Innerstädtische Sicherheitspolitik
Schwarze Katze Sendemanuskript

Anmodi Schwarze Katze: "Guten Abend liebe Hörerinnen und Hörer, Sie hören eine Radiosendung der Radiogruppe Schwarze Katze. Heute Abend geht's um das Thema: innerstädtische Sicherheitspolitik. Da haben wir uns ja auch schon letzte Stunde mit beschäftigt und in dieser Stunde wird es da Interviews geben. Und zwar Interviews, die auf einem Seminar gelaufen sind vom Ludwig-Quidde-Forum. Das ist das Bildungswerk der Jungdemokraten."

"Nach dem ersten Lied gehts los - es stammt aus der Feder von Erich Mühsam und wurde von Gregor Hause gesungen und vertont. Es heisst Bonzenblues."

[musikal. Unterbrechung]

Bonzenblues
Erich Mühsam

Sei dankbar, Volk, den Edlen, die dich leiten,
der Obrigkeit, die stets dein Heil bedenkt.
Willst du dir selber dein Geschick bereiten,
bald wär die Karre in den Sumpf gelenkt.
Was weißt denn du, was für dein Wohlsein nötig ist?
Das Volk gehorche, weil es brägenklötig ist.
Der höhern Einsicht füge dich beizeiten,
und frag nicht lang, warum der Staat dich henkt.

Vertraue, Volk, den Bonzen der Parteien,
geborgen ist dein Glück in ihrem Schoß.
Wenn du sie wählst, wolln alle dich befreien,
wenn sie gewählt sind, melken sie dich bloß.
Stell dir doch vor, wenn niemand dich regieren soll,
wovon dein Bonze dann noch existieren soll.
Der ganze Landtag müßt vor Hunger schreien.
Selbst die Abortfrau wäre arbeitslos.

Sie haben nichts im Kopf als die Paragraphen.
Die Bonzen sind, o Volk, die Jungs im Skat,
verhängen Steuern über dich und Strafen,
und wenn du aufmuckst, dann ist's Hochverrat.
Sie merken nie, wenn alles auf der Kippe steht,
sie merken immer, wo noch eine Krippe steht,
doch du, o Volk, du kannst geruhsam schlafen.
Die Bonzen wachen, ja es wacht der Staat.

Schwarze Katze: "Ich befinde mich hier auf dem Seminar "Zero Tolerance" im Einkaufsparadies, das von den JungdemokratInnen/Junge Linke NRW veranstaltet wird und das sich mit dem Thema der innerstädtischen Sicherheitspolitik beschäftigt. Ich spreche jetzt mit Robert, einem der zahlreichen Teilnehmer dieses Seminars. Robert, was waren die ausschlaggebenden Gründe für dich hierher zu kommen?"

Robert: "Hm, da gab's eine kleine Vorgeschichte: ich hab' in Menden, wo ich wohne, in letzter Zeit zunehmende Aktivitäten der Polizei und des Ordnungsamtes entdeckt, die sich halt insofern äusserten, dass Leute dieser beiden Institutionen in der Stadt patroullierten. Und ich hab' mich halt gefragt, woher das kommt, weil das ja auch irgendwelche Gründe haben muss und was für Konsequenzen das dann für das Stadtleben hat in Menden. Dann, später, hat mein Freund über das Thema "Zero Tolerance" etwas erzählt, was ein New Yorker Konzept ist, und es hat mich weiterhin interessiert. Dann habe ich irgendwann dieses Schlagwort auf einem Seminarplan der JungdemokratInnen/Junge Linke NRW entdeckt und hab' mich für dieses Seminar angemeldet in der Hoffnung, mehr Informationen über dieses Thema zu bekommen."

Schwarze Katze: "Du hast grad das Schlagwort "Zero Tolerance" mit eingebracht. Kannst du das ein bisschen näher erklären?"

Robert: "Ja und zwar Zero Tolerance, der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet "Null Toleranz". In diesem Fall bedeutet dies null Toleranz gegenüber all denjenigen, die das innerstädtische Alltagsleben in irgendeiner Weise stören. Es richtet sich halt gegen Randgruppen, wie Junkies und Obdachlose zum Beispiel. Es bedeutet aber auch, dass jedes ach nur so kleinste Delikt geahndet wird und zwar mit sofortigen Strafen. Dies dient der weiteren Privatisierung der Innenstädte und dass die Bevölkerung in Ruhe ihren alltäglichen Einkäufen nachgehen kann, ohne gestört zu werden.

