.Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. (...) Inhalt und Ziel (einer) sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äuseren Frieden sichert.
Dieses aktuell anmutende Statement stammt nicht etwa von der Linkspartei - sondern aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947. Angesichts des Versagens des Finanzsystems, der schweren Weltwirtschaftskrise mit laufenden Massenentlassungen und der dadurch bedingten Vertiefung der schwelenden sozialen und gesellschaftlichen Krise haben die Regierungsparteien in den westlichen Industriestaaten damit begonnen, lange verpönte Instrumente wie Verstaatlichungen und Enteignungen, Regulierungen der Finanzmärkte, Austrocknung von Steueroasen und Konjunkturprogramme anzuwenden. Staat und Regierung machen verantwortungsvolle Politik in der Krise und packen das Problem an den Wurzeln und begrenzen neoliberale Auswüchse - so scheint es.
Augenwischerei
Tatsache ist, dass die regierenden Politiker
wie auch Teile der Opposition
ziemlich ratlos sind, wie es nun weitergehen
soll. Das Leben auf Pump hat
die Krise mit ausgelöst - warum also
nicht die Krise mit neuen Schulden
wieder beenden? Die bisherigen
Maßnahmen, mit der die Regierung
auf die Krise reagiert, die sie selbst
und die rot-grüne Vorgängerregierung
mit zu verantworten haben, lassen
nichts Gutes befürchten:
Kollaps des Bankensystems - der Steuerzahler soll es richten
Investmentbanken scheinen wie vom
Erdboden verschwunden, Großbanken
sind faktisch pleite und überleben
nur durch Steuergelder. In Deutschland
ist die Hypo Real Estate ein Enteignungskandidat.
Trotzdem bietet man den Alteigentümern weit mehr
Geld, als die Pleitebank wert ist - obwohl
der Steuerzahler bereits über
100 Milliarden Notgelder gezahlt hat.
Wenn eine Bank staatliche Gelder benötigt,
soll sie im gleichen Anteil auch
verstaatlicht werden. Nur so hat der
Steuerzahler eine Chance, irgendwann
sein investiertes Geld wieder zu sehen.
Mittels einer "Bad Bank", also einer
Bank, die alle Schulden übernehmen
soll, will man nun das Bankensystem
retten. Ein Weg, der in den neunziger
Jahren auch in Schweden begangen
wurde. Damals gelang es, die eingesetzten
öffentlichen Gelder über die
Jahre wieder zu erwirtschaften - allerdings
wurden dort die Banken komplett
vom Staat übernommen. In
Deutschland steht ein Modell zur Debatte,
in dem nur die Schulden sozialisiert
würden - eine Bankensanierung
auf Kosten der Bürger muss aber unbedingt
ausgeschlossen werden!
Nieten in Nadelstreifen
Interessant ist, wie sich die verantwortliche
Managerkaste verhält:
Während Postbank-Chef Wolfgang
Klein medienwirksam die eigene Enteignung
anbot und seine Bereitschaft
erklärte, 2009 für ein Jahresgehalt von
einem Euro zu arbeiten, heißt es bei
den meisten Managern fröhlich "weiter
so" - nur dass die Bonuszahlungen
diesmal direkt aus Steuermitteln stammen.
Den Vogel schießt - wer sonst? -
Deutsche Bank-Chef Ackermann ab,
der munter weiter Renditen über 25 %
fordert. So löst man keine Krise, sondern
kippt weiter Öl ins Feuer.
Schließung der Steueroasen? - Fehlanzeige
Eine alte Forderung, die neben attac
auch das FriedensPlenum schon vor
Jahren thematisiert hat, ist plötzlich
Hauptgesprächsthema auf G-20-Gipfeln. Dort wurde eine schwarze
Liste beschlossen, auf der sich aber gar
keine Steueroase befindet. Zwischenstaatliche
Abkommen, die Auskünfte
nach konkreten Anfragen zu Steuerhinterziehung
erlauben, sollen die
Steueroasen zur Zusammenarbeit
verpflichten. Auf eine grundsätzliche
Abschaffung der legalen Steuerhinterziehung
konnte man sich noch nicht
einmal innerhalb der EU einigen, die
sich weiter Ihre eigenen "Oasen" hält.
Und das zu einer Zeit, in der die Steuereinnahmen
aufgrund der Krise reihenweise
weg brechen.
"Einschränkung" von Hegde-Fonds
Mit dem Zugriff auf die über Jahrzehnte
von den Mitarbeitern aufgebauten
Betriebsvermögen erzielten
Hedge-Fonds irrwitzige Renditen um
die 40 Prozent. Diese Finanzkonstrukte,
die auch an Verlusten Ihrer
Firmenbeteiligungen verdienen können,
und bereits 2005 von Herrn
Müntefering publikumswirksam als
"Heuschrecken" gebrandmarkt wurden,
sollen nun besser kontrolliert
werden. Stellt sich die Frage, warum
die Rot-Grüne Regierung sie 2004
überhaupt erst gesetzlich zugelassen
hat? Den Gesetzestext brauchten der
Bundesverband der Investmentgesellschaften
und die Fachleute der Deutschen
Börse AG damals nicht einmal
frei Haus zu liefern - sie saßen aufgrund
eines Personalaustauschprogramms
namens "Seitenwechsel"
bereits im Bundesfinanzministerium. *
Die Möglichkeiten dieser Finanzfirmen
sind unbegrenzt: Sie können mit geringstem
Eigenkapital riesige Kredite
aufnehmen und damit Firmen kaufen.
