Anarchie, Domestizierung
und die Befreiung der Tiere

Anarchie – ein Wort, das stellvertretend für unseren Wunsch nach einem Leben in Freiheit steht. Darüber, was wirkliche Freiheit genau bedeutet, wie man Freiheit am besten erlangt/erkämpft oder welche Taktiken am Besten zur Zerstörung der ihr im Weg stehenden Autorität dienen, all dies sind viel debattierte Fragen, wo eine klare Antwortfindung mit allgemeinem Konsens äusserst schwierig, vielleicht gar unmöglich ist. Aber wir alle stimmen damit überein, jegliche Form von Herrschaft zerstören und uns von ihrer Unterdrückung und ihren Verpflichtungen befreien zu wollen, weil wir unser Leben selbst bestimmen möchten - auf die Art und Weise, wie es uns gefällt.

Wenn wir jedoch ausschliesslich die phyischen Manifestationen des Systems angreifen und unsere eigene Domestizierung und Entfremdung - das hauptsächlich psychologische und effektivste Werkzeug der Unterdrückung - nicht erkennen, werden wir im Kampf um unsere Freiheit nicht viel weiter kommen. Jahrtausende lang wurden wir von Religionen, Ideologien, Politik, Lebensumständen etc. beeinflusst, geformt, manipuliert und trainiert. So wurden wir durch den Glauben an Gott, die Lohnarbeit etc. Schritt für Schritt unseres eigenen Lebens enteignet. Diese Problematik aus einer anarchistischen Perspektive heraus zu verstehen, ermöglicht es uns zu begreifen, wie Unterdrückung in unseren Köpfen funktioniert, warum dies so lange so gut funktioniert hat und warum es noch heute keinen Anlass für das System gibt, diese alte Waffe zu revidieren.

Diese Mauern und Dogmen in unseren Köpfen zu erkennen und zu bekämpfen, sollte Teil des täglichen Lebens der nach Freiheit strebenden Menschen sein. Dies benötigt jedoch radikale Kritik von allem, was als gegeben und normal angesehen wird. Ein wichtiger Aspekt, welcher noch in breiten anarchistischen Kreisen ungenügend oder gar nicht diskutiert wurde, ist die absolut mensch-zentrierte Perspektive unserer Weltsicht (anthropozentristische Weltsicht). Jegliche Probleme stellen in erster Linie Probleme für uns Menschen dar, anderenfalls würde sich niemand darum kümmern, sie würden überhaupt nicht als Probleme wahrgenommen. Die systematische Vergiftung und Zerstörung unserer Umwelt stellt erst ein Diskussionsthema dar, seit wir wissen, dass wir damit unser eigenes Grab schaufeln und nicht mehr sehr tief buddeln müssen, um unser Werk zu beenden. Mit dieser Erkenntnis einhergehend verbleiben wir jedoch im scheinbar unumstösslichen Vertrauen in Technologie und Wissenschaft – jenen hochgelobten Aspekten unserer Zivilisation, welche die Zerstörung der Erde in diesem Ausmass erst ermöglicht und ihre ideologische Wegbereitung zu einem grossen Teil zu verantworten haben.

Die folglich blinde Lösungssuche wird solange fortdauern, bis wir erkennen, dass wir nicht die Krone der Schöpfung sind, endlich aus dem christlichen Denkschema der Mensch-Zentriertheit (Anthropozentrismus) ausbrechen und lernen, mit der Natur zu leben. Wir müssen uns als Teil der Erde erkennen und sie nicht mehr als blosse Ressource und Eigentum betrachten (diese Problematik ist den wenigen noch ursprünglich lebenden Völkern selbstverständlich, was mit ein Argument ist, ihnen Land abzunehmen – sie besitzen es ja nicht).

Mit der Ablehnung einer anthropozentristischen Perspektive wird es selbstverständlich, dass wir Menschen keine speziell wichtige Rolle erfüllen und somit auch nicht wichtiger oder wertvoller als andersartiges Leben sind, weil jede Lebensform im Netz des Lebens seine/ihre Aufgabe hat – genauso wie Männer nicht wichtiger oder wertvoller sind als Frauen, Weisse nicht wertvoller als Schwarze, Reiche nicht wertvoller als Arme etc. Wer die Grundhaltung von der Verbundenheit des Lebens versteht, dem/der muss sexistische, rassistische oder anderswie durch Unterschiedlichkeit begründete Diskriminierung total fremd sein, weil es einer entgegengesetzten Weltsicht entspricht (aber wer hat zum Beispiel noch keine machoiden Antifas oder rassistische Tierfreunde erlebt?).