Schwarze Katze: "Du hast gerade gesagt, dass du dieses Konzept in Menden verwirklicht siehst. Inwiefern stimmt das konkret?"

Robert: "Also ich hab halt z.B. bemerkt, dass einige befreundete Punks von ihrem alten Standort vertrieben worden sind und nun in einem nahe gelegenen Park in der Nähe von Mendens Bahnhof ihre Zeit verbringen. Sie haben vom Ordnungsamt die Anweisung bekommen, dass, solange sie dort bleiben, mit nichts weiterem zu rechnen ist. Und dieser Park hat sich mittlerweile zu einer Art Ansammlungsort für Obdachlose und Punks entwickelt."

Schwarze Katze: "Also kann man da von einer bewussten Ghettoisierung von Menschen bzw. von Gruppen sprechen?"

Robert: "Ja, ich seh' das auch dass sich Bezirke herauskristalisieren, und ich denke das ist im Sinne der Polizei, dass all diese Randgruppen, um sie besser kontrollieren zu können, alle in einem Bezirk zu sammeln."

[musikal. Unterbrechung]

"Ihr hört eine Sendung der Schwarzen Katze. Heute geht's um das Thema innerstädtische Sicherheitspolitik. Nach der Musik, gecovered von Ton, Steine, Scherben, geht's weiter mit einem Interview."

Schwarze Katze: "Kannst du ein wenig zusammenfassen, worum es jetzt am ersten Tag des Seminars so ging?"

Robert: "Zu Beginn haben wir ein wenig über die Theorie des Konzeptes geredet und auch die praktische Durchführung, so, wie es in dem Ursprungsort New York praktiziert wird und was das dort für die Anwohner bedeutet. Dann haben wir unter anderem über Justiz-Vollzugs-Anstalten geredet, die in Amerika teilweise privatisiert sind und auch über Instrumente, die deutsche Behörden haben und inwiefern sie mit den Bürgern Deutschlands zusammenarbeiten, um dieses Konzept weiterhin auch hier in Deutschland durchzusetzen."

Schwarze Katze: "Was fandest du bisher am interessantesten unter all den Punkten?"

Robert: "Bisher fand ich sehr interessant beispielsweise die schon vorhin genannte Privatisierung von Justizvollzugsanstalten, dass dort dann auch Sicherheitsleute von privaten Sicherheitsdiensten ihren Dienst verrichten und die dort inhaftierten Häftlinge zu einer Art Zwangsarbeit herangeführt werden und grosse Formen wie IBM, Microsoft oder Boeing dort Produkte herstellen lassen, weil sich die Häftlinge mit einem sehr niedrigen Lohn und sehr niedrigen Lohnkosten abspeisen lassen und es dort auch keine Streiks, etc. und Gewerkschaften und sowas gibt."

Schwarze Katze: "Wie hat dir der Verlauf des Seminars bisher gefallen?"

Robert: "Bisher fand ich das Seminar recht informativ, und ich hoffe, dass es auch morgen so sein wird."

[musikal. Unterbrechung]

Schwarze Katze: "Der zweite Tag des Seminars 'Zero Tolerance' der Jungdemokraten/Jungen Linken ist jetzt vorbei und ich bin jetzt hier auf der Suche nach Eindrücken. Neben mir sitzt jetzt Toni. Toni, was war deine persönliche Motivation, zu diesem Seminar zu gehen?"

Toni: "Es war der Umstand, dass bei uns in Köln die Innenstadtvertreibung eine Vorreiterrolle in Nordrhein-Westfalen eingenommen hat und dass ich durch persönliche Kenntnisnahme, insbesondere auch um die Räumung der Klagemauer in Köln damit indirekt involviert bin und wir uns überlegt haben, wie kann man da Gegenmassnahmen ergreifen... Ich habe hier auf dem Seminar eine wirklich fundierte, sehr gut, grundlegende Aufarbeitung der ganzen Problematik kennen lernen können. Leider ist es sehr inhaltsschwer, das heißt, man hätte mehr gebraucht als die zwei Tage und ich bin auch der guten Hoffnung, dass diese Sache noch erweitert wird im Ludwig-Quidde-Forum, so dass wir zu diesem Thema noch weiterarbeiten können. Und meine Hoffnung ist, dass sich viel mehr Leute der Problematik bewusst werden und sensibel werden für dieses Thema, so dass bundesweit endlich mal eine richtige Solidaritätsbewegung in dem Masse stattfindet, dass die Aktionen nicht nur zu jeweiligen Höhepunkten irgendwie aufflackern, wo es mal gerade ein politisches Highlight gibt, sondern dass kontinuierlich dazu gearbeitet wird, und man sich nicht so sehr von Obdachlosen differenziert und nur intellektuell linke Politik bearbeitet, sondern vielmehr in Solidarität gegen diesen ganzen Sicherheitswahn, der ja zur Zeit in der Bundesrepublik betrieben wird, richtig vorgeht."