Aus dem Vermögen der Firmen werden
die Kredite zurückgezahlt, anschließend
sind die Firmen verschuldet
und müssen Arbeiter entlassen, um
wieder am "Markt" bestehen zu können.
Die Mitarbeiter der heimischen
Firma Grohe haben dies bitter am
eigenen Leib erfahren müssen. Der
Sauerländer Autozulieferer Honsel ist
ebenso durch einen Verkauf an Finanzinvestoren
mit hohen Schulden belastet
worden, Entlassungen stehen in
der Jahresmitte an.
Dass die Politik jetzt eine "Einschränkung"
der Tätigkeiten von Finanzakteuren
fordert, ist ein Witz: Das
Schattensystem aus Hedge-Fonds,
Zweckgesellschaften und anderen unregulierten
Finanzakteuren muss abgeschafft
werden!
Konjunkturpakete I + II: Almosen für dieArmen
Immerhin verschenkt die Regierung
nicht nur Geld an die Banken, ein
kleiner Teil ist als "Konjunkturprogramm"
auch für die Realwirtschaft
und den einfachen Bürgern vorgesehen.
Neben Einmalzahlungen wie 100
Euro für jedes Kind und geringer Renten-
und Sozialhilfe - Erhöhungen besteht
das Konjunkturprogramm vor
allem aus Beton und Autos.
Die deutsche Autokatastrophe
Es ist zwar verständlich, dass man
Angst vor dem Effekt von Autofriedhöfen
voller fabrikneuer Wagen vor
den Werkstoren hat. Durch die Abwrackprämie
werden die Probleme
einer Modellpalette, die am Zukunftsmarkt
vorbei entwickelt wurde, jedoch
bestenfalls aufgeschoben. Die deutsche Autoindustrie ist im
Verbund mit willfähigen Vollstreckern
wie dem "Autokanzler" Schröder vor
allem dadurch aufgefallen, jede umwelttechnische
Neuerung zu blockieren
(u.a. den Russpartikelfilter, in
Frankreich längst serienmäßig) und an
Wirkprinzipien des 19. Jahrhunderts
festzuhalten ( Verbrennungsmotoren
der Herren Otto und Diesel ). Fahrzeuge
mit Hybrid- und Elektromotoren
gehört die Zukunft. Diese findet
gerade in Japan und China statt, während
man in deutschen Autowerken
weiter über effizientere Einspritztechnik
bei tonnenschweren Fahrzeugungetümen
brütet. Ein echtes Umsteuern
ist nur möglich, wenn geringer Verbrauch
und alternative Antriebstechniken
massiv gefördert werden und die
Spritfresser steuerlich höher belastet
werden. Wenn man aber ständig Rücksicht
auf den Abverkauf der althergebrachten
Modellpalette nimmt und
falsche gesetzliche Rahmenbedingungen
beibehält, wird das Auto der
Zukunft sicherlich nicht in Deutschland
gebaut.
Kein Geld für den ÖPNV
Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass in beiden Konjunkturprogrammen
Mittel für den öffentlichen
Nahverkehr nicht vorgesehen sind -
ganz im Gegensatz zum Bau von Straßen.
Kommunale Verkehrsbetriebe wie
etwa im Ruhrgebiet verzweifeln, weil
für dringend erforderliche Erneuerungen
von Schienen- und Fahrzeugbestand
kein Geld da ist.
Profite für dieWaffenindustrie
Man glaubt es kaum: Statt Busse
und Bahnen werden im Wert von
500 Millionen Euro Maschinengewehre,
Militärfahrzeuge und Unterwasserminensuchgeräte
angeschafft.
Die Beschwichtigungsversuche des
Verteidigungsministers, diese Ausgaben
seien ohnehin vorgesehen, können
über die schleichende Erhöhung des
Wehretats unter dem Deckmantel der
Krise nicht hinwegtäuschen.
Was angesichts rasant steigender
Arbeitslosenzahlen getan werden
muss, ist seit Jahren bekannt und
hätte bereits viel früher entschieden
werden müssen.
Das oft gehörte Argument, Globalisierungsgegner
und "linke"
hätten keine Konzepte in der
Krise, ist reine Vernebelungstaktik.
Diejenigen,die vomTanz ums
goldene Kalb profitieren und
nach dem Motto "Gewinne privatisieren - Verluste sozialisieren"
den gesellschaftlichen Zusammenhalt
zerstören, müssen neue
Rahmenbedingungen akzeptieren
und sich am nachhaltigen
Umbau der Finanz- und Realwirtschaft
finanziell beteiligen.
Folgende Schritte erachten wir
als überfällig:
- Schließung der "Steueroasen",
falls nicht möglich: Sonderbesteuerung
aller Unternehmen,
die Gewinne in dubiose Finanzplätze
verschieben
- Einführung der Tobin-Steuer für den Devisenhandel
- Abschaffung des Schattensystems aus Hedge-Fonds, Zweckgesellschaften und anderen unregulierten Finanzakteuren
- Besteuerung des Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen
- Investitionsprogramme in die Wirtschaft der Zukunft:
- Massiver Ausbau Erneuerbarer Energien, und massive Förderung der energetischen Sanierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien
- Eine Umweltprämie, die diesen Namen verdient und den Kauf von Autos mit emissionsarmen und - freien Antrieben belohnt
- Erhalt und Ausbau kommunaler und damit öffentlicher Unternehmen
- Beteiligung der Beschäftigten an den Betrieben und dadurch Sicherung von nachhaltigen Unternehmensstrategien
* Der gekaufte Staat - Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich Ihre Gesetze selbst schreiben. Von Sascha Adamek und Kim Otto, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008