Das Kapital regiert - Heuschreckenplage
Friedensplenum, Friedensfestzeitung 05

Die wachsende Kraft des Kapitals eine Gefahr für die Demokratie? Stellen "international forcierte Profit-Maximierungs-Strategien" die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Politiker in Frage?

Dem ist so, sagt Franz Müntefering, Vorsitzender der in Berlin regierenden SPD. Traurig nur, daß er und seine Partei in der Regierung diese Entwicklung selbst befördern. Müntefering beschreibt z.B. Bildung, Gesundheit und Infrastruktur als "zentrale öffentliche Güter". Dabei betreibt die Regierung über die EU und WTO die "Liberalisierung" genau dieser elementaren Dienste. Schon Mal was von Abkommen wie GATS oder TRIPS gehört? Nein? Macht nichts, die allermeisten Politiker sind über die geplante Privatisierung der Bildung und des Gesundheitswesens (und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt) auch nicht im Bilde. Bei vollem Bewußtsein dagegen beschließt die Regierung eine Politik der Kürzungen bei Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern, Kindern und Jugendlichen.

Pseudo-Jobs
Für die Hartz IV- gebeutelten und sich ständig vermehrenden Arbeitslosen in Deutschland erfand die Regierung Arbeitsgelegenheiten, bei denen man sich mit einem Euro pro Stunde verdingen kann. Die Nachfrage war zunächst größer als die Zahl der geschaffenen Jobs. Eine Perspektive bietet aber auch diese "Arbeit" nicht: Sie darf nicht qualifizieren und endet nach sechs Monaten. Die ersten 1-Euro-Jobber im Osten stehen schon wieder auf der Straße. Dabei könnten z.B. in gemeinnützigen und öffentlichen Bereichen hunderttausende echte Stellen geschaffen werden, in der Pflege von Alten und Kranken, in der Betreuung und Förderung von jungen Menschen etwa. Ein Beschäftigungsprogramm sei nicht möglich aufgrund leerer Kassen, heißt es dann seitens der Regierenden.

"Es ist kein Geld da"
Sie müssen es wissen: Durch die Konzernsteuerreform und die erleichterte Bildung von "Organschaften" brach bei vielen Kommunen die Gewerbesteuer und damit die wichtigste Einnahmequelle weg. Bundesfinanzminister Hans Eichel schreckte noch nicht einmal davor zurück, Gesetze von Fachleuten der Deutschen Börse AG und des Bundesverbandes der Investmentgesellschaften ausarbeiten zu lassen. So erreichten die von ihren alten Arbeitgebern weiter bezahlten Lobbyisten Steuersenkungen zugunsten von Investmentfonds. Den "Hedge-Fonds", die auch an Verlusten ihrer Firmenbeteiligungen verdienen, wurde auf vergleichbare Art der Weg geebnet. Solange Unternehmen ihren Abzug aus Deutschland steuerlich absetzen können oder ihre Gewinne über Steueroasen vor dem deutschen Fiskus in Sicherheit bringen können, muß man sich über leere Kassen nicht wundern. Auch kann man mit den vorhandenen Steuermitteln besser umgehen, als sie aus dem Fenster zu werfen (s. einen beliebigen Bericht des Bundesrechnungshofes).

Schöne Aussichten
Die SPD tut in der Regierung also das Gegenteil von dem, was ihr Vorsitzender Müntefering in seiner Kapitalismuskritik fordert. Und die Opposition? Union und FDP haben den Sozialabbau mit beschlossen und stehen den Forderungen der Wirtschaft nach dem schlanken Staat noch näher. Ein "schlanker", handlungsunfähiger Staat ohne Mittel um seine Bevölkerung ausreichend zu versorgen? In Argentinien war dies nach mehreren IWF-"Kuren" der Fall, die Folge waren Massenproteste. Gegen die neoliberale Politik des internationalen Währungsfonds, gegen dessen damaligen Direktor Horst Köhler setzte sich dort die Bevölkerung durch. Heute ist H. Köhler nicht etwa auf der Flucht, sondern Präsident. Von Deutschland.