Kapitalisten aller Länder - enteignet euch!
Friedensfestzeitung 09, Friedensplenum

.Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. (...) Inhalt und Ziel (einer) sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äuseren Frieden sichert.

Dieses aktuell anmutende Statement stammt nicht etwa von der Linkspartei - sondern aus dem Ahlener Programm der CDU von 1947. Angesichts des Versagens des Finanzsystems, der schweren Weltwirtschaftskrise mit laufenden Massenentlassungen und der dadurch bedingten Vertiefung der schwelenden sozialen und gesellschaftlichen Krise haben die Regierungsparteien in den westlichen Industriestaaten damit begonnen, lange verpönte Instrumente wie Verstaatlichungen und Enteignungen, Regulierungen der Finanzmärkte, Austrocknung von Steueroasen und Konjunkturprogramme anzuwenden. Staat und Regierung machen verantwortungsvolle Politik in der Krise und packen das Problem an den Wurzeln und begrenzen neoliberale Auswüchse - so scheint es.

Augenwischerei
Tatsache ist, dass die regierenden Politiker wie auch Teile der Opposition ziemlich ratlos sind, wie es nun weitergehen soll. Das Leben auf Pump hat die Krise mit ausgelöst - warum also nicht die Krise mit neuen Schulden wieder beenden? Die bisherigen Maßnahmen, mit der die Regierung auf die Krise reagiert, die sie selbst und die rot-grüne Vorgängerregierung mit zu verantworten haben, lassen nichts Gutes befürchten:

Kollaps des Bankensystems - der Steuerzahler soll es richten
Investmentbanken scheinen wie vom Erdboden verschwunden, Großbanken sind faktisch pleite und überleben nur durch Steuergelder. In Deutschland ist die Hypo Real Estate ein Enteignungskandidat. Trotzdem bietet man den Alteigentümern weit mehr Geld, als die Pleitebank wert ist - obwohl der Steuerzahler bereits über 100 Milliarden Notgelder gezahlt hat. Wenn eine Bank staatliche Gelder benötigt, soll sie im gleichen Anteil auch verstaatlicht werden. Nur so hat der Steuerzahler eine Chance, irgendwann sein investiertes Geld wieder zu sehen. Mittels einer "Bad Bank", also einer Bank, die alle Schulden übernehmen soll, will man nun das Bankensystem retten. Ein Weg, der in den neunziger Jahren auch in Schweden begangen wurde. Damals gelang es, die eingesetzten öffentlichen Gelder über die Jahre wieder zu erwirtschaften - allerdings wurden dort die Banken komplett vom Staat übernommen. In Deutschland steht ein Modell zur Debatte, in dem nur die Schulden sozialisiert würden - eine Bankensanierung auf Kosten der Bürger muss aber unbedingt ausgeschlossen werden!

Nieten in Nadelstreifen
Interessant ist, wie sich die verantwortliche Managerkaste verhält: Während Postbank-Chef Wolfgang Klein medienwirksam die eigene Enteignung anbot und seine Bereitschaft erklärte, 2009 für ein Jahresgehalt von einem Euro zu arbeiten, heißt es bei den meisten Managern fröhlich "weiter so" - nur dass die Bonuszahlungen diesmal direkt aus Steuermitteln stammen. Den Vogel schießt - wer sonst? - Deutsche Bank-Chef Ackermann ab, der munter weiter Renditen über 25 % fordert. So löst man keine Krise, sondern kippt weiter Öl ins Feuer.

Schließung der Steueroasen? - Fehlanzeige
Eine alte Forderung, die neben attac auch das FriedensPlenum schon vor Jahren thematisiert hat, ist plötzlich Hauptgesprächsthema auf G-20-Gipfeln. Dort wurde eine schwarze Liste beschlossen, auf der sich aber gar keine Steueroase befindet. Zwischenstaatliche Abkommen, die Auskünfte nach konkreten Anfragen zu Steuerhinterziehung erlauben, sollen die Steueroasen zur Zusammenarbeit verpflichten. Auf eine grundsätzliche Abschaffung der legalen Steuerhinterziehung konnte man sich noch nicht einmal innerhalb der EU einigen, die sich weiter Ihre eigenen "Oasen" hält. Und das zu einer Zeit, in der die Steuereinnahmen aufgrund der Krise reihenweise weg brechen.

"Einschränkung" von Hegde-Fonds
Mit dem Zugriff auf die über Jahrzehnte von den Mitarbeitern aufgebauten Betriebsvermögen erzielten Hedge-Fonds irrwitzige Renditen um die 40 Prozent. Diese Finanzkonstrukte, die auch an Verlusten Ihrer Firmenbeteiligungen verdienen können, und bereits 2005 von Herrn Müntefering publikumswirksam als "Heuschrecken" gebrandmarkt wurden, sollen nun besser kontrolliert werden. Stellt sich die Frage, warum die Rot-Grüne Regierung sie 2004 überhaupt erst gesetzlich zugelassen hat? Den Gesetzestext brauchten der Bundesverband der Investmentgesellschaften und die Fachleute der Deutschen Börse AG damals nicht einmal frei Haus zu liefern - sie saßen aufgrund eines Personalaustauschprogramms namens "Seitenwechsel" bereits im Bundesfinanzministerium. * Die Möglichkeiten dieser Finanzfirmen sind unbegrenzt: Sie können mit geringstem Eigenkapital riesige Kredite aufnehmen und damit Firmen kaufen. Aus dem Vermögen der Firmen werden die Kredite zurückgezahlt, anschließend sind die Firmen verschuldet und müssen Arbeiter entlassen, um wieder am "Markt" bestehen zu können. Die Mitarbeiter der heimischen Firma Grohe haben dies bitter am eigenen Leib erfahren müssen. Der Sauerländer Autozulieferer Honsel ist ebenso durch einen Verkauf an Finanzinvestoren mit hohen Schulden belastet worden, Entlassungen stehen in der Jahresmitte an. Dass die Politik jetzt eine "Einschränkung" der Tätigkeiten von Finanzakteuren fordert, ist ein Witz: Das Schattensystem aus Hedge-Fonds, Zweckgesellschaften und anderen unregulierten Finanzakteuren muss abgeschafft werden!

Konjunkturpakete I + II: Almosen für dieArmen
Immerhin verschenkt die Regierung nicht nur Geld an die Banken, ein kleiner Teil ist als "Konjunkturprogramm" auch für die Realwirtschaft und den einfachen Bürgern vorgesehen. Neben Einmalzahlungen wie 100 Euro für jedes Kind und geringer Renten- und Sozialhilfe - Erhöhungen besteht das Konjunkturprogramm vor allem aus Beton und Autos.

Die deutsche Autokatastrophe
Es ist zwar verständlich, dass man Angst vor dem Effekt von Autofriedhöfen voller fabrikneuer Wagen vor den Werkstoren hat. Durch die Abwrackprämie werden die Probleme einer Modellpalette, die am Zukunftsmarkt vorbei entwickelt wurde, jedoch bestenfalls aufgeschoben. Die deutsche Autoindustrie ist im Verbund mit willfähigen Vollstreckern wie dem "Autokanzler" Schröder vor allem dadurch aufgefallen, jede umwelttechnische Neuerung zu blockieren (u.a. den Russpartikelfilter, in Frankreich längst serienmäßig) und an Wirkprinzipien des 19. Jahrhunderts festzuhalten ( Verbrennungsmotoren der Herren Otto und Diesel ). Fahrzeuge mit Hybrid- und Elektromotoren gehört die Zukunft. Diese findet gerade in Japan und China statt, während man in deutschen Autowerken weiter über effizientere Einspritztechnik bei tonnenschweren Fahrzeugungetümen brütet. Ein echtes Umsteuern ist nur möglich, wenn geringer Verbrauch und alternative Antriebstechniken massiv gefördert werden und die Spritfresser steuerlich höher belastet werden. Wenn man aber ständig Rücksicht auf den Abverkauf der althergebrachten Modellpalette nimmt und falsche gesetzliche Rahmenbedingungen beibehält, wird das Auto der Zukunft sicherlich nicht in Deutschland gebaut.

Kein Geld für den ÖPNV
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in beiden Konjunkturprogrammen Mittel für den öffentlichen Nahverkehr nicht vorgesehen sind - ganz im Gegensatz zum Bau von Straßen. Kommunale Verkehrsbetriebe wie etwa im Ruhrgebiet verzweifeln, weil für dringend erforderliche Erneuerungen von Schienen- und Fahrzeugbestand kein Geld da ist.

Profite für dieWaffenindustrie
Man glaubt es kaum: Statt Busse und Bahnen werden im Wert von 500 Millionen Euro Maschinengewehre, Militärfahrzeuge und Unterwasserminensuchgeräte angeschafft. Die Beschwichtigungsversuche des Verteidigungsministers, diese Ausgaben seien ohnehin vorgesehen, können über die schleichende Erhöhung des Wehretats unter dem Deckmantel der Krise nicht hinwegtäuschen. Was angesichts rasant steigender Arbeitslosenzahlen getan werden muss, ist seit Jahren bekannt und hätte bereits viel früher entschieden werden müssen. Das oft gehörte Argument, Globalisierungsgegner und "linke" hätten keine Konzepte in der Krise, ist reine Vernebelungstaktik. Diejenigen,die vomTanz ums goldene Kalb profitieren und nach dem Motto "Gewinne privatisieren - Verluste sozialisieren" den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören, müssen neue Rahmenbedingungen akzeptieren und sich am nachhaltigen Umbau der Finanz- und Realwirtschaft finanziell beteiligen.

Folgende Schritte erachten wir als überfällig:
- Schließung der "Steueroasen", falls nicht möglich: Sonderbesteuerung aller Unternehmen, die Gewinne in dubiose Finanzplätze verschieben

- Einführung der Tobin-Steuer für den Devisenhandel

- Abschaffung des Schattensystems aus Hedge-Fonds, Zweckgesellschaften und anderen unregulierten Finanzakteuren

- Besteuerung des Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen

- Investitionsprogramme in die Wirtschaft der Zukunft:

- Massiver Ausbau Erneuerbarer Energien, und massive Förderung der energetischen Sanierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien

- Eine Umweltprämie, die diesen Namen verdient und den Kauf von Autos mit emissionsarmen und - freien Antrieben belohnt

- Erhalt und Ausbau kommunaler und damit öffentlicher Unternehmen

- Beteiligung der Beschäftigten an den Betrieben und dadurch Sicherung von nachhaltigen Unternehmensstrategien


* Der gekaufte Staat - Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich Ihre Gesetze selbst schreiben. Von Sascha Adamek und Kim Otto, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008