Für mich heisst das frei zu sein
Schwarze Katze Interview mit einem Punk

Schwarze Katze: Du bist Punk, was heisst das für dich?

Ich kann jetzt nicht für alle sprechen. Für mich heisst das frei zu sein, machen was ich will und mich nicht an andere Leute zu halten. Ich respektiere von anderen Leuten was sie machen wollen, aber ich will auch meine Sachen machen.

Schwarze Katze: Dann hat Punksein für dich also auch eine politische Komponente?

Ja, für mich schon. Ich bin politisch korrekt und bin auch überzeugter Anarchist.

Schwarze Katze: Letztes Jahr warst du ja bei den Chaostagen dabei. Warum eigentlich?

Ich bin dahingefahren um gut Party zu haben und nicht um irgendwie Strassenschlachten zu machen, mich mit den Bullen zu prügeln. Ich wollte einfach nur hinfahren, viele Leute treffen, viele andere Punks und vielleicht auch Oi-Skins die gegen Nazis sind. Bin da aus“m Bahnhof gekommen, hab mit ein paar Leuten gefrühstückt. Nach ner halben Stunde haben wir erst mal für 12 Stunden Innenstadtverbot gekriegt. Sind wir in die Vororte gegangen und andauernd unter dem Auge des Gesetzes gewesen, überall standen Bullen rum, das war nicht so toll.

Schwarze Katze: Wer die Medienberichterstattung zu den Chaostagen 1995 mitverfolgt hat, der könnte ja glauben, dass dort, wo einst Hannover stand nur noch eine rauchende Trümmerwüste vorzufinden ist. Du warst ja bei den Chaostagen 1995 dabei, was hast du denn von der Medienberichterstattung gehalten?

Also teilweise war“s echt heftig. Es wird ja so dargestellt als wenn die bösen bösen Punks die armen Polizisten verkloppt hätten. Aber im Grunde war das nicht so, wir haben uns eigentlich nur gewehrt. Am Donnerstag war ich nicht da, von Donnerstag auf Freitag, wo die ersten Schlachten waren, das hab ich aus Erzählungen gehört - da wollten die Bullen “ne Gruppe von 100-200 Leuten umzingeln und alle in Vorbeugehaft nehmen und die Leute wollten halt ihre Party haben. Und bei unserer Denkweise lässt man sich nicht so gerne von jemanden die Party versauen - auch nicht von den Bullen und dem Staat.

Schwarze Katze: Das heisst also bei den Chaostagen ging es vor allem darum Spass zu haben und die Polizisten haben euch den Spass dann verdorben?

Ja genau. Und deswegen haben wir uns dagegen gewehrt, dass die unsere Party zerstört haben. Also ich war jetzt zwar bei keiner direkten Schlacht dabei und ich war auch nicht in der Nordstadt, wo die grosse Randale war.

Schwarze Katze: Man könnte doch meinen es gibt schon genug Chaos in der Welt. Warum werden eigentlich Chaostage veranstaltet?

Chaos ist für uns nicht was für den normalen Bürger Chaos ist. Für uns steht Chaos mehr für eine Unordnung, die in Wirklichkeit eine Ordnung ist, die bloss kein anderer versteht.

Schwarze Katze: Was haben die Chaostage denn für einen historischen Hintergrund?

Anfang der 80er hat die Polizei in Hannover eine Punkerkartei eingerichtet und da wurden alle Punks registriert. So praktisch ein politisches Archiv mit Namen, Adressen und Fotos. Und das hat den Leuten damals gestunken und da haben sie damals die Chaostage gemacht. Das ist der geschichtliche Hintergrund.

Schwarze Katze: Und wie haben die sich dann entwickelt?

Das ist im Laufe der Jahre zu einer Party geworden, so 83 war richtig gut Party - ohne irgendwelche Gewalt. Haben halt nur die Punks in der Innenstadt gesessen, ihre Party da durchgezogen und die Bullen standen da und haben geguckt und mehr war da eigentlich nicht. Natürlich wurde hier und da mal ein Stück Gummibärchen geklaut, aber das ist ja wohl nicht so wild. Und dann 84 ist dasselbe passiert, was jetzt in den 90ern wieder passiert ist, das die Sache kriminalisiert und die Punks niedergeknüppelt wurden, weil die da ihre Party machen wollten.

Schwarze Katze: Diese Jahr wärst du ja fast auch zu den Chaostagen gefahren. Aber du bist ja nicht gefahren und in Hagen am Bahnhof hast du was erlebt. Kannst du das bitte genauer schildern?