Noch weit von einer solchen natürlichen und holistischen Grundhaltung entfernt, sehen wir Menschen uns stattdessen als etwas Grosses und Besonderes, weil wir taktvoll über die Tücken des Lebens philosophieren können oder stolz die grossen Städte der Welt als Zeugen unserer Vernunft präsentieren. Dabei vergessen wir, dass wir uns selbst (und mit uns die ganze Welt) auf eine riesige Katastrophe zusteuern, weil die kalte Welt aus Zement und Plastik - Zuflucht für lebensunfähige und verhaltensgestörte Vernunftstiere - ihre eigene Lebensgrundlage bis aufs Blut aussaugen muss, um funktionieren zu können: Wir zerstören Regenwälder, welche Heimat zahlreicher Pflanzen, Tiere und einiger noch ursprünglich lebender Stämme sind, um auf dem Land Getreide und Soya für Vieh anzubauen. Wir domestizieren Tiere, um sie als Produktionseinheiten oder Haustiere zu missbrauchen und wir kreieren sogar neue Lebensformen, passend nach unseren Wünschen gestaltet (Bsp. Kentucky Fried Chicken => KFC). Die Tiere stellen für den Menschen lediglich Objekte dar, welche erst durch unsere Nutzung eine sinnvolle Existenz erhalten: für Nahrung, um Drogen und Kosmetika zu testen, für Pelz, Wolle, Seide und Leder, zur Unterhaltung in Zoo und Zirkus und natürlich Haustiere als gute Freunde oder Beschützer.

Jede Spezies, welche durch den Menschen domestiziert wurde, ist nach ihrem durch uns bestimmten Zweck erschaffen worden. Haustiere wie Hunde und Katzen zu lieben und gleichzeitig der Ausbeutung anderer Arten völlig gleichgültig und desinteressiert gegenüber zu stehen, zeigt unseren Glauben, dass ein jedes Tier genau so wertvoll ist, wie wir ihm/ihr durch Züchtung zugestehen – und somit hervorragend den Grad unserer eigenen Domestizierung, da unsere Gefühlswelt den durch den Menschen künstlich aufgestellten Mustern und Hierarchien zu unterliegen scheint – wir versklaven und entfremden nicht nur die Natur, sondern auch uns selbst!

Welche Argumente sollen oder können eine solche Gesellschaft rechtfertigen? Gibt es denn überhaupt ein Argument, welches nicht auf einem anthropozentristischen Weltbild basiert? Manche mögen sich rechtfertigen, dass auch Tiere sich gegenseitig töten würden um zu überleben, und dass es somit natürlich wäre, sich auch von ihnen zu ernähren. Nun, den Ausdruck natürlich zu benutzen, um den modernen Lifestyle unserer westlichen Zivilisation zu verteidigen, welcher die totale Zerstörung und Abkapslung von der Erde und ihren Kreisläufen bedeutet, zeigt eine wohl nicht besonders ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Ausserdem ist die Befreiung der Tiere kein Thema für Menschen, welche in und mit der Natur leben – in einem solchen Zustand natürlicher Harmonie ist jegliches Leben frei, und (über-)leben und sterben gehört als fester Bestandteil zu dieser Welt. Es ist aber ein Thema, dessen wir uns bewusst sein müssen, weil wir in einer absolut unnatürlichen Gesellschaft von Reichtum und Überfluss leben, wo wir von allem nicht nur genug, sondern zuviel haben. Es ist ein Thema, dessen wir uns bewusst sein müssen, weil wir in einer scheinheiligen Gesellellschaft leben, wo Haustiere geliebt und gleichtzeitig Millionen anderer Tiere für ihr Fleisch, ihre Milch, ihre Haut und ihr Fell versklavt und ermordet werden.

Es ist ein Thema, dessen wir uns bewusst sein müssen, weil wir in einer arroganten und masslosen Gesellschaft leben, wo Tausende Versuchstiere gefoltert und ermordet werden, um Medikamente oder lediglich verfluchte Kosmetikartikel zu testen, nur damit mann nach einer durchzechten Nacht ohne Kopfschmerzen zur Arbeit fahren oder dass frau genauso barbiehaft wie die Girls in der Werbung aussehen kann. Schliesslich existiert kein Unterschied zwischen der Struktur von Rassismus, Sexismus und anderen künstlichen Hierarchien und derjenigen von Speziesismus, welcher den Glauben definiert, dass Menschen wertvoller seien als jegliches anderes Leben.

Wir müssen unser Denken von allen künstlichen Formen von Hierarchie befreien, und dies benötigt einen starken Drang, weiterkommen zu wollen und sich nicht von Dogmen und althergebrachten Denkweisen stoppen zu lassen, kritisch zu sein gegenüber Altem und Neuem und sich nicht zu scheuen, eigene Werte und Verhaltensweisen über Bord zu werfen. Anarchie darf nicht nur den Menschen beinhalten, sondern muss die ganze Welt mit einbeziehen, denn Freiheit kann nur dann wirklich gelebt werden, wenn keine künstlichen Hierarchien mehr existieren, seien diese nun auf dem Buckel von Menschen oder auf anderem Leben errichtet.

anti-coyright: take what you want from where you want whenever you want, fuck the system!