrieb
direkte aktion # 68, April 88

In den nächsten Ausgaben der D.A. werden wir eine Artikelserie zum Thema 'Hierarchie im Betrieb' veröffentlichen. Darin spiegelt sich der Diskussionsstand der Münchener Ortsgruppe wider. Die Serie soll aus 3 Teilen bestehen:

a) kurze allgemeine Überlegungen und Hinführung zum Thema
b) Beschreibung der betrieblichen Hierarchien
c) konkrete und machbare Vorschläge zu ihrer Überwindung

"Der Anarchismus sollte für uns keine Utopie sein, vielmehr eine (angemessene) Herangehensweise an die Wirklichkeit."

Dieser Satz beschloss den Aufsatz eines Genossen, in dem dieser gegen das Aufstellen von Regeln und festen Vorstellungen einer "verfassten Anarchie" stritt. Diese Tendenz ist unbestreitbar bei einigen (wenigen) in der FAU lebendig.

Wir befinden uns im Spannungsverhältnis unserer Vorstellung und der Realität der täglichen Bedingungen. Und wir wissen, dass es keineswegs damit getan sein kann, gebetsmühlenhaft unsere gesellschaftliche Utopie zu deklamieren, wir wissen aber auch, dass wir mit einem "Schlüssel" den Zugang zur konkreten Auseinandersetzung zu finden haben, um nicht in Reformismus zu erstarren.

Was also tun? Die herrschenden Bedingungen werden nicht von uns geprägt, und unsere gesellschaftliche Utopie liegt in weiter Ferne. Kein auswegloses Dilemma. Wir wissen, dass wir unsere Utopie vorwegnehmen müssen, so oft es nur geht; in Anlehnung an philosophische Betrachtungen gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel.

Die herrschende Klasse arbeitet gezielt mit der Umwertung von Begriffen und Bedeutungen: unübersehbar sind die ungelösten Probleme, die der Kapitalismus nicht lösen kann, weil er sie permanent als Bedingung seines Funktionierens hervorbringt:

Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen führen zu den bekannten gesellschaftlichen Verhältnissen bei uns, führen zu einer Verelendung und Ausplünderung von Menschen und Natur. Diese Form der kapitalistischen Aggression tritt um vieles schärfer gegen die Völker der "3.Welt" auf. Um dies zu überbrücken, um weiterhin Zustimmung zu ihrer Herrschaft zu erhalten (für die anderen bleiben die Knüppel von Polizei und Justiz), versuchen sich die Herrschenden, mit viel propagandistischer Begleitmusik mit dem Kurieren von Symptomen zu profilieren.

Einige Beispiele: Geißler entdeckt Menschenrechtsverletzungen in Chile, Blüm wird demnächst in Südafrika welche entdecken dürfen. Ein CSU-Stadtrat in München, er sitzt mittlerweile gar im Vorstand eines Mietervereins, kümmert sich ebenfalls um Hilfe für die "3.Welt", propagiert unermüdlich eine Stadtteil-Öko-Müll-Aktion.

Diese Aktionen sollen glatt vergessen machen, dass gerade die CDU/CSU zu den unverbrüchlichsten Freunden der Menschenschinder in Chile, El Salvador, Südafrika und ... zählen, bis auf den heutigen Tag auch nicht im Traum daran denken, davon abzurücken. "3.Welt" und ökologische Probleme sind den meisten Menschen als drängende Probleme bewusst, und die Herrschenden sind dabei, mit der ihnen schrankenlos zur Verfügung stehenden Medienwelt die Menschen einzuwickeln. Ein glänzend inszenierter täglicher Betrug.

Wir kommen nicht umhin, uns mit all diesen Erscheinungen auseinander zusetzen. Gefordert sind Analysen, die - in nachvollziehbarer Weise - diesen Betrug offen legen. Unser Kriterium: was ist unterdrückerisch, was ist ausbeuterisch; was ist im Sinne der Freiheit, der Selbstbestimmtheit emanzipatorisch?

Und mit diesen Analysen, die sich nicht mehr nur in allgemeinen Betrachtungen, sondern bereits weitestgehend konkret mit der täglichen Wirklichkeit auseinandersetzen, verhalten wir uns in permanenter Revolte zu den unterdrückenden und ausbeutenden Strukturen. In der nächsten D.A. wollen wir die betrieblichen Hierarchien darstellen.

Wir laden alle Interessierten ein, sich an der Diskussion zu beteiligen.

FAU-München


Hierarchie im Betrieb
direkte aktion # 69, Mai/Juni 88

Der Kapitalismus beruht auf Ausbeutung. Dieser gewaltsame Griff in die Tasche der ausgebeuteten Lohnabhängigen braucht vielfältige Absicherungen: so z.B. ein "Rechtssystem" und eine staatliche Ordnung, die, indem sie diesen Diebstahl quasi legalisieren, die äußere Absicherung garantieren; daneben allerdings bedient sich der kapitalistische Diebstahl noch verschiedener betriebsinterner Absicherungen.