Ja, ich wollte eigentlich erst fahren, aber dann hab ich ein paar andere Leute getroffen die wollten nach Norden-Norddeich und dann hab ich mich entschlossen lieber mit denen dahin. Das ist stressfreier, Hannover 6.000 Oberförster, da kommst“e sowieso nicht rein, also fährst du halt mit denen nach Norden-Norddeich. Mit einem hab ich gequatscht, durch den hab ich das rausgekriegt. Und dann kamen immer mehr von den Leuten aus Hagen und als wir viele waren, kamen auf einmal die Bullen, 6 Stück, umstellten uns, also Bundesgrenzschutz und sagten: "Ja ihr wollt nach Hannover fahren, wieso?" - "Nee, wir wollen nicht nach Hannover, wir wollen nach Norden-Norddeich." - "Nein, es besteht die Gefahr, dass ihr nach Hannover fahrt. Deswegen dürft ihr die Gleise nicht betreten und von hier aus nicht mit dem Zug fahren. Ihr müsst den Bahnhof verlassen." Wir so, Recht auf Reisefreiheit und so, da meinte er, das wär durch das Demonstrationsverbot aufgehoben und das ging nun nicht und wir müssten aus dem Bahnhof raus. Und als wir draussen waren, hat drinnen ein normaler Bürger Stress gemacht. Der Bundesgrenzschützer hatte gut Schiss, dass wir zur Presse gehen und ist rausgekommen, war stinkefreundlich und sagte wir könnten doch fahren. Wir sollten uns jetzt die Tickets holen und uns ausdrucken lassen wie wir fahren wollen und welche Strecke, damit er das auch sehen könnte und dann dürften wir doch fahren.

Schwarze Katze: Viele Punks haben ja einen regelrechten Hass auf die Polizei, warum eigentlich?

Das kommt noch aus den 80ern, da waren die Bullen echt übel zu den Punks. Inzwischen hat sich das bei manchen Kleinstädten gelegt, aber in der Regel ist es eigentlich immer noch so. Als Punk wird man beäugt, man wird beobachtet, nicht nur von den Bullen - auch von den Normalbürgern. Aber die Bullen haben halt ein besonderes Auge auf uns und uns wird halt schneller was angehängt. Zum Beispiel wenn du ein Bier irgendwo in der Stadt trinkst, kann“s dir schon mal passieren, das es dir verboten wird, weil Paragraph Alkoholismus in der Öffentlichkeit oder so, das kann dir schon passieren schneller als einem Normaljugendlichen, sag ich mal. Als jemand der seine Bravo liest, sein Techno hört und mit seinen Markenklamotten durch die Gegend rennt, bei denen ist das halt nicht so heftig, die werden halt als harmlos abgetan. Aber wir werden gleich immer als kriminell, gewalttätig, gefährlich und als das andere abgestuft, was irgendwie negativ ist.

Schwarze Katze: Welche Rolle spielt eigentlich Musik für die Punks?

Unsere gesamte Kultur basiert eigentlich auf der Musik. Es gibt Fanzines, das sind so kleine Heftchen über die ganzen Musikgruppen. Und die Musik ist unser Sprachrohr, vermittelt uns gegenseitig unsere Botschaften und bringt die durch die Texte rüber.

Schwarze Katze: Sind das auch kritische Texte?

Ja, es gibt den Politpunk, so mit richtig politischen Texten, die auch meistens anarchistischen Hintergrund haben. Dann gibt“s den Funpunk, das ist Musik über so spassige Sachen, wie über Freundin oder sitz auf“m Klo und hab kein Klopapier mehr und so. Das sind so eigentlich die beiden Richtungen die es gibt.

Schwarze Katze: Könntest du ein Beispiel für einen politischen Punktext nennen?

Ich zitier mal: "Zuviele sind zu Kreuze gekrochen, zuviele haben sich ergeben, zuviele haben Angst bekommen vor der Allmacht des Systems und sitzen jetzt verschreckt zu Hause."

Schwarze Katze: Dann sind das also Texte, die die Realität beschreiben und auf der anderen Seite dann auch wieder Mut machen, um aktiv zu werden.

Es gibt Sachen die sind sozialkritisch und es gibt Sachen sie sind mehr zur Motivation gedacht. So Sachen wie "Wir sind wieder da" oder "Uns gibt es noch" oder "Punks not dead".