Neoliberalismus in NRW – Wo bleibt der Widerstand?
Friedensfestzeitung 2007

Nach der Landtagswahl von 2005 in Nordrhein-Westfalen hat eine FDP/CDU-Koalition die Jahrzehnte regierende SPD (und mit ihnen auch die GRÜNEN) aus der Düsseldorfer Regierungszentrale verdrängt. Endlich mal was anderes, dachten viele. Die Menschen wünschten sich endlich eine bessere Politik.

Doch es kam, wie es kommen musste: Noch schlimmer. Kürzungen bei Kindergärten auf Kosten des Elternanteils, 25% Kürzung bei Frauenhäusern, Einstellung der Regionalstellen Frau und Beruf, Auflösung des Landeszentrums für Zuwanderung, Umweltpolitik im "Dialog" mit der Großwirtschaft, Vorratsdatenspeicherung durch einen "liberalen" Innenminister, Einschränkung des Bürgerfunks, um nur einiges zu nennen.

Studiengebühren

Die Einführung von Studiengebühren führte zu einem Einbruch der Neueinschreibungen an Universitäten in NRW um 20%. Gerade junge Abiturienten mit wenig Geld im Rücken entscheiden sich heute lieber für eine Lehre, als sich für ein Studium zu verschulden. Da es ohnehin zu wenig Lehrstellen gibt, sind die Chancen auf eine Ausbildung etwa für Hauptschulabsolventen noch kleiner geworden. So wurden Bildungschancen verringert.

Doch die gelb-schwarzen sind mit ihrer Agenda noch lange nicht am Ende. Bürgermeister sollen für acht Jahre "regieren", eine Stichwahl für den Posten wird aber nicht mehr für nötig erachtet. Die Mitbestimmung der NRW-Staatsdiener ist unerwünscht und soll massiv eingeschränkt werden. Mit der LEG soll die größte Wohnungsbaugesellschaft des Landes privatisiert werden, was schon seit Monaten die Mieter in über 100.000 Wohnungen im Lande verunsichert.

"Privat vor Staat"

Private Firmen erledigen vielerlei besser und günstiger, tönt es immerzu von FDP und CDU. Gegenbeispiele wie die Wiedereinführung der kommunalen Müllabfuhr in Fröndenberg, wo man durch schlanke Verwaltung ohne teure Geschäftsführer 30% günstiger als die private Konkurrenz wirtschaftet und man als Bürger plötzlich 20 Euro weniger Müllgebühren zahlt, passen da nicht ins Bild. Die NRW-Regierung plant folgerichtig mit der Gemeindereform einen neoliberalen Frontalangriff auf kommunale Unternehmen. Danach soll sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur dann noch wirtschaftlich bestätigen betätigen dürfen, wenn "der öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann". Für bestehende Firmen gibt es einen Bestandsschutz, eine Entwicklung darüber hinaus wird untersagt. Die Gewinne "privater" Unternehmen sollen so gesichert werden. Die kommunalen Unternehmen, die über Ratsmitglieder auch von den Bürgern kontrolliert werden und deren Überschüsse in öffentliche Haushalte fließen, werden in der Zukunft wohl das Nachsehen haben.

Desinteresse im Stadtrat

20.000 Stadtwerker, unterstützt auch von CDU-Kommunalpolitikern, liefen dagegen vor dem Landtag Sturm. Im Iserlohner Rat kam nicht mal eine Resolution gegen die Landespläne zustande, sogar die SPD in Gestalt von Herrn Leye zeigte am Antrag der Grünen kein Interesse. Die geplanten Gesetzesänderungen gälten "für die Zukunft" und das Problem sei "nicht gravierend", es mache "keinen Sinn, Landespolitik im Rat zu diskutieren" - so kann man es in der Sitzungsniederschrift nachlesen. Der Stellenwert der städtischen Betriebe und ihrer Mitarbeiter scheint bei den Ratsmitgliedern nicht sehr hoch zu sein.

Während sich in Lateinamerika ein Land nach dem anderen vom neoliberalen Privatisierungswahn zu befreien versucht, ist er bei uns auf dem Vormarsch. In Düsseldorf setzt die FDP eine marktradikale Ideologie um, die CDU wirkt schon fast wie schmückendes Beiwerk. Von den Oppositionsparteien ist kaum etwas zu bemerken. Wenn jetzt nicht bald die jeweils einzeln Betroffenen merken, dass sie nur gemeinsam stark sind, kommt das böse Erwachen zu spät.