Die Ausgebeuteten werden dabei in ein Geflecht von abgestuften Benachteiligungen, bzw. "Vergünstigungen" eingebunden, und es gelingt dabei sogar, dass die Einbindung von Teilen der Ausgebeuteten gestützt wird. Es lohnt also den Versuch, die Ausbeutung in ihrer betrieblichen Erscheinungsform zu untersuchen und ihre verschiedenen Stufen zu benennen. Denn Ausbeutung ist nicht so sehr als abstrakte Bedingung unseres "Arbeitslebens", sondern konkret in ihren Erscheinungsformen anzugreifen. In den folgenden Ausführungen wird versucht, allgemeingültige Funktionsweisen von betrieblichen Hierarchien aufzuzeigen, die grundsätzlich anzutreffen sind, gleichgültig, ob der Betrieb groß oder klein ist. Selbstverständlich gilt, dass jeder Betrieb seine spezifischen Hierarchien dazuentwickelt.

1. Unterschiedliche Arbeitsverhältnisse
Hier treffen wir auf rechtlich und sozial unterschiedlich konstruierte Rechtsverhältnisse. Sie drücken den Grad der Absicherung des Lohnabhängigen aus.

An der Spitze (relativ zu sehen) steht die Vollzeitkraft. Ihr - und zwischenzeitlich in sehr vielen Tarifbereichen auch den festangestellten Teilzeitkräften - kommen die tariflichen Schutz- und Leistungsbestimmungen zugute.

Aushilfen, zumal zeitlich befristete, stehen sich da schon schlechter; diese sich "nach unten" verschlechternde Tendenz der Schutz- und Leistungsbestimmungen schlägt bei den Leih-Lohnabhängigen und Jobbern voll durch: ihre Arbeitsverhältnisse sind weitestgehend ungeschützt und ungarantiert, ihr Arbeitseinsatz" ist völlig an "betriebliche Notwendigkeiten" (KAPOVAZ) gekoppelt.

2. Formen der Entlohnung
Alle Tarifverträge in der BRD gehen vom Gedanken des Leistungslohns aus. Die unterschiedliche Qualifikation bzw. das "Können" der/des Einzelnen steuern ihre/seine Zuordnung zu den nach Lohnhöhe abgestuften Tarifgruppen. Innerbetrieblich wird das tarifliche Lohngefüge in der Regel noch durch ein differenziertes Zulagensystem "ausgestaltet". Der betrieblichen Lohndifferenzierung sind, sofern ein Betriebsrat vorhanden, im Zuge des Gleichbehandlungsgrundsatzes Grenzen gezogen, dennoch verschärft das betriebliche Zulagensystem die bereits vollzogene tarifliche Spaltung der Lohnabhängigen.

Über Akkordlohn, Provision und Prämienlohn wird der Lohnabhängige mit seinem individuellen Nutzen (Lohnhöhe) an den betrieblichen Nutzen fest angebunden. Dieser Zustand, so sehr er auch scheinbar die "Erfolgreichen" begünstigt, schafft zusätzliche Belastungen durch steigenden Arbeitsdruck und führt zu noch rascherer Verausgabung der Arbeitskraft. Dass es auch heute noch nach Geschlecht unterschiedliche Entlohnung gibt, vertieft das Gesamtbild abgestufter Bezahlung. Ganz unten an der Lohnskala stehen Menschen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft quasi zum Nulltarif zu verschleudern: Praktikanten, Werkstudenten, Volontäre, Auszubildende, Zivildienstleistende, Gefangene, Psychiatriegefangene, Asylbewerber, Sozialhilfeempfänger...

3. Innerbetriebliche Hierarchien
Es liegt auf der Hand, dass hier nicht die vielen unterschiedlichen Strukturen aufgezählt werden können, die dazu dienen, die Herrschaft der Unternehmensleitung durchzusetzen; zu sehr werden sie durch individuelle Erscheinungsformen bestimmt, die von Art und Größe des Betriebs abhängen. Als durchgängiges Prinzip allerdings gilt, dass es verschiedene Ebenen gibt, immer Befehlsempfänger und Befehlsweitergeber in einem, bis am unteren Ende die Ebene derer erreicht ist, die zu gehorchen und zu arbeiten haben. Da ist es dann auch wieder von Bedeutung, ob Frau oder Mann oder Ausländer, Angelernte/r, Lehrling oder Facharbeiter...

Die innerbetriebliche Struktur macht sich einen durch unsere Sozialisation erworbenen menschlichen Zug zunutze: Konkurrenz. So ist oft zu beobachten, dass Lohnabhängige sehr auf ihren Status achten und daraus ein (falsches) Selbstbewusstsein ableiten: die Hierarchie als verinnerlichtes Herrschaftsinstrument.

FAU - München