Schwarze Katze: "Was war denn für dich das interessanteste am Seminar, das heisst der Punkt, der dich am meisten interessiert hat oder was du halt am besten fandest?"

Toni: "Also wichtig war für mich, leider habe ich den Anfang aus persönlichen Gründen versäumt, also wäre für mich gewesen die polizeilichen Mittel wie Ordnungssatzung, Gefahrenabwehrverordnungen und Platzverweisen, so, und das ist auch ein Kritikpunkt an dem Seminar, dass man es vielleicht noch ein bisschen ausgeweitet hätte, weil ich persönlich der Meinung bin, dass man da ansetzen muss um da das weiträumig seitens der Polizei sich angeeignete und rechtswidrig meiner Meinung nach angeeignete Feld dieser Massnahmen, die leider noch nicht höchstrichterlich abgeklärt sind, und die mit Sicherheit verworfen werden würden, wie es auch einige Beispiele schon gibt, weil sie mittlerweile nur auf sehr unteren und mittleren Ebenen der Gerichte hängen bleibt; dass man gegen diese Mittel massiv vorgeht und ich hätte gerne da noch eine konkretere Ausgestaltung über diese Mittel und auch Gegenmassnahmen gegen diese Mittel kennengelernt und habe leider feststellen müssen, das ist wiederum ein Kritikpunkt, dass uns allen dazu nicht allzu viel eingefallen ist. Ich denke mal da wäre es richtig, auch da anzusetzen, mit mehr Kreativität sich in diese Problematik einzubringen, denn das ist immerhin ein Ansatzpunkt. Ich denke mir mal, die Frage des Einmischens auch von solchen Themen von Obdachlosigkeit steht der Linken ganz gut an, weil ich mir denke man kann nicht differenzieren zwischen linker Politik, die keinen elitären Ansatz hat und marginalisierten Randgruppen."

[musikal. Unterbrechung]

Schwarze Katze: "Wie siehst du die Zukunft? Glaubst du, dass wir früher oder später wie das New Yorker Modell enden werden, das heißt 'Zero Tolerance', oder eher eine Verminderung der Sicherheit in unseren Städten?"

Toni: "Ich denke mir mal, dass die Extreme, die in New York gelaufen sind bei uns sich nicht so durchsetzen lassen, und das sehen auch die Repressionskräfte. Aber ich denke, es ist schlimm genug, was zur Zeit bei uns schon möglich ist und da möchte ich mich auch gar nicht an diesem New Yorker Modell orientieren, auch wenn es jetzt im politischen Diskurs ist."

Schwarze Katze: "Okay, vielen Dank für deine Meinung!"

[musikal. Unterbrechung]

Schwarze Katze: "Und weiter geht's. Das erste Stück zwischen dem Interview stammte von der Punkband 'Slime' und hieß 'We don't need the army', und das nachfolgende Stück war von der Band 'Flaming Homer' aus Trier und hieß 'Zukunft gesichert'. Das ist eine Radiosendung von der Schwarzen Katze und behandelt das Thema 'innerstädtische Sicherheitspolitik'. Es folgt nun ein weiteres Interview, das auf dem Seminar entstanden ist..."

Schwarze Katze: "Ich spreche jetzt mit Frank, dem Seminarleiter. Frank, was war deine persönliche Motivation, so ein Seminar zu veranstalten?"

Frank: "Die Idee zu dem Seminar geht im Wesentlichen darauf zurück, dass innerhalb der Städte, insbesondere im öffentlichen Raum der Städte, eine zunehmende soziale Polarisierung und soziale Ausgrenzung zu beobachten ist und damit einher die Insgesamtbedrohung des öffentlichen Raumes für alle Menschen geht, aber insbesondere ein Angriff auf die Überlebensbedingung für Menschen aus sogenannten sozialen Randgruppen, und dass es hier einfach um die Notwendigkeit gesellschaftlicher Intervention geht. Das Seminar war ein kleiner Baustein um sich inhaltlich mit dem ganzen Material auseinanderzusetzen und mögliche Strategien zu diskutieren."

