"Die Vernichtung des Nazismus
mit seinen Wurzeln ist unsere
Losung, der Aufbau einer
neuen Welt des Friedens und der
Freiheit ist unser Ziel. Das sind
wir unseren gemordeten Kameraden,
ihren Angehörigen schuldig."
(aus dem Schwur der Überlebenden
von Buchenwald)
Die Frage ob die hehren Absichten der Opfer der Deutschen in Gesellschaft und Politik der Täter Umsetzung fanden, ließe sich leichtfertig mit JA beantworten, nimmt man als Maßstab die bloße Existenz zahlreicher Gedenkveranstaltungen von offizieller sowie von Seiten der Kirchen, Opferverbände und vereinzelter fortschrittlicher Kräfte. Allerdings dürften auch in diesem Jahr die meisten Deutschen den Tag lieber bei der Arbeit bzw. den Abend vorm Fernseher verbringen und das Gedenken den Opfern, Berufspolitikern und vereinzelten Linken überlassen. Eine weitaus größere und auch ehrlicher gemeinte Resonanz hingegen erfährt das Gedenken an die deutschen Opfer des Bombenkriegs.
Iserlohner Vergangenheits"bewältigung"
So auch in Iserlohn, wo die
Öffnung des Luftschutzbunkers
viele an ihre Erlebnisse in der
Kriegszeit erinnert hat. Dass der
Platz vor dem Bunker weiter nach
dem NSDAP-Ratsherrn Fritz
Kühn benannt ist, stört dabei
offenbar nicht. Als Lehrer, Verfasser
von "arisierten" Schulbüchern
und Durchhalteprosa
repräsentierte er das Nazi-Regime
vor Ort und bewarb es bis zum
Schluss. An ihn erinnert auch
eine Büste vor dem Stadtmuseum,
während die deportierten und
ermordeten Iserlohner Bürger
jüdischen Glaubens im Stadtbild
Gesichts- und Namenlos bleiben.
Vom Rat der Stadt namentlich geehrt wird aktuell der Wehrmachtsoffizier Albert Ernst. Er mußte in einer ausweglosen Situation noch dazu gedrängt werden, die Kriegshandlungen einzustellen und die Stadt an US-Truppen zu übergeben. Eine Gedenktafel zu seinen Ehren soll in Iserlohn an einem öffentlichen Ort angebracht werden. Hier werden Täter zu Wohltätern gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig verwunderlich, wenn heute noch Gruppierungen wie die Iserlohner Landsmannschaft der Donauschwaben sich im Rückblick auf die Geschichte ihres "Neustamms" der spezifischen Terminologie der Shoa bedienen, wenn sie ihre vorübergehende Internierung in Übergangslagern (bei der ohne Zweifel auch Menschen zu Schaden/Tode gekommen sind) als Aufenthalt in "Vernichtungslagern" brandmarken. Kein Wort hingegen verliert der Vertriebenenverband über die monströsen und einzigartigen Verbrechen der Deutschen, deren Volkstum er sich so stark verbunden fühlt.
Alles relativ?
Auch die offiziellen Gedenken
an die Opfer offenbaren bei näherer
Betrachtung ihren äußerst
ambivalenten Charakter, wenn
z.B. auf der einen Seite demonstrativ
auf gemachte Fehler hingewiesen
wird, um das Bild einer geläuterten,
von Nationalismus, völkisch-
rassistischem und antisemitischen
Denken befreiten Nation
zu vermitteln, andererseits jedoch
angemessene Entschädigungszahlungen
an die Opfer der Deutschen
nicht nur widerwillig und
eklatant unzureichend geleistet
sondern deren legitime Ansprüche
sogar öffentlich denunziert werden.
Dies geschieht entweder mit
dem Hinweis auf das "lange
Zurückliegen" der Verbrechen
oder der Behauptung, die Nachfahren
von Holocaustüberlebenden
wollten sich nur unrechtmäßig
an den Deutschen bereichern,
wobei nur zu gerne auf antisemitische
Stereotype zurückgegriffen
wird.
Neben diesem beschämenden Verfahren mit Überlebenden und Nachkommen der Opfer des Holocaust läßt sich ein anderer Trend in Umgang mit der Shoa festmachen. Da steht auf der einen Seite Joseph Fischer, der 1999 Auschwitz zur Legitimation des Krieges in Jugoslawien heranzog, indem er Auschwitz gleichwohl relativierte und die Einzigartigkeit absprach. Auf der anderen Seite sind es konservative Intellektuelle und Politiker wie Martin Walser, Martin Hohmann oder Jürgen Möllemann, die ihren kaum verschleierten Antisemitismus in die deutschen Salons und Feuilletons tragen und dabei auch auf fruchtbaren Boden stoßen, wie nicht zuletzt die immensen Solidaritätsbekundungen mit Hohmann vor seinem drohenden Rausschmiss aus der CDU und die (wenn auch fast ausschließlich mit alten Leuten) gut gefüllten Lesungen Walsers zeigen.
"Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, Hintergrund nichts Ähnliches geschehe" waren einst die Worte Theodor W. Adornos. Von der Umsetzung dieses wichtigen Manifests ist Deutschland angesichts von Dammbrüchen bei Wahlerfolgen offener Nazis wie denen der NPD, immer neuen Nazimorden (z.B. dem an einem Dortmunder Punk am 28.03.), antisemitischen Demonstrationen (wie z.B. in Bochum anläßlich des geplanten Neubaus der Synagoge) und Schmierereien (wie bspw. an der Hagener Synagoge am 22.11.03) weit entfernt.