Die wachsende Kraft des Kapitals eine Gefahr für die Demokratie? Stellen "international forcierte Profit-Maximierungs-Strategien" die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Politiker in Frage?
Dem ist so, sagt Franz Müntefering, Vorsitzender der in Berlin regierenden SPD. Traurig nur, daß er und seine Partei in der Regierung diese Entwicklung selbst befördern. Müntefering beschreibt z.B. Bildung, Gesundheit und Infrastruktur als "zentrale öffentliche Güter". Dabei betreibt die Regierung über die EU und WTO die "Liberalisierung" genau dieser elementaren Dienste. Schon Mal was von Abkommen wie GATS oder TRIPS gehört? Nein? Macht nichts, die allermeisten Politiker sind über die geplante Privatisierung der Bildung und des Gesundheitswesens (und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt) auch nicht im Bilde. Bei vollem Bewußtsein dagegen beschließt die Regierung eine Politik der Kürzungen bei Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Rentnern, Kindern und Jugendlichen.
Pseudo-Jobs
Für die Hartz IV- gebeutelten
und sich ständig vermehrenden
Arbeitslosen in Deutschland erfand
die Regierung Arbeitsgelegenheiten,
bei denen man sich
mit einem Euro pro Stunde verdingen
kann. Die Nachfrage war
zunächst größer als die Zahl der
geschaffenen Jobs. Eine Perspektive
bietet aber auch diese
"Arbeit" nicht: Sie darf nicht qualifizieren
und endet nach sechs
Monaten. Die ersten 1-Euro-Jobber im Osten stehen schon
wieder auf der Straße.
Dabei könnten z.B. in gemeinnützigen und öffentlichen
Bereichen hunderttausende echte
Stellen geschaffen werden, in der
Pflege von Alten und Kranken, in
der Betreuung und Förderung von
jungen Menschen etwa. Ein
Beschäftigungsprogramm sei nicht
möglich aufgrund leerer Kassen,
heißt es dann seitens der Regierenden.
"Es ist kein Geld da"
Sie müssen es wissen: Durch
die Konzernsteuerreform und die
erleichterte Bildung von "Organschaften"
brach bei vielen Kommunen
die Gewerbesteuer und
damit die wichtigste Einnahmequelle
weg. Bundesfinanzminister
Hans Eichel schreckte noch nicht
einmal davor zurück, Gesetze von
Fachleuten der Deutschen Börse
AG und des Bundesverbandes der
Investmentgesellschaften ausarbeiten
zu lassen. So erreichten die
von ihren alten Arbeitgebern weiter
bezahlten Lobbyisten Steuersenkungen
zugunsten von Investmentfonds. Den "Hedge-Fonds",
die auch an Verlusten ihrer
Firmenbeteiligungen verdienen,
wurde auf vergleichbare Art der
Weg geebnet. Solange Unternehmen
ihren Abzug aus Deutschland
steuerlich absetzen können oder
ihre Gewinne über Steueroasen
vor dem deutschen Fiskus in
Sicherheit bringen können, muß
man sich über leere Kassen nicht
wundern. Auch kann man mit den
vorhandenen Steuermitteln besser
umgehen, als sie aus dem Fenster
zu werfen (s. einen beliebigen
Bericht des Bundesrechnungshofes).
Schöne Aussichten
Die SPD tut in der Regierung
also das Gegenteil von dem, was
ihr Vorsitzender Müntefering in
seiner Kapitalismuskritik fordert.
Und die Opposition? Union und
FDP haben den Sozialabbau mit
beschlossen und stehen den
Forderungen der Wirtschaft nach
dem schlanken Staat noch näher.
Ein "schlanker", handlungsunfähiger
Staat ohne Mittel um seine
Bevölkerung ausreichend zu versorgen?
In Argentinien war dies
nach mehreren IWF-"Kuren"
der Fall, die Folge waren Massenproteste.
Gegen die neoliberale
Politik des internationalen Währungsfonds,
gegen dessen damaligen
Direktor Horst Köhler setzte
sich dort die Bevölkerung durch.
Heute ist H. Köhler nicht etwa auf
der Flucht, sondern Präsident. Von Deutschland.