60 Jahre nach der Befreiung - Nix gelernt?!
Friedensplenum, Friedensfestzeitung 05

"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig."
(aus dem Schwur der Überlebenden von Buchenwald)

Die Frage ob die hehren Absichten der Opfer der Deutschen in Gesellschaft und Politik der Täter Umsetzung fanden, ließe sich leichtfertig mit JA beantworten, nimmt man als Maßstab die bloße Existenz zahlreicher Gedenkveranstaltungen von offizieller sowie von Seiten der Kirchen, Opferverbände und vereinzelter fortschrittlicher Kräfte. Allerdings dürften auch in diesem Jahr die meisten Deutschen den Tag lieber bei der Arbeit bzw. den Abend vorm Fernseher verbringen und das Gedenken den Opfern, Berufspolitikern und vereinzelten Linken überlassen. Eine weitaus größere und auch ehrlicher gemeinte Resonanz hingegen erfährt das Gedenken an die deutschen Opfer des Bombenkriegs.

Iserlohner Vergangenheits"bewältigung"
So auch in Iserlohn, wo die Öffnung des Luftschutzbunkers viele an ihre Erlebnisse in der Kriegszeit erinnert hat. Dass der Platz vor dem Bunker weiter nach dem NSDAP-Ratsherrn Fritz Kühn benannt ist, stört dabei offenbar nicht. Als Lehrer, Verfasser von "arisierten" Schulbüchern und Durchhalteprosa repräsentierte er das Nazi-Regime vor Ort und bewarb es bis zum Schluss. An ihn erinnert auch eine Büste vor dem Stadtmuseum, während die deportierten und ermordeten Iserlohner Bürger jüdischen Glaubens im Stadtbild Gesichts- und Namenlos bleiben.

Vom Rat der Stadt namentlich geehrt wird aktuell der Wehrmachtsoffizier Albert Ernst. Er mußte in einer ausweglosen Situation noch dazu gedrängt werden, die Kriegshandlungen einzustellen und die Stadt an US-Truppen zu übergeben. Eine Gedenktafel zu seinen Ehren soll in Iserlohn an einem öffentlichen Ort angebracht werden. Hier werden Täter zu Wohltätern gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig verwunderlich, wenn heute noch Gruppierungen wie die Iserlohner Landsmannschaft der Donauschwaben sich im Rückblick auf die Geschichte ihres "Neustamms" der spezifischen Terminologie der Shoa bedienen, wenn sie ihre vorübergehende Internierung in Übergangslagern (bei der ohne Zweifel auch Menschen zu Schaden/Tode gekommen sind) als Aufenthalt in "Vernichtungslagern" brandmarken. Kein Wort hingegen verliert der Vertriebenenverband über die monströsen und einzigartigen Verbrechen der Deutschen, deren Volkstum er sich so stark verbunden fühlt.

Alles relativ?
Auch die offiziellen Gedenken an die Opfer offenbaren bei näherer Betrachtung ihren äußerst ambivalenten Charakter, wenn z.B. auf der einen Seite demonstrativ auf gemachte Fehler hingewiesen wird, um das Bild einer geläuterten, von Nationalismus, völkisch- rassistischem und antisemitischen Denken befreiten Nation zu vermitteln, andererseits jedoch angemessene Entschädigungszahlungen an die Opfer der Deutschen nicht nur widerwillig und eklatant unzureichend geleistet sondern deren legitime Ansprüche sogar öffentlich denunziert werden. Dies geschieht entweder mit dem Hinweis auf das "lange Zurückliegen" der Verbrechen oder der Behauptung, die Nachfahren von Holocaustüberlebenden wollten sich nur unrechtmäßig an den Deutschen bereichern, wobei nur zu gerne auf antisemitische Stereotype zurückgegriffen wird.

Neben diesem beschämenden Verfahren mit Überlebenden und Nachkommen der Opfer des Holocaust läßt sich ein anderer Trend in Umgang mit der Shoa festmachen. Da steht auf der einen Seite Joseph Fischer, der 1999 Auschwitz zur Legitimation des Krieges in Jugoslawien heranzog, indem er Auschwitz gleichwohl relativierte und die Einzigartigkeit absprach. Auf der anderen Seite sind es konservative Intellektuelle und Politiker wie Martin Walser, Martin Hohmann oder Jürgen Möllemann, die ihren kaum verschleierten Antisemitismus in die deutschen Salons und Feuilletons tragen und dabei auch auf fruchtbaren Boden stoßen, wie nicht zuletzt die immensen Solidaritätsbekundungen mit Hohmann vor seinem drohenden Rausschmiss aus der CDU und die (wenn auch fast ausschließlich mit alten Leuten) gut gefüllten Lesungen Walsers zeigen.

"Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, Hintergrund nichts Ähnliches geschehe" waren einst die Worte Theodor W. Adornos. Von der Umsetzung dieses wichtigen Manifests ist Deutschland angesichts von Dammbrüchen bei Wahlerfolgen offener Nazis wie denen der NPD, immer neuen Nazimorden (z.B. dem an einem Dortmunder Punk am 28.03.), antisemitischen Demonstrationen (wie z.B. in Bochum anläßlich des geplanten Neubaus der Synagoge) und Schmierereien (wie bspw. an der Hagener Synagoge am 22.11.03) weit entfernt.