Schwarze Katze: "Du hast uns ja zu Beginn erzählt, dass du auch eine Diplomarbeit darüber geschrieben hast. Hattest du da dieselbe Motivation oder aus welchem Grund ist dies geschehen?"

Frank: "Die Diplomarbeit, das ist ein bisschen spezieller. Ich hab ja Raumplanung studiert und die Raumplanung ist eine Disziplin, die sich mit der räumlichen Organisation und Steuerung gesellschaftlicher Prozesse befasst. Und damit ist es gleichbedeutend verbunden, dass Raumplanung auch einen wesentlichen Beitrag leisten kann zur Steuerung räumlichen Verhaltens und auch zu Ausgrenzungsmechanismen im Raum. Das wird in dieser Disziplin aber nicht reflektiert, und meine Arbeit sollte ein Beitrag dazu sein, innerhalb der Raumplanung zu reflektieren, wie diese Disziplin, auch diese Wissenschaft an der Ausgrenzung von Menschen beteiligt ist und was ggf. für Interventionsmöglichkeiten gegeben sind."

[musikal. Unterbrechung]

Schwarze Katze: "So, okay, das war die Band 'Kill the man who questiones' mit dem Titel 'I apologize for my hunger'. Weiter geht's mit dem Interview."

Schwarze Katze: "Wie sieht diese innerstädtische Sicherheitspolitik in der Praxis verwirklicht aus, also was sehen wir heute in Deutschland schon davon?"

Frank: "Wir sehen verschiedene Dinge, also das ganze ist erstmal kein einfacher monolithischer Block, sondern es passiert auf mehreren Ebenen, in mehreren Schichten. Wir haben auf der einen Seite klassische Elemente von Situationsprävention und Technoprävention, d.h. Kameras und ähnliche Sachen, die kontrollieren, die auch steuernd wirken; dann gibt es die privaten Sicherheitsdienste und ähnliche Einrichtungen, die in Städten unterwegs sind und darüber kontrollierend wirken; und ergänzt wird das ganze dann durch neue Handlungsansätze, heißen sie nun 'Sicherheitswacht' in Bayern, 'Ordnungspartnerschaft' in Nordrhein-Westfalen, noch zu ergänzen um die 'kriminalpräventiven Räte', die insgesamt ein mehrschichtiges Eingriffsmodell darlegen, dass dann insgesamt räumliche Ausgrenzungsmechanismen etabliert, dass aber auch darüber hinaus innergesellschaftliche Grenzziehung durchsetzt - im Prinzip zwischen den Leuten, die dazugehören, die einem Bild von Normkundinnen und Normkunden entsprechen, die sich also in der Erlebniswelt Innenstadt, in der Einkaufswelt Innenstadt zurechtfinden und dort gewollt sind und den Leuten, die nicht passen, die eben sozial unerwünscht sind, die auffälliges Verhalten haben oder auch als 'ProblemkundIn' definiert werden, die nicht in diese Räume passen, nicht in dieses Bild passen und letzten Endes auch den ökonomischen Interessen, also Verkaufen/Umsatz machen, der Leute widersprechen, die dort angesiedelt sind."

Schwarze Katze: "Das Konzept 'Zero Tolerance' stammt ja ursprünglich aus Amerika, aus New York um genau zu sein. Wie sieht die Situation in Amerika aus, welche Folgen sieht man dort? Und wie ist das insgesamt entstanden?"

Frank: "Also entstanden ist das ganze in 'ner längeren Zeit, also kurz vereinfacht ist zu sagen, dass sich in Amerika das Verständnis von Kriminalität verwandelt hat, dahingehend, dass früher angenommen wurde, Kriminalität hätte soziale Ursachen und heute wird davon ausgegangen, dass Kriminalität eben keine sozialen Ursachen hat, sondern einfach 'ne ökonomische Entscheidung ist. Im Prinzip: Kriminalität nutzt mir, also werde ich kriminell. Und daraus wurde die Philosophie entwickelt, Kriminalität kann auf der Ebene der Phänomene bekämpft werden, aber nicht mehr auf der Ebene der Ursachen bzw. braucht nicht auf der Ebene der Ursachen bekämpft werden. Die Folgen so einer Politik sind heute, dass auf relativ niedrigen Ebenen eingegriffen wird, wenn ich bei Rot über die Straße gehe, bin ich einen Tag im Knast, wenn ich 'ne Dose Bier aufmache auf der Straße, bin ich einen Tag im Knast, wenn ich zu laut Musik höre, bin ich einen Tag im Knast, und so weiter. Das ganze hat dann nicht zu einem Wunder von New York geführt, wie es so oft kolportiert wird, das heißt es gab keinen rasanten Kriminalitätsrückgang, zumindest nicht durch 'Zero Tolerance'. Das waren andere Faktoren, demographische Faktoren, das waren Arbeitsmarktfaktoren, die hier zu diesen Kriminalitätsrückgängen geführt haben. Was allerdings eingetreten ist, ist auf der einen Seite eine Verdrängung der Kriminalität, d.h. aus hochkontrollierten Bereichen in niedriger kontrollierte Bereiche, insbesonder in Orte, an denen eben sozial marginalisierte und ausgegrenzte Personen leben, die nicht über Sicherheitstechnologien verfügen können. Es gab eine Zunahme der Gewaltkriminalität in Amerika. Und was als letztes noch zu Erwähnen ist, ist die Erhöhung der Rate der Menschen, die in Gefängnissen sitzen. Das betrifft insbesondere farbige Menschen, und hier die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen. Die Zahlen hier sind, ich glaub' in New York sindīs 42 Prozent der Leute aus dieser Altersgruppe, in Baltimore sind es 50 Prozent, rund, und in New Jersey, nein, Washington D.C. sind es über 50 Prozent derer die dort im Knast sitzen."

[musikal. Unterbrechung]

Schwarze Katze: "Das waren 'For Skins' mit dem Titel 'One Law for them' und jetzt geht's weiter mit dem Interview."

Schwarze Katze: "Sind hier denn auch in Deutschland ähnliche Tendenzen erkennbar, d.h., dass es immer weiter Richtung dem New Yorker Modell tendiert?"

Frank: "Deutschland versucht von New York zu lernen, also so würde ich es erstmal formulieren, d.h., es wird versucht, bestimmte Eckpunkte zu übernehmen. Das bedeutet einmal, Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe zu definieren; angeblich sind wir alle dafür verantwortlich, dass es bei uns sicherer wird. Bei uns erklärt aber niemand, um das gleich dazu zu sagen, warum wir unsicher sein sollten, wovor wir Angst haben müssten, ja, und wie denn Sicherheit hergestellt werden könnte. Das andere ist, es gibt auch hier Bestrebungen, die Eingriffsschwelle zu reduzieren, also auch unterhalb des Strafrechts einzugreifen, wofür es dann in dem Sinne keine rechtliche Handhabe gibt. Das sind so wesentliche Sachen, die sich auch hier etablieren und durchsetzen, und dann in solchen Themen wie Kriminalitätsprävention zum Ausdruck kommen."

Schwarze Katze: "Welche Gruppen könnten daran Interesse haben? Also gibt es denn Personen oder Gruppierungen, die davon hier in Deutschland profitieren, dass dies so weiter verfolgt wird?"

Frank: "Naja, also du kannst nicht einfach sagen, die haben Interesse daran und die anderen nicht. Auf der einen Seite ist ein vordergründiges ökonomisches Interesse gegeben. Klar. In den Innenstädten ist es so, dort soll verkauft werden, da sollen bestimmte Stimmungen erzeugt werden, und da passt es einfach nicht hin, wenn dann eben der Obdachlose vor meiner Parfümerie liegt, wo ich gerade für meine Mutter Chanell zu Weihnachten kaufen möchte oder sonst irgendwas. Das passt nicht, da wird interveniert. Das funktioniert aber auf einer anderen Ebene genauso: wenn ich z.B. meine beschauliche Einfamilienhaus-Siedlung hab, und dort in der Nähe ist ein Treffpunkt von Jugendlichen, die stören mich; die sind laut, die machen Sachen, die ich nicht verstehen kann, und ich hab das Gefühl, mein gutes Eigenheim leidet hier im Wert. Da kann ich eine Ordnungspartnerschaft installieren und gemeinsam mit Polizei, Jugendamt und anderen Bürgern darüber nachdenken, was ich denn mit diesen Kindern machen kann, wo das einzige Problem nur darin begründet liegt, dass ich sie nicht verstehe, dass wir nicht miteinander kommunizieren können und es eigentlich nur ein Missverständnis ist. Kriminalität spielt da keine Rolle."

Schwarze Katze: "Erkennst du in dieser neuen sicherheitspolitischen Strategie eine bestimmte politische Richtung? Und wenn ja, wie würdest du die in der gesamtgesellschaftlichen Umstrukturierung einordnen?"

Frank: "Ich würde die aktuellen politischen Bestrebungen im Politikfeld der inneren Sicherheit als Bestandteil eines neoliberalen Umbaus der Gesellschaft identifizieren. Das heißt, dass auf der einen Ebene Privatisierungs- und Deregulierungsbestrebungen laufen, d.h. den Staat zurückzudrängen und private AkteurInnen hervorzubringen im Sinne eines 'schlanken Staates'; dann würde ich darauf verweisen, dass hier massiv darauf geachtet wird, dass Individuen, dass Menschen funktionieren im Sinne der Verwertbarkeit innerhalb des Produktionsprozesses, aber auch innerhalb der Reproduktionssphäre und dass wir es eigentlich mit einem ziemlich großen Disziplinierungsprojekt zu tun haben, einem ziemlich großen Kontrollprojekt, das den neoliberalen Gesellschaftsumbau flankiert."

Schwarze Katze: "Gibt es eine Möglichkeit, Gegenkonzepte zu entwickeln? Und wenn ja, wie sähen diese aus oder wie könnten diese aussehen? In welche Richtung?"

Frank: "Also Gegenkonzepte... Die Möglichkeit, sie zu entwickeln gibt es mit Sicherheit und es gibt auch Gegenkonzepte. Diese Gegenkonzepte greifen auf verschiedenen Ebenen. Das eine ist selbstverständlich, dass die Organisationen und Einrichtungen, die momentan von Privatisierungen und ähnlichem betroffen sind, sich wehren. Das fängt ganz banal an bei der Polizei, die meint, sie darf keine Jobs abgeben, keine Kompetenzen abgeben. Die haben etwas gegen private Sicherheitsdienste. Das ist die eine Ebene. Umfassendere Gegenstrategien müssen meiner Meinung nach damit beginnen, dass sie die Legitimationsgrundlage der Sicherheitspolitik, nämlich die immer angeführten subjektiven Unsicherheiten und Ängste angreifen. Das heißt, sie müssen diese Ängste dekonstruieren, sie müssen erklären, wo diese Ängste herkommen und das sind meiner Meinung nach soziale Problemlagen; Probleme, sozialer Desintegration und sozialer Interaktion, und da andere Alternativen, Handlungsalternativen bieten. Handlungsalternativen, die sozial integrativ sind, die eine kommunikative Basis haben und die den Menschen eine langfristige ökonomische Perspektive bieten. Dann werden auch diese Ängste verschwinden und die Kriminalitätsängste im Allgemeinen."

Schwarze Katze: "Okay, vielen Dank für das informative Gespräch!"

[musikal. Unterbrechung]

Abmodi Schwarze Katze: "So, diese Sendung ist jetzt zu Ende und das war eine Sendung über innerstädtische Sicherheitspolitik. Produziert wurde die Sendung von der Radiogruppe Schwarze Katze. Die Schwarze Katze ist erreichbar über Schwarze Katze, Postfach 41 20, in 58664 Hemer. Im Internet sind wir zu erreichen unter http://schwarze.katze.dk Das letzte Lied ist von Gregor Hause vorgetragen, von Erich Mühsam geschrieben. Es heisst 'Mein Gefängnis'."

[musikal. Ausklang]

Mein Gefängnis
Erich Mühsam

Auf dem Meere tanzt die Welle
nach der Freiheit Windmusik.
Raum zum Tanz hat meine Zelle
siebzehn Meter im Kubik.
Aus den blauen Himmeln zittert
Sehnsucht, die die Herzen stillt.
Meine Luke ist vergittert
und ihr dickes Glas gerillt.

Liebe tupft mit bleichen leisen
Fingern an ein Bett ihr Mal.
Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal.

Tausend Rätsel, tausend Fragen
machen manchen Menschen dumm.
Ich hab eine nur zu tragen:
Warum sitz ich hier? Warum?

Hinterm Auge wohnt die Träne,
und sie weint zu ihrer Zeit.
Eingesperrt sind meine Pläne
namens der Gerechtigkeit.

Wie ein Flaggstock sind Entwürfe,
den ein Wind vom Dache warf.
Denn man meint oft, daß man dürfe,
was man schließlich doch nicht